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ID0105403100

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    Deutscher Bundestag — 54. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950 1979 54. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1979C, 2030D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksachen Nr. 770 und 630) . . . . 1979C Dr. Arndt (SPD) 1979D Schröter (CDU) . . . . . . . 1980C Dr. Miessner (DRP) 1980C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplan und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Vorläufige Haushaltsordnung und vorläufiges Haushaltsgesetz 1949) (Drucksachen Nr. 768, 682, 670 bis 681 und 223) 1981A, 2004B Allgemeine Aussprache: Schoettle (SPD) 1981B Bausch (CDU) . . . . . . . . 1990A Dr. Bertram (Z) 1994A Unterbrechung der Sitzung . 1999D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 1999D Dr. Schäfer (FDP) . . . . . . 2004B Loritz (WAV) 2007D Dr. von Merkatz (DP) . . . . 2012B Dr. Leuchtgens (DRP) . . . . . 2016B Rische (KPD) . . . . . . . 2022C Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 2030C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über die Aufhebung der Immunität des Abg. Goetzendorff (Drucksache Nr. 787) . 2002C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 2002C Dr. Miessner (DRP) 2003D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2030D Die Sitzung wird um 10 Uhr 39 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Sie werden mich nicht mehr aus der Ruhe bringen können! Hören Sie endlich einmal mit diesen Störungen auf!

    (Lachen in der Mitte und rechts. — Glocke des Präsidenten.)

    Ich sagte, auf dem Gebiet der Großhandelsspannen hat die Regierung nichts getan. Auf dem


    (Loritz)

    Gebiet der Verbilligung des Geldes, von der die Belebung der Privatwirtschaft abhängt, hat sie nichts getan.

    (Abg. Bausch: „Gar nichts!")

    Bezüglich der Eingliederung der Flüchtlinge in das heimische Erwerbsleben hat sie nach unserer Auffassung viel zuwenig getan Wir würden der Regierung dringendst empfehlen, endlich einmal den Flüchtlingsindustrien, die für uns eine Goldgrube sein könnten — für die Einheimischen und die Flüchtlinge —, etwas andere Summen zur Verfügung zu stellen, als sie das bisher getan hat oder hat tun lassen; nicht etwa bloß einen Tropfen auf den heißen Stein, sondern wirklich Beträge, mit denen diese Industrien aufgebaut werden können, und dafür weniger Geld zum Fenster hier für Bonn hinausschmeißen zu lassen, das den deutschen Steuerzahlern weiß Gott schon allerhand Millionen gekostet hat.

    (Abg. Strauß: Spesen Ihrer Fraktion!)

    Hier hat die Regierung leider auch nicht das gemacht, was unser Volk von ihr erwartet hat,

    (Zurufe; - Unruhe)

    und unsere Regierung hat auch nicht das gemacht, was unser Volk gegenüber den Kriegsversehrten erwartete. Wir stellen fest, daß das, was für die Kriegsopfer bisher geschehen ist, viel zuwenig war. Man komme uns bitte nicht mit der Einrede: Ja, wir haben nicht mehr Geld zur Verfügung. Wir haben bedeutend mehr Gelder zur Verfügung dafür,

    (Zuruf von der Mitte: Sie müssen es ja wissen!)

