Rede von
Dr.
Harald
Koch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Herren Kollegen Höpker-Aschoff und Renner haben schon zu unserem Antrage Drucksache Nr. 911 Stellung genommen, bevor wir noch Gelegenheit hatten, ihn zu begründen. Wir haben aber diesen Antrag schon einmal anläßlich der Beratungen des Einkommensteuergesetzes begründet. Sie erinnern sich daran, daß damals unser gleichlautender Antrag abgelehnt wurde, wohl auch aus dem Grunde, weil die Bestimmungen über die Steuerlisten nicht in das materielle Einkommensteuerrecht hineingehörten. Darum wiederholen wir heute unseren Antrag und bitten das Hohe Haus, diesen Antrag anzunehmen.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie daran erinnern, daß bei den Beratungen über das Einkommensteuergesetz die Hebung der Steuermoral einer der Hauptgründe für die Regierung war, uns die unerhört weitgehenden Steuersenkungen für die hohen Einkommensteuergruppen vorzuschlagen.
Für die unerhört weitgehenden Steuersenkungen, sage ich, weil mit diesen Steuersenkungen insbesondere ein kleiner Kreis von Einkommenbeziehern betroffen wurde, die Einkommen über 15 000 oder 20 000 DM haben. Wir hatten damals das Gefühl, daß es der Regierung sicherlich ernst war mit ihrem Wunsche, die Steuermoral zu heben. Wir wissen, daß die Hebung der Steuermoral auch in den Besprechungen mit den Hohen Kommissaren eine gewisse Rolle gespielt hat. Jedenfalls haben wir das aus den Zeitungen entnommen. Wie ernst es heute der Regierung und den Regierungsparteien mit der Hebung der Steuermoral ist, kann jetzt bei der Annahme dieses Antrages bewiesen werden.
Wir glauben, meine Damen und Herren, daß die Steuerlisten eine sehr gute Ergänzung für die Arbeit in den Steuerausschüssen sein können. Herr Kollege Höpker-Aschoff, wir brauchen zusätzlich keine Popularklage. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß der Steuerpflichtige wahrscheinlich schon von sich aus das Gefühl haben wird, er müsse steuerehrlicher sein, wenn die Möglichkeit besteht, daß auch andere nun in seine Steuerbekenntnisse Einschau halten können, weil sie in den Steuerlisten aufgelegt werden.
Ich wiederhole es noch einmal: Der Steuerpflichtige wird von sich aus steuerehrlicher werden und wird sicherlich nicht ein wesentlich niedrigeres Einkommen bekennen, wenn er weiß, daß er damit auch an die Öffentlichkeit tritt. Jedenfalls können wir uns nicht der Tatsache beugen, die Sie hier genannt haben, daß wir damit möglicherweise irgendwelchen Neidgefühlen Vorschub leisten. Wir wissen, daß sich die Regierung schon bei ihrer Einkommensteuervorlage der Steuerunmoral gebeugt hat, indem sie ganz erhebliche Steuersenkungen vornahm, die sie damit begründete, nur so der Steuerunmoral begegnen zu können.
Meine Damen und Herren! Der Antrag sollte von allen Steuerehrlichen begrüßt werden, die nicht mehr allein die hohen Lasten des Staates tragen wollen. Unser Antrag richtet sich gegen alle Steuerunehrlichen, die dem Staate nicht geben wollen, was des Staates ist. Wir dürfen es nach Ansicht meiner Fraktion nicht länger dulden, daß ein Kreis von Steuerpflichtigen, der seine Steuer Pfennig für Pfennig bezahlt und dem seine Steuer nach Tarifen und Tabellen nachgerechnet werden kann, einem Kreis gegenübersteht, der sich im wesentlichen selbst einschätzt. Der Herr Kollege Greve hat schon bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes in seiner Begründung ausgeführt, daß in den meisten demokratischen Ländern, vor allen Dingen aber in England und Amerika, seit jeher die Steuerlisten ausgelegt werden. Ich glaube, wir haben alle Veranlassung, in Steuerehrlichkeit mit diesen Ländern zu wetteifern. Wenn wir bedenken, in welchem Umfange wir wie auch andere europäische Nationen gerade von den Vereinigten Staaten Hilfe auf Hilfe erhalten haben und ihnen sehr viel Hilfeleistung jetzt und in Zukunft noch verdanken, und wenn der amerikanische Steuerzahler, meine Damen und Herren, mit dessen Steuerdollars diese Hilfsprogramme finanziert werden, die Steuerlisten Jahr um Jahr duldet, dann darf man das gleiche um der Hebung der Steuermoral willen unseres Erachtens auch dem deutschen Steuerzahler zumuten.
Die Lohn- und Gehaltsempfänger — auch von denen haben Sie gesprochen, Herr Kollege HöpkerAschoff — müssen auf Heller und Pfennig nach Tarifen und Listen ihre Steuern bezahlen. Die Einkünfte der Angestellten, der Arbeiter und Beamten sind bekannt. Wer sie nicht kennt, kann sie in jedem Lohnbüro und auf jeder Kasse erfahren; er braucht nur die Tarife einzusehen. Unter diesen Umständen sehen wir eine unsoziale Ungerechtigkeit darin, daß ein anderer Teil — und zwar ein kleinerer Kreis von Steuerpflichtigen sich in eine Steueranonymität flüchten kann; oder richtiger gesagt, er braucht sich gar nicht dorthin zu flüchten, weil diese Steueranonymität heute noch vom Gesetzgeber geduldet wird. Wir möchten also mit unserem Antrag, daß alle Steuerpflichtigen gleichmäßig behandelt werden, und darum bitten wir Sie um der Steuerehrlichkeit, um der Steuermoral und um der
Steuergerechtigkeit willen, unseren Antrag anzunehmen.