Rede von: Unbekanntinfo_outline
— während nur 11 Milliarden als Deckungsmittel vorhanden sind; er bemühe sich, den Differenzbetrag von über 3 Milliarden durch „drastische Maßnahmen" — so hieß es in der Pressemeldung, wenn ich mich noch recht entsinne - aufzubringen. Sie hören also auch von einer andern, politisch vielleicht ganz unverdächtigen Stelle die Feststellung, daß wir in der größten Finanznot sind. Es hat wirklich keinen Sinn, sich mit hoffnungsvollen Redensarten und mit Begeisterung über diese Verhältnisse hinwegzuschwingen, wenn wir Realpolitik treiben wollen. Wir müssen vielmehr versuchen, daß wir in irgendeiner Form eine Besserung herbeiführen.
Die Wurzel alles Übels liegt nach meiner Ansicht - die politischen Parteien, die anderer Meinung sind, sollen mir das nicht übelnehmen — in dem Grundgesetz des Bonner Parlamentarischen Rats. Man hätte hier von vornherein der Bildung von Ländern in so großem Ausmaß entgegentreten sollen, und man müßte es heute noch tun. Wir können es auf die Dauer nicht ertragen, daß wir heute noch zwölf Länder haben, von denen jedes seinen Ministerpräsidenten und seine Minister hat, so daß die Gesamtzahl der Ministerpräsidenten und Minister sich annähernd wohl auf 120 oder 125 beläuft. Ich will mich auf diese Zahl nicht festlegen; aber annähernd wird es diese Zahl sein. Wenn ich als Finanzpolitiker auf die Bundespolitik entscheidenden Einfluß gehabt hätte, wie ich ihn nicht habe, wäre ich vor allen Dingen an die Frage der Verminderung der Zahl der deutschen Länder herangegangen. Ich habe das hier -schon
Deutscher Bundestag — 54. ,Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950. 2019
einmal gesagt. Wir haben zwölf Länder, die nicht leben und nicht sterben können, weil sie zu klein sind und weil die Steuerleistungen nicht so hoch sind, daß sie ihnen ein staatliches Eigenleben ermöglichen. Ich bitte die Regierung darum, daß sie in der nächsten Zeit, und zwar sobald wie möglich, an die Umgestaltung der deutschen Länder auf Grund des Artikels 29 der Verfassung herangeht, damit die Forderungen, die die Länder stellen, und die Finanzpolitik. die die Länder treiben, auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden.
Die Steuern und die Ausgaben, die wir hier im Bund haben, sind auf die Dauer auch zu hoch. Die Bundesverwaltung ist nach meiner Auffassung viel zu umfangreich. Ich ziehe zum Vergleich nicht die Zahlen vom alten Deutschen Reichstag, auch nicht die Zahlen von der Ministerpräsidentenkonferenz, die sich mit dieser Frage befaßt hat, auch nicht die Zahlen, die der Rechnungshof gegeben hat. heran. Heute morgen ist das schon einmal kurz berührt worden. Wenn man die ursprünglichen Zahlen mit den hier gegebenen Zahlen vergleicht, muß man sagen, daß unsere Bundesverwaltung, wie sie neuerdings gestaltet worden ist, aber auch so. wie sie in Frankfurt gestaltet war, aufgebläht ist. Wir haben zuviel Beamte; daran kann man nichts ändern. Der Herr Finanzminister wird wohl schon im kommenden Jahr, um überhaupt der Finanzmisere Herr werden zu können, den Verwaltungsapparat wesentlich einschränken müssen.
D Bei der Armut unseres Volkes, die wir draußen beim Bauernstand, beim Gewerbe, bei den Flüchtlingen und überall sonst sehen, ist die Übersetzung des Verwaltungs- und Beamtenapparats nicht tragbar. Wir müssen die- Aufgaben des Staates vermindern. Wir müssen seinen Aufgabenkreis verkleinern. Ich weiß, daß diejenigen, die von einer gelenkten und geleiteten Wirtschaft sprechen, diesen Gedanken nicht gerne hören; aber mangels der Deckungsmittel für einen solchen großen Apparat werden sie gezwungen, sich anders zu besinnen.
