Rede:
ID0105403700

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Rische.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950 1979 54. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1979C, 2030D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 770 und 630) . . . . 1979C Dr. Arndt (SPD) 1979D Schröter (CDU) . . . . . . . 1980C Dr. Miessner (DRP) 1980C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplan und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Vorläufige Haushaltsordnung und vorläufiges Haushaltsgesetz 1949) (Drucksachen Nr. 768, 682, 670 bis 681 und 223) 1981A, 2004B Allgemeine Aussprache: Schoettle (SPD) 1981B Bausch (CDU) . . . . . . . . 1990A Dr. Bertram (Z) 1994A Unterbrechung der Sitzung . 1999D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 1999D Dr. Schäfer (FDP) . . . . . . 2004B Loritz (WAV) 2007D Dr. von Merkatz (DP) . . . . 2012B Dr. Leuchtgens (DRP) . . . . . 2016B Rische (KPD) . . . . . . . 2022C Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 2030C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über die Aufhebung der Immunität des Abg. Goetzendorff (Drucksache Nr. 787) . 2002C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 2002C Dr. Miessner (DRP) 2003D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2030D Die Sitzung wird um 10 Uhr 39 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DRP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    — während nur 11 Milliarden als Deckungsmittel vorhanden sind; er bemühe sich, den Differenzbetrag von über 3 Milliarden durch „drastische Maßnahmen" — so hieß es in der Pressemeldung, wenn ich mich noch recht entsinne - aufzubringen. Sie hören also auch von einer andern, politisch vielleicht ganz unverdächtigen Stelle die Feststellung, daß wir in der größten Finanznot sind. Es hat wirklich keinen Sinn, sich mit hoffnungsvollen Redensarten und mit Begeisterung über diese Verhältnisse hinwegzuschwingen, wenn wir Realpolitik treiben wollen. Wir müssen vielmehr versuchen, daß wir in irgendeiner Form eine Besserung herbeiführen.
    Die Wurzel alles Übels liegt nach meiner Ansicht - die politischen Parteien, die anderer Meinung sind, sollen mir das nicht übelnehmen — in dem Grundgesetz des Bonner Parlamentarischen Rats. Man hätte hier von vornherein der Bildung von Ländern in so großem Ausmaß entgegentreten sollen, und man müßte es heute noch tun. Wir können es auf die Dauer nicht ertragen, daß wir heute noch zwölf Länder haben, von denen jedes seinen Ministerpräsidenten und seine Minister hat, so daß die Gesamtzahl der Ministerpräsidenten und Minister sich annähernd wohl auf 120 oder 125 beläuft. Ich will mich auf diese Zahl nicht festlegen; aber annähernd wird es diese Zahl sein. Wenn ich als Finanzpolitiker auf die Bundespolitik entscheidenden Einfluß gehabt hätte, wie ich ihn nicht habe, wäre ich vor allen Dingen an die Frage der Verminderung der Zahl der deutschen Länder herangegangen. Ich habe das hier -schon
    Deutscher Bundestag — 54. ,Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950. 2019

    (Dr. Leuchtgens)

    einmal gesagt. Wir haben zwölf Länder, die nicht leben und nicht sterben können, weil sie zu klein sind und weil die Steuerleistungen nicht so hoch sind, daß sie ihnen ein staatliches Eigenleben ermöglichen. Ich bitte die Regierung darum, daß sie in der nächsten Zeit, und zwar sobald wie möglich, an die Umgestaltung der deutschen Länder auf Grund des Artikels 29 der Verfassung herangeht, damit die Forderungen, die die Länder stellen, und die Finanzpolitik. die die Länder treiben, auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden.
    Die Steuern und die Ausgaben, die wir hier im Bund haben, sind auf die Dauer auch zu hoch. Die Bundesverwaltung ist nach meiner Auffassung viel zu umfangreich. Ich ziehe zum Vergleich nicht die Zahlen vom alten Deutschen Reichstag, auch nicht die Zahlen von der Ministerpräsidentenkonferenz, die sich mit dieser Frage befaßt hat, auch nicht die Zahlen, die der Rechnungshof gegeben hat. heran. Heute morgen ist das schon einmal kurz berührt worden. Wenn man die ursprünglichen Zahlen mit den hier gegebenen Zahlen vergleicht, muß man sagen, daß unsere Bundesverwaltung, wie sie neuerdings gestaltet worden ist, aber auch so. wie sie in Frankfurt gestaltet war, aufgebläht ist. Wir haben zuviel Beamte; daran kann man nichts ändern. Der Herr Finanzminister wird wohl schon im kommenden Jahr, um überhaupt der Finanzmisere Herr werden zu können, den Verwaltungsapparat wesentlich einschränken müssen.

    (Abg. Dr. Orth: Um die Hälfte „streichen"!)

    D Bei der Armut unseres Volkes, die wir draußen beim Bauernstand, beim Gewerbe, bei den Flüchtlingen und überall sonst sehen, ist die Übersetzung des Verwaltungs- und Beamtenapparats nicht tragbar. Wir müssen die- Aufgaben des Staates vermindern. Wir müssen seinen Aufgabenkreis verkleinern. Ich weiß, daß diejenigen, die von einer gelenkten und geleiteten Wirtschaft sprechen, diesen Gedanken nicht gerne hören; aber mangels der Deckungsmittel für einen solchen großen Apparat werden sie gezwungen, sich anders zu besinnen.
    Eine weitere Feststellung, die wir treffen müssen, ist die, daß die Beamtenhierarchie in einem jeden Staat mehr oder weniger führend ist. In meinen Augen sind die Minister noch nicht einmal führend, sondern führend ist die Beamtenhierarchie, voran die Staatssekretäre.

    (Abg. Dr. Orth: Aha, das sind die Bösen!)

    Wir haben das nun festgestellt. Wir haben es erlebt, daß die Staatssekretäre mit ihren Plänen gekommen sind. Wer im Finanzausschuß dabeigewesen ist, hat bemerkt, daß selten die Minister kamen — sie kamen ja gelegentlich auch —, sondern meistens die Staatssekretäre erschienen.

    (Abg. Dr. Orth: Die „streichen" wir also alle! Zuruf von der Mitte: Die sind „schuld"!)

    Das soil auch kein Vorwurf sein, sondern ich will nur darauf hinweisen, daß es immer wieder die Beamtenhierarchie war, die die Einteilung in Referate und die einzelnen Beamtenstellen mit allem Nachdruck verteidigt hat. Wir haben die Überzeugung, daß das auf die Dauer nicht geht.
    Wenn wir genügend Mittel hätten, könnten wir das ja befürworten; denn ich habe die Überzeugung, daß die Beamten in Deutschland sehr tüchtige Menschen sind.

    (Abg. Dr. Orth: Denk mal an! Außer den Staatssekretären?)

    So wie die deutschen Gewerbetreibenden, die deutschen Kaufleute, die deutschen Gelehrten tüchtige und gründliche Arbeiter sind, sind es auch die deutschen Beamten; aber sie denken immer zu sehr an das, was ihnen nun gerade am Herzen liegt. Es ist ihnen ja kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie den Beamtenapparat in dem Umfang erhalten wollen, in dem er nun einmal da ist. Wir wissen genau, mit welcher Hartnäckigkeit im einzelnen um besondere Positionen gekämpft worden ist. Ich will die Dinge aus dem Haushaltsausschuß hier nicht mehr weiter anführen, aber als Tatsache wird man hinnehmen müssen, -daß auch der Haushaltsausschuß oft zu nachgiebig und zu schwach gegenüber der führenden Beamtenbürokratie gewesen ist. In Zukunft wird für eine sparsamere Politik zu sorgen sein, und der Haushaltsausschuß wird dazu gezwungen sein, weil er auf der anderen Seite keine Deckungsmittel mehr hat.
    Ich bekenne mich auch zu der Auffassung, die der Herr Kollege Dr. Nöll von der Nahmer gestern hier vorgetragen hat, auch im Staatshaushalt von den Einnahmen auszusgehen und nicht von den Ausgaben. Ich habe diese Theorie schon vor 30 Jahren im hessischen Landtag zu vertreten versucht. Ich weiß, daß sie sich nicht überall durchführen läßt. Es gibt auch zwangsläufige Ausgaben, die geleistet werden müssen, aber im großen und ganzen müssen die Einnahmemöglichkeiten, die sich ohne übertriebene Steuerbelastung ergeben, doch der Ausgangspunkt sein; denn es hat keinen Wert, eine Kuh, von der man Milch haben will. zu schlachten. Wenn wir die Wirtschaft allzu stark besteuern, dann gleichen wir Leuten, die das tun.
    Wir müssen also diesen Forderungen, den hierarchisch aufgebauten Beamtenkörper immer mehr zu erweitern und dadurch die Staatsaufgaben und die Staatsausgaben zu vermehren, mit allem Nachdruck entgegentreten. Zu dieser Forderung kommen wir nicht aus politischen Gründen, sondern einfach deswegen, weil das im in teresse unseres Wirtschaftslebens erforderlich ist.
    Um die Herrschaft der Bürokratie zu brechen und Einsparungen im Etat zu erzielen, muß man zunächst an unnütze Ministerien herangehen und ihre Beseitigung zu erreichen versuchen. Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen hier sagen, daß wir einen neuen Antrag vorbereitet haben, einen Antrag, in dem wir die alten Anträge zusammenzufassen versuchen. Es ist mir nicht gelungen, 10 Unterschriften zu bekommen.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Sehen Sie!)

    Infolgedessen kann ich diesen Antrag nicht vorlegen, weil es dazu nach § 44, glaube ich, für die dritte Lesung 10 Unterschriften bedarf.

    (Zuruf von der FDP: Sparen wir die Unkosten, Herr Kollege Leuchtgens!)

    — Das mag sein, aber lassen Sie sich vielleicht
    einmal von den Steuerzahlern eine andere Erklärung über diese Sache geben. Jedenfalls sind
    eine große Anzahl von Anregungen, die in die-


    (Dr. Leuchtgens)

    sem Antrag enthalten sind - die übrigens auch zum Teil andere Parteien gegeben haben —, durchaus beachtenswert bei der Finanznot, in der wir nun einmal sind.
    Ich habe also nur 5 Unterschriften bekommen und bekenne meinen Bankrott auf diesem Gebiet,

    (Heiterkeit und Zurufe)

    da ist nun gar nichts anderes zu sagen.