    0 als hergegeben worden sind, dann nämlich, wenn diese Ausgabenwirtschaft, wie sie zur Zeit betrieben wird, auch vom Bund etwas reduziert wird. Wir haben Ihnen Anträge, Kürzungsanträge, eingereicht; hier z. B. bei der ersten und der zweiten Beratung des Haushaltsplanes. Sie sind jedesmal von Ihnen überstimmt worden. Sie haben sich gar nicht die Mühe gegeben, das eingehend durchzuprüfen; wir wurden einfach überstimmt. Sie können das heute mit dem Recht des Stärkeren, mit dem Recht der größeren Stimmenzahl. Aber wenn Sie unsere Anträge prüfen würden und geprüft hätten, dann hätten Sie sich sagen müssen, daß dies Vorschläge sind, deren Durchführung das Volk von Ihnen verlangt! Hier hätte man Summen einsparen können, die dazu hätte verwendet werden können, nun wirklich den Kriegsopfern und Heimatvertriebenen und den Ausgebombten etwas zur Verfügung zu stellen. Das haben Sie nicht gemacht!
    Sie, meine Herren von den Regierungsparteien, haben auch völlig versagt in der Frage der Abschöpfung der Riesen-Währungsreformgewinne, die gemacht worden sind. Sie haben es zugelassen, ,daß in Deutschland die großen Unternehmungen heute ihre Bilanzen bzw. ihr Vermögen in den Bilanzen sehr oft im Verhältnis 1 zu 1, viel weniger oft im Verhältnis 2 zu 1, umstellen. Sie lassen es hier zu, daß diese Leute ihr
    Betriebsvermögen über die zwei Abwertungen im Verhältnis 1 zu 1 oder 2 zu 1 hinweggerettet haben. Wieviel haben wir alle, die wir nicht Großindustrielle sind, über die Abwertungen hinwegretten können? Sie kennen selbst den lächerlichen Satz, den man uns gegeben hat! Bitte, den sollen auch diese Großindustriellen für ihre Unternehmungen haben. Das will ich ihnen nicht wegnehmen. Wir sind keine Kommunisten!

    (Zurufe von der Mitte.)

    Wir wollen aber, daß diese Herren bei ihren Betriebsbilanzen genau mit denselben Abwertungsziffern rechnen müssen wie jeder andere Privatmann auch! Und was darüber hinaus ist, gehört erfaßt zugunsten des Lastenausgleichs. Da wollen S i e aber nicht heran!

    (Zurufe von der CDU: Das wissen Sie ja gar nicht! — Wer will nicht heran?)

    (Zuruf von der CDU: Die war bei der
    Währungsreform ja noch gar nicht da!)
    - Die war bei der Währungsreform nicht da? Was ist das für ein Zwischenruf, Herr Kollege? Die ist jetzt da seit dem September vorigen Jahres, und sie hat jetzt noch die Möglichkeit, das abzuschöpfen! Immer noch hat sie die Möglichkeit, zu verhindern, daß diese Betriebe solche Bilanzen machen können. Diese Möglichkeit besteht für die Regierung immer noch. Ich fürchte aber sehr, die Regierung wird nichts tun, sie wird so lange nichts tun, bis die armen Teufel vor Verzweiflung nicht mehr ein noch aus wissen.

    (Zuruf von der CSU: Das nennen Sie wirtschaftlichen Wiederaufbau!)

    So ist es auch noch bei einer ganzen Reihe anderer Gebiete. Man hat wichtigste Artikel des täglichen Bedarfs verteuert:

    (Unruhe.)

    Benzin, Dieselöl und Kohle wurden verteuert.

    (Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Na endlich!)

    Hier hat die Regierung ihr Versprechen nicht eingelöst, daß sie sich für die Interessen des kleinen Mittelstandes einsetzen wird, zu dem die Transportunternehmer gehören, zu dem die Kohleverbraucher gehören, soweit sie nicht Großindustrielle sind. Nichts ist auf diesem Gebiete geschehen, so gut wie gar nichts!
    Man hat ein Einkommensteuergesetz geschaffen, das bei den Heimatvertriebenen, den Kriegsopfern, den Ausgebombten eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Zustand gebracht hat.

    (Zuruf von der CDU: Wer sagt denn das?)

    Wir haben Ihnen das das letzte Mal vorgerechnet!
    Die Anrechnungsmöglichkeit ist nunmehr beschränkt auf wenige hundert D-Mark pro Jahr,


    (Loritz)

    bei den eben erwähnten Personen, während sie vorher unbeschränkt war.

    (Zurufe und Unruhe.)

    Alles das brauche ich nicht im einzelnen nochmals zu erklären. Wir haben schon eingehend darüber gesprochen. Hier überall hat die Regierung keine Politik gemacht zugunsten der Kleinen und wirtschaftlich Schwachen, zugunsten der Mittelständler in Stadt und Land, zugunsten der Angestellten und Arbeiter. Nein! Sie hat vielmehr eine Politik gemacht, die den Interessen der Großindustrie und des großen Bankgewerbes entgegengekommen ist.

    (Lachen bei der CDU.)

    Aus allen diesen Gründen ist es uns unmöglich, der Regierung unser Vertrauen auszudrücken.