Eine weitere Feststellung, die wir treffen müssen, ist die, daß die Beamtenhierarchie in einem jeden Staat mehr oder weniger führend ist. In meinen Augen sind die Minister noch nicht einmal führend, sondern führend ist die Beamtenhierarchie, voran die Staatssekretäre.
Wir haben das nun festgestellt. Wir haben es erlebt, daß die Staatssekretäre mit ihren Plänen gekommen sind. Wer im Finanzausschuß dabeigewesen ist, hat bemerkt, daß selten die Minister kamen — sie kamen ja gelegentlich auch —, sondern meistens die Staatssekretäre erschienen.
Das soil auch kein Vorwurf sein, sondern ich will nur darauf hinweisen, daß es immer wieder die Beamtenhierarchie war, die die Einteilung in Referate und die einzelnen Beamtenstellen mit allem Nachdruck verteidigt hat. Wir haben die Überzeugung, daß das auf die Dauer nicht geht.
Wenn wir genügend Mittel hätten, könnten wir das ja befürworten; denn ich habe die Überzeugung, daß die Beamten in Deutschland sehr tüchtige Menschen sind.
So wie die deutschen Gewerbetreibenden, die deutschen Kaufleute, die deutschen Gelehrten tüchtige und gründliche Arbeiter sind, sind es auch die deutschen Beamten; aber sie denken immer zu sehr an das, was ihnen nun gerade am Herzen liegt. Es ist ihnen ja kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie den Beamtenapparat in dem Umfang erhalten wollen, in dem er nun einmal da ist. Wir wissen genau, mit welcher Hartnäckigkeit im einzelnen um besondere Positionen gekämpft worden ist. Ich will die Dinge aus dem Haushaltsausschuß hier nicht mehr weiter anführen, aber als Tatsache wird man hinnehmen müssen, -daß auch der Haushaltsausschuß oft zu nachgiebig und zu schwach gegenüber der führenden Beamtenbürokratie gewesen ist. In Zukunft wird für eine sparsamere Politik zu sorgen sein, und der Haushaltsausschuß wird dazu gezwungen sein, weil er auf der anderen Seite keine Deckungsmittel mehr hat.
Ich bekenne mich auch zu der Auffassung, die der Herr Kollege Dr. Nöll von der Nahmer gestern hier vorgetragen hat, auch im Staatshaushalt von den Einnahmen auszusgehen und nicht von den Ausgaben. Ich habe diese Theorie schon vor 30 Jahren im hessischen Landtag zu vertreten versucht. Ich weiß, daß sie sich nicht überall durchführen läßt. Es gibt auch zwangsläufige Ausgaben, die geleistet werden müssen, aber im großen und ganzen müssen die Einnahmemöglichkeiten, die sich ohne übertriebene Steuerbelastung ergeben, doch der Ausgangspunkt sein; denn es hat keinen Wert, eine Kuh, von der man Milch haben will. zu schlachten. Wenn wir die Wirtschaft allzu stark besteuern, dann gleichen wir Leuten, die das tun.
Wir müssen also diesen Forderungen, den hierarchisch aufgebauten Beamtenkörper immer mehr zu erweitern und dadurch die Staatsaufgaben und die Staatsausgaben zu vermehren, mit allem Nachdruck entgegentreten. Zu dieser Forderung kommen wir nicht aus politischen Gründen, sondern einfach deswegen, weil das im in teresse unseres Wirtschaftslebens erforderlich ist.
Um die Herrschaft der Bürokratie zu brechen und Einsparungen im Etat zu erzielen, muß man zunächst an unnütze Ministerien herangehen und ihre Beseitigung zu erreichen versuchen. Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen hier sagen, daß wir einen neuen Antrag vorbereitet haben, einen Antrag, in dem wir die alten Anträge zusammenzufassen versuchen. Es ist mir nicht gelungen, 10 Unterschriften zu bekommen.