    (Zuruf des Abg. Mellies.)

    — Ja, wenn Sie, Herr Mellies, der Sie doch auch einen guten Einblick in den Etat haben, mit Ihren Freunden mitgeholfen hätten, hätte ich meine 10 Unterschriften bekommen. Sie haben das nicht getan. Sie haben es nicht getan, nicht etwa, weil Sie vielleicht im wesentlichen anderer Auffassung wären, sondern weil Sie die Unterschrift aus politischen Gründen nicht leisten wollen.

    (Abg. Mellies: Da haben Sie ganz . daneben gedacht!)

    - Nun, es soll mich freuen, wenn ich mich geirrt habe.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Haben Sie denn Herrn Loritz nicht gefragt?)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, obwohl ich den Antrag leider, wie ich schon sagte, nicht einreichen konnte, Ihnen doch ganz kurz sagen, worum es sich dabei dreht.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Um Gottes willen, das wissen wir doch!)

    — Sie brauchen jetzt nicht „Um Gottes willen" zu sagen, Frau Kollegin Weber. Fürchten Sie nicht, daß ich sehr lange sprechen werde.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Doch, das fürchte ich!)

    Fürchten Sie nicht, daß ich allgemeine Gegensätze hervorhebe. Natürlich werden Sie bei der CDU früher oder später zu derselben Auffassung kommen. Das ist mir so sicher wie die Tatsache, daß der Rhein da draußen fließt. Durch die Wirtschaftsentwicklung werden Ihnen von der CDU und den übrigen Regierungsparteien dieselben Forderungen aufgedrängt werden, weil auch Sie der Entwicklung der deutschen Wirtschaft, wie sie sich nun einmal aus verschiedenen Gründen in dieser Nachkriegszeit ergeben hat, nicht ausweichen können.
    Zunächst haben wir, wie wir das schon bei der zweiten Lesung getan haben, die drei Ministerien und die dazu gehörigen Einzelpläne, das Ministerium für den Marshallplan, Einzelplan V, das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, Einzelplan XVI, und das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats, Einzelplan XVII, zu streichen beabsichtigt.

    (Abg. Mellies: Dazu brauchten Sie keine Unterschriften, Herr Leuchtgens!)

    - Dazu brauchen wir keine Unterschriften. Ich möchte aber ausdrücklich sagen, daß wir diesen Antrag in der dritten Lesung stellen wollten. Sie haben ihn ja bereits gestellt und werden ihn wohl auch in der dritten Lesung vorbringen. Da wird uns ja Gelegenheit gegeben sein, mitzustimmen. Wir tun das, Sie tun es nicht! Wenn ich den Antrag gestellt hätte, hätten Sie aus
    parteipolitischer Opposition nicht mit mir gestimmt!

    (Abg. Mellies: Aber Herr Leuchtgens, was denken Sie heute immer daneben, ich bin ganz erstaunt!)

    Wir wollen über diese Dinge heute nicht weiter reden; ich habe Ihnen das nur gesagt als meine Auffassung.
    Für diese drei Ministerien wird ein Betrag von immerhin 7 916 000 Mark gefordert. Ich weiß ganz genau, daß diese Ausgaben nicht ohne weiteres beseitigt werden können, weil ja die Arbeiten zum Teil anderen Ministerien über-. wiesen werden müssen.

    (Abg. Dr. Orth: Die Hälfte!)

    Von diesen rund 8 Millionen, die die drei Ministerien kosten, würde ein erheblicher Betrag zu sparen sein, wenn wir sie in andere Ministerien eingliedern würden. Ich will auf die Frage, wie das möglich ist oder wie das nicht möglich ist, nicht weiter eingehen; darüber ist ja schon soviel gesprochen worden, und ich will auch das Haus nicht weiter damit aufhalten.
    Was die persönlichen Verwaltungsausgaben betrifft, so möchte ich auch wieder hervorheben, daß wir die Bezüge des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers, der Minister und auch die der Staatssekretäre, die ja nicht viel darunter liegen, für viel zu hoch halten.

    (Zurufe: Streichen!)

    Ich will die Dinge nicht im einzelnen wiederholen, denn diese Anträge lagen ja in der zweiten Beratung vor. Ich will nur nochmals darauf hinweisen, daß der Bundespräsident 50 000 Mark bezieht. Wir glauben, daß er mit 36 000 Mark auch auskäme. Der Bundeskanzler bekommt 45 000 Mark. Wir sind der Meinung, daß er mit 30 000 Mark auskäme.

    (Abg. Dr. Orth: Sagen wir: die Hälfte!)

    Die Minister, die 36 000 Mark Jahresgehalt haben, müssen auch mit 24 000 Mark auskommen. Das ist immerhin ein sehr schönes Gehalt. Ich bin nicht der Meinung, daß sich die Bedeutung eines Menschen lediglich danach bemißt, welches Gehalt er bezieht, obgleich man das bei einer Beamtenhierarchie ja auch im Gehalt zum Ausdruck bringen muß. Die Staatssekretäre kriegen 26 500 Mark.

    (Abg. Dr. Orth: Ja, das sind die Bösen!)

    Dieses Gehalt kann natürlich auch nicht so hoch bleiben, wenn die Ministergehälter heruntergesetzt werden.
    Im übrigen kommen dann noch die Aufwandsgelder hinzu, für den Bundespräsidenten von 100 000 Mark bzw. 50 000 Mark. Ich bin der Meinung, daß diese Beträge auf 60 000 bzw. 30 000 Mark gekürzt werden können. Ferner kommen die Dienstaufwandsentschädigungen hinzu. Sie belaufen sich in den acht Ministerien, deren Etat uns hier vorliegt — fünf der Ministerien werden in unserem Voranschlag ja gar nicht behandelt, da deren Etats auf den Bewilligungen in Frankfurt beruhen —, auf eine Summe von 497 000 Mark. Also beinahe eine halbe Million geben wir allein für Dienstaufwandsentschädigungen aus. Wir sind der Meinung, daß diese


    (Dr. Leuchtgens)

    Dienstaufwandsentschädigungen, wie es unser
    Antrag verlangte, unbedingt wegfallen müßten.

    (Abg. Dr. Orth: Sie sagen „wir", Herr Leuchtgens! Ihre gesamte Fraktion applaudiert Ihnen zu sehr, wenn Sie sagen „wir"! — Abg. Mellies: Was hätten Sie denn bei der Dienstaufwandsentschädigung für Hindenburg gesagt?)

    - Hindenburg ist ja nicht mehr da.

    (Abg. Mellies: Eben! Aber was haben Sie damals gesagt?)

    Ich bin schon der Auffassung, daß das ein überholtes Problem ist: damit brauchen wir uns heute nicht zu beschäftigen.

    (Abg. Mellies: Na, na! So einfach geht es ja nun auch nicht!)

    Für die acht Ministerien, deren Etat wir hier zu beraten haben, sind nicht weniger als 1613 Beamten-, Angestellten- und Arbeiterstellen vorgesehen.

    (Abg. Dr. Orth: Sagen wir: die Hälfte!)

    Wir würden, wenn ich meinen Antrag hätte einbringen können, nach wie vor vorgeschlagen haben, 20 % dieser Stellen zu streichen.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Warum nicht 30? — Heiterkeit.)

    Dann wären es immer noch genug und immer noch mehr, als früher vorgeschlagen worden sind. Die Gesamtausgaben, die persönlichen Verwaltungskosten allein für diese acht Ministerien betragen 6 235 600 Mark. Rechnen Sie davon einen Betrag von 20 % ab, dann ergibt sich nicht nur eine Einsparung von 1,5 Millionen Mark, sondern dann haben wir überhaupt wesentlich weniger Ausgaben.
    Nun kommen die sächlichen Verwaltungsausgaben. Hier, meine Damen und Herren, wimmelt es nun geradezu von unmöglichen Ausgaben. Da haben wir zunächst die Geschäftsbedürfnisse der einzelnen Ministerien, die sich insgesamt auf 616 700 Mark belaufen. Wir wissen aus dem Haushaltsausschuß, daß die Ansätze für diese Geschäftsbedürfnisse vielfach übersteigert sind und daß wir gut ein Drittel davon abstreichen könnten, ohne daß irgendwelche Not einträte.
    Für Unterhaltung und Ergänzung der Geräte und Ausstattungsgegenstände in den Diensträumen — es handelt sich jeweils um den Tit. 12 des Kap. 1, da kann es jeder nachlesen — sind allein 118 000 Mark angefordert. Auch hier würde eine dreißigprozentige Kürzung durchaus möglich sein, ohne den Dienstbetrieb irgendwie zu beeinträchtigen.
    Dann die Beträge für Anschaffung von Büchern. Wir haben schon oft genug darüber gesprochen,

    (Abg. Dr. Orth: Von Bücherei habe ich noch gar nichts gehört!!)

    daß wir nicht in jedem Ministerium und in jeder Dienststelle eine große Bibliothek brauchen, sondern daß man das zusammenfassen könnte. Es dreht sich hier um einen Betrag von 150 000 Mark, die in den einzelnen Stellen, die durchaus verstreut liegen, allein für Bücher ausgegeben werden sollen. Ich glaube, es wäre für manchen Beamten hier und da ganz gut, wenn er einmal einen Spaziergang machte, wenn er
    einmal durch die Luft ginge, wenn er in die Bibliothek gehen muß, falls er dort gerade mal etwas braucht.

    (Abg. Dr. Orth: Sehr gut!)

    Er muß ja nicht immer gleich ein Buch zur Hand haben.

    (Zurufe: Na eben! Nein! Nein!)

    — Einige Herren werden sie brauchen, die gehen
    dann eben zur Hauptbibliothek; das weiß ich ja.
    Für die Unterhaltung der Dienstgebäude sind hier, obgleich es sich im wesentlichen um neue Dienstgebäude handelt, 170 500 Mark angesetzt. Auch hier wäre eine Streichung von 30 % durchaus zu rechtfertigen.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Warum nicht 50?)

