Meine Damen und Herren, das -Problem der Ratifikationsbedürftigkeit der Handelsverträge hat seine rechtliche und seine politische Seite. Mit der rechtlichen Seite dieses Problems hat sich der Rechtsausschuß eingehend befaßt. Er hat, wie Ihnen bekannt ist, die auseinandergehende Auffassung seiner Teilnehmer in einem Mehrheits-
und in einem Minderheitsgutachten zum Ausdruck gebracht.
Auch innerhalb unserer Fraktion sind die Auffassungen über die rechtliche Seite geteilt. Es wird von den Herren, die die Ratifikationsbedürftigkeit bejahen, darauf hingewiesen, daß die deutsche Staatspraxis von jeher, schon vor dem ersten Weltkriege, Handelsverträge stets ratifiziert hat,
daß man im Jahre 1926 zu dem Notmittel gegriffen hat, ein Ermächtigungsgesetz zu machen und einem Ausschuß die Befugnis zur Genehmigung dieser Verträge zu übertragen, und daß sogar das nationalsozialistische Regime nach 1933 sich bemüßigt fühlte, derartige Verträge zu ratifizieren und bekanntzumachen.
Es wird ferner darauf hingewiesen, daß zwar nicht der einzelne Vertrag, wohl aber der Komplex von Verträgen, das Rankenwerk der Verträge die Wirtschaftspolitik des Staates ausmacht und daß schon aus diesem Grunde eine Ratifikation stattfinden muß, weiter darauf, daß die Maßnahmen der Kontingentsgewährung und -verteilung und der Devisenbewirtschaftung keineswegs nur der Verwaltung angehören, sondern Eingriffe in die Gesetzgebung enthalten.
Ich selbst habe mir im Rechtsausschuß diese Auffassung nicht zu eigen machen können. Ich war bei der Ausarbeitung des Minderheitsgutachtens beteiligt. Unser Ausgangspunkt ist dabei vor allem der Umstand gewesen, daß gerade die geschichtliche Betrachtung der Handelsverträge zeigt, welche tiefgreifenden Wandlungen in dem Aufbau und in der Bedeutung dieser Handelsverträge vor sich gegangen sind. Die alten Handelsverträge waren umfassender Art. Es waren Handels-, Schiffahrts- und Niederlassungsverträge; sie waren auf lange Zeit bestimmt. Die heutigen Handelsverträge befassen sich mit den Fragen des Handels und der Zahlung. Sie sind äußerst kurzlebiger Natur, sie dauern im allgemeinen nur ein viertel bis ein halbes Jahr und passen sich den wechselnden Erfordernissen der Wirtschaftspolitik an. Unsere Minderheit im Rechtsausschuß war deshalb der Auffassung, daß derartige kurzlebige Handelsverträge nur ausnahmsweise der Ratifikation bedürfen, und zwar dann, wenn sie nicht nur von politischer Bedeutung sind, sondern direkt die politischen Beziehungen regeln, also wenn beispielsweise eine echte Zollunion zustande käme.
Wir sind weiter der Auffassung, daß diese kurzfristigen Handelsverträge nicht Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung betreffen, sondern Angelegenheiten der Bundesverwaltung, und daß die Maßnahmen der Devisenverwaltung, der Kontingentverwaltung und der Zollverwaltung eben Verwaltungsaufgaben und nicht Aufgaben der Gesetzgebung sind. Ferner sind wir der Meinung, daß ein Eingriff in die Gesetzgebung selbst im Sinne des Art. 59 des Grundgesetzes nur dann stattfindet, wenn durch den Abschluß eines Handelsvertrages eine Änderung der bereits bestehenden Gesetzgebung, beispielsweise der Zollgesetzgebung, erforderlich wäre.
Wie auch immer die rechtlichen Auffassungen dieser beiden Standpunkte sich gestalten mögen, wir sind als Juristen gewohnt, das juristische Gewicht auch der andersartigen und gegenteiligen Meinung durchaus anzuerkennen und als beachtlich zu empfinden. Wir glauben aber, daß wir ungeachtet dieser rechtlichen Gegensätze nach einer praktischen Lösung suchen müssen, die den politischen Erfordernissen, die Herr Kollege Arndt vorhin dargetan hat, entspricht. Und hier wird auch von Seiten der Kreise, die rechtlich auf dem Standpunkt des Minderheitsgutachtens stehen durchaus anerkannt, daß der Bundestag die Möglichkeit haben solle, sich zu diesen Handelsverträgen nicht nur erst dann zu äußern, wenn diese perfekt und abgeschlossen sind, sondern sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt in ihre Gestaltung einzuschalten.
