Rede von
Dr.
Ludwig
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Das Problem, ob derartige Verträge, wie wir sie jetzt mit Frankreich abgeschlossen haben, in irgendeiner Form der Ratifizierung durch dieses Parlament bedürfen, tauchte zum erstenmal auf, als im Ausschuß für Außenhandelsfragen von Regierungsseite die Notwendigkeit dieser Ratifikation bestritten wurde. Da der außenhandelspolitische Ausschuß die Rechtsfragen nicht allein prüfen wollte, wurde der Rechtsausschuß mit den Rechtsfragen in diesen Dingen befaßt. Wir haben uns dann in den folgenden Beratungen schließlich nicht geeinigt, sondern sind zu einem Mehrheitsgutachten und zu einem Minderheitsgutachten gekommen, wie es den Damen und Herren bekannt ist. Diese Gutachten liegen vor. Ich persönlich und mit mir meine Fraktion stellen uns auf den Standpunkt des Mehrheitsgutachtens des Rechtsausschusses.
Wenn man die hier zur Debatte stehende Frage prüfen will, dann ist die Grundlage der Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes. Er allein kann nur die Grundlage sein, denn er grenzt ab: was hat die Exekutive in einem solchen Fall zu tun, wo liegen ihre Grenzen, und was muß notwendigerweise das Parlament tun, was kann man ihm nicht entziehen. Dort heißt es nun:
Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen.
Es sind also zwei Bedingungen in Art. 59 Abs. 2 normiert, einmal Verträge, welche sich auf die poli-
tischen Beziehungen des Bundes erstrecken oder die Gegenstände regeln, die ausschließlich Gegenstände der Bundesgesetzgebung sind.
Wenn wir also ganz objektiv juristisch prüfen wollen: müssen wir hier als Parlament zustimmen oder nicht, dann müssen wir prüfen, was ist denn eigentlich der materielle Inhalt derartiger Verträge. d. h. liegt eine dieser in Art. 59 Abs. 2 gegebenen Voraussetzungen oder liegen gar beide vor oder liegt keine dieser Voraussetzungen vor? Je nach dem Ergebnis dieser unserer Prüfung werden wir sagen müssen: das Parlament muß zustimmen, oder das Parlament braucht nicht zuzustimmen.
Nun hat die Regierung mit viel Beredsamkeit, jedenfalls im Rechtsausschuß — nach meinem Gefühl mit allzuviel Beredsamkeit; denn man merkt die Absicht und wird verstimmt —,
darzulegen versucht, daß unter gar keinen Umständen bei einem Vertrag wie diesem mit Frankreich in irgendeiner Form — ich will gar nicht von der Ratifikation im Sinne des Art. 59 Abs. 2 sprechen -
die Zustimmung des Parlaments notwendig wäre, weil es sich da einmal gar nicht um Handelsverträge alten Stils handele. Das seien gar nicht derartige Verträge, sondern das seien sogenannte Waren- und Zahlungsabkommen kurzfristiger Art; dazu sei keine Gesetzesänderung notwendig, weder der Zollgesetzgebung noch der Devisengesetzgebung; denn das habe man ja alles. Und das Entscheidende sei: sie sind ja sehr kurzfristig — manche laufen bloß ein Vierteljahr, manche ein halbes Jahr —, und deshalb sei es schon rein technisch gar nicht möglich, daß man das Parlament zur Ratifikation im Sinne von Art. 59 Abs. 2 mit heranziehe, das sei um so weniger möglich, als uns angekündigt wurde, wie Kollege Arndt schon betont hat, daß demnächst 30, 40 oder 50 gleichlautende Verträge abgeschlossen werden würden. Ich möchte als Jurist sagen, daß die Kurzfristigkeit eines Vertrages niemals Kriterium für seine materielle Beurteilung sein kann.
Dieser Einwand hat von vornherein auszuscheiden.
Wir haben also nur zu prüfen: liegt denn ein Politikum in dem Inhalt eines Vertrages vor oder, wie Kollege Arndt ganz richtig betont hat, ergibt sich vielleicht ein Politikum, wenn man die Summe dieser demnächst abzuschließenden Verträge beachtet? Meines Erachtens kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß hier ein entscheidendes Politikum vorliegt. Denn was bedeutet denn der Abschluß dieser Verträge aus bestimmter wirtschaftspolitischer Vorstellung, mit bestimmten wirtschaftspolitischen Überlegungen, nämlich mit dem Gedanken der vollständigen oder teilweisen Liberalisierung, mit dem Gedanken der Kontingentierung, mit dem Gedanken, da Devisen zuzuteilen, dort nicht zuzuteilen? Das alles zusammengenommen ist doch ein Politikum höchsten Maßes, ein wirtschaftspolitisches Politikum dergestalt, daß es geeignet sein könnte, die weittragendsten Folgen, wie das Kollege Arndt gesagt hat, für unser ganzes Volk auf wirtschaftspolitischem Gebiet nach sich zu ziehen.
Ich bin der Auffassung, man kann gar nicht ernsthaft darüber streiten, daß die erste Voraussetzung in Art. 59 Abs. 2, nämlich daß diese Verträge zum mindesten in ihrer Gesamtheit politische Beziehungen zu anderen Vertragsstaaten regeln, vermeint werden kann.
Ich bin darüber hinaus aber auch der Meinung, daß die zweite Voraussetzung vorliegt, nämlich Art. 73 Ziffer 5. Denn dort sind ausdrücklich Waren- und Zahlungsabkommen der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes vorbehalten. Grundsätzlich sind wir deshalb der Meinung, daß das Parlament zustimmen muß.
Nun ist zuzugeben, daß der Weg des Art. 59 Abs. 2 ein sehr komplizierter ist, und ich bin der Meinung, daß wir uns bemühen müssen, wie das von meinen beiden Vorrednern schon dargelegt wurde, einen anderen Weg zu suchen, der es uns überhaupt zeitlich und technisch ermöglicht, in irgendeiner Form die Zustimmung des Parlaments zu derartigen Verträgen herbeizuführen. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten heute den SPD-Antrag nicht in der Form annehmen, wie er vorliegt, der der Regierung bindend vorschreiben will, daß die Zustimmung in der Form der Ratifikation geschehen müsse. Es ist ganz klar, ich verstehe, daß er nicht anders formuliert werden konnte; denn wir haben ja vorläufig gar keine andere Form der Zustimmung des Parlaments. Aber ich bin der Auffassung, daß wir ihn zurückverweisen sollten, wie es der Antrag der Koalition vorsieht, und daß wir uns in den zuständigen Ausschüssen darüber Gedanken machen müssen, wie wir durch Ausführungsgesetze zum Grundgesetz einfach das Recht dergestalt fortentwickeln, daß es auch für diese Verträge rein technisch möglich sein müßte, in irgendeiner Form die Zustimmung des Parlaments für die Regierung herbeizuführen. Daß diese Zustimmung in irgendeiner Form gegeben sein muß, ?.st für uns selbstverständlich. Wir werden also den Koalitionsantrag auf Zurückverweisung unterstützen.