Rede:
ID0106803200

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Nuding.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag. — 68. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 13. Juni 1950 2457 68. Sitzung Bonn, Dienstag, den 13. Juni 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 2457C, 2502D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Schlange-Schöningen 2457C Eintritt des Abg. Horn in den Bundestag 2457C Anfrage Nr. 76 der Fraktion der FDP betr. Verwendung der als erste Hypothek ausgegebenen ERP-Mittel (Drucksachen Nr. 92G und 1012) 2457C Anfrage Nr. 81 der Fraktion der BP betr. Abkommen über die Inanspruchnahme von privatem Wohnraum und von Hotels durch die Besatzungsmächte (Drucksachen Nr. 959 und 1015) 2457D Interfraktionelle Erklärung betr. Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie 2457D Löbe (SPD), Alterspräsident . . 2457D Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 2458B Abstimmung 2459A Unterbrechung der Sitzung 2458C, 2459A Ausschluß des Abg. Reimann für 30 Sitzungstage 2458D Unterbrechung der Sitzung . 2458D Erste und zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Eu- roparat (Drucksache Nr. 984) 2459B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 2459B Dr. von Brentano (CDU) 2466D Dr. Schumacher (SPD) 2470B Dr. Schäfer (FDP) 2478B Dr. Seelos (BP) 2481A Blücher, Vizekanzler 2484D Frau Wessel (Z) 2485B Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 2490A Dr. von Merkatz (DP) 2493B Tichi (WAV) 2496A Nuding (KPD) 2496C Dr. Miessner (DRP) 2500C Clausen (SSW) 2501B Dr. Dorls (SRP) 2501B Dr. Leuchtgens (DRP) (Persönliche Bemerkung) 2502C Nächste Sitzung 2502D Die Sitzung wird um 9 Uhr 24 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Hans Tichi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade die ungeheuerlichen Ereignisse im Osten, die jedem Deutschen die Schamröte ins Gesicht treiben und die heute früh in diesem Saal so stürmischen Widerhall fanden, haben uns bestimmt, zur Frage des Europarats eine klare Stellung zu beziehen. Ich habe deshalb im Namen meiner Fraktion nachstehende Erklärung abzugeben.
    Mir und meinen Freunden ist es klar, daß der Bundestag vor einer bedeutsamen außenpolitischen Entschließung steht, die in ihrer Folge und in ihren Zusammenhängen aufs engste mit dem kommenden Weltgeschehen verbunden ist. Die Fraktion der WAV hat schwerste Bedenken gegen einen Beitritt zum Europarat im gegenwärtigen Zeitpunkt. Wenn die WAV-Fraktion trotzdem der Beitrittserklärung zustimmen wird, dann nur deshalb, damit im Ausland eine Weigerung, dem Europarat beizutreten, nicht etwa falsch aufgefaßt werden könnte, als wolle Deutschland eine Zusammenarbeit mit den Mächten der westlichen Zivilisation irgendwie ablehnen. Die Fraktion der WAV erklärt mit aller Entschiedenheit, daß eine Zustimmung zur Beitrittserklärung keineswegs irgendeine Anerkennung des selbständigen Charakters des Saargebiets oder eine nachträgliche Anerkennung der Unterschrift der Regierung unter das Rubrstatut bedeuten würde. Ebenso erklärt meine Fraktion feierlich. daß die Einheit der Deutschen im Osten und im Westen für sie eine unverzichtbare Forderung ist. die wir niemals preisgeben werden und können. Die WAV-Fraktion hofft. daß der Weg 7U einer völligen Gleichberechtigung Deutschlands im Europarat nach erfolgtem Beitritt möglichst abgekürzt werden kann, damit endlich einmal Frieden und Freundschaft unter den Völkern Europas und der Welt einkehrt.