Infolgedessen kann ich diesen Antrag nicht vorlegen, weil es dazu nach § 44, glaube ich, für die dritte Lesung 10 Unterschriften bedarf.
— Das mag sein, aber lassen Sie sich vielleicht
einmal von den Steuerzahlern eine andere Erklärung über diese Sache geben. Jedenfalls sind
eine große Anzahl von Anregungen, die in die-
sem Antrag enthalten sind - die übrigens auch zum Teil andere Parteien gegeben haben —, durchaus beachtenswert bei der Finanznot, in der wir nun einmal sind.
Ich habe also nur 5 Unterschriften bekommen und bekenne meinen Bankrott auf diesem Gebiet,
da ist nun gar nichts anderes zu sagen.
— Ja, wenn Sie, Herr Mellies, der Sie doch auch einen guten Einblick in den Etat haben, mit Ihren Freunden mitgeholfen hätten, hätte ich meine 10 Unterschriften bekommen. Sie haben das nicht getan. Sie haben es nicht getan, nicht etwa, weil Sie vielleicht im wesentlichen anderer Auffassung wären, sondern weil Sie die Unterschrift aus politischen Gründen nicht leisten wollen.
- Nun, es soll mich freuen, wenn ich mich geirrt habe.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, obwohl ich den Antrag leider, wie ich schon sagte, nicht einreichen konnte, Ihnen doch ganz kurz sagen, worum es sich dabei dreht.
— Sie brauchen jetzt nicht „Um Gottes willen" zu sagen, Frau Kollegin Weber. Fürchten Sie nicht, daß ich sehr lange sprechen werde.
Fürchten Sie nicht, daß ich allgemeine Gegensätze hervorhebe. Natürlich werden Sie bei der CDU früher oder später zu derselben Auffassung kommen. Das ist mir so sicher wie die Tatsache, daß der Rhein da draußen fließt. Durch die Wirtschaftsentwicklung werden Ihnen von der CDU und den übrigen Regierungsparteien dieselben Forderungen aufgedrängt werden, weil auch Sie der Entwicklung der deutschen Wirtschaft, wie sie sich nun einmal aus verschiedenen Gründen in dieser Nachkriegszeit ergeben hat, nicht ausweichen können.
Zunächst haben wir, wie wir das schon bei der zweiten Lesung getan haben, die drei Ministerien und die dazu gehörigen Einzelpläne, das Ministerium für den Marshallplan, Einzelplan V, das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, Einzelplan XVI, und das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats, Einzelplan XVII, zu streichen beabsichtigt.
- Dazu brauchen wir keine Unterschriften. Ich möchte aber ausdrücklich sagen, daß wir diesen Antrag in der dritten Lesung stellen wollten. Sie haben ihn ja bereits gestellt und werden ihn wohl auch in der dritten Lesung vorbringen. Da wird uns ja Gelegenheit gegeben sein, mitzustimmen. Wir tun das, Sie tun es nicht! Wenn ich den Antrag gestellt hätte, hätten Sie aus
parteipolitischer Opposition nicht mit mir gestimmt!
Wir wollen über diese Dinge heute nicht weiter reden; ich habe Ihnen das nur gesagt als meine Auffassung.
Für diese drei Ministerien wird ein Betrag von immerhin 7 916 000 Mark gefordert. Ich weiß ganz genau, daß diese Ausgaben nicht ohne weiteres beseitigt werden können, weil ja die Arbeiten zum Teil anderen Ministerien über-. wiesen werden müssen.
Von diesen rund 8 Millionen, die die drei Ministerien kosten, würde ein erheblicher Betrag zu sparen sein, wenn wir sie in andere Ministerien eingliedern würden. Ich will auf die Frage, wie das möglich ist oder wie das nicht möglich ist, nicht weiter eingehen; darüber ist ja schon soviel gesprochen worden, und ich will auch das Haus nicht weiter damit aufhalten.