    Die Beträge, die für Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen in Tit. 16 des Kap. 1 vorgesehen sind, belaufen sich auf insgesamt 415 000 Mark. Auch hier wäre eine Kürzung um 30 % angebracht.
    Über die Zahl der Kraftwagen haben wir auch schon mehrfach gesprochen. Es sind hier insgesamt 55 angefordert. Ich glaube, daß man diese Zahl ganz gut um 15 vermindern könnte; dann hätte man immer noch 40, und die würden es auch tun.
    Ich will mich mit diesen etwas banalen Feststellungen begnügen und die Dinge nicht im einzelnen nachzuweisen versuchen. Das würde Sie viel zulange aufhalten und Ihre Geduld noch mehr reizen, als ich das sowieso schon tue.

    (Abg. Dr. Orth: Können Sie nicht mal eine Pause machen, damit Ihre Fraktion applaudieren kann?)

    Dann haben wir hier noch die Verfügungssummen, deren Gesamtansatz sich auf 526 800 Mark beläuft. Auch diese Aufwendungen wären nach unserer Meinung nicht nötig.
    Meine Damen und Herren! Ich bin am Ende meiner Ausführungen.

    (Zurufe: Bravo! Gott sei Dank!)

    Gestatten Sie mir aber, noch ein paar Worte
    .über unsere Innen- und Außenpolitik zu sagen,

    (Abg. Frau Dr. Weber: Selbstverständlich! — Weitere Zurufe: Ausgezeichnet! Großartig!)

    und zwar aus dem sehr einfachen Grunde, weil das heute von einzelnen Rednern schon mehr oder weniger zum Gegenstand ihrer Ausführungen gemacht worden ist.
    Zur Innenpolitik habe ich nicht sehr viel zu sagen. Nur dies eine: wir wollen in den Am-tern und Ministerien ein sparsames, einfaches Leben zu führen versuchen und damit den anderen, nachgeordneten Dienststellen beweisen, wie man's auch gut machen kann.

    (Abg. Frau Dr. Weber: Selbstverständlich!)

    Dann würde es notwendig sein, auch in dem Hohen Hause hier, was seine Ausschüsse angeht, Ordnung zu schaffen. Denn, wie die Dinge heute sind - ich habe schon mal darüber gesprochen —, kommen wir mit den ungeheuer vielen und großen Ausschüssen in der sachlichen Beratung nicht weiter.

    (Abg. Mellies: Sie wollen ja dabei sein!)

    - Ja, ich möchte auch dabei sein. Wenn soviele
    dabei sind, wird es auch nicht darauf ankom-


    (Dr. Leuchtgens)

    men, wenn ich auch noch dabei bin. Ich könnte wahrscheinlich auch meinen Anteil — ohne mich rühmen zu wollen — zu den allgemeinen Beratungen beitragen, wenn ich erst Mitglied wäre. Ich bin es ja nicht. Ich glaube also, daß wir in diesem Punkt noch sehr fruchtbare Arbeit leisten können. Ich freue mich. daß ich mich hier in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler befinde, der ja in einem kurzen Presseinterview auf dieselben Übelstände hingewiesen hat, daß wir 39 Ausschüsse oder — mit Unterausschüssen — 60 Ausschüsse haben und daß diese in der großen Zahl gar nicht die ersprießliche Arbeit leisten können, die notwendig wäre.
    Was nun die Außenpolitik angeht, so lassen Sie mich darüber auch nur ganz kurz einiges sagen. Ich weiß, daß man sich heute in unserer Außenpolitik — sowohl in der Presse als auch im Parlament und in Privatunterhaltungen — sehr stark über zwei Dinge unterhält: das ist die Verständigung mit Frankreich, und das ist der Beitritt zum Europarat. Wir haben hier schon einmal darüber gesprochen. Es ist nun ein merkwürdiger Doktrinarismus in Deutschland, daß man sich unbedingt an diese zwei Dinge hält, weil man glaubt, wir könnten uns aus unserer Isolierung und aus unserer Armut und aus dem Mißtrauen, das man uns entgegenbringt, nur über diesen Weg retten. Ich bin der Meinung, daß man das tun soll. Ich gehöre auch zu den Anhängern dieser Theorie, und ich habe von Anfang an zu den Anhängern einer westeuropäischen Union gehört. Da man uns aber so, wie man das seither getan hat, behandelt, indem man uns die Saarkonvention aufgedrängt hat, müssen wir aus Gründen der Selbstachtung zunächst die Verhandlungen über eine Verständigung mit Frankreich einstellen.

    (Oho!-Rufe in der Mitte.)

    Der Herr Bundeskanzler hat ja bereits zu der Frage Stellung genommen. Die Regierung hat auch in einem Weißbuch die ganzen Dinge klargelegt, wie sie sich in der Saarkonvention darstellen. Solange Frankreich uns diese Demütigungen zumutet, solange es uns ein Stück Land an der Westgrenze vom Leibe reißt — denn etwas anderes ist es ja nicht —, so lange können wir keine Verständigungsverhandlungen führen. Es würde unserer nationalen Würde widersprechen. Ich glaube, ich bin hier mit dem ganzen Hause einmütig, wenn ich das sage, daß wir nun nicht um eine Verständigung mit Frankreich buhlen sollten. Solange Frankreich von sich aus nicht die Einsicht hat, daß es unsere alten Grenzen schonen muß, daß das Saargebiet ein deutsches Land ist und nicht zu Frankreich gehört, so lange müssen wir jede Verständigungsverhandlung ablehnen.
    Glauben Sie nicht, daß der Hinweis darauf zutrifft, daß nun der Friedensvertrag andere Verhältnisse, daß der Friedensvertrag uns das, was wir erhoffen, bringen würde. Ich habe die Überzeugung, die der Herr Bundeskanzler auch ausgesprochen hat, daß die Dinge, wenn sie sich einmal im Saargebiet eingespielt haben, auch durch einen Friedensvertrag nicht mehr beseitigt werden. Fangen wir also beizeiten an und sagen wir: wir verhandeln nicht mehr über eine Verständigung mit Frankreich, solange die Saarkonvention nicht zurückgezogen ist!
    Dasselbe gilt auch für die Europa-Union. Auch hier wollen wir, wenn es möglich ist, die Dinge in der Richtung gestalten. Aber solange man uns mit der Saarkonvention kommt, so lange müssen wir sagen: Das machen wir aus Gründen dei Selbstachtung nicht mit! Man kann sich über Winston Churchill freuen, der immer wieder und nun erneut die Forderung stellt, Deutschland muß mit den Weststaaten gleichberechtigt werden und zwischen Frankreich, England und Deutschland muß eine Verständigung herbeigeführt werden. Ich bin dem Staatsmann, der meine volle Hochachtung als Staatsmann genießt, dankbar, daß er das Problem immer wieder in dieser Richtung aufreißt. Ich bin aber auch der Meinung, daß wir, solange wir die Saarkonvention haben, auch Winston Churchill gegenüber sagen müssen: Sorgt dafür, daß erst diese Vergewaltigung im Saarland abgeschafft wird, dann wollen wir uns auch wieder zu Gesprächen zusammenfinden!

    (Abg. Frau Dr. Weber: Das müssen Sie ihm schreiben! — Zurufe von der Mitte: „Großer Beifall" bei Ihrer Fraktion! — Wo ist Ihre Fraktion?)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Unsere Stellung zum Haushalt

    (Zuruf rechts: Die kennen wir schon!)

    - Sie haben recht — wird bestimmt durch den reaktionären Charakter der Adenauer-Regierung. Über diesen reaktionären Charakter der Adenauer-Regierung haben wir von dieser Stelle aus sehr oft und ausführlich gesprochen. Es ist eine Regierung, die die Interessen des Volkes mißachtet, eine Regierung, die bisher keinesfalls den Beweis geliefert hat und auch nicht liefern wird, daß sie den wirklichen sozialen Belangen der werktätigen Menschen in Westdeutschland in irgendeiner Form gerecht werden will.

    (Zuruf von der CDU: Sie kopieren ja Herrn Loritz!)

    Zur gegenwärtigen Etatdebatte kann man sagen, daß bei seiner Natur .selbstverständlich die Personalpolitik der Regierung weit im Vordergrund stehen mußte. Ich möchte hinzufügen, daß wir Kommunisten von vornherein keinerlei Illusionen über die Errichtung der Bonner Verwaltungsstellen hatten, über die Personalpolitik der Regierung und auch über den Grundcharakter der von dem Herrn Bundeskanzler geführten Politik der Gewinnung von besonderen Personen für seine Verwaltungsstellen. Vor der Bildung der Bundesregierung hat einmal der Herr Bundeskanzler meinem Fraktionskollegen Renner im Düsseldorfer Landtag auf die Frage: Werden Sie, Herr Bundeskanzler, linkseingestellte und SPD-Beamte in die Bonner Verwaltung einstellen? – folgendes erklärt: Wozu, Herr Renner, haben wir denn gesiegt?

    (Sehr gut! bei der KPD. — Abg. Frau Dr. Weber: Das ist doch Unsinn! Wann hat er denn das gesagt?)

    Das, meine Damen und Herren, ist der Charakter der Personalpolitik der gegenwärtigen Regierung.

    (Zuruf von der CDU: Nein, das stimmt nicht! — Abg. Bausch: Sie sind ein Märchenerzähler!)



