Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich um einen eigenartigen Versuch der Gesetzgebung. Er nimmt aus einer bestehenden gesetzlichen Gesamtregelung einen Sektor heraus, aus einem einheitlichen. in sich abgewogenen Gesetz, dem Tabakwarensteuergesetz, um eire isolierte, aus dem Zusammenhange gelöste steuerliche Regelung zu treffen. Der Entwurf begründet diese Vorwegnahme mit der starken Überhöhung der auf Zigarren gelegten Steuer und besonders mit der Notwendigkeit, das ursprüngliche Verhältnis in der steuerlichen Belastung der einzelnen Gruppen von Tabakwaren wiederherzustellen. Das wäre also ein finanzpolitischer Gesichtspunkt. Die Begründung sagt weiterhin, die Folge dieser steuerlichen Überhöhung — und hier kommen wir zu einer wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Überlegung — sei die große Arbeitslosigkeit in der Zigarrenindustrie, vor allem in Baden. Hessen und Westfalen gewesen. und dies habe auch seine Rückwirkung nicht bloß auf die Beschäftigtenzahlen, sondern auch auf den Tabakanbau in der Rheinpfalz und in Baden.
Bei Beachtung und Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Zigarrenindustrie, die anders aufgebaut ist und mit anderen Mitteln und Methoden als die Zigarettenindustrie arbeitet, wird niemand verkennen, daß hier eine echte Notlage besteht, ein echter Notstand, der deswegen von besonderer sozialer Bedeutung ist, weil es sich hier nicht um innerhalb großer Fabrikgemeinschaften stehende eigentliche Industriearbeiter handelt, sondern um Menschen, die irgendwo draußen ihre eigene kleine Ackernahrung haben. Jedermann wird also der Meinung sein: es ist notwendig, der Zigarrenindustrie hier eine Erleichterung zu verschaffen.
Weil Eile geboten schien, hat die Bundesregierung auf Grund des Art. 84 Abs. 2 des Grundgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates eine Verwaltungsanordnung erlassen, durch welche die Steuerbeträge generell in einem gewissen Ausmaß gestundet bzw. erlassen, d. h. vergütet wurden. Diese Verwaltungsanordnung ist verfassungswidrig, denn sie bedeutet nichts anderes als eine Rechtsetzung, eine Rechtsnorm, und als solche
käme außerhalb der normalen Gesetzgebung nur eine Rechtsverordnung nach Art. 80 des Grundgesetzes in Frage. Auf diesen Punkt werde ich gleich noch zu sprechen kommen.
Wesentlich aber scheint mir zu sein, daß hier für einen Teil des Tabakgewerbes eine Sonderregelung gesucht wird, während gerade auch für die übrigen Sektoren, zum Beispiel die Zigarettenindustrie, die Lösung bestehender Schwierigkeiten ebenfalls vordringlich wäre. Durch die Vorwegnahme dieses Sondergesetzes wird nun das einheitliche Gefüge der Tabakwarenbesteuerung gestört, wenn nicht zerstört werden.
Ich darf in dem Zusammenhang auf folgende Zahlen hinweisen. Der Steuersatz für Zigarren ist von 23 % des Kleinverkaufspreises vor dem letzten Krieg auf jetzt 46 % erhöht worden und soll nunmehr auf 30 % bzw. 35 % des Kleinverkaufspreises gesenkt werden. Mit anderen Worten: Die Steuer für die Zigarre soll jetzt von 23% des VorkriegsKleinverkaufspreises auf 30 %, also um 7% des Kleinverkaufspreises erhöht werden. Das ist eine Erhöhung des ursprünglichen Steuersatzes um 30,4 %. Der Steuersatz für Zigaretten dagegen ist von 37 % des Kleinverkaufspreises auf 66 %, also um 29% des Kleinverkaufspreises erhöht worden. Die Erhöhung beträgt hier nicht weniger als 78 % des Ausgangssatzes. Hier ist also eine viel stärkere Belastung als bei irgendeiner anderen Tabakwarenart vorgenommen worden, höher auch als bei Feinschnitt oder sonstigem Pfeifentabak, bei Kautabak oder anderen Tabakwarengruppen.