Meine Damen und Herren! Wir haben heute hier im kleinen eine Wiederholung der wochenlangen Diskussionen im Parlamentarischen Rat um den Aufbau der Finanz- und Steuerverwaltung erlebt. Darf ich daran erinnern, daß im Streit um diese Frage die bekannte Weihnachtskrise des Parlamentarischen Rates ausgebrochen ist! Heute stehen wir vor der Situation, daß die sozialdemokratische Fraktion — das geht aus ihrem Vorbehalt, der hier vorgetragen wurde, eindeutig hervor — zu der Überzeugung gekommen ist, daß das, was sie seinerzeit als großen Erfolg ihres Auftretens verbucht und agitatorisch ausgewertet hat, nämlich eine Stärkung des Gedankens der zentralen Bundesfinanzverwaltung, heute durch den Beschluß des Ausschusses verspielt ist.
Der Herr Sprecher der Sozialdemokratie hat davon gesprochen, daß diese Vorlage neben ihrem allgemeinen technischen Inhalt auch einen politischen hat. Das ist bestimmt der Fall. Aber ich will aus Gründen des Zeitmangels aus dieser Vorlage nur einen Teil herausgreifen, aus dem eindeutig klar wird, worin der wesentlichste politische Inhalt dieser Vorlage besteht. Das ist die Frage, die sich úm das Problem der Offenlegung der Steuerlisten schlingt. So liegen die Dinge doch wohl! Wir haben in dieser Vorlage Steuerausschüsse, die einen Ersatz für die Kontrolle durch die Öffentlichkeit darstellen sollen. Sie sind so zusammengesetzt, daß die Vertreter der Selbstverwaltung zahlenmäßig darin einen sehr minimalen Anteil ausmachen. Außerdem steht im § 25 der Vorlage ganz eindeutig, daß diese Ausschüsse nur beratende Funktionen haben und daß das Finanzamt nur verpflichtet ist, sich von ihnen beraten zu lassen. Es handelt sich ausdrücklich um eine Kannvorschrift. Das Finanzamt „kann"!
(Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Das sind die
entscheidenden Fälle!)
— Ich weiß nicht, ob die Veranlagung das Entscheidende ist oder der Einspruch gegen die Veranlagung. Ich glaube, die Veranlagung ist entscheidend und nicht der Einspruch.
Die Aufgabe der Steuerveranlagung liegt nach dieser Vorlage eindeutig bei der Verwaltung, und zwar bei den Landesfinanzämtern. Die Landesfinanzämter sollen Hilfsorgane der Oberfinanzämter sein. Darf ich an einen Streit erinnern, der im Parlamentarischen Rat ob der Frage ausgebrochen ist, wie sich die Tatsache, daß die Landesfinanzämter die Aufgabe der Steuerveranlagung durchführen, auswirken kann? Haben wir im Parlamentarischen Rat nicht folgende Klage gehört, meine Damen und Herren, daß dann, wenn man den Landesfinanzämtern die Steuerveranlagung und Steuereintreibung überläßt, der Zustand eintreten kann, daß die Landesfinanzämter diejenigen Steuern, die ausgesprochene Bundessteuern sind, nicht mit der Energie veranlagen und erfassen, mit der sie sich bei den Ländersteuern einsetzen? Es ist doch offen ausgesprochen worden, das sei ein großer Mangel in dem ursprünglich im Grundgesetz vorgesehenen System. Heute hören wir genau das Gegenteil. Wir hören, daß diese Hilfsorgane, diese Landesfinanzämter, in der Lage sein sollen, die Arbeit der Oberfinanzämter wirklich im positiven Sinne zu untermauern.
Darf ich in diesem Zusammenhang auf den § 32 hinweisen! Die Steuerausschußmitglieder stehen nach dieser Regelung etwa im Verhältnis von Beamten. Sie sind zur Amtsverschwiegenheit und Wahrung des Steuergeheimnisses ausdrücklich verpflichtet. Diese Verpflichtung wird protokollarisch festgehalten, und damit kommen wir zu dem Kernproblem in der Frage der Offenlegung der Steuerlisten. Wie kann man, Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff, überhaupt die Lohnsteuer und diese anderen Steuern, um die es hier geht, in einem Atemzug nennen! Die Lohnsteuer ist doch eine Steuer, die vom Unternehmer an Lohn, Einkommen und Gehalt des Betreffenden in Abzug gebracht wird. Wer hat denn etwas dagegen, daß die Summe, die einem an Steuern abgezogen wird, offengelegt wird? Dagegen hat doch wohl niemand aus diesem Kreis etwas einzuwenden. Der Zuruf des Herrn Kollegen Dr. Greve war durchaus berechtigt: Machen wir ein Kompromiß! Legen wir einmal die Listen der Einkommensteuer und auch der anderen Steuern offen! Darf ich Sie daran erinnern, Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff, daß bei der ersten Beratung des Gesetzes so ungewollt aus einer in Angst geratenen Bürgerseele ein bezeichnender Zuruf kam, als zum ersten Male das Problem der Offenlegung der Steuerlisten hier zur Debatte stand? Da hat einer von Ihren Herren aufgestöhnt: Das ist ja der reinste Bolschewismus!
Erinnern Sie sich, Herr Kollege Höpker-Aschoff: Das ist ja der reinste Bolschewismus!
— Sie nicht; Sie sind dazu viel zu klug, Herr Kollege.
- Nein, auch das will ich Ihnen nicht unterstellen. Aber Sie können nicht bestreiten, daß der Zwischenruf aus Ihrer absoluten Nachbarschaft gekommen ist; und das war die gequälte Bürgerseele, der zugemutet werden soll, im Punkte Steuerleistungen ehrlich zu sein.
— Steuerzahlen hat mit Ehrlichkeit nichts zu tun?
—Wem sagen Sie das? Das ist das, was ich immer behauptet habe.
Bitte sehr, der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat gesagt, daß die Offenlegung der Steuerehrlichkeit abträglich sein könnte.
Das hat er doch gesagt; also hat es doch etwas mit der Steuermoral zu tun.
Ich habe selbst nicht soviel Geld wie Sie; aber von den Dingen verstehe ich doch ein bißchen. Und, meine Herren von der SPD, darauf kommt es an, daß wir erreichen, daß die Steuerlisten offengelegt werden müssen. Man hat schon den Organen der kommunalen Selbstverwaltung die Veranlagung aus der Hand genommen. Wenn wir es jetzt nicht fertig bringen, daß eine komplette und vollkommene Offenlegung der Steuerlisten erreicht wird, dann haben wir absolut damit zu rechnen, daß die bisherige Praxis auch weiter fortgesetzt und sich durchsetzen wird, d. h. daß der Besitzende, der seine Steuern in ihrer Höhe selber bestimmt, genau das zahlt, was ihm beliebt.