Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Mein Vorredner war der Meinung, es handle sich hier um ein finanztechnisches Gesetz. Meine Fraktion kann dieser Auffassung nicht zustimmen. Es handelt sich um ein politisches Gesetz von äußerster Tragweite, insbesondere von großer Tragweite für die ungeheuerlichste Belastung der Bevölkerung Westdeutschlands durch die Besatzungskosten.
Was sind die wesentlichsten Gesichtspunkte, die sich aus dieser Vorlage ergeben? Erstens. Es wird eine freiwillige Verantwortung seitens der Bundesregierung zur Aufbringung der Besatzungskosten übernommen. Bisher gab es eine solche Regelung nach deutschen Ländergesetzen nicht. Die Landeshaushalte übernahmen die Auflagen der Besatzungsmächte und führten sie mit der Begründung durch, es handle sich um einen Zwang, dem man sich nicht entziehen könne. Mit dieser Vorlage jedoch erklärt die Bundesregierung, daß sie ungeachtet der ungeheuerlichen Not, in der sich unser Land befindet, die Absicht hat, eine freiwillige Verpflichtung für die Aufbringung der Besatzungskosten in jeder geforderten Höhe zu übernehmen. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß, wenn wir schon fünf Jahre nach Kriegsende hören, daß die Besatzungsmächte auf unbeschränkte Zeit hierzubleiben gedenken und daß sie sich dieses Hiersein in einer ungeheuerlichen Höhe vom deutschen Volke bezahlen lassen wollen, sie die Aufbringung der Kosten kraft der militärischen und politischen Gewalt, die sie besitzen, befehlen sollen. Es ist für eine Regierung, die sich deutsche Regierung nennt, unwürdig, eine solche gewaltige Belastung aus freien Stücken zu übernehmen und diese Belastung damit als Ausfluß deutscher Gesetzgebung zu deklarieren.
Zweitens. Mit dieser Vorlage soll die Frage der Besatzungskosten aus dem Bereich der Länderverantwortung herausgenommen werden. Ich kann mir vorstellen, daß es der Adenauer-Regierung peinlich ist, zu sehen, wie da und dort gewisse Länderregierungen gegen die unerträgliche Höhe der Besatzungskosten, die ihnen aufgebürdet wird, Widerstand geleistet haben und noch leisten. Es gab einzelne Länderregierungen, die, angetrieben von entsprechenden Beschlüssen ihrer Landtage, ein wenig Zivilcourage hatten, indem sie bei den Landesmilitärregierungen Proteste erhoben oder indem sie detaillierte Aufstellungen über die Zusammensetzung der Besatzungskosten machten. Ich kann mir denken, daß der Petersberg nun dadurch eine bessere Garantie für die Behandlung dieser Fragen erhält, daß die Bundesregierung statt der in gewissen Dingen „unzuverlässigen" und näher an der Not der Bevölkerung sitzenden Länderregierungen sie handhabt. Wesentlich aber ist, daß sich hier eine Art Geheimpraxis anbahnt, die wir unter allen Umständen abzulehnen haben. In der Begründung der Regierung heißt es, daß die Besatzungsbehörden den Gesamthaushaltsplan für die Besatzungskosten bereits der Regierung zugeleitet haben. In einem anderen Material heißt es, daß dies am 8. März geschah. Inzwischen sind vier Monate vergangen,
und die Mitglieder dieses Hauses sind noch nicht in der Lage, auch nur ungefähr von dem Inhalt dieses von den Besatzungsbehörden aufgestellten Haushaltsplans über die Besatzungskosten Kenntnis zu nehmen. Meine Fraktion verlangt erstens ganz entschieden, daß die Regierung diesen Gesamthaushaltsplan für Besatzungskosten den Mitgliedern des Hauses vorlegt. Meine Fraktion verlangt zweitens, daß es keinerlei Vermischung gibt in der Behandlung der Besatzungskosten und der Behandlung anderer Kriegsfolgelasten. Ich erlaube mir darum, einen entsprechenden Änderungsantrag dem Herrn Präsidenten zu übergeben.
Meine Fraktion verlangt drittens,
daß eine genaue Aufstellung über die Zusammensetzung der Ausgaben gemacht wird, und zwar nicht nur derjenigen Ausgaben, die von den Besatzungsmächten als Besatzungskosten anerkannt sind, sondern auch insbesondere derjenigen, die die Besatzungsmächte nicht als Besatzungskosten anerkennen. Ich erwähne aus der amtlichen Begründung, daß sich hierunter Posten befinden wie Aufwendungen für die „Kontrollorganisationen für Handel und Verkehr", für „Zivile Luftfahrt", „Kulturelle Zwecke" und ähnliches mehr. Ich mache vor allem darauf aufmerksam, daß nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 bestimmte Leistungen, die von der Alliierten Hohen Kommission nicht als Besatzungslasten anerkannt werden, sich unter anderem auf den „Bau von strategischen Anlagen und Einrichtungen" beziehen.
Wenn es also so ist, daß mittels des Besatzungskostenhaushalts die Vorarbeiten für einen künftigen Krieg, die vom alliierten Generalstab angeordnet sind, finanziert werden sollen, dann muß man das der Öffentlichkeit mit aller Deutlichkeit sagen. Wir werden auch keinen Augenblick versäumen, die Bevölkerung gegen diese verschleierten Rüstungsfinanzierungen aufzurufen. Herr Adenauer hat mit dieser Vorlage nichts anderes unternommen, als einen verschleierten Rüstungsetat auszuarbeiten. Er möchte damit unter Anwendung der besonderen Methode der Ausschaltung der Mitbestimmung durch die Länder seinen Etat zur Sicherung der reaktionären Ordnung aufstellen,
einer Ordnung, die für die Kolonialherren eine Sicherung dahin bedeutet, daß die Rechte des Volkes keine Beachtung finden.
Meine Fraktion wird sich, da sie aus dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ausgeschaltet ist, darauf konzentrieren, die Öffentlichkeit auf diese Verschwörung aufmerksam zu machen, die auf dem Petersberg zwischen der Hohen Kommission und der Bundesregierung hier ausgeheckt worden ist.