Wir glauben daher, daß wir in den Wünschen und praktischen Erfordernissen durchaus nicht so weit auseinanderliegen wie in unserer rechtlichen Stellungnahme. Wir suchen daher nach einer Möglichkeit, um diesen auf beiden Seiten, im Minderheits- und Mehrheitsgutachten, geäußerten Wünschen entgegenzukommen und sie zu einer praktischen Vereinigung zu führen. Das wird durchaus möglich sein. Der Schlußabsatz des Mehrheitsgutachtens spricht ja auch davon, daß nach einem Weg gesucht werden soll, wonach sich vielleicht in Anbetracht der Kurzfristigkeit und der großen Zahl der Handelsverträge nicht das Plenum dieses Hohen Hauses, sondern ein Ausschuß die Mitwirkung bei den Verträgen vorbehält. Die Art dieser Mitwirkung hängt allerdings von der rechtlichen Grundlage ab, von der wir ausgehen.
Bejahen wir die Ratifikationsbedürftigkeit, dann wird dieser Ausschuß an Stelle des Plenums die Genehmigung der Handelsverträge vorzunehmen haben. Er wird dazu einer Ermächtigung bedürfen, wie sie der Reichstagsausschuß von 1926 seinerzeit bekommen hat.
Verneinen wir die Ratifikationsbedürftigkeit, dann wird sich dieser Ausschuß, wohl der Außenhandelsausschuß, eben darauf beschränken müssen, sich über den Abschluß der Handelsverträge unterrichten zu lassen, und zwar nach meiner Ansicht nicht erst nach ihrem Abschluß, sondern bereits während der Dauer der Verhandlungen. Allerdings wird er dabei nicht die Grenze überschreiten dürfen, die uns gesetzt ist; er wird nicht in die Exekutive eindringen können, aber er wird im Rahmen des Unterrichtetwerdens durchaus die Möglichkeit haben, auch gutachtlich zu den einschlägigen Fragen Stellung zu nehmen.
in der Praxis wird durchaus eine Möglichkeit gegeben sein, beide rechtlichen Standpunkte zu befriedigen. Wir haben daher gemeinsam von den Parteien der Koalition aus einen Antrag vorbereitet, den ich zur Kenntnis bringen darf. Zunächst wünschen wir, daß der Antrag der SPD dem Außenhandelsausschuß und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz überwiesen wird. Gleichzeitg aber — und das ist das Wesentliche und wohl auch das Bedeutungsvollere — stellen wir folgenden zusätzlichen Antrag:
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz wird ersucht, Vorschläge auszuarbeiten, die geeignet sind, die Ausübung der Rechte des Bundestages beim Abschluß von Handelsverträgen in einer die laufende Arbeit des Bundestages nicht beeinträchtigenden Weise zu gewährleisten.
Darf ich ganz kurz nochmals auf den Sinn dieses letzten positiven Antrages zu sprechen kommen. Sein Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß es bei der ungeheuer großen Zahl von Handelsverträgen—vielleicht 40 bis 60 — und bei ihrer kurzen Dauer von einem Viertel- bis einem halben Jahr unmöglich ist, daß sich dieses Hohe Haus, wenn man die Ratifikationsbedürftigkeit bejahen sollte, mit etwa 200 bis 250 Handelsverträgen im Jahr befaßt. Durch eine derartige Arbeitsmehrbelastung würde unsere laufende gesetzgeberische Arbeit wesentliche Störungen erleiden. Wie immer auch die rechtliche Beurteilung res Problems sein mag bleibt daher nur der Ausweg, hiermit einen Ausschuß zu befassen. Es ist notwendig, daß zunächst einmal der Rechtsausschuß die rechtlichen Möglichkeiten erwägt, in welcher Weise dieser Ausschuß als Hüter der Rechte des Parlaments in die Bearbeitung der Handelsverträge eingeschaltet werden kann. Aus diesem Grunde haben wir diesen Antrag formuliert als eine praktische Brücke zwischen zwei gegenteiligen Meinungen, die in ihrer Zielsetzung auf dasselbe hinausgehen: die Rechte des Parlaments auch beim Abschluß von Handelsverträgen zu wahren.