    (Rische)

    Diese Personalpolitik dient seit jeher in den Demokratien des kapitalistischen Westens zur rücksichtslosen Durchsetzung volksfeindlicher Maßnahmen. Sie schafft ein geeignetes Verwaltungsinstrument in den Händen der herrschenden Klasse zur Unterdrückung des Volkes.
    Aus der ehemals für Bonn vorgesehenen Zahl von 3000 Bediensteten — das wurde damals der Öffentlichkeit immer wieder aus Agitationsgründen vorerzählt — sind unterdessen bereits 6000 Bedienstete geworden. Und diese Entwicklung geht munter weitere. Kein Wunder, wenn die Regierung aus Gründen der Koalition, eben weil sie auf so schwachen Füßen steht und stand, gleich 14 Ministerien bilden mußte, die nun auch ihre Daseinsberechtigung durch eine entsprechende Auffüllung ihrer Ministerien mit Bediensteten unter Beweis stellen wollen. Der geduldige Steuerzahler in Westdeutschland muß selbstverständlich alles zahlen.
    Wir Kommunisten stellen aber nun die Frage an die Regierung: Wo bleibt des Versprechen in der Regierungserklärung, größte Sparsamkeit bei der EL der Regierungsstellen in Bonn zu üben? Ich stelle diese Frage und will sie gleich beantworten, weil die Regierung doch schweigen wird. Dieses Versprechen ist seitens der Adenauer-Regierung, wie in so vielen anderen Fragen ihrer Politik, nicht eingehalten worden.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Der gegenwärtige Bundeshaushalt und der kommende Übergangsetat umfassen einen Gesamtbetrag von rund 1,5 Milliarden DM. Das ist, wenn Sie wollen, erst der erste Abschlag, wie man im Ruhrgebiet sagt. Es gibt aber schon angesichts dieser Summe, wie Sie alle wissen, in der Öffentlichkeit eine starke Kritik. Die Menschen kritisieren mit Recht das Anschwellen der Bonner Regierungsbürokratie. Eigentümlicherweise geschieht diese Aufblähung der Bürokratie gerade von jenen Parteien und ihren Ministern, die im Wahlkampf so laut gegen die Verbürokratisierung des Lebens in Westdeutschland wetterten und einen radikalen Abbau der Bürokratie an allen Fronten forderten. Mit Erstaunen werden jedoch die gequälten Staatsbürger Westdeutschlands in den nächsten Wochen, wenn sie die volle Rechnung für Bonn und die Bonner Politik offengelegt bekommen, feststellen, daß Bonn ein Faß ohne Boden ist.
    Im Bundeshaushalt 1950 wird, wie man vernehmen kann, eine Etatsumme von 11 bis 12 Milliarden zu Buche stehen, eine unerhört hohe Summe, die man letzten Endes aus den Groschen der Steuerzahler, insbesondere selbstverständlich der Werktätigen, aufbringen wird. Schon heute geistert in den Büchern des Herrn Finanzministers ein, wie man sagt, Fehlbetrag von rund 4 Milliarden DM herum. Das ist fast der Betrag, der im kommenden Etatsjahr 1950 von der westdeutschen Bevölkerung an Besatzungskosten zur Aufrechterhaltung der Kolonialherrschaft der Hohen Kommission, einer Institution der amerikanischen Monopole, aufgebracht werden soll. Nichts hat man heute in den Reden von der Sozialdemokratischen Partei und auch in den Reden der anderen Fraktionen über diesen großen und größten Etatposten in Westdeutschland gehört. Hier ist ein bemerkenswertes Schweigen festzustellen gewesen.
    Um den mit Sicherheit zu erwartenden Ausfall zu decken, hat man schon seitens der Regierung erwogen, die Lebensmittelsubventionen im Sommer auslaufen zú lassen. Das bedeute eine erneute erhebliche Belastung der Verbraucher, die noch nichts und gar nichts von der so oft verkündeten „sozialen Marktwirtschaft" der Adenauer-Regierung verspürt haben. Dies ist die Politik aller kapitalistischen Staaten, aller kapitalistischen Demokratien, wenn Finanzschwierigkeiten im Budget auftreten, sofort daran zu denken, die Sozialausgaben zu kürzen, um den Ausgleich auf Kosten der Werktätigen herbeizuführen.
    Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten haben bereits unsere grundsätzlichen Bedenken gegen die einzelnen Etats der Minister, die in den vergangenen Tagen zur Debatte standen, in aller Ausführlichkeit von dieser Stelle aus bekanntgegeben. Interessant war dabei, daß diese Regierung, insbesondere auch der Herr Vizekanzler, uns die Antwort schuldig geblieben ist. Die Antwort blieb uns auch Herr Kaiser schuldig, der vom Herrn Bundeskanzler abgehalten wurde, von dieser Stelle aus entsprechend der Devise „Freiheit der Persönlichkeit und Freiheit des Wortes" Stellung zu der
    Kritik an seinem Etat zu nehmen.
    Wir haben zur dritten Lesung noch eine Reihe grundsätzlicher Anträge gestellt. Das Haus kann also erneut beweisen, welche Haltung es den Forderungen der Werktätigen gegenüber einnimmt. Das gilt auch für die sozialdemokratische Fraktion, für eine Fraktion, die draußen bei den Massen immer wieder betont, daß sie in Bonn eine starke Opposition gegen die Politik der Regierung durchführe. Aber wenn es sich um die Zustimmung zu kommunistischen Anträgen handelt, dann bezieht sie aus ihrer tiefen, unverständlichen Abneigung gegen die Kommunisten eine Stellung gegen das werktätige Volk.
    Die Adenauer-Regierung hat nun sieben Monate des „Regierens" hinter sich, in denen sie hätte beweisen können, wie sie die von ihr in der Regierungserklärung gegebenen Versprechungen in der Praxis des Lebens durchzusetzen versteht. Ich sage: in der Praxis des Lebens, und zwar auch darum, weil ich auch heute wieder von so vielen Rednern so viele schöne Worte über den Status der jungen Demokratie in Westdeutschland hörte. Worte, die immer wieder zwar von der Bundesregierung sprachen, aber das Wort Deutschland, Gesamtdeutschland, wie in vielen anderen Fragen sehr wohl zu verschweigen verstanden.

    (Abg. Bausch: Nein, davon haben wir geredet!)

    Meine Damen und Herren! Es ist darum an der Zeit, einmal eine Bilanz der Tätigkeit dieser Regierung zu geben, eine Bilanz, die auf den Realitäten des Lebens beruht. Hier nutzen nicht die schönen Worte, die wir beispielsweise vom Kollegen Merkatz hörten, die an einen bestimmten aufgeklärten Absolutismus erinnerten; hier ist auch nicht viel getan mit der schwärmerischen Rhetorik des Herrn Schäfer.
    Um welche Versprechungen handelt es sich? In der Regierungserklärung hieß es klipp und klar: ..Auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik werden wir die in Frankfurt so erfolgreich eingeschlagene Richtung weiter verfolgen." Schon zur Zeit der Frankfurter Wirtschaftspolitik gab es im Volke eine starke Opposition, ja ein starkes Aufbegehren gegen diese angeblich erfolgreiche Wirtschaftspolitik, die zum Generalstreik führte. Diese Frank-


    (Rische)

    furter Wirtschaftspolitik ist auf immer verbunden beispielsweise mit der lächerlichen Komödie der damaligen Untersuchung der Speisekammern; sie ist aber auch verbunden mit der von deutschen Kräften unterstützten Durchführung der separaten Währungsreform. Sie ist auch auf das innigste verbunden mit der Politik des Marshallplans.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Das Ergebnis dieser Politik von Frankfurt und Bonn läßt sich heute an einigen Tatsachen schlagend beweisen und zusammenfassen.

    (Zuruf von der KPD : Über uns der Pleitegeier!)

    Immer neue Industriezweige werden heute in Westdeutschland von Krisenerscheinungen erfaßt. Es besteht — das stelle man sich vor! — in Westdeutschland heute schon ein Absatzmangel in einigen Industriezweigen, obwohl wir nach wie vor unter den besonderen Ereignissen der NachkriegsWirtschaftsentwicklung stehen. Wir müssen schon wieder feststellen, daß dieser Absatzmangel eine Folge der mangelnden Kaufkraft der werktätigen Menschen ist.
    Teilweise ist auch die starke Produktionsausweitung in vielen Wirtschaftszweigen, die seit der Währungsreform festzustellen war, längst einer Stagnation gewichen. Ich habe noch die Sondermeldung genau im Gedächtnis, die das Organ der britischen Militärregierung „Die Welt" brachte, als sie verkünden konnte: Produktionsstand des Jahres 1936 in Westdeutschland erreicht. Seit diese Sondermeldung in der Zeitung der britischen Besatzungsbehörden veröffentlicht wurde. ist es allerdings mit den Indexmeldungen in Westdeutschland ein klein wenig ruhiger geworden. Ich will gar nicht daran erinnern, daß sich auch die Statistiker der einzelnen Ämter allerhand Kunststückchen erlaubt haben, um den werktätigen Menschen in Westdeutschland immer wieder nachzuweisen, daß sich ihr Lebensstandard in den letzten Wochen doch um einige Punkte verbessert habe. Wenn man von der Produktion ausgeht, dann zeigt sich heute schon an vielen Punkten der Industrie ein ernstes Zurückweichen. Gewiß gibt es Schwankungen. Im wesentlichen muß aber festgestellt werden. daß es nicht einmal, obwohl große Möglichkeiten für Westdeutschland gegeben sind — hier ist der Kern der Industrie —, gelungen ist. die Produktionsleistung des Jahres 193g zu erreichen, sondern daß die Produktion zurückgeht.
    Infolgedessen ist es auch kein Wunder, daß heute die Millionenarmee der Arbeitslosen und Kurzarbeiter in Westdeutschland maßgeblich auf den ganzen Wirtschaftsvorgang drückt. Diese Millionenarmee der Arbeitslosen und Kurzarbeiter ist sozusagen das Symbol der Wirtschaftspolitik dieser Regierung. Sie ist einfach aus der Wirtschaftspolitik der Adenauer-Regierung nicht fortzudenken. Dabei ergeben sich dann die eigentümlichen Nachrichten über den jeweiligen Stand der Arbeitslosigkeit. Der Herr Arbeitsminister Storch hat sich immer wieder darin gefallen, zu den verschiedensten Anlässen — schon im vergangenen Jahr — zu betonen: Der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit ist erreicht. Die Arbeitslosigkeit befindet sich im Abklingen, erklärte er mehr als einmal. Das gleiche hat er auch wieder vor einigen Tagen getan, und wieder einmal — zum wievielten Male wohl schon? — hat er erklärt: der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit ist überschritten. Diese Meldung über die Äußerung des Herrn Arbeitsministers wurde bezeichnenderweise mit einer Stellungnahme eines hohen Beamten der Hohen Kommission wiedergegeben, der erklärte, der Arbeitslosenrückgang sei nur saisonbedingt.
    Meine Damen und Herren! Beim Studium der Dokumente der Regierung, deren gibt es Gott sei Dank schon eine ganze Reihe, muß man doch feststellen, daß diese Regierung selbst der Öffentlichkeit gegenüber erklärt hat, daß die Arbeitslosigkeit eine Dauererscheinung in der westdeutschen Wirtschaft sein wird. Diese Dauerarbeitslosigkeit wird vielfach auch von einigen „Wirtschaftstheoretikern" der rechten Seite des Hauses als ein sogenannter „Gesundungsprozeß der Wirtschaft" dargestellt.

