Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem uns hier vorliegenden Gesetz handelt es sich meines Erachtens um eine finanztechnische Gesetzesvorlage, bei deren Behandlung wir wohl kaum in der Lage sind, entscheidende politische Probleme wie etwa die Eingliederung Berlins in das Bundesgebiet zu lösen. Ich möchte mich deshalb in meinen Ausführungen auf den einzigen finanztechnischen Gesichtspunkt beschränken, bei dem überhaupt innerhalb des Bundesrates verschiedene Meinungen zur Erörterung gestanden haben, und zwar ist das die Frage der Interessenquoten der Länder, also der Beteiligung der Länder an den Kriegsfolge- und Besatzungslasten des Bundes.
Wir haben darüber in dem Protokoll des Bundesrates sehr umfangreiche und aufschlußreiche Ausführungen lesen können, und auch eben sind in der Rede des Herrn Finanzministers von Rheinland-Pfalz zusätzliche Gesichtspunkte vorgetragen worden. Aber ich glaube, daß es für uns als Abgeordnete des Bundestages, die im Augenblick neu vor dieses Problem gestellt werden, doch von Wichtigkeit ist, die reichhaltigen und vielfach verschlungenen Ausführungen der Finanzsachverständigen, der Finanzminister, einmal zu entflechten, um ein klares Gerippe herauszustellen, damit schließlich auch der einfache Steuerzahler draußen im Lande einen Begriff davon bekommt, worum es eigentlich geht.
In diesem Sinne möchte ich einmal folgendes herausstellen. Im Bundesrat hat allgemeine Einigkeit darüber bestanden, daß die Länder die im § 2 vorgesehenen Anteile an den Besatzungs- und sonstigen Kriegsfolgelasten in ihrer Gesamtheit tragen sollen, weil die Bundesmittel allein nicht ausreichen, um diese Kosten zu decken, weil eben der Bund das Geld nicht hat.
Weiter hat Einigkeit darüber bestanden, daß der Weg über den Art. 106 Abs. 3, also die Heranziehung nach der Höhe des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer, nach dem Grundgesetz an sich zulässig ist. Verschieden waren die Meinungen im Bundesrat lediglich darüber, ob auch ein anderer Weg der Heranziehung der Länder, eine andere Schlüsselung der Beiträge der Länder zulässig und zweckmäßig ist, nämlich der Weg, nach dem die Länderanteile statt nach dem Schlüssel des Einkommensteueraufkommens, also nach dem Schlüssel der Leistungsfähigkeit, nach dem tatsächlichen Anfall der entsprechenden Lasten in diesen Ländern verteilt werden sollten. Die einen wollen also die in Betracht kommenden 1,135 Milliarden, die die Länder zu tragen haben, nach dem Schlüssel der Steuerkraft unterverteilen, und die anderen wollen sie nach dem zufälligen lokalen Anfall dieser Lasten in den einzelnen Ländern unterverteilen.
Meine Damen und Herren! Ich hätte den Wunsch, daß wir hier im Bundestag die Verhandlungen nicht unter dem Gesichtspunkt des Kampfes der Interessenten gegeneinander führen. Ich meine, wir sollten versuchen, einen Standpunkt herauszuschälen, der objektiv dem Wollen des Grundgesetzes entspricht, und einen Standpunkt, von dem aus im übrigen zugleich eine sachgemäße und gerechte Lösung möglich ist. Ich glaube, es handelt sich hier um einen typischen Fall, wo nicht der Interessenstandpunkt des Landes, dem der einzelne Abgeordnete gerade angehört, für die Entscheidung des einzelnen maßgebend sein darf, sondern wo ein jeder
von uns als Wahrer des Rechtes und des wohlverstandenen Interesses des gesamten Volkes zu urteilen hat. Wir wollen also nicht als Vertreter der finanzkräftigen oder finanzschwachen Länder urteilen, sondern als Vertreter des gesunden, im Grundgesetz verankerten Föderalismus, der die Finanzhoheit der Länder einerseits respektiert, andererseits aber die Bundeslast der Kriegsfolgen gerecht auf die Gesamtheit der Länder verteilt.
Wenn ich in diesem Sinne einmal den Versuch mache, die bisher geltend gemachten Gesichtspunkte einander gegenüberzustellen, so glaube ich, daß wir damit eine gewisse Vorarbeit für die Ausschußarbeiten leisten können.
Ich möchte zunächst die Frage behandeln, ob es zulässig ist, außerhalb des Weges des Art. 106 Abs. 3, also der Heranziehung nach dem Einkommensteueraufkommen, auch noch den anderen vom Gesetzentwurf hier vorgesehenen Weg zu gehen. Der Art. 106 des Grundgesetzes hat mehrere Absätze. Der erste und der zweite Absatz legen fest, welche Steuern dem Bunde zufallen und welche Steuern den Ländern zufallen. Der Absatz 3 behandelt die Frage, was zu geschehen hat, wenn der Bund mit seinen Steuereinnahmen nicht auskommt, und legt dann fest, daß, wenn der Bund nicht auskommt, der Fehlbetrag nach dem Schlüssel des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer umzulegen ist. Damit wird der Standpunkt derjenigen begründet, die den Wunsch haben, diesen letzteren Schlüssel zugrunde zu legen.
Der Art. 120, auf den sich die Vertreter der anderen Auffassung berufen, besagt, daß der Bund Träger der Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes ist. Daraus folgern nun die einen, daß nur der Rahmen der Lasten, der Inhalt der Lasten durch dieses Bundesausführungsgesetz festgelegt werden soll und kann, während die andere Seite den Standpunkt vertritt, daß auch der Schlüssel, nach dem ein Teil dieser Lasten auf die Länder unterverteilt werden soll, durch dieses Ausführungsgesetz abweichend von Art. 106 Abs. 3 geregelt werden kann.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, zu einem Punkt der Vorlage müßte wohl Einigkeit bestehen, darüber nämlich, daß die Vertreter der letzteren Auffassung nicht auf dem richtigen Wege sind; denn im Art. 120 befindet sich der Zusatz „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" nur bei dem Passus „Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten", nicht aber bei dem später nach dieser Einfügung stehenden Passus „die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge". Danach scheint mir eins klar zu sein, daß man diese letztgenannte Position, die die Ziffer 6 des § 2 der Vorlage bildet, nicht außerhalb des Art. 106 Abs. 3 behandeln kann.
Im übrigen müssen der Haushaltsausschuß und der Finanzausschuß die Rechtsfrage, ob es nun zulässig ist, einen anderen Weg als den des Art. 106 Abs. 3 zu gehen, eingehend prüfen. Wir haben uns in unserer Fraktion ein endgültiges Bild über diese Frage bisher noch nicht gemacht. Die Gesichtspunkte, die zu beachten sind, glaube ich kurz angedeutet zu haben.
Aber nun die zweite Frage: der Zweckmäßigkeit des einzuschlagenden Weges! Soll man den Weg von Art. 106 Abs. 3 gehen, oder soll man den Weg gehen,
den die Regierungsvorlage vorschlägt? Ich glaube, daß ich nicht irre, wenn ich annehme, daß die Scheu, den Art. 106 Abs. 3 hier anzuwenden, etwas aus dem Gefühl entsprungen ist: wir wollen unter keinen Umständen einen Anfang damit machen, Lasten des Bundes damit zu decken, daß Anteile der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch genommen werden. Ich teile diesen Wunsch durchaus, und ich glaube, insbesondere meine Fraktion teilt diesen Wunsch weitgehend, weil wir ja Anhänger des föderalistischen Prinzips sind. Aber ich glaube, wir dürfen darauf hinweisen, daß es doch noch ein Unterschied ist, ob man sagt, daß ein bestimmter Prozentsatz der Einkommen- und Körperschaftsteuer laufend für irgendwelche Bundeszwecke zur Verfügung gestellt wird, oder ob man eine bestimmte Summe, wie das die Gesetzesvorlage hier tut, absolut unabhängig davon zunächst festlegt und dann diese Summe nach dem Schlüssel des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer unterverteilt. Da scheint mir zumindest der Gesichtspunkt des föderalistischen Prinzips — Sicherung der Einkommensteuer für die Länder — wesentlich unwichtiger zu sein als im andern Falle.
Weiter wird zur Zweckmäßigkeitsfrage das sogenannte Erziehungsprinzip geltend gemacht. Man will die Länder an der Niedrighaltung der Kosten interessieren, weil man befürchtet, wenn die Länder sich sagen könnten, daß die ganze Sache, wie man früher sagte, „auf Regierungsunkosten" geht, dann würden sie nicht so sparsam arbeiten, wie wenn sie es allein zu bezahlen hätten. Der Gedanke ist zweifellos gesund. Er wird zwischen Ländern und Gemeinden seit Jahren und Jahrzehnten gehandhabt. Aber er wird ja auch praktisch gehandhabt, wenn die Summe, die die Länder insgesamt zu tragen haben, nach bestimmten Anteilen auf die Länder unterverteilt wird, nur daß das Interesse des einzelnen Landes in diesem Falle nicht ganz so groß ist wie in dem Fall, wo der eigene Kostenanfall der alleinige Schlüssel ist, nach dem sich die Höhe der eigenen Zahlung richtet.
Meine Damen und Herren! Der Gesichtspunkt, der nun dafür geltend gemacht wird, daß man nicht den Vorschlag der Regierungsvorlage wählt, ist der, daß man die Länder bei der Tragung der Bundeslasten nach ihrer Leistungsfähigkeit heranziehen müsse. Dieser Gesichtspunkt stellt auf einem ande-red Gebiete so etwas wie einen sozialen Gedanken dar, und vielleicht wird man sich doch entschließen, diesem Gedanken vor den anderen mehr technischen Erwägungen den Vorrang zu geben. Das um so mehr, als wir ja die französische Zone — das darf doch wohl objektiv festgestellt werden — bei dem in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Schlüssel weit mehr belasten als die anderen Zonen, ausgerechnet die Zone, die doch in den letzten Jahren durch viel höhere Besatzungslasten schon eine ganz erhebliche Vorleistung auf diesem Gebiete erbracht hat. Die Besatzungslasten der französischen Zone sind ja neuerdings noch einmal um 200 Millionen erhöht worden, während die der Bizone um 700 Millionen gesenkt worden sind. Wenn wir dem Vorschlag der Regierungsvorlage folgen, würde also hier erneut eine zusätzliche Bestrafung der französischen Zone stattfinden.
Das sind die Gesichtspunkte, die ich hier kurz vortragen möchte und die, wie ich glaube, in den Ausschüssen einer eingehenden Prüfung unterzogen werden müssen. Wenn ich zum Schluß meine persönliche Auffassung äußern darf, dann möchte ich folgendes empfehlen: Man sollte vermeiden, verfassungsrechtliche Risiken einzugehen, und man sollte
sich im übrigen für die Regelung des Art. 106 Abs. 3 schon deshalb entscheiden, weil es sich hier um die im Grundgesetz verankerte Unterverteilung zusätzlichen Bundesbedarfs handelt und es doch wohl am besten ist, wenn wir diesen Gedanken des Grundgesetzes verwirklichen.