Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, was einige der Herren Vorredner schon gesagt haben, daß wir sehr spät in die Beratung dieses Gegenstandes hineinkommen; denn es ist ja wiederholt bei allen möglichen Gelegenheiten der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, daß eigentlich sowohl die Landwirtschaft als auch die Verbraucherschaft über die Verhältnisse des neuen Wirtschaftsjahres rechtzeitig unterrichtet sein müßten. Also müßte die Unterrichtung jetzt vor dem 1. Juli 1950 erfolgen, und es müßte dann auf der ganzen Linie die Möglichkeit bestehen, daß sich das Wirtschaftsleben, soweit es die landwirtschaftliche Seite angeht, auf diese Verhältnisse einstellt. Denn der Wirtschaftsplan für das gesamte Wirtschaftsjahr ist für die Arbeit des Bauern eine unerläßliche
Angelegenheit. Hoffentlich gelingt es in Zukunft, über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen.
Ich bin klug genug, um zu wissen, daß wir nicht allein die Verhältnisse bestimmen können, sondern daß da auch noch andere Faktoren in Frage kommen. Ich weiß auch, daß die Regierung große Schwierigkeiten hatte, bis das Gesetz in dieser Form zustande kam. Eine Reihe von Verhandlungen waren notwendig, die Entwürfe wurden wieder abgeändert; und so ist es erst nach wiederholten Beratungen und Entwürfen zu diesem Gesetz gekommen.
Es ist nach meiner Überzeugung unerläßlich, daß wir die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, daß eigentlich das Ganze, was hier an Agrargesetzen geplant ist, zusammengehört. Wenn es nach meinem Willen gegangen wäre, dann wäre ein Gesetz zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung und zur Sicherung der Versorgung unserer Bevölkerung erlassen worden,
daß man sich auf der ganzen Linie ausgekannt hätte. Da hätte man gewußt, daß wir mit den agrarischen Maßnahmen einerseits die Arbeit des Bauern entlohnen und andererseits einen gewissen Lebensstandard unserer Bevölkerung auf den verschiedensten Gebieten möglichst aus eigener Kraft garantieren wollen. Das wäre das Ziel gewesen. Aber manches läßt sich halt bei unseren heutigen Verhältnissen nicht so erreichen. Vielleicht gelingt es in der Zukunft besser.
So müssen wir uns zunächst mit dem Teilgebiet Getreide, später mit Fett- und Milchgesetz, mit Fleischgesetz, Zuckergesetz usw. beschäftigen. Das Gesetz, wie es jetzt vorliegt, hat verschiedene Grundziele. Einmal, die Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung auf dem Getreidegebiet herbeizuführen; zweitens, die Versorgung aus der eigenen Kraft möglichst zu erhöhen. Eine große Abhängigkeit von den Lieferungen des Auslandes wird ja trotzdem nach wie vor auf dem Brot- und Getreidesektor bestehen; das bringt ja unsere Lage mit sich. Das Wichtigste ist, daß mit den Produkten des Bauern nicht spekuliert werden soll, sondern daß wir möglichst das ganze Jahr hindurch stabile Preisverhältnisse durchhalten. Deswegen ist es notwendig, daß die Regierung in erster Linie — das ist im Gesetz vorgesehen — über den Versorgungsplan zu Beginn des Wirtschaftsjahres verfügt; und hier muß sich manches ändern. Ich spreche das aus. Die Ziffern aus der Zwangswirtschaft geben kein richtiges Bild mehr. Um den Bauern gegenüber den Einfuhren entsprechend in Schutz nehmen zu können, müssen wir wissen, wie die echte Produktion der deutschen Landwirtschaft in den Westzonen ist, damit sich auf Grund des Versorgungsplans der Regierung die Einfuhrmenge richtig bemessen läßt. Solange diese Berechnungen nicht stimmen, wird die Regierung Schwierigkeiten mit einem fluktuierenden Markt haben, der dann immer da sein wird. Der fluktuierende Markt bringt es dann mit sich, daß die Ausmahlungssätze und all diese Dinge nicht eingehalten werden können, weil die Grundziffern nicht stimmen. Je mehr wir zu einer Abgleichung der Verhältnisse gegenüber der Wirklichkeit kommen, um so besser wird auch der Apparat und die Überwachungstätigkeit der Regierung funktionieren.