Was die persönlichen Verwaltungsausgaben betrifft, so möchte ich auch wieder hervorheben, daß wir die Bezüge des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers, der Minister und auch die der Staatssekretäre, die ja nicht viel darunter liegen, für viel zu hoch halten.
Ich will die Dinge nicht im einzelnen wiederholen, denn diese Anträge lagen ja in der zweiten Beratung vor. Ich will nur nochmals darauf hinweisen, daß der Bundespräsident 50 000 Mark bezieht. Wir glauben, daß er mit 36 000 Mark auch auskäme. Der Bundeskanzler bekommt 45 000 Mark. Wir sind der Meinung, daß er mit 30 000 Mark auskäme.
Die Minister, die 36 000 Mark Jahresgehalt haben, müssen auch mit 24 000 Mark auskommen. Das ist immerhin ein sehr schönes Gehalt. Ich bin nicht der Meinung, daß sich die Bedeutung eines Menschen lediglich danach bemißt, welches Gehalt er bezieht, obgleich man das bei einer Beamtenhierarchie ja auch im Gehalt zum Ausdruck bringen muß. Die Staatssekretäre kriegen 26 500 Mark.
Dieses Gehalt kann natürlich auch nicht so hoch bleiben, wenn die Ministergehälter heruntergesetzt werden.
Im übrigen kommen dann noch die Aufwandsgelder hinzu, für den Bundespräsidenten von 100 000 Mark bzw. 50 000 Mark. Ich bin der Meinung, daß diese Beträge auf 60 000 bzw. 30 000 Mark gekürzt werden können. Ferner kommen die Dienstaufwandsentschädigungen hinzu. Sie belaufen sich in den acht Ministerien, deren Etat uns hier vorliegt — fünf der Ministerien werden in unserem Voranschlag ja gar nicht behandelt, da deren Etats auf den Bewilligungen in Frankfurt beruhen —, auf eine Summe von 497 000 Mark. Also beinahe eine halbe Million geben wir allein für Dienstaufwandsentschädigungen aus. Wir sind der Meinung, daß diese
Dienstaufwandsentschädigungen, wie es unser
Antrag verlangte, unbedingt wegfallen müßten.
- Hindenburg ist ja nicht mehr da.
Ich bin schon der Auffassung, daß das ein überholtes Problem ist: damit brauchen wir uns heute nicht zu beschäftigen.
Für die acht Ministerien, deren Etat wir hier zu beraten haben, sind nicht weniger als 1613 Beamten-, Angestellten- und Arbeiterstellen vorgesehen.
Wir würden, wenn ich meinen Antrag hätte einbringen können, nach wie vor vorgeschlagen haben, 20 % dieser Stellen zu streichen.
Dann wären es immer noch genug und immer noch mehr, als früher vorgeschlagen worden sind. Die Gesamtausgaben, die persönlichen Verwaltungskosten allein für diese acht Ministerien betragen 6 235 600 Mark. Rechnen Sie davon einen Betrag von 20 % ab, dann ergibt sich nicht nur eine Einsparung von 1,5 Millionen Mark, sondern dann haben wir überhaupt wesentlich weniger Ausgaben.
Nun kommen die sächlichen Verwaltungsausgaben. Hier, meine Damen und Herren, wimmelt es nun geradezu von unmöglichen Ausgaben. Da haben wir zunächst die Geschäftsbedürfnisse der einzelnen Ministerien, die sich insgesamt auf 616 700 Mark belaufen. Wir wissen aus dem Haushaltsausschuß, daß die Ansätze für diese Geschäftsbedürfnisse vielfach übersteigert sind und daß wir gut ein Drittel davon abstreichen könnten, ohne daß irgendwelche Not einträte.
Für Unterhaltung und Ergänzung der Geräte und Ausstattungsgegenstände in den Diensträumen — es handelt sich jeweils um den Tit. 12 des Kap. 1, da kann es jeder nachlesen — sind allein 118 000 Mark angefordert. Auch hier würde eine dreißigprozentige Kürzung durchaus möglich sein, ohne den Dienstbetrieb irgendwie zu beeinträchtigen.
Dann die Beträge für Anschaffung von Büchern. Wir haben schon oft genug darüber gesprochen,
daß wir nicht in jedem Ministerium und in jeder Dienststelle eine große Bibliothek brauchen, sondern daß man das zusammenfassen könnte. Es dreht sich hier um einen Betrag von 150 000 Mark, die in den einzelnen Stellen, die durchaus verstreut liegen, allein für Bücher ausgegeben werden sollen. Ich glaube, es wäre für manchen Beamten hier und da ganz gut, wenn er einmal einen Spaziergang machte, wenn er
einmal durch die Luft ginge, wenn er in die Bibliothek gehen muß, falls er dort gerade mal etwas braucht.
Er muß ja nicht immer gleich ein Buch zur Hand haben.
— Einige Herren werden sie brauchen, die gehen
dann eben zur Hauptbibliothek; das weiß ich ja.
Für die Unterhaltung der Dienstgebäude sind hier, obgleich es sich im wesentlichen um neue Dienstgebäude handelt, 170 500 Mark angesetzt. Auch hier wäre eine Streichung von 30 % durchaus zu rechtfertigen.
Die Beträge, die für Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen in Tit. 16 des Kap. 1 vorgesehen sind, belaufen sich auf insgesamt 415 000 Mark. Auch hier wäre eine Kürzung um 30 % angebracht.
Über die Zahl der Kraftwagen haben wir auch schon mehrfach gesprochen. Es sind hier insgesamt 55 angefordert. Ich glaube, daß man diese Zahl ganz gut um 15 vermindern könnte; dann hätte man immer noch 40, und die würden es auch tun.
Ich will mich mit diesen etwas banalen Feststellungen begnügen und die Dinge nicht im einzelnen nachzuweisen versuchen. Das würde Sie viel zulange aufhalten und Ihre Geduld noch mehr reizen, als ich das sowieso schon tue.
Dann haben wir hier noch die Verfügungssummen, deren Gesamtansatz sich auf 526 800 Mark beläuft. Auch diese Aufwendungen wären nach unserer Meinung nicht nötig.
Meine Damen und Herren! Ich bin am Ende meiner Ausführungen.
Gestatten Sie mir aber, noch ein paar Worte
.über unsere Innen- und Außenpolitik zu sagen,
und zwar aus dem sehr einfachen Grunde, weil das heute von einzelnen Rednern schon mehr oder weniger zum Gegenstand ihrer Ausführungen gemacht worden ist.
Zur Innenpolitik habe ich nicht sehr viel zu sagen. Nur dies eine: wir wollen in den Am-tern und Ministerien ein sparsames, einfaches Leben zu führen versuchen und damit den anderen, nachgeordneten Dienststellen beweisen, wie man's auch gut machen kann.
Dann würde es notwendig sein, auch in dem Hohen Hause hier, was seine Ausschüsse angeht, Ordnung zu schaffen. Denn, wie die Dinge heute sind - ich habe schon mal darüber gesprochen —, kommen wir mit den ungeheuer vielen und großen Ausschüssen in der sachlichen Beratung nicht weiter.
- Ja, ich möchte auch dabei sein. Wenn soviele
dabei sind, wird es auch nicht darauf ankom-
men, wenn ich auch noch dabei bin. Ich könnte wahrscheinlich auch meinen Anteil — ohne mich rühmen zu wollen — zu den allgemeinen Beratungen beitragen, wenn ich erst Mitglied wäre. Ich bin es ja nicht. Ich glaube also, daß wir in diesem Punkt noch sehr fruchtbare Arbeit leisten können. Ich freue mich. daß ich mich hier in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler befinde, der ja in einem kurzen Presseinterview auf dieselben Übelstände hingewiesen hat, daß wir 39 Ausschüsse oder — mit Unterausschüssen — 60 Ausschüsse haben und daß diese in der großen Zahl gar nicht die ersprießliche Arbeit leisten können, die notwendig wäre.
