Rede von
Emil
Kemmer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Es bedarf wohl keines Beweises, daß die Schmutzflut, die heute durch jugendgefährdende Schriften über unsere Jugend hereingebrochen ist, wirklich zu einer ernsten Gefahr für unsere Jugend geworden ist. Den Verantwortlichen aller Kreise und aller Richtungen ist ebenfalls klar, daß die Jugend, insbesondere die Jugend unter 16 Jahren,- davor geschützt werden muß. Erst darüber, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um einen wirklichen Schutz zu erreichen, gehen die Meinungen auseinander.
Dor uns vorliegende Gesetzentwurf findet grundsätzlich die Zustimmung unserer Fraktion. Wir sind allerdings der Meinung, daß der Änderungsvorschlag des Bundesrates, der in § 1 nur Schriften aufnehmen will, die sittlich erheblich gefährden, das ganze Gesetz verwässert.
Hier muß einfach die Fassung des Regierungsentwurfs bleiben.
Welches sind nun die hauptsächlichen Gegenargumente, die gegen eine Einschränkung der Herstellung und des Vertriebs solcher Schriften überhaupt und gegen dieses Gesetz im besonderen immer wieder erhoben werden? Die Gründe sind im allgemeinen die gleichen, wie sie 1926 angeführt worden sind, als damals ein ähnliches Gesetz beschlossen wurde. Sie waren damals ebensowenig stichhaltig wie die düsteren Prophezeiungen, die man von interessierter Seite dem Gesetz mit auf
den Weg gegeben hat, die sich in der Praxis ebenfalls nicht erfüllt haben.
Meine Damen und Herren! Kein verantwortungsbewußter Erzieher kann in Fragen der Literatur und des Schrifttums den Jugendlichen dem Erwachsenen gleichstellen. Beim Jugendlichen liegen die Grenzen ganz anders als beim Erwachsenen. Dieser Grundsatz ist vom Grundgesetz anerkannt. Dieses Gesetz ist also keine ungebührliche Freiheitsbeschränkung, sondern jeder Mißbrauch der Freiheit führt einfach zu einem Zwang. Es gibt nur eine Möglichkeit, die Freiheit zu sichern; das ist: sie vor dem Mißbrauch, vor dem eigenen Mißbrauch zu schützen. Es geht also nicht um die Freiheit allein; es geht um die richtige Einheit von Freiheit und Ordnung.
Man sagt, das Gesetz bleibe wirkungslos, man treibe den Schmutz ins Dunkle und mache ihn dadurch noch gefährlicher. Ich bin überzeugt, daß schon die Tatsache der Hemmungen in diesem Gesetz allein die Leute, die mit dem Schmutz doch Geschäfte machen, d. h. Geld verdienen wollen, bei der Produktion viel vorsichtiger werden läßt, und ein Schwarzhandel mit derartigen Dingen wird nie ein gutes Geschäft werden. Darum aber geht es diesen Leuten doch zuerst.
Es ist richtig, daß jedes Verbot erst aufmerksam macht. Aber, meine Damen und Herren, das trifft im Einzelfall zu, wenn einmal ein einzelnes Buch verboten wird, während die Masse der verbotenen Dinge nicht gefragt wird. Im übrigen liegen die Listen ja nicht öffentlich auf, und die Propaganda oder die Werbung mit den Listen ist ja ebenfalls strafbar. Wenn diese Dinge einmal nicht mehr an den Kiosken und in Schaufenstern ausgestellt sind, werden sie nur noch selten gekauft werden, und daher kommt ja das ganze Geschrei von diesen Stellen. Ich weiß, daß der Buchhandel schwer zu ringen hat. Ich weiß auch, daß vor allem Verleger, Künstler und Journalisten sich gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben. Aber warum haben sie denn nicht durch eine freiwillige Selbstkontrolle hier einen Riegel vorgeschoben? Trotz aller Bitten und Warnungen, trotz aller Aufrufe und Resolutionen namhafter Persönlichkeiten und Verbände war das nicht möglich. Mögen doch die Autoren, Buchhändler und Verleger das Gesetz dadurch überflüssig machen, daß sie gute und saubere Schriften auf den Markt bringen, die von der Jugend gern gelesen werden.
Wir bitten daher auch die Regierung inständig, kein Mittel unversucht zu lassen und kein Opfer zu scheuen, um diese Bestrebungen zu unterstützen; denn das ist ein weiterer und berechtigter Einwand: wir müssen positive Maßnahmen treffen, die negativen allein genügen nicht.
Man wendet gegen dies Gesetz insbesondere ein, daß die Prüfstellen ihre Kontrollbefugnisse mißbrauchen könnten und — das wäre das Allerschlimmste — daß eine Schrift, die von der Prüfstelle eines Landes auf die Liste gesetzt wird, damit im ganzen Bundesgebiet verboten ist. Dazu ist folgendes zu sagen. Erstens: Die Zusammensetzung der Länderprüfstellen ist so oder kann zumindest so gestaltet werden, daß die Gewähr gegeben ist, daß ein Mißbrauch ausgeschlossen ist. Zweitens: Gegen ein Fehlurteil ist sofort die Beschwerde bei der Bundesprüfstelle möglich. Drittens: Was ist aber nun durch ein Fehlurteil eines Landes bis zur Aufhebung dieses Fehlentscheides wirklich passiert? Wenn die Schrift dadurch für das ganze Bundes-
gebiet auf die Verbotsliste kommt, dann war sie eben für Jugendliche unter 16 Jahren — und darum geht es ja — für diesen kurzen Zeitraum verboten. Meine Damen und Herren, solange die Gesundheitspolizei nicht weiß, ob etwas Gift ist, darf sie es nicht freigeben. Stellt sich heraus, daß es kein Gift ist, kommt die Freigabe noch früh genug. So ist es auch hier. Ich bin allerdings der Meinung, daß entgegen der Begründung im Regierungsentwurf Vertreter der Jugendverbände mit in den Prüfstellen sein sollten. Erstens ist es gut, wenn die Jugend durch ihre Vertreter selber solche Schriften ablehnt, und zweitens ist die Begründung, daß die Vertreter der Jugendorganisationen nicht die nötige Reife und Erfahrung des Urteils hätten — wenn ich mir die führenden Leute vor allem der großen Jugendverbände heute ansehe —, schon eine sehr unberechtigte und auch unbillige Feststellung.
Die Hauptwaffe gegen dieses Gesetz - das ist eine alte Geschichte — ist natürlich Spott, Hohn und Ironie. Das beeindruckt uns aber gar nicht, wenn wir auch die Bitte aussprechen, wenigstens hier bei der Debatte davon keinen Gebrauch zu machen; denn nichts ist leichter und geistloser, als hierüber Witze zu machen.
Ich habe hier kein Material vorgelegt, und ich will auch nicht auf Einzelheiten zu sprechen kommen. Dazu ist im Ausschuß Zeit und Gelegenheit, und ich weiß aus der bisherigen Arbeit, daß vor allem im Ausschuß für Jugendfürsorge von den Mitgliedern aller Parteien gerade deshalb sehr sachlich und ernst auch an diesem Problem gearbeitet werden wird, weil dort wirklich alle nur das Wohl unserer Jugend vor Augen haben, und darum — und nur darum — geht es hier. Ich bitte das Hohe Haus, den Antrag dem Ausschuß für Jugendfürsorge als federführendem Ausschuß zu überweisen.