Das ist eine Frage, die einem sehr ernste Sorgen macht; denn hier geht es wirklich um das Leben des deutschen Volkes, um die Devisen zu ersparen, die wir auf anderen Gebieten, besonders vom Jahre 1952 ab, notwendig brauchen, um unsere Arbeiter in Brot und Beschäftigung zu halten. Hier müssen wir schauen, daß wir die Staatsautorität auf den Gebieten, wo es notwendig ist, unbedingt wiederherstellen. Wir wollen keine Zwangswirtschaft mehr, wir wollen aber Ordnung und Sicherheit. Darin stimme ich mit dem Herrn Kollegen Kriedemann überein; wir sind da nicht so weit voneinander entfernt, wie es aussieht.
Wir sind in den Grundgedanken ziemlich einig. Wir brauchen für das Leben der deutschen Landwirtschaft eine Ordnung; die brauchen wir auf jeden Fall. Von mir aus heißen Sie das Planung oder wie Sie es heißen wollen, es ist mir persönlich gleichgültig. Wir brauchen die Ordnung, weil sic die Sicherheit der Produktion garantiert. Darüber brauchen wir nicht miteinander zu streiten. Ich freue mich auch, daß die Gewerkschaften in ihren Darlegungen die gleichen Gesichtspunkte zum Ausdruck gebracht haben.
Wir brauchen diese Ordnung auch mit Rücksicht auf den Marshallplan; und das spreche ich auch zur amerikanisch-britischen Seite hin. Die ganze Ordnung unserer Agrarwirtschaft ist auch ein Stück, um den Marshallplan zum Funktionieren bringen zu können. Denn der Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft ist auch das Programm der Besatzungsmächte, und da soll man dem Ratschlag der deutschen Regierung folgen, um diesen Wiederaufbau entsprechend gestalten zu können. Jetzt eilt die Sache, und wir können nicht mehr lange warten. Die Ernte reift heran, der 1. Juli steht vor der Tür, das neue Wirtschaftsjahr beginnt. Wir wollen wissen, was im neuen Wirtschaftsjahr notwendig ist.
Ich möchte aber noch folgende Grundsätze aufstellen, ohne zu sehr auf die Einzelheiten eingehen zu wollen. Ganz klar und deutlich spreche ich aus, daß wir keinen übermäßigen Behördenapparat wollen, insbesondere nicht mehr das Aufleben der alten Reichsnährstandsbürokratie, sondern wir wollen in dem neuen Getreidegesetz, was beispielsweise die Mühlenstelle oder die Einfuhr- und Vorratsstelle anlangt, einen Apparat haben, der nicht zu groß ist, der den Verhältnissen entspricht und nach kaufmännischen Grundsätzen zu arbeiten versteht.
Ich will jetzt einmal die Streitfrage der Mühlenstelle aus dem Bereich der Diskussion lassen, darüber wird im Ausschuß noch geredet werden müssen. Ich möchte mich heute dem Hauptkernstück, der Einfuhr- und Vorratsstelle zuwenden und der Bundesregierung eines klar sagen, daß sie bei uns auf schärfsten Widerstand stoßen würde, wenn sie sich etwa, so wie das früher beliebt wurde, eine Reihe von Einrichtungen neu schaffen würde, ohne das in der Wirtschaft schon Bestehende heranzuziehen. Ich darf hier auf die Lagermöglichkeiten unserer Raiffeisen-Genossenschaften, auf die Lagerhäuser des Handels, auf die Lagermöglichkeiten bei den Mühlen hinweisen. Alle diese schon bestehenden wirtschaftlichen Einrichtungen müssen in erster Linie benutzt werden, und es dürfen nicht sogenannte bundesunmittelbare Lagerverhältnisse neu geschaffen werden. Dagegen würden wir uns mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen. Es ist notwendig, daß dieser kaufmännische Apparat, der hier geschaffen werden muß, sich der schon bestehenden Verhältnisse bedient. Also die Wirtschaft muß weitestgehend eingeschaltet werden. Naturgemäß ist hier die entsprechende Ausgestaltung der Organe notwendig; ich möchte mich nicht gegen die Ausführungen des Herrn Kollegen Kriedemann wenden, sondern lediglich das eine betonen, daß auch die landwirtschaftliche Seite, soweit sie genossenschaftlich organisiert ist, in den Verwaltungsorganen und in all diesen Dingen entsprechend zur Geltung kommen muß. Das ist eine Frage, über die wir uns im einzelnen wahrscheinlich werden verständigen können.
Es kommt dann noch hinzu — da kann ich durchaus zustimmen —, daß wir der Einschaltung cines Organs des Bundestags wohlwollend gegenüberstehen. Wir werden zu prüfen haben, an welcher Stelle der gesetzlichen Bestimmungen wir das einschalten. Denn das ist ein solches Neuland, das ist eine solche Sache, die zwar gewisse Vorbilder im Auslande hat, aber deren Funktionieren man erst einmal sehen muß. Das kann man nicht allein der Selbstverwaltung der beteiligten Wirtschaftskreise oder gar der alleinigen Bestimmung des Bundesministeriums überlassen, sondern da wollen schon die Vertreter des Volkes im Parlament in irgendwelchen Organen Einfluß nehmen, so daß wir bei der Gestaltung der ganzen Verhältnisse entsprechend mitwirken und rechtzeitig unterrichtet sein können. Erschrecken Sie nicht darüber, das ist jetzt meine persönliche Meinung, wenn ich mir hier überlegt habe, ob es nicht zweckmäßig wäre, das Gesetz vielleicht auf ein Jahr zu befristen, damit wir über die Entwicklung fortlaufend genau unterrichtet werden können, damit a wir wissen, wie sich dieser Behördenapparat aufbaut, und damit wir auf den Aufbau des Behördenapparates Einfluß nehmen können. Damit kann man vielleicht gewisse Schwierigkeiten überbrücken, die in den Ausschußberatungen entstehen könnten; denn unter dem Zwang der Verhältnisse müssen wir möglichst rasch zu einer entsprechenden Entscheidung auf diesem Gebiet kommen.
Dann kommt noch hinzu, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle in der Abwicklung der Geschäfte nach kaufmännischen Gesichtspunkten funktionieren muß. Da heißt es nun im Gesetz: „nach Maßgabe der vorhandenen Haushaltsmittel". Ich weiß, daß es der Gesetzgeber anders gemeint hat; aber wer das Gesetz liest, könnte die Dinge doch falsch verstehen. Hier muß notwendig der Weg gegangen werden, daß die Aufnahme des Getreides durch entsprechende Kreditierung ermöglicht wird — bei einem Produkt wie Getreide ist das durch Lombardierung durchaus möglich —, damit hier keine Stockung in der Manipulierung der Gesamtverhältnisse eintritt. Es kommt darauf an, die ausländischen Verhältnisse mit den inländischen so zu kombinieren, daß es stabile Preisverhältnisse gibt. Deswegen braucht die Einfuhr- und Vorratsstelle die notwendige Beweglichkeit, um das nach kaufmännischen Grundsätzen manipulieren zu können.
So wird manches, was hier im Gesetz vielleicht stark betont und doch nicht so notwendig ist - wir werden uns das im einzelnen ansehen müssen —, so wird mancher Ballast noch aus vergangenen Tagen aus dem Gesetz zu entfernen sein. Die Bürokratie aus den vergangenen Tagen
hat sich noch nicht auf der ganzen Linie dem modernen Geist erschlossen, der für die Neugestaltung auf den verschiedensten Gebieten notwendig ist. Da müssen wir schon noch einigermaßen mitarbeiten.
Es wäre mir auch erwünscht, wenn der Herr Bundesminister für Wirtschaft, dessen Zuständigkeit hier im Gesetz irgendwie verankert ist, aus der Ernährungswirtschaft herauskommen würde. Die Position des Bundesernährungsministers muß allmählich gestärkt werden, sonst wird oft der Eindruck erweckt, daß der Stärkere im Sektor Wirtschaft sitzt. Das möchten wir nicht haben. Wir wollen also, daß auf diesem Gebiet die Macht des Bundesernährungs- und Landwirtschaftsministeriums verstärkt wird, damit die Verhältnisse entsprechend geregelt werden können.
Ich bin dem Herrn Minister dankbar, daß er in der Preisfrage so bestimmte Ausführungen gemacht hat. — Es ist sehr richtig, Herr Kollege Kriedemann, wenn Sie sagen: man muß dem Bauern einen entsprechenden Lohn geben; man muß die Getreidepreise entsprechend gestalten. Wir müssen naturgemäß auch auf die Lage des Verbrauchers Rücksicht nehmen; denn das ganze Zusammenspiel der Dinge hängt ja auch von der Kaufkraft der Bevölkerung ab. Nun hat der Herr Minister durchaus recht, wenn er sagt, er sei heute noch nicht in der Lage, zu diesen Dingen präzise Stellung zu nehmen; denn die Verhältnisse auf dem Weltmarkt fluktuieren. Die Dinge sollen ja ab 1. Juli entsprechend gestaltet werden, vielleicht erst ab 15. Juli.
Zuerst muß das Gesetz fertig sein, dann erst kommt der zweite Akt, dann erst können wir übersehen, wie die Weltmarktlage ist. Die Lage ist dadurch erleichtert, daß wir jetzt dem Internationalen Weizenpakt angeschlossen sind, so daß wir also die Subventionen, die die amerikanischen Farmer bekommen, nicht mehr zu bezahlen brauchen. Hier ist, glaube ich, eine Erleichterung um ungefähr lo DM pro Doppelzentner eingetreten. Das aht den Betrag der Subventionen heruntergebracht. Es wird aber die Frage zu prüfen sein: Wie steht es künftig mit den Subventionen, wie steht es künftig mit der Errechnung der Handelsspanne und all dem, was dazwischen liegt?
Glauben Sie mir - ich spreche da auch aus den Erfahrungen aus meiner Tätigkeit als Genossenschaftler —: die größten Sorgen macht hier die Gestaltung des Weges vom Erzeuger zum Verbraucher.
Wir müssen zu einer Verkürzung des Weges kommen und mit dem steigenden Konsum auch zu einer Verbilligung. Das zu erreichen ist unsere Aufgabe.
Ob da die Behörde die richtige Stelle ist, das möchte ich bezweifeln. Ich glaube, gewisse Festpreise im Ausgangspunkt und etwas freier Wettbewerb nahe dem Endpunkt des Verbrauchs könnten hier die Lage vielleicht von Grund auf ändern, so daß wir wieder zu einer Normalisierung der Zustände kommen und hier für die Masse unserer Bevölkerung eine wirklich greifbare Änderung zu ihren Gunsten herbeiführen können.
Das möchte ich dem Gesetz mit auf den Weg geben. Andere Geheimnisse möchte ich jetzt nicht verraten.
Wir werden uns ja im Ausschuß noch genügend über die Dinge unterhalten können. Ich habe mich nur bemüht, hier mit meinen Ausführungen den Gang der Ereignisse im Ernährungsausschuß nicht zu erschweren. Ich möchte ihn erleichtern. Ich freue mich darüber, daß wir bisher doch eine Plattform haben, die uns die Möglichkeit gibt, in gemeinsamer emsiger Arbeit ein vernünftiges Gesetz für die Regelung unserer Getreidewirtschaft und eines wichtigen Wirtschaftsfaktors zustandezubringen. Das würde ich wünschen. Soweit meine Kräfte dazu angetan sind, bin ich bereit, ohne Rücksicht auf irgendwelche Parteigegensätze daran mitzuarbeiten, daß wir eine Ordnung in unserer bäuerlichen Wirtschaft auf möglichst breiter Basis herbeiführen können.