    (Zurufe rechts.)

    Dies würde mit einer Zustimmung zum Haushaltsplan ja ohne weiteres zum Ausdruck kommen. Sie wissen ja: die Zustimmung zum Haushaltsplan bedeutet Vertrauen zur Regierung. Dazu hat die WAV nicht die geringste Veranlassung nach alledem, was in den Monaten geschehen ist, seitdem die Regierung Adenauer am Ruder ist.

    (Zuruf bei der CDU: Es wäre traurig, wenn es geschähe!)

    Das Versagen der Regierung auf außenpolitischem Gebiet, das Versagen auf innerpolitischem und wirtschaftlichem Gebiet macht es der WAV unmöglich, für den Haushaltsplan zu stimmen, und wir werden deswegen gegen den Haushaltsplan stimmen.
    S i e haben es uns unmöglich gemacht, auch nur Verbessserungsanträge durchzubringen. Um so mehr werden wir Ihnen und nur Ihnen allein, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die Verantwortung vor dem Volke für diese Politik der Regierung Adenauer überlassen.

    (Beifall bei der WAV. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU: Oje, Loritz! — Herr Loritz, zu dem niedrigen Rheinwasserstand haben Sie noch nicht Stellung genommen! — Weitere Zurufe und Heiterkeit.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Generaldebatte über den Haushaltsplan ist meist ein Anlaß zu einem ganzen Bukett der Kritik. Sie sollte zugleich aber auch ein Anlaß für eine gewisse Besinnung sein. Dieser erste vorläufige Haushaltsplan steht an der Schwelle unseres neuen, unter ganz einzigartigen Bedingungen aufgebauten jungen Staates. In dieser Situation ist es ein besonderes Anliegen auch meiner politischen Freunde, der Besinnung stattzugeben.
    Der Herr Kollege Schoettle hat heute morgen diese Debatte mit einer grundlegenden Rede der Opposition eingeleitet. Ich persönlich darf die Darlegungen des Herrn Kollegen Schoettle in dem Geist bejahen, daß er. zum Schluß als das Allerwichtigste herausgestellt hat, daß in diesem Staate, in diesem Parlament und insbesondere in dieser Demokratie eine menschliche Atmosphäre herrschen müsse, die die Grundlage für die politische Arbeit abgeben müsse. Ich glaube, daß das ein sehr bedeutungsvolles Wort am Anfang unseres Staates ist.
    Wir unterschreiben diese Notwendigkeit. Denn für eine Demokratie, bei der ein Riß im Grundsätzlichen zwischen den politischen Gruppen aufgetan ist, ist ein solcher Riß tödlich. Ein autoritärer Staat ist in der Lage, die allerhärtesten Spannungen mit den Mitteln der Gewalt und des Zwangs zu überwinden; und das auch nicht lange. Denn niemals läßt sich eine menschliche Gemeinschaft auf die Gewalt und auf den Zwang gründen. Eine Demokratie aber lebt von dem im Menschlichen begründeten Vertrauen, das letzthin zwischen allen Gruppen herrschen muß. Ich verhehle nicht, daß meine politischen Freunde und ich in der Idee vollkommen anderer Meinung sind als die sozialdemokratische .Fraktion, die hier in diesem Hause in der Opposition steht. Wir sind bereit und wir halten es für notwendig, daß um die Idee gerungen wird, auch hart gerungen wird; aber in den grundsätzlichen Fragen, die unser politisches Gemeinwesen angehen, muß die menschliche Achtung, das menschliche Verständnis als Basis der grundsätzlichen Zusammenarbeit gegeben sein.

    (Abg. Loritz: Das sagen Sie den Leuten von der CDU, Herr Dr. Merkatz! — Gegenruf des Abg. Rümmele: Seien Sie doch still!)

    Darin sehen wir unsere besondere Verantwortung und Aufgabe als Abgeordnete dieses Hauses. Gerade wir von der konservativen Gruppe, wenn ich mich dieses nicht ganz zutreffenden Wortes bedienen darf

    (Abg. Dr. Schmid: Es trifft auch nicht ganz zu!)