    (Beifall bei der WAV und bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nuding.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Nuding


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Wenn ich die Rede des Herrn Abgeordneten Becker und insbesondere die Rede des Herrn Kollegen Merkatz nehme, so kommt mir der Gedanke, daß die Gesellschaft, die Sie verteidigen, nahezu 100 Jahre die Möglichkeit zur Vereinigung Europas hatte. In dieser Zeit hat sie sich als unfähig erwiesen. Das, was Sie heute versuchen, ist noch weniger wert als Ihre Versuche in der Vergangenheit; denn heute könnten Sie schon nur noch ein Rumpfeuropa einigen. Aber selbst dazu ist Ihnen die Möglichkeit genommen, weil Sie nur so weit gehen dürfen, wie der amerikanische Imperialismus es Ihnen erlaubt.

    (Sehr wahr! bei der KPD.)

    Eine andere Möglichkeit gibt es dabei nicht.
    In der ganzen Diskussion kam zum Ausdruck, daß die Triebkraft für die Vereinigung Europas — und die Schaffung der westeuropäischen Union, muß man klar sagen — Furcht ist. Furcht wovor? — Das ist in verschiedenen Formen zum Ausdruck gebracht worden: Furcht vor den gewaltigen sozialen Kräften, die Sie nicht mehr im Banne halten können

    (Sehr wahr! bei der KPD)

    und die Sie zu bekämpfen versuchen. Herr von Merkatz hat es mit den untauglichen Mitteln eines Metternich versucht, und der Rattenfänger von Braunau, wenn er leben würde, hätte sich an dieser Rede gefreut. Denn auch er wollte die Grenzen soweit wie möglich nach dem Osten verlegen.

    (Abg. Spies: Heute entgegengesetzt: der Osten nach dem Westen!)

    Das Resultat seiner Schaukelpolitik war ein umgekehrtes. So wird es heute auch Ihnen gehen. Denn die Probleme, die zu lösen sind, lauten nicht: Koordination der Rüstungsgewinnler und Kriegstreiber aus Vergangenheit und Gegenwart, sondern: Schaffung anderer sozialer Zustände, die es den Menschen ermöglichen, in Frieden zu leben.

    (Sehr wahr! bei der KPD. — Lachen bei den Regierungsparteien. — Zuruf rechts: Russische Zustände!)

    — Es haben schon einmal Leute über diese Reden gelacht. Die lachen heute nicht mehr!

    (Abg. Schröter: Kollege Müller! Der lacht auch nicht mehr!)

    Die sind in Nürnberg von denjenigen gehängt worden, mit denen Sie die Europaunion machen, für welche Ihr Herr Kollege Merkatz so warme Worte gesprochen hat.
    Nun einige Bemerkungen zu der Rede des Herrn Bundeskanzlers. Der Herr Bundeskanzler hat zu Eingang seiner Rede etwa folgende These aufgestellt: Der Atlantikpakt und der Europarat sind Einrichtungen mit verschiedenen Zielen und verschiedenen Mitgliedern. — Ist dem wirklich so? Untersuchen wir einmal: Wer sind die Väter des westeuropäischen Zusammenschlusses nach dem zweiten Weltkrieg? Nach dem ersten Weltkrieg hatten diese Bestrebungen noch einen sehr europäischen Beigeschmack. Es waren damals zwar die gleichen Feinde des Fortschritt, aber sie versuchten, die Sache von Europa aus zu machen. Nach dem zweiten Weltkrieg ist es einzig und allein der amerikanische Imperialismus und mit ihm sind es diejenigen Kreise in Europa, die das erreichen wollen, was Hitler mit den gleichen Argumenten und unter den gleichen Vorwänden nicht erreicht hat.
    Herr Adenauer und einige Redner dieses Hauses haben zum Ausdruck gebracht, man wolle den Zusammenschluß unter einem einzigen Signum, einer


    (Nuding)

    einzigen Parole, nämlich: dem Druck, der vom Osten komme, einen Gegendruck entgegenzusetzen. Aber keiner, weder der Herr Bundeskanzler noch die Redner, die nach ihm gesprochen haben, hat dem Hohen Hause gesagt, worin nun eigentlich dieser Druck besteht.

    (Abg. Dr. von Brentano: Das ist bekannt!)

    Es hat eine Zeit gegeben, als in diesem Hohen Hause davon gesprochen worden ist, daß der Westen Deutschlands und Westeuropa Magnet werden solle für die Völker des Ostens.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Anscheinend ist die Magnetzeit vorbei;

    (Zuruf von der KPD: Magnet ohne Strom!) eine andere Zeit ist gekommen. Da man unfähig ist, Magnet zu sein, also anzuziehen, muß man Druck ausüben. Natürlich, wenn man unfähig ist, den Menschen in Westeuropa und in Westdeutschland Arbeit und Brot zu geben, dann muß man ihnen, Hetze und Europa-Union geben.


    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Das ist der Sinn dieser westeuropäischen Union,
    dieser Zusammenfassung der Kräfte gegen den
    Druck, demgegenüber man nicht Magnet sein kann.
    Und was ist der Atlantikpakt? Ich glaube, man braucht keine Gründe mehr anzuführen, um zu beweisen, daß er ein Kriegspakt ist; denn wir haben wahrlich schon genug Flugplätze im Westen Deutschlands gehabt. Wenn man heute sieht, wie ihre Zahl vermehrt wird und wie die direkte und indirekte Rüstungsproduktion anläuft, wie man alles darauf abstellt, die Menschen wieder für den Krieg reif zu machen, dann wird klar, daß dieser, Pakt einen Angriffscharakter hat, daß er nichts anderes bedeutet als die Vorbereitung eines Angriffes gegen den Osten. Das sprechen die Amerikaner von Truman über Eisenhower bis hinunter zu den vielen Publizisten ganz offen und brutal aus.
    Die Ziele dieser beiden Institutionen sind also die gleichen, und die Menschen, die beide schaffen, sind ebenfalls dieselben. Wenn man Institutionen von solcher Bedeutung schallt, dann wissen die Menschen, die sie schaffen, daß sie damit ihre Interessen verteidigen. Die Imperialisten haben diesen Atlantikpakt geschaffen und werden weitere Einrichtungen schaffen, um ihre kapitalistischen Interessen zu verteidigen. Ob das zum Wohle der Menschheit ist oder nicht, das bleibt ihnen dabei gleich.
    Betrachten wir in diesem Zusammenhang die Rolle eines weiteren Projekts, von dem der Herr Bundeskanzler heute gesprochen hat: die Rolle des Schuman-Plans von dem Gesichtspunkt der Vorbereitung einer Grenzverlegung. Herr Kollege von Merkatz, ich bin Ihnen dankbar für diese klare Formulierung. Von diesem von Ihnen angeführten Gesichtspunkt her ist es notwendig, daß man auch die entsprechende wirtschaftliche Maschinerie in Gang setzt. Um diesen Kriegspakt zu untermauern, will man die deutsche Kohlen- und die französische Stahlindustrie miteinander vereinigen, um ein großeres Kriegspotential zur Vorbereitung und Durchführung des dritten Weltkrieges zu schaffen.

    (Sehr gut! bei der KPD. — Zuruf von den Regierungsparteien: Was Sie nicht alles merken!)

    Und das gibt man aus als eine Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes! Diese Vereinigung ist ja seit 25 Jahren der Traum des Herrn Bundeskanzlers.

    (Zuruf in der Mitte: Sind Sie aber gut unterrichtet!)

    — Er hat das ja selber erzählt. Lesen Sie seine Reden nicht? Das sollten Sie tun! Da kann man sehr viel lernen.

    (Heiterkeit.)

    Es steht fest: Dieser Pakt wird nicht dazu führen, die Freundschaft zwischen dem deutschen Volke und dem französischen Volke zu begründen. Das, was kommen wird, ist etwas ganz anderes: Französische und deutsche Rüstungsindustrielle werden gemeinsam das deutsche und das französische Volk ausbeuten! Eine Aussicht allerdings besteht für die Jugend beider Länder: diese Jugend darf in dem von den amerikanischen Imperialisten vorbereiteten und gewünschten Kriege — nicht gegeneinander, sondern nebeneinander — für die gleichen Imperialisten sterben!

