Rede von
Walter
Seuffert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat gegen die Vorlage, die jetzt endlich kommt, nichts einzuwenden. Sie begrüßt es, daß einem außerordentlich arbeitsintensiven Gewerbe, das schon vor einiger Zeit in Not geraten ist, endlich Hilfe zuteil wird. Es ist auch richtig: die bereits vorliegenden zahlen weisen nach, daß die Voraussage, das Steueraufkommen würde durch diese Steuersenkung nicht geschmälert, tatsächlich eintreffen wird.
Wir begrüßen die Vorlage ferner, soweit sie vielleicht ein Anzeichen dafür sein könnte, auch die Regierung neige sich nunmehr der Erkenntnis zu, daß die soviel beschriene Steuerlast nicht nur in der Einkommensteuer der hohen Einkommen besteht, sondern eben in den Verbrauchssteuern, die heute eine ganz besonders wirtschaftsbindende und wirtschaftsbelastende Funktion haben und die einen immer steigenden Anteil an dieser Steuerlast in Anspruch nehmen, und zwar einen Anteil der eben nicht von den hohen Einkommen, sondern fast
gleichmäßig von jedem, auch von dem, der kein Einkommen hat, getragen wird.
Das Materielle der Einzelheiten mag den Ausschußberatungen vorbehalten bleiben. Wir halten die Maßnahme selbst tatsächlich für dringlich und werden deswegen Aussetzungsanträgen auch nicht zustimmen können.
Wir haben aber einen sehr scharfen Protest gegen das Verfahren einzulegen, das in dieser Sache eingeschlagen worden ist,
das der Herr Bundesfinanzminister als einen außerordentlichen Weg bezeichnet hat, das der Herr Abgeordnete Etzel dagegen — ich glaube, mit mehr Recht — als eine Verfassungswidrigkeit bezeichnet hat. Tatsächlich hat die Regierung im Januar dieses Jahres nicht im Haushaltsausschuß, sondern im Finanzausschuß eine Mitteilung gemacht, daß sie die Steuer vorläufig in der Art stunden wolle, wie hier im Gesetz als Steuersenkung vorgesehen.
Meine Damen und Herren! Das war damals schon reichlich spät. Denn was in der Zigarrenindustrie los war, das war schon einige Monate vor dem Januar zu beobachten. Es war eigentlich schon jedermann klar, was hier geschehen mußte; aber die Regierung war offenbar mit anderen Steuersenkungsplänen vordringlich beschäftigt.
Der Ausschuß — das möchte ich ausdrücklich feststellen —, und zwar zunächst die sozialdemokratische Fraktion im Ausschuß, hat zu dieser Mitteilung des Herrn Bundesfinanzministers weder zustimmend noch ablehnend Stellung genommen, aus dem Grunde, weil wir es nicht als die Aufgabe eines Ausschusses ansahen, jedenfalls nicht als die unsrige, derartige Maßnahmen der Regierung irgendwie im Ausschuß zu sanktionieren.
— Wir sind sonst nicht schüchtern — allerdings —, und wir werden auch in diesem Falle nicht schüchtern sein. Wir haben klipp und klar erklärt, daß weder Zustimmung noch Ablehnung für uns in Frage komme, weil wir auch gar nicht übersehen konnten, ob dieser oder irgendein anderer Weg der Stundung oder der Vorbereitung des Gesetzes der richtige war. Meiner Erinnerung nach hat sich der Ausschuß selbst dem auch angeschlossen, und der Herr Bundesfinanzminister hat sich damit zufrieden gegeben.
Wenn wir den Dingen damals zunächst keine andere Folge gegeben haben, so deswegen, weil wir mit dem sachlichen Gehalt der Maßnahme an und für sich einverstanden waren und auch heute noch sind und weil wir damals nicht übersehen konnten, daß die Regierung noch drei weitere Monate brauchen würde, um das Gesetz hier einzubringen. In der Tat ist im Januar diese Mitteilung im Ausschuß gemacht worden, im Februar ist eine sogenannte Verwaltungsanordnung ergangen. Der Herr Kollege Etzel hat aber vollkommen recht: es handelt sich hier nicht um eine Verwaltungsanordnung im Sinne einer Stundung. Die Regierung hat in ihrer schriftlichen Mitteilung an den Ausschuß selbst klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß diese Steuer, die da gestundet wird, wenn hier irgend etwas anderes beschlossen wird, nie wieder einzubringen ist, daß sie niedergeschlagen werden muß und nicht mehr eingezogen werden kann. Das ist selbstverständlich keinerlei Verwaltungsanordnung, sondern das ist eine Vorwegnahme der Gesetzgebung, wie Sie ja im übrigen klar und deutlich
im Text dieses Gesetzes auch lesen. Das ist in dieser Form allerdings verfassungswidrig.
Es war auch gar kein Grund vorhanden — und jetzt nachschauend können wir das mit vollkommener Deutlichkeit feststellen —, den ordnungsmäßigen Weg nicht zu beschreiten. Länger als die drei Monate, die die Regierung seit dem Januar gebraucht hat, um dieses Gesetz hier vorzulegen, hätten wir bestimmt nicht gebraucht. Dieses Gesetz ist uns am 22. April vorgelegt worden, und heute kommt es schon zur Beratung.
Ich hoffe nicht, meine Damen und Herren, daß Sie derartiges für Formalitäten halten und meinen, über das Sachliche sei man ja einig, und man könne darüber hinwegsehen. Es sind keine Formalitäten! Diese Usurpation von Rechten des Parlaments, die ihr Gegenstück in der ständigen Nichtausführung von Parlamentsbeschlüssen findet, ist genau der Weg, auf dem man diese Demokratie zugrunde richten könnte.
Wieweit die Dinge gehen können, werden wir vielleicht sehen, wenn wir hören werden, was an Pressenachrichten wahr ist, wonach die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Genehmigung des Einkommensteuergesetzes Verpflichtungen zu gesetzlichen Maßnahmen übernommen haben soll. Sollte es wirklich bereits so weit sein, daß man nicht nur Abkommen schließt, ohne das Parlament zu fragen, sondern daß man im stillen Kämmerlein ohne das Parlament Verpflichtungen übernimmt, die überhaupt sonst niemand zur Kenntnis gebracht werden?
Und ein Weiteres. Ich will gar nicht davon sprechen. daß, wenn irgend etwas anderes von den gesetzgebenden Instanzen oder irgendeiner anderen Instanz, etwa der Hohen Kommission, festgelegt wird, das Geld. das hier gestundet worden und nicht mehr hereinzubringen ist, verschleudertes Staatsgeld ist. für das diejenigen, die hier beteiligt sind, persönlich. zivil- und strafrechtlich nach den Begriffen einer geordneten Verwaltung — und die sollten wir langsam wieder einführen — verantwortlich wären.
Das Zweite ist, daß die Regierung im Zuge ihrer Absicht der ständigen Ausschaltung des Parlaments die Gewohnheit angenommen hat und ständig weitertreibt, immer erst dann dem Parlament Vorlagen machen zu wollen, wenn sie mit sämtlichen Interessenten, die sie für wichtig hält, einig ist oder zu sein glaubt. Wir sehen einer derartigen Handhabung bei der Biersteuer schon geraume Zeit zu. Das sind Methoden, die erstens einmal nicht im Sinne der parlamentarischen Verfassung liegen und zweitens die Dinge nicht irgendwie beschleunigen oder sachlich erleichtern, sondern außerordentlich erschweren. Denn diese Interessenten werden bei irgendeiner Entscheidung der Regierung, die ihnen nicht paßt, selbstverständlich — und das ist ihr gutes Recht, das ihnen niemand bestreiten kann — zu uns Parlamentariern kommen und bei uns noch einmal die ganze Sache zur Sprache bringen. Wir werden diese Situation immer wieder erleben.
Das sind nicht nur formale Gesichtspunkte, und deswegen unser Protest, den wir hier vorbringen. Wir sind der Ansicht, daß dieser Zigarrensteuersenkung andere Dinge in der Behandlung werden folgen müssen. Eine Reihe von Anträgen liegt vor. Die
Zigarettensteuer ist ein Problem, die Biersteuer ist es ebenfalls, und es gibt andere Steuern, die ebenso angesprochen und dem Parlament längst hätten zur Behandlung vorgelegt werden müssen. Wir sind der Ansicht, die Regierung möge etwas weniger verhandeln und etwas weniger reden, auch etwas weniger singen,
aber sie möge etwas mehr handeln, und zwar handeln zusammen mit dem Parlament , wie es die demokratische Verfassung vorschreibt.