    (Abg. Dr. Schmid: Wir haben mehrere
    Traditionen, Herr von Merkatz!)
    - Es ist immer im geschichtlichen Sinne, Herr Professor, die große Aufgabe, daß man von den „mehreren Traditionen", die in der Seele eines jeden Volkes leben, die gute Tradition durchsetzt. Wir haben in mancherlei Katastrophen — ich darf darauf noch kommen — schon eine gute Tradition entwickelt. Ich erinnere daran, daß wir als deutsches Volk den Weg des Religionsausgleichs gegangen sind. Wir haben doch diesen


    (Dr. von Merkatz)

    damals Europa im Innersten zerreißenden Gegensatz zwischen Katholizismus und Protestantismus in einer das Geistesleben ganz Europas tief befruchtenden Weise gelöst. Das ist ein Teil dieser deutschen Tradition, die grundlegend für unsere Zukunft sein kann, nämlich die Toleranz, die Achtung und das menschliche Verständnis, begründet auf dem Boden der Freiheit.
    Wir von der Deutschen Partei sind die entschiedensten Gegner jeder totalitären Verirrung. Wir gehen davon aus, daß es bei dem kulturellen Reichtum unseres Volkes mehrere Richtungen geben muß und daß nur aus der fruchtbaren Spannung der Verschiedenheit der Auffassungen ein lebendiges Zusammenleben hervorgehen kann. Wir lehnen daher jeden Machtanspruch, jede einseitige Geltendmachung eines Willens ab, der für sich das Monopol der Staatsidee und der staatlichen Macht in Anspruch nehmen könnte.
    Herr Kollege Schoettle hat heute morgen in seinen grundlegenden Darlegungen eine Darstellung des Verhältnisses zwischen der Regierung und dem Parlament gegeben. Man kann dieses Verhältnis der Exekutive und der Legislative auch hier im Rahmen der Haushaltsdebatte als das Problem des Unterschiedes zwischen der Organisationsgewalt der Regierung und dem Budgetrecht des Parlaments bezeichnen. Herr Kollege Schoettle hat Wert darauf gelegt, daß nach dem Grundgesetz die Regierung in diesem Hause wurzelt, daß sie dort ihren eigentlichen Boden hat, daß sie keine Macht aus eigenem Recht ausübt. Es ist unbedingt richtig, die Regierung so zu betrachten. Aber der Unterschied zwischen dem exekutiven Voranschreiten und der Legislative, die die Richtlinien gibt und die Handlungen der Regierung überwacht, ist doch beträchtlich. Es wäre eine verhängnisvolle Fehlentwicklung des Parlamentarismus, wenn man das Initiativrecht der Regierung infizieren, kränken oder beschneiden wollte, wenn eine Art der Kritik und der Überwachung stattfinden sollte, die bereits das Entstehen der Handlung in ihren Anfängen zerstört, zermürbt und zersetzt. Das Grundgesetz hat ganz bewußt eine gewisse Unabhängigkeit der Regierung vom Parlament gewollt und geschaffen. Ich glaube, wenn man die Entwicklung des modernen Staates im 20. Jahrhundert betrachtet, jene Entwicklung zum Verwaltungsstaat und zu einer Massendemokratie hin, dann wird man doch dem einen Erfordernis Rechnung tragen müssen: die Demokratie bedarf der Autorität, und es muß möglich sein, insbesondere in einer Situation, wie wir sie in Deutschland haben, daß wir uns zu einer echten Autorität bekennen, daß man erst einmal gewähren läßt und seine Kritik dann einsetzt, wenn das Fertige, das Ausgereifte und oft so mühselig und schwierig Geschaffene dasteht. ° Ich bin nicht der Auffassung, daß sich das Parlament durch seine Kontrollfunktion in einer indirekten Weise exekutive Maßnahmen, durch Ausschüsse oder wie das auch sein mag, anmaßen dürfte. Das Parlament hat mit der Kritik gegenüber der Regierung erst dann einzusetzen, wenn das Vollendete, das, was verantwortet werden muß, dasteht. Es ist ein sehr großer Unterschied zwischen der Autorität, die eine freiheitliche Demokratie entwickelt, und der Totalität, die aus einer verkollektivierten Massendemokratiie hervorgeht. Autorität und Freiheit sind die beiden Pole, zwischen denen das menschliche Gemeinschaftsleben zustande kommt. Totalität und Knechtschaft sind die beiden anderