Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
, Meine Damen und Herren!
haben den letzten Monaten haben wir Gelegenheit gehabt, wiederholt den bewundernswerten Optimismus des Herrn Arbeitsministers zu beobachten, der in der Frage der Arbeitslosigkeit versuchte, dem Problem eine gewisse Bagatellisierung angedeihen zu lassen. Daß dieser Optimismus angesichts der außerordentlich ernsten Lage, die besonders bei der Jugend stark in Erscheinung tritt, wirklich fehl am Platz war, das zeigt die Entwicklung in der gegenwartigen Zeit und zeigt, wenn nicht Einhalt geboten wird, auch die Entwicklung der kommenden Zeit. Niemand wird sich der Illusion hingeben, daß die Frage der Arbeitslosigkeit der Jugend in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren gelöst werden kann, wenn wir die Dinge schleifen lassen. Kenner der arbeitsmarktpolitischen Verhältnisse stellen eindeutig fest, daß bis zum Jahre 1953 ein weiterer Zuwachs von zirka 40% arbeitsloser Jugendlicher vorhanden sein wird, deren Vorhandensein darin begründet ist, daß im Tausendjährigen Reich eine
Bevölkerungspolitik getrieben worden ist, deren Rechnung wir heute zu bezahlen haben. Wir hatten am 1. Oktober 1949 — ich möchte diese Zahl annehmen, da sie authentisch ist — in Westdeutschland 510 000 Jugendliche beiderlei Geschlechts, die elternlos und beruflos waren. Bei den damals 1,8 Millionen Arbeitslosen betrug der Anteil an Jugendlichen schätzungsweise etwa 600 000. Rechnet man die erfaßten Schulentlassenen dazu, dann wird diese Summe um ein bedeutendes erweitert werden. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich das gesamte graue Elend, dem die Jugend der Nachkriegszeit seit 1945 ausgesetzt ist.
Das Arbeitsministerium hat in einer Denkschrift versucht, die Ursachen der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit aufzuzeigen, und kam dort zu Schlußfolgerungen, die nach unserer Meinung nicht unwidersprochen bleiben dürfen. In der Denkschrift steht:
Schließlich bedeutet auch der Fortfall des Wehr- und Arbeitsdienstes ein nicht unbeträchtliches Angebot von Arbeitskräften der jüngeren Jahrgänge. Nach der Volks- und Berufszählung von 1939 waren im Gebiet der Bundesrepublik rund 650 000 männliche Personen durch Wehr- und Arbeitsdienstableistung gebunden. Dabei sind die Wehr- und Arbeitsdienstbeamten und -angestellten ebenso außer acht gelassen wie die nicht errechenbare Zahl derjenigen Arbeitskräfte, die für den sachlichen Bedarf des Heeres und Arbeitsdienstes in der freien Wirtschaft tätig waren.
Als ich diesen Passus in der Denkschrift des Arbeitsministeriums gelesen hatte, habe ich mich gefragt: was will eigentlich das Arbeitsministerium mit diesen Zahlen beweisen? Will es beweisen, daß vielleicht wieder eine neue Wehrmacht oder ein neuer Arbeitsdienst notwendig sein werden? Was soll die Formulierung des sogenannten „sachlichen Bedarfs"? Es wäre die Verpflichtung des Herrn Arbeitsministers gewesen, gerade in einer Denkschrift, die in der Öffentlichkeit stark beachtet wird, mit aller Deutlichkeit herauszustellen, daß der „sachliche Bedarf" eben darin bestand, Panzer, Granaten, Flugzeuge und weitere Mordwerkzeuge zur Vernichtung der Jugend herzustellen.
Das gesamte .Problem: „Wie können wir die Jugendlichen unterbringen?" muß grundsätzlich beleuchtet werden. In einem Antrag, auf den ich später noch zurückkommen werde, haben wir versucht, unsere Auffassung zu dem Jugendproblem zu umreißen. Wir sind aber der Auffassung: bevor staatliche Maßnahmen einsetzen oder vielmehr bevor der Staat von der privaten Wirtschaft verlangt, daß alles getan werden muß, um die Jugendlichen in Lehrstellen unterzubringen, hat er selbst einmal die Verpflichtung, dort, wo er den entscheidenden Einfluß hat, nach dem Rechten zu sehen.
Mir sind eine Reihe von Beispielen bekannt, und ich möchte nur eines erwähnen: das Beispiel des Reichsbahnausbesserungswerks in Recklinghausen, das, technisch gesehen, die Möglichkeit hat, 260 bis 270 jugendliche Menschen in seinem Betrieb auszubilden.
— Dann 150; und eingestellt werden 50 bis 60. Man
wird also, wenn es der Staat ablehnt, bei seinen
eigenen Werken alle Möglichkeiten auszuschöpfen,
um die jungen Menschen in einen Beruf zu bringen,
nicht verlangen können, daß dann die Wirtschaft
irgend etwas aus eigener Initiative unternimmt. Die
Frage der Jugend kann man nach meiner Auffas-
]
sung nicht von einer rein kapitalistischen Rentabilitätsberechnung der eigenen Betriebe abhängig machen, sondern es hängt mehr mit dieser Frage zusammen.
Der Herr Bundespräsident Professor Dr. Heuß hat vor einiger Zeit in Verbindung mit einer Reihe anderer „namhafter" Persönlichkeiten einen Aufruf unterzeichnet, der sich gerade mit der Not der Jugend beschäftigte und der nun von der deutschen Wirtschaft verlangte, weitmoglichst Jugendliche in den Produktionsprozeß einzureihen. Es wäre interessant gewesen, einmal das Ergebnis dieses Aufrufs in realen Zahlen vor sich zu haben, um abschätzen zu können, wie man eigentlich auf diese Dinge zu reagieren gedenkt. Wir haben, um auch hier einen konkreten Vorschlag zu machen, die Meinung vertreten, daß ein Mittel, den Jugendlichen zu helfen, die Förderung der Fach- und Berufsschulen darstellt. Wir mußten allerdings erleben, daß im Lande Bayern, in dem die CSU die alleinige Regierungsgewalt hat und in dem in erster Linie etwas hätte getan werden müssen, beispielsweise in einer Eingabe der Berufsschullehrer aus Bayern immerhin einige interessante Zahlen in bezug darauf zum Vorschein kommen, wie man in Bayern versucht, dem Jugendproblem zu Leibe zu rücken.