    (Abg. Renner: Das sagte auch der Herr Wirtschaftsminister!)

    — Ja, das kommt gelegentlich auch vor. Der Herr Wirtschaftsminister ist immer sehr bereit, von solchen „Gesundungs"-Prozessen zur Sanierung der kapitalistischen Profitwirtschaft zu sprechen.
    In diesem Zusammenhang ein kurzes Wort auch zur Lage der Bauernschaft. Dank der Liberalisation des Herrn Vizekanzlers und ERP-Marshall-„Rückwärts" ist es praktisch heute zu einer außerordentlich schwierigen Lage der bäuerlichen Bevölkerung gekommen.
    Dies äußert sich darin, daß vielerorts die Bauern nicht einmal mehr in der Lage sind, ihre Saat, die jetzt in die Erde gehört, aus den normalen Betriebsergebnissen ihrer Arbeit, ihres bäuerlichen Anwesens zu bezahlen. Die Soforthilfeabgabe hat außerdem eine unerhörte Empörung bei den Bauern hervorgerufen, weil diese sich naturgemäß nicht gegen diese Soforthilfeabgaben wehren können, während die Vertreter der großen Gesellschaften, die gleich ein Dutzend Syndizi zur Verfügung haben, Stundungsanträge stellten, denen die Behörden auch jederzeit stattgegeben haben. Im Zuge der Liberalisierung, besser gesagt: Kolonialisierung der westdeutschen Wirtschaft, ergibt es sich, daß die Landwirtschaft heute in dem armen Westdeutschland schon eine „Überproduktion" an Getreide, Fleisch und Gemüse besitzt, die nicht abzusetzen ist. Dieser Widerspruch. dieser Widersinn muß doch geradezu auf alle Manschen wie ein Hammerschlag wirken. Er muß bei allen Menschen geradezu die Frage hervorrufen : wie ist es möglich, daß heute in Westdeutschland heim Vorhandensein noch großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten, ia beim Vorhandensein des effektiven Hungers noch hei vielen Menschen die eigene Landwirtschaft ihre Produkte nicht mehr loswerden kann? Das ist auch ein „Erfolg" der Wirtschaftspolitik dieser Regierung. die mit den Interessen des deutschen Volkes nichts gemein hat.
    Die vollen Schaufenster in Westdeutschland sind auch nur der Schein einer Prosperität: denn dahinter versteckt sich und dahinter steht der Pump und die Verschuldung. Diese Verschuldung hat heute bereits einen Grad ereicht daß keiner mehr davon zu sprechen vermag, daß die westdeutschen Regierungsbehörden in irgendeiner Form auch nur einen Deut der Selbständigkeit — die sie ja nie hatten — zu beanspruchen vermögen. Diese Verschuldung wird sich in Zukunft als ein Faustpfand iener Regierungen erweisen. die mit den deutschen Menschen. mit dem deutschen Territorium und mit dar deutschen Industrie gegen die fortschrittlichen Völker Politik machen wollen.
    Dies ist in kurzen Zügen eine Bilanz der, wie Sie sagen, erfolgreichen Fortsetzung dar Frankfurter Wirtschaftspolitik. die sich auch fälschlicherweise „soziale Marktwirtschaft" nennt. Vielfach


    (Rische)

    wurde von seiten der Rechtsparteien erklärt, diese „soziale Marktwirtschaft" oder Politik aus „christlicher Verantwortung" diene dazu, ruhige wirtschaftliche und politische Verhältnisse in Westdeutschland zu schaffen. Was ist aber in Wirklichkeit eingetreten? In der Regierungserklärung heißt es bespielsweise über die Demontagen, die nach wie vor die Menschen in Westdeutschland aufwühlen, die nach wie vor an das Weltgewissen appellieren und den nationalen Notstand zeigen:
    Die Demontagefrage ist auch eine Frage von
    großer psychologischer Bedeutung. Man ver-
    steht in weiten Kreisen des Volkes nicht, daß
    man mit der einen Hand ihm wirtschaftliche
    Hilfe gibt und mit der anderen Hand wirtschaftliche Werte zerstört.
    Gut und schön, meine Damen und Herren! Das ist aber nur die eine Seite. In Wirklichkeit ist es doch so, daß die deutschen Menschen an den verschiedensten Punkten heute einen wirklichen Verzweiflungskampf um die Erhaltung ihrer Produktionsstätten führen müssen. In achtzehn Betrieben im Bundesgebiet wird zur Zeit demontiert, obwohl einige Betriebe gemäß dem Petersberger Abkommen mit der Bundesregierung von der Demontage
    ausgenommen sind. Ich erinnere hier an die Demontage bei Thyssen in Duisburg, wo die Feinblechwalzenstraße 3 zur Zeit abgebaut wird. obwohl es in einem Abkommen mit der Bundesregierung heißt, daß alle Demontagen in Duisburg unterbleiben. Ferner wird in Essen demontiert, wo über 4500 Kruppianer zur Zeit der Arbeitslosigkeit entgegengehen.
    Aber das größte Drama unserer Zeit ist zweifellos der Kampf der Werktätigen der ehemaligen Reichswerke in Watenstedt-Salzgitter um die Erhaltung ihres Arbeitsplatzes. Die dramatischen Vorgänge in Watenstedt-Salzgitter haben uns — zum wievielten Male? — bewiesen, wo die Feinde des deutschen Volkes stehen, welche Politik die imperialistischen Feinde des deutschen Volkes durchführen. Nur weil die Betriebe der ehemaligen Reichswerke wenige Kilometer von der Zonengrenze entfernt liegen, werden sie auf Befehl der britischen Besatzungsmächte im „Kalten Krieg" rücksichtslos in die Luft gesprengt. In WatenstedtSalzgitter haben sich Verzweiflungszenen der um ihren Arbeitsplatz kämpfenden Menschen abgespielt. Was aber tat die Bundesregierung? Sie sehi ckte. wie wir wissen, ihren Arbeitsminister nach Watenstedt-Salzgitter, um dort die Situation einmal zu prüfen. Er kommt nach Bonn zurück und erklärt der Regierung: Die Unruhen in WatenstedtSalzgitter sind darauf zurückzuführen, daß zweihundert in der Deutschen Demokratischen Republik ausgebildete Agenten dort unter den Arbeitern Unruhe stiften.

    (Lachen bei der KPD.)

    Mit einer solchen wirklich lächerlichen Erklärung kann der Herr Bundesarbeitsminister doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Menschen in Watenstedt-Salzgitter wirklich um die Erhaltung ihres Arbeitsplatzes kämpfen. Ich will Ihnen die Wahrheit sagen, worum es dort geht. Es geht darum, daß man im „Kalten Krieg" einen Betrieb demontiert und in die Luft sprengt, der eben in die strategischen Pläne des Atlantikpaktes nicht hineinpaßt. Das ist die eine Tatsache. Die zweite Tatsache besteht in der Fortsetzung der Politik der rücksichtslosen Konkurrenz-Demontage der englischen Industrieherren, die um ihren Absatz fürchten.
    Die dritte Tatsache betrifft eine deutsche Angelegenheit. Hier wende ich mich an die Regierung. In den letzten Tagen wurde von höherer Stelle bekannt, daß die Adenauer-Regierung schon seit längerer Zeit von den Zerstörungen in WatenstedtSalzgitter gewußt haben soll — dies wurde von General Robertson erklärt — und daß sie diese Zerstörungen in Watenstedt-Salzgitter ruhig vor sich gehen lassen werde.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Meine Damen und Herren, ich fordere die Regierung anläßlich der heutigen Etatsdebatte auf, zu dieser unerhörten Tatsache der Vernichtung eines ganzen Wirtschaftsgebiets in aller Offenheit einmal Stellung zu nehmen. Das ganze deutsche Volk hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie die Regierung zu Watenstedt-Salzgitter steht und ob die Reichswerke in Watenstedt-Salzgitter mit ihrem Wissen zerstört wurden.

    (Abg. Renner: Ob sie es gebilligt hat!)

    Wenn es stimmt, dann verstehe ich den Sinn jener Anträge nicht, die von der rechten Seite des Hauses ausgingen, um in Watenstedt-Salzgitter im Gelände der ehemaligen Reichswerke neue Industrie anlagen zu erichten. Ich verstehe den Sinn dieser Anträge nicht, da mittlerweile ja mit Billigung der Bundesregierung die Fundamente, auf denen diese neuen Industrieanlagen errichtet werden sollten, in die Luft gejagt wurden. Meine Damen und Herren! Hier erwartet das ganze deutsche Volk eine Antwort.
    Ich will nicht noch auf die übrigen Zusammenhänge in Watenstedt-Salzgitter eingehen. Aber um Watenstedt-Salzgitter rankt sich noch ein anderes deutsches Problem, nämlich die Frage der Immunität von Abgeordneten. die Frage der Freizügigkeit der Persönlichkeit in Ihrer so gelobten Demokratie. Unter Mißachtung aller in der Notverfassung Niedersachsens und im Grundgesetz gegebenen Versprechungen wurden kommunistische Abgeordnete verhaftet und vor die Richter der Kolonialjustiz gezerrt. Das Beispiel der Abgeordneten Landwehr und Lehmann zeigte wieder einmal, wer die wahren Herren in Westdeutschland sind.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, noch zu einigen anderen Punkten des Petersberger Abkommens. Da ist erstens die Ruhrbehörde. Bekanntlich wurde gemäß dem Petersberg-Abkommen bestimmt, daß deutsche Vertreter in die internationale Ruhrbehörde entsandt werden sollten. Es hat sich dabei eine nette Koalition ergeben: der Herr Vizekanzler und ERP-Planer und der sozialdemokratische Gewerkschafter Potthoff, sie beide sind in der Ruhrbehörde die deutschen Vertreter.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Ich erinnere hier an die Kritik. die von aller, ten des Hauses an der Errichtung der Ruhrbehörde geübt wurde, und erstaunlicherweise wurden wenige Wochen später deutsche Vertreter in die Ruhrbehörde entsandt. Diese Ruhrbehörde hat heute neue Aufgaben erhalten. Sie wird nicht nur die Kontrolle von Kohle und Stahl für die Zukunft sichern. sondern sie bereitet vielmehr jetzt unmittelbar ihr administratives Eingreifen in alle Produktionsvorgänge vor. Zu diesem Zweck soll die kombinierte Kohlenkontrolle in Essen und die kombinierte Stahlkontrolle in Düsseldorf in der Ruhrbehörde aufgehen, um damit eine stärkere Konzentration der Amerikaner auf die gesamte westdeutsche Industrie vorzunehmen, d. h. eine


    (Rische)

    stärkere Kontrolle und Beherrschung der Ruhrindustrie durch die amerikanischen Monopole zu sichern.
    Eine sehr wichtige Frage des Petersberg-Abkommens betraf schließlich den deutschen Schiffsbau. Es gibt bei der Mehrzahl, ich möchte sagen, bei allen deutschen Menschen überhaupt keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß es eine Lebensnotwendigkeit für die Wirtschaft und auch den Erhalt des ganzen Volkes ist, daß wir wieder eine eigene deutsche Schiffahrt bekommen. Aber in Durchführung des Petersberg-Abkommens zeigen sich heute in Hamburg die Schwierigkeiten. Kein Reeder ist bereit, ein Schiff zu bauen, das nur elf Knoten läuft, wenn die anderen Nationen heute Schiffe mit sechzehn bis achtzehn Knoten und mehr bauen.

    (Zuruf von der KPD: Das sind nur Äppelkähne!)

    Die Amerikaner, meine Damen und Herren, die, wie es heißt, ihre Marshallhilfe aus Wohltätigkeit dem deutschen Volk gegenüber bieten, haben jetzt sogar untersagt, daß Marshallplangelder zum Bau von deutschen Schiffen verwendet werden dürfen. Die Engländer haben dann das Maß voll geschüttet und haben uns den Kauf von einigen für England nicht mehr rationellen alten Schiffen angeboten. Wir sollen ihren Schrott kaufen, damit nur nicht die deutsche Wirtschaft lebensfähig wird, damit es uns nicht möglich wird, den Transit auf eigenen Schiffen vorzunehmen.
    Und schließlich und endlich, meine Damen und Herren, noch ein Wort zur Dekartellisierungspolitik, einer wesentlichsten Angelegenheit der gegenwärtigen Wirtschaftspolitk überhaupt, weil es hier um die neuen Organe der Wirtschaft geht, die wir demnächst erhalten sollen. Wie sie alle wissen, hat die Hohe Kommission seit einiger Zeit über Gesetz Nr. 75 beraten. Es gab zunächst einige Schwierigkeiten und Einwände seitens der Franzosen, und schließlich kam, wie Sie alle wissen, heraus, daß die Präambel zum Gesetz Nr. 75 verändert werden soll. Diese Veränderung hat es in sich. Es war nämlich nach Gesetz Nr. 75 vorgesehen, daß deutsche Behörden, deutsche parlamentarische Instanzen endgültig über die Eigentumsfrage in der Schwerindustrie entscheiden sollten. Nach der vorgesehenen Veränderung jedoch behält sich die Hohe Kommission ausdrücklich vor, zukünftig bei solchen Entscheidungen das letzte Wort zu haben. Ferner ist bekanntgeworden, daß im Zuge der Durchführung des Gesetzes Nr. 75 die Aktionäre der alten Gesellschaften für ihre alten Aktien neue Aktien der neuen Gesellschaften erhalten sollen. Hier sieht man also schon die Tendenzen der Wiedererrichtung des deutschen Monopolkapitals. Hier zeigen sich verdächtige ausländische Freundschaften, und hier zeigt sich auch eine große Gefahr für unser Volk.
    Und schließlich ein kurzes Wort zur Steuerpolitik der Regierung. Diese Steuerpolitik der Kapitalisten-Regierung wird unter dem Motto der Kapitalbildung durchgeführt. Ich kann sagen, daß die Adenauer-Regierung dieses in ihrer Regierungserklärung gegebene Versprechen an die Industrie tatsächlich erfüllt hat, ganz im Gegensatz zu den anderen Versprechen. Eine Milliarde erhielten erst kürzlich die Besitzer mittlerer und höherer Vermögen von dieser Regierung der Reichen geschenkt. In der Regierungserklärung heißt es so ganz schön:
    Wenn durch die Steuersenkung die Möglichkeit einer großen Kapitalbildung geschaffen
    wird, so muß ein Anreiz gegeben werden, damit nicht der Konsum in unnötiger Weise gesteigert, sondern wirklich Kapital gebildet wird.
    Nun, meine Damen und Herren, Sie alle haben noch in Erinnerung, daß der Herr Wirtschaftsminister am 15. Februar 1950 anläßlich der Investitionsdebatte zu diesem Problem von dieser Stelle aus Stellung genommen hat. Er erklärte — sehr stolz —, daß im zweiten Jahr nach der Währungsreform eine Kapitalgüterproduktion in Höhe von 18 Milliarden und zu gleicher Zeit Neuinvestitionen im Werte von 12 Milliarden in der westdeutschen Wirtschaft vorgenommen werden konnten. Fürwahr, für die westdeutsche Schwerindustrie an Rhein und Ruhr ein sichtbarer Erfolg der Politik ihrer Regierung! Denn darum handelt es sich doch. Es handelt sich bei der Adenauer-Regierung nicht um eine Regierung des Volkes, sondern der Industriellen.
    Dagegen steht die katastrophale Lage der Lohnempfänger im westdeutschen Bundesstaat. Nach den Angaben des Gewerkschaftsorgans „Welt der Arbeit" vom 17. Februar 1950 betrug das durchschnittliche Lohnniveau gewerblicher Arbeiter 250 DM monatlich, das Existenzminimum einer vierköpfigen Familie wurde jedoch mit 340 DM monatlich von dieser Gewerkschaftszeitung ermittelt. Das bedeutet, daß nur Familien, in denen ein weiteres Familienmitglied mitarbeitet, das Existenzminimum erreichen, und daß zwischen dem durchschnittlichen Nettoeinkommen und dem volkswirtschaftlich notwendigen Existenzminimum eine Spanne von 80 bis 100 DM besteht. „Diese Feststellung", so schreibt das Zentralorgan der westdeutschen Gewerkschaften, „ist für das lohnpolitische Bild entscheidend". Die Politik der Kapitalbildung, dieses Versprechen an die Industrie, wurde somit auf Kosten dieser Arbeiter, die heute keine Lebensexistenz im Bundesgebiet mehr finden, ermöglicht.
    Kollege Böckler vom Deutschen Gewerkschaftsbund hat in diesen Tagen zu dieser Frage Stellung genommen und in einer Erklärung sehr eindringlich darauf hingewiesen, daß die versprochene Preissenkung nicht eingetreten ist und daß darum die Lohnforderungen der werktätigen Massen nur gerecht sind; und er hat ein deutliches Wort gesagt, er sprach von der Anwendung aller gewerkschaftlichen Mittel, wenn nicht endlich bei den entsprechenden Kreisen in Westdeutschland Einsicht vorhanden ist, damit die Lohnforderungen der Arbeiter erfüllt werden können. Wir Kommunisten haben keine Illusionen.

    (Lachen in der Mitte.)

    Wir wissen auch, daß die Unternehmer diese Drohung des Kollegen Böckler nicht allzu ernst nehmen, wie Ihr Lachen schon allzu deutlich beweist, aber wir wissen, daß dahinter die Realität der Massen steht, die um ihren Lohn zu kämpfen verstehen werden, die es nicht mehr dulden, daß auf Kosten ihrer Arbeitskraft sich die Unternehmer sanieren.
    Ein besonderes Problem für Westdeutschland ist seit 1945 der Lastenausgleich. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung in dieser Hinsicht einige sehr interessante Ausführungen gemacht. Ich will sie nicht noch einmal wiederholen. Er hat aber ein bindendes Versprechen gegeben, daß noch in diesem Jahr der Lastenausgleich — der soziale Lastenausgleich, wie er sagte — verwirklicht werden sollte. Aber der Herr Finanzminister, der, wie mir scheint, eine außerordentlich starke


    (Rische)

    Persönlichkeit in dem Kabinett Adenauer ist, erklärte kürzlich in Stuttgart: ein Lastenausgleich, jawohl, aber ohne Illusionen!

    (Lachen in der Mitte. — Abg. Frau Dr. Weber: Na also!)

    Sein Staatssekretär — verehrte Kollegin Weber, horen Sie einmal recht gut zu — erklärte auf einer Tagung der CSU-Wirtschaftsauschusse: das Damoklesschwert des endgültigen Lastenausgleichs bedeutet ein schweres Hindernis für die Wirtschaft.

    (Abg. Niebergall: Die Massen müssen ausgleichen!)

    Meine Damen und Herren, dies ist die Politik, wie ich sie hier schon einmal kennzeichnete: die Reichen werden alles fur die Armen tun, nur nicht von deren Rücken heruntersteigen.

    (Abg. Niebergall: Sehr gut!)

    Der soziale Lastenausgleich, wie er in der Regierungserklärung
    verkundet wurde, ist jedenfalls begraben, und es ist nicht damit zu rechnen, daß diese Negierung, wenn nicht der Druck der Massen kommt, uberhaupt bereit sein wird, eben weil sie an die Schwerindustrie gebunden ist und ihre Interessen vertreten muß, diesen Lastenausgleich zu gewähren.
    Die Regierungserklärung stellte sich die Aufgabe, das Vertrauen des ausländischen Kapitals in Westdeutschland wieder zurückzugewinnen. Nun gibt es zur Zeit unter vielen Stellungnahmen amerikanischer Finanzkreise auch eine Stellungnahme des Nationalen Außenhandelsrats — dies ist die größte der amerikanischen Außenhandelsorganisationen — zur Frage der Lieferung ausländischen Kapitals in das Bundesgebiet. Hier werden gleich drei Bedingungen dieser Kapitalgeldgeber an die Bundesregierung gestellt; sie lauten: erstens die Aufhebung der einschränkenden Bestimmungen über die blockierten Guthaben in Deutschland und über Neuinvestierungen; zweitens eine drastische Herabsetzung der deutschen Besteuerung ausländischer Unternehmen, und drittens wird betont, daß auch die Frage, ob sich Deutschland zu einer Nation mit privatem Unternehmertum oder mit verstaatlichter Industrie entwickele, von entscheidender Bedeutung für die Anlage amerikanischen Kapitals in Deutschland sei. Das sind die drei Bedingungen, meine Damen und Herren, die die ausländischen Kapitallieferanten an die Bundesregierung stellen. Sie verlangen Gewinnchancen und wollen Garantien gegen die berechtigte Forderung der Sozialisierung durch die Arbeiterschaft. Ich bin mir bewußt, daß diese Regierung, die eine Regierung der amerikanischen Monopole ist, wenn es um USA-Kapital geht, diese Bestimmungen einhalten wird.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Dieses Versprechen an die Finanzherren in Wallstreet in der Regierungserklärung wird zweifellos von der Bundesregierung erfüllt werden.

    (Unruhe und Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

    Nun zur Sozialpolitik. In der Regierungserklärung heißt es, daß die beste Sozialpolitik eine gesunde Wirtschaftspolitik ist, die möglichst vielen Arbeit und Brot gibt. Mit diesen Worten, meine Damen und Herren, ausgehend von der siebenmonatigen Entwicklung, die wir nun überblicken können, hat sich die Regierung selbst demaskiert. Die Flüchtlinge warten nach wie vor in Westdeutschland auf Hilfe und Anerkennung ihrer Rechte. Die Kriegsopfer warten noch immer auf eine Erhöhung ihrer Pensionen. Das Volk wurde
    um alle Hoffnungen, die ehemals bestanden, durch diese Regierung betrogen.
    Meine Damen und Herren, nun zu einem besonderen Abschnitt meiner heutigen Ausfuhrungen. Wir erklärten sehr oft: die Adehauer-Regierung ist eine Regierung der Millionäre!

    (Heiterkeit.)

    Dies, meine Damen und Herren, will ich beweisen. Der Herr Vizepräsident sprach heute, wie Sie sich erinnern können, von der Problematik der politischen Willensträger.

    (Zuruf: Das war nicht der Vizepräsident, das war der Abgeordnete!)

    Er erklärte außerdem: viele Politiker oder viele politische Parteien haben in Westdeutschland noch keine 'Tradition. Ich mochte hinzufügen, es ist leider eine Tatsache, dad die Problematik der politischen Willensträger Westdeutschlands besteht und daß die Politiker in dieser Regierung leider eine 'Tradition besitzen. Die Verbindungen der Minister zur Schwerindustrie und zu einige anderen wirtschaftlichen Interessengruppen sind eine nicht zu leugnende Tatsache.
    Meine Damen und Herren, ich bin mir bewußt, daß meine jetzigen Ausführungen eine große Bedeutung haben.

    (Anhaltendes Lachen bei den Regierungsparteien.)

    Ich will versuchen — nämlich vom Standpunkt Ihres Widerspruchs aus —, sie so sachlich wie moglich darzustellen.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Der Herr Bundeskanzler war vor 1933 Mitglied in fünfzehn Vorständen oder Aufsichtsräten von Großgesellschaften,

    (Hört! Hört! bei der KPD)

    u. a. Deutsche Bank, Rheinische A. G. für Braunkohlenbergbau, Ruhrgas-A. G., Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke A. G.,

    („sehr richtig!" bei den Regierungsparteien; — weitere ironische Zurufe)

    Lufthansa

    (anhaltende Zurufe von den Regierungsparteien)

    und noch in einigen anderen Aufsichtsräten der Großwirtschaft.

    (Zurufe: Kommunale Aufgaben!)

    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich außerdem zur Entwicklungsgeschichte des Herrn Bundeskanzlers, seiner politischen Entwicklung, noch einiges hinzufüge.

    (Zurufe von der CDU: Kennen wir schon! — Ist nicht so wichtig!)

    Im Jahre 1927 veröffentlichte die Zeitschrift „Europäische Gespräche" eine Äußerung des Herrn Bundeskanzlers:
    Das Deutsche Reich muß unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben. Im Reich selbst ist zu wenig Raum für die große Bevölkerung. Wir müssen für unser Volk mehr Raum haben und darum mehr Kolonien.

    (Unruhe bei den Regierungsparteien. — Zuruf: Der Mann hatte Weitblick!)

    Im Jahre 1946 erklärte der Herr Bundeskanzler auf der Kölner CDU-Versammlung:
    Unsere Partei hat die Sache des Herrn Pferdmenges zu der ihrigen gemacht.

    (Sehr gut! bei der KPD.)



    (Rische)

    In diesem Zusammenhang einige Charakteristiken, die es über den Herrn Bundeskanzler gibt, natürlich Charakteristiken politischer Natur. Ich will nicht alle Charakteristiken, die mir vorliegen, hier vortragen. Aber ich will doch die Charakteristik seines eigenen Zentralorgans bekanntgeben. Die „Allgemeine Kölnische Rundschau" schrieb: „Autokrat, konservativ, aber das gehört zu einem christlichen Politiker."

    (Sehr gut! und Lachen bei der KPD.)

    Und die franco-faschistische Zeitung „Arriba" schrieb sogar: „Adenauer, eine der scharfsinnigsten und vollkommensten Persönlichkeiten der internationalen Politik!"

    (Zurufe von der CDU: Ausgezeichnet! Sehr gut! — Unruhe.)

    — Meine Damen und Herren, Sie sind stolz darauf, Ihren Herrn Bundeskanzler von einer faschistischen Zeitschrift so gelobt zu sehen. Sehr bezeichnend für Ihre Politik, Ihre politische Einstellung!
    Der Herr Vizekanzler ist ein Mann, der das seltene Glück hatte, nicht der NSDAP anzugehören, (Sehr gut! bei der KPD.)

    und der darum erst nach 1945 so richtig ins politische Leben kam. Aber schon im Jahre 1933 war er Geschäftsführer in der holzverarbeitenden Industrie und hatte Funktionen in Bankhäusern.

    (Zuruf von der FDP: Ist das belastend?)

    Er beschäftigte sich, wie wir wissen, während der nazistischen Zeit mit nazistischer Wirtschaftspolitik. Wir halten ihm zugute, daß er dies kritisch tat .1938 war er in führender Position, Bankdirektor oder dergleichen in Essen.

    (Zuruf von der FDP: Ausgezeichnet!)

    0 Aber nach 1945 begann sein politischer Lebenslauf. Bald wurde er dann Mitglied des FARDIP-Ausschusses, des Ausschusses zur Entflechtung der IGFarbenindustrie, und später dann, wie Sie wissen, deutscher Vertreter in der Ruhrbehörde. Von Ihrem Standpunkt aus gesehen ist das eine durchaus lobenswerte Entwicklung und zeugt nur davon, daß ein Mann Erfolg haben i ann. Von unserem Standpunkt aus aber, meine Damen und Herren, ist dies der Beweis, daß in solche Funktionen auch nur solche Menschen hineinkommen können, die das Vertrauen der Schwerindustrie genießen.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat ebenfalls schon eine wild bewegte Vergangenheit.

    (Heiterkeit. — Zuruf: Nehmen Sie Rücksicht auf unsere Zeit!)

    im Jahre 1919 beteiligte er sich schon aktiv — das ist eine sehr ernste Angelegenheit — an der Niederschlagung der bayerischen Räterepublik.

    (Händeklatschen bei den Regierungsparteien. — Zuruf: Gott sei Dank!)

    — Ich möchte, daß insbesondere die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion von diesem rasanten Beifall der Rechten Kenntnis nehmen.

    (Zuruf von der CDU: Er hat es ja für eine sozialdemokratische Regierung getan!)

    Am 8. April 1933 erklärte der Herr Bundesfinanzminister im „Regensburger Anzeiger", daß die jetzige Reichsregierung einen nationalen Aufstieg erringen und deutsches Recht und deutsche Freiheit erkämpfen werde.

    (Abg. Dr. Wellhausen: Das wollt Ihr ja auch! Heiterkeit.)

    Im Jahre 1945 wurde er als bayerischer Ministerpräsident von der Militärregierung abgesetzt, weil er den politischen Säuberungsmaßnahmen der Militärregierung wiederholt Widerstand leistete.

    (Bravo! rechts.)

    In einem Schreiben der Militärregierung an den Landesvorstand der CSU wurde darauf hingewiesen, daß er belastete Beamte, darunter ehemalige Generalstabsoffiziere, unter anderem auch den früheren Reichswehrminister Gessler, ohne Genehmigung in bayerische Dienste wieder einstellte.

    (Abg. Strauß: Beinahe wie in der Volkspolizei! Siehe Ostzone!)

    Schließlich konnte im Jahre 1948 dann doch, vielleicht unter Mithilfe der Militärregierung, erreicht werden, daß er seine politische Tätigkeit wieder aufnehmen konnte.
    Interessant wäre auch noch der wirtschaftliche Lebenslauf des Herrn Verkehrsministers Seepohm.

    (Zuruf rechts: Wann erscheint das Buch? — Abg. Renner: Das stinkt zu sehr nach Petroleum! — Heiterkeit.)

    — Du hast recht, Kollege Heinz. Es stimmt, er hat glänzende Verbindungen zur Schwerindustrie, zur Bergwerksindustrie, zu den Ölfirmen in Norddeutschland. Ist es ein Wunder, daß ausgerechnet ein solcher Mann im Bundesgebiet schließlich Verkehrsminister wurde?

    (Zuruf rechts: Ein „Titoist"!)

    Schließlich der Wiederaufbauminister Wildermuth. Es ist bekannt, daß er in den verschiedensten Banken, unter anderem im Vorstand der Deutschen Bau- und Bodenbank AG, der Deutschen Wohnstätten-Hypothekenbank AG während des zweiten Weltkrieges tätig war und ab 1949 wieder im Vorstand der Deutschen Bau- und Bodenbank und der Deutschen Wohnstätten- und Hypothekenbank tätig ist. Hier zeigt sich eine enge Verquickung von Wirtschaftsinteressen auf der einen

    (Zuruf von der Mitte: Lauter Fachleute!)

    und Politik auf der anderen Seite. Ich denke, das ist nach Ihren demokratischen Prinzipien nicht zu rechtfertigen!
    Ich will es mir ersparen, noch zu den anderen Ministern Stellung zu nehmen.

    (Lachen bei den Regierungsparteien.)

    Das ist jedenfalls der Beweis der Verbindung dieser Regierung zu den Interessenorganisationen der Wirtschaft. Eine solche Regierung mit solchen Verbindungen kann keine Politik des Volkes verwirklichen. Und das ist dann, Kollege Schäfer, der „politische Stil", und dieser politische Stil ergibt sich aus den Verbindungen der Regierung zur Schwerindustrie an Rhein und Ruhr.
    Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, noch ein kurzes Wort zur Außenpolitik dieser Regierung. Es ist klar und mittlerweile allen Menschen bekanntgeworden,

    (Nein! bei den Regierungsparteien!)

    daß diese Bundesregierung keine Selbständigkeit hat,

    (Zuruf von der CDU: Der Herr Innenminister möchte auch etwas über sich hören!)

    aber sie versucht ständig, ein Ankaufen von Zugeständnissen durchzuführen.

    (Sehr richtig! bei der KPD. — Zuruf rechts: Glatte Beleidigung!)



    (Rische)

    ihre erste außenpolitische Maßnahme war, wie Sie alle wissen, das Angebot, 40 Prozent der westdeutschen Industrie an französische Kapitalherren zu verschachern. Das war der erste außenpolitische Schritt dieser Regierung; er erfolgte bezeichnenderweise auf Anregung des Konsortiums der Vereinigten Stahlwerke.
    Diese Regierung führt ihre Außenpolitik mit der Methode der interviews durch. ich werde dabei an die Politik eines anderen sehr autokratischen

    (Zuruf: Meinen Sie Stalin?)

    und diktatorischen früheren deutschen Bundeskanzlers erinnert. Ich denke an die Politik der Emser Depesche und an die Folgen dieser Politik für das deutsche Volk und für Europa.
    Zur Saarfrage hat diese Regierung in ihrer Regierungserklärung einen Standpunkt eingenommen, der nur für wenige Tage Geltung hatte. Denn kurz nach dieser Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers erging sein Angebot an die französischen Wirtschaftsinteressenten auf Bildung einer deutsch-französischen Wirtschaftsunion. Diese deutsch-französischen Wirtschaftsunion aber wurde vom Herrn Bundeskanzler angeregt, nachdem vorher gewisse Verhandlungen mit einem gewissen Herrn der Hohen Kommission gepflogen worden sind. Meine Damen und Herren, es liegt im Interesse der amerikanischen Monopole, einen einheitlichen westeuropäischen Wirtschaftsraum zu schaffen; dies dient der besseren Durchdringung Westeuropas mit ihren Kapitalien, der besseren Vorbereitung
    abenteuerlicher Unternehmungen gegen die fortschrittlichen Völker des Ostens.

    (Zuruf von der CDU: Die Illusion eines „gewissen Herrn"!)

    Meine Damen und Herren, Ihnen sind die drei Bedingungen des Herrn Bundeskanzlers für den Eintritt in den Europarat bekannt. Ich möchte in diesem Zusammenhang in aller Deutlichkeit erklären, daß die Politik des Kokettieren um den Europarat in Wirklichkeit nichts anderes bedeutet als die beabsichtigte Eingliederung der westdeutschen Wirtschaft, des westdeutschen Territoriums und der westdeutschen Menschen in das Kriegspotential des Atlantikpaktes! Sie können es nicht vergessen haben, wer der Vater der Europa-Union ist. Der Vater der Europa-Union ist kein anderer als der Redner von Fulton, Mr. Churchill, jener Churchill, der wenige Monate nach Beendigung des zweiten Weltkrieges in seiner Fultoner Rede ganz offen zum Krieg gegen die Völker des Ostens aufrief, obwohl die Wunden des zweiten Weltkrieges nicht einmal in England vernarbt waren. Dieser Herr Churchill, der zum Kriege treibt, ist der Gründer und Initiator des Europarates in Straßburg. Der Zweck des Europarates ist nichts anderes ais ein Bündnis der Herren von Wallstreet, der Manchester-Gruppe der englischen Schwerindustrie und des Comité des Forges mit dem wiederauferstandenen Reichsverband der Deutschen Industrie, ist nichts anderes als ein Bündnis zwischen Churchill, De Gaulle und Adenauer unter dem Protektorat der amerikanischen Monopole.

    (Beifall bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort auch zur Außenpolitik der SPD. Die SPD hat auch heute durch ihren Sprecher, den Kollegen Schoettle, ein Bekenntnis zu diesem Europarat abgeben lassen.

    (Abg. Schoettle: Haben Sie eine blasse Ahnung!)

    — Ich weiß, Herr Schoettle, daß Sie Ihre eigenen Ansichten über Europa haben;

    (Abg. Schoettle: Darauf können Sie sich auch verlassen!)

    das will ich Ihnen zugute halten. — Aber in diesem Europa, das unter der Ägide Churchills gebildet wird, und in diesem Europarat in Straßburg regieren die Männer des Comité des Forges, die Männer der Manchester-Gruppe und die Männer der Wallstreet,

    (Sehr richtig! bei KPD) und kein anderer wird dort regieren.

    Sie wissen genau, daß es eine Erklärung des ehemaligen Oberdirektors Pünder gibt, die ganz klar ausdrückte: Wir werden alles tun müssen, damit keine sozialistischen Vertreter nach Straßburg entsandt werden, und das ist die Linie der Politik, die von der rechten Seite auch in dieser Frage vertreten wird. Die SPD-Arbeiter werden es zu spät merken, daß Sie wieder einmal zum Schaden der deutschen Werktätigen von der Reaktion überspielt und mißbraucht worden sind, wenn sie es nicht schon jetzt wissen sollten.
    Meine Damen und Herren! Der Kollege Schoettle sprach in diesem Zusammenhang auch davon, daß die Politik dieser Regierung darauf ausgerichtet sein müsse, eine Art Anziehungskraft auf die Völker des Ostens, vornehmlich auf das deutsche Volk in der Deutschen Demokratischen Republik, zu erzeugen. Ich frage die sozialdemokratischen Wähler und Arbeiter: Soll etwa diese Adenauersche Wirtschaftspolitik für die Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik eine Anziehungskraft sein? Sollen etwa diese zwei Millionen Arbeitslose und Kurzarbeiter für die Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik eine Anziehungskraft sein?

    (Zurufe von der SPD und von rechts.)

    Wir verstehen Ihre Unruhe und, was die Reaktion unter Ihren Worten versteht, und Sie können sich darauf verlassen — das wußte auch Bebel schon —: wer von der Reaktion frißt, stirbt daran; denn da haben Sie die ganzen Fakten richtig vor sich.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, dieser Haltung der rechten SPD-Führer entsprechen auch die Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei, die in der Entschließung zum Haushalt vorliegen.

    (Zuruf rechts: Ist das Konzept immer noch nicht zu Ende?)

    — Beruhigen Sie sich; Sie werden noch einiges zu hören bekommen. Sie müssen etwas Geduld haben, werter Herr Kollege!

    (Abg. Dr. Oellers: Aber nicht bei dem Wahnsinn, den Sie da verzapfen!)

    In der Entschließung der SPD wird gefordert, der Bundeskanzler solle im Rahmen des Bundeskanzleramtes mit größter Beschleunigung ein sachgerecht und zweckmäßig organisiertes Staatssekretariat für Besatzungsfragen und auswärtige Angelegenheiten einrichten, das den ganzen Bereich der mit der internationalen Politik zusammenhängenden Fragen, soweit das Besatzungsstatut keine Beschränkungen festlegt, betreuen und auch eine politische Abteilung enthalten soll. Ich frage die sozialdemokratischen Kollegen: Haben Sie so viel Vertrauen zu dieser Regierung, daß Sie gerade dieser reaktionären Regierung noch ausdrücklich derartige Funktionen in die Hände legen wollen? Die sozialdemokratischen Arbeiter die von


    (Rische)

    der Politik dieser Regierung tief enttäuscht sind, werden sich für diese Entschließung der sozialdemokratischen Fraktion bedanken.

    (Lebhafte Zurufe.)

    Die ganze „Außenpolitik" dieser Regierung — das haben die Reden anläßlich der Regierungserklärung und auch die später nachfolgenden Reden fast aller Fraktionen des Hauses gezeigt — ist vom Haß gegen die sozialistische Sowjetunion abgestempelt; sie ist vom Haß gegen die Völker des Ostens erfüllt.

    (Abg. Spieß: Wovon sind Sie gegen die Völker des Westens erfüllt?)

    Und dabei ist der außenpolitische Rückhalt dieser Regierung doch so minimal; dabei ist die außenpolitische Stellung dieser Regierung doch auf so schwache Füße gestellt! Ich möchte sagen: diese Regierung ist von der fortschrittlichen Welt isoliert und wird von der westlichen Welt als Spielball ihrer Interessen benutzt, und diese Politik des Ausnutzens der westdeutschen Bundesregierung für die Interessen der amerikanischen Monopole enthält große Gefahren für das gesamte europäische und in erster Linie für das deutsche Volk.
    In diesem Zusamenhang ist es notwendig, auch daran zu erinnern, daß von einigen Ministern dieser Regierung sehr oft die Remilitarisierung gefordert worden ist. Die Remilitarisierung ist tatsächlich heute die Grundlage der Außenpolitik dieser Regierung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja alles Unsinn, Herr Rische!)

    Sie zeugt davon, daß zukünftig deutsche junge Menschen für die Interessen des ausländischen Monopolkapitals geopfert werden sollen.

    (Abg. Strauß: Erzählen Sie uns doch ein bißchen von der Volkspolizei!)

    Das ist der „Anreiz", werter Kollege Schoettle, den die Menschen drüben in der Deutschen Demokratischen Republik von dieser Wirtschaft und Außenpolitik erhalten sollen.

    (Abg. Strauß: Steht über die Volkspolizei nichts in Ihrer Rede? — Zuruf des Abg. Schoettle.)