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Und dagegen sind wir. Wir wollen das verhüten, und deshalb lehnen wir auch diesen Pakt der deutschen und französischen Industriellen ab.
    Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu der Stellungnahme der SPD zum Europarat und zur Union. Herr Schumacher hat das letzte getan, um auch den letzten Mann davon zu überzeugen, daß es für die rechte SPD-Führung gegenüber der Konzeption Adenauers sowohl im Westen Deutschlands als auch in bezug auf die Außenpolitik keine grundlegend andere Konzeption gibt. Die Differenzen beziehungsweise Nuancen hat Herr Dr. Schumacher klar zum Ausdruck gebracht. Er gibt sich vor als der bessere Garant im Kampfe gegen den Kommunismus. Nur haben ihn die Amerikaner noch nicht voll anerkannt. Vorläufig trauen sie Herrn Adenauer mehr. Aber man bewirbt sich ernstlich.

    (Zuruf: Trauen auch Sie ihm einmal?)

    — Oh, ich traue ihm allerhand zu! — Man bewirbt sich ernstlich darum. Das ist die Quintessenz der Politik, die die SPD-Führung in dieser Frage betreibt; aber nicht nur in dieser Frage, sondern auch in allen anderen Fragen. Man beruft sich auf formale Gründe; die Form sei von der Regierung nicht eingehalten worden; im Prinzip sei man dafür, aber man wolle eine andere Konzeption. Das ging ja soweit, daß die SPD — lesen Sie einmal die Schlußausführungen in der Etatrede ihres Vertreters —, sich entschuldigte, daß sie als Opposition gezwungen sei, gegen den Etat zu stimmen. So liegen doch die Tatsachen!
    Warum aber haben die beiden Herren, Herr Dr. Adenauer und Herr Schumacher, sich trotzdem so bekämpft? Der Öffentlichkeit wird es wahrscheinlich nicht so sehr bekannt werden, warum Herr Dr. Adenauer die heutige Sitzung haben wollte und' warum die SPD sie erst nach den Wahlen wünschte. Jetzt ist es klar und offensichtlich:

    (Zuruf: Woher weißt Du?)

    Man muß sich gegenseitig Wahlmaterial schaffen!

    (Lachen rechts.)

    Und derjenige, der am längeren Hebel sitzt, hat die bessere Gelegenheit für sich ausgenutzt. Man hat einer Partei Erziehungslektionen erteilt, die immerhin Millionen von Wählern aufzuweisen hat; man hat ihr gesagt, was ihre Pflicht sei und wie sie sich' zu verhalten habe. Ich bin davon überzeugt, sie wird auch verstanden haben, um was es geht. Est geht darum, eine gemeinsame Front zu schaffen im Kampf gegen den Osten, um einen Druck gegen den Osten auszuüben. In dieser gemeinsamen Front werden sie weiter zusammenhalten. Die Adenauer-Politik wird durchgeführt werden, und „Seiner Majestät konstruktive Opposition" wird gegen Herrn


    (Nuding)

    Dr. Adenauer nur die Argumente vorbringen, die sie benötigt, um die Massen ihrer Wähler bei der Stange zu halten.

    (Abg. Dr. Horlacher: Der ist gar nicht so dumm, wie er ausschaut!)

    Von dem Herrn Bundeskanzler ist das Argument der Oder-Neiße-Linie noch einmal in die Debatte geworfen worden. Diese Frage ist nicht von Deutschen gestellt worden, aber sie ist von der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik im Interesse der beiden Völker und des Weltfriedens gelöst worden.

    (Lachen bei den Regierungsparteien und Zuruf: Aber wie!)

    Daran ändert die von der äußersten Rechten bis hin zur SPD heute früh gebilligte brutale Unterdrückung der Minderheit dieses Hauses nicht einen Deut.