Was nun die Außenpolitik angeht, so lassen Sie mich darüber auch nur ganz kurz einiges sagen. Ich weiß, daß man sich heute in unserer Außenpolitik — sowohl in der Presse als auch im Parlament und in Privatunterhaltungen — sehr stark über zwei Dinge unterhält: das ist die Verständigung mit Frankreich, und das ist der Beitritt zum Europarat. Wir haben hier schon einmal darüber gesprochen. Es ist nun ein merkwürdiger Doktrinarismus in Deutschland, daß man sich unbedingt an diese zwei Dinge hält, weil man glaubt, wir könnten uns aus unserer Isolierung und aus unserer Armut und aus dem Mißtrauen, das man uns entgegenbringt, nur über diesen Weg retten. Ich bin der Meinung, daß man das tun soll. Ich gehöre auch zu den Anhängern dieser Theorie, und ich habe von Anfang an zu den Anhängern einer westeuropäischen Union gehört. Da man uns aber so, wie man das seither getan hat, behandelt, indem man uns die Saarkonvention aufgedrängt hat, müssen wir aus Gründen der Selbstachtung zunächst die Verhandlungen über eine Verständigung mit Frankreich einstellen.
Der Herr Bundeskanzler hat ja bereits zu der Frage Stellung genommen. Die Regierung hat auch in einem Weißbuch die ganzen Dinge klargelegt, wie sie sich in der Saarkonvention darstellen. Solange Frankreich uns diese Demütigungen zumutet, solange es uns ein Stück Land an der Westgrenze vom Leibe reißt — denn etwas anderes ist es ja nicht —, so lange können wir keine Verständigungsverhandlungen führen. Es würde unserer nationalen Würde widersprechen. Ich glaube, ich bin hier mit dem ganzen Hause einmütig, wenn ich das sage, daß wir nun nicht um eine Verständigung mit Frankreich buhlen sollten. Solange Frankreich von sich aus nicht die Einsicht hat, daß es unsere alten Grenzen schonen muß, daß das Saargebiet ein deutsches Land ist und nicht zu Frankreich gehört, so lange müssen wir jede Verständigungsverhandlung ablehnen.
Glauben Sie nicht, daß der Hinweis darauf zutrifft, daß nun der Friedensvertrag andere Verhältnisse, daß der Friedensvertrag uns das, was wir erhoffen, bringen würde. Ich habe die Überzeugung, die der Herr Bundeskanzler auch ausgesprochen hat, daß die Dinge, wenn sie sich einmal im Saargebiet eingespielt haben, auch durch einen Friedensvertrag nicht mehr beseitigt werden. Fangen wir also beizeiten an und sagen wir: wir verhandeln nicht mehr über eine Verständigung mit Frankreich, solange die Saarkonvention nicht zurückgezogen ist!
Dasselbe gilt auch für die Europa-Union. Auch hier wollen wir, wenn es möglich ist, die Dinge in der Richtung gestalten. Aber solange man uns mit der Saarkonvention kommt, so lange müssen wir sagen: Das machen wir aus Gründen dei Selbstachtung nicht mit! Man kann sich über Winston Churchill freuen, der immer wieder und nun erneut die Forderung stellt, Deutschland muß mit den Weststaaten gleichberechtigt werden und zwischen Frankreich, England und Deutschland muß eine Verständigung herbeigeführt werden. Ich bin dem Staatsmann, der meine volle Hochachtung als Staatsmann genießt, dankbar, daß er das Problem immer wieder in dieser Richtung aufreißt. Ich bin aber auch der Meinung, daß wir, solange wir die Saarkonvention haben, auch Winston Churchill gegenüber sagen müssen: Sorgt dafür, daß erst diese Vergewaltigung im Saarland abgeschafft wird, dann wollen wir uns auch wieder zu Gesprächen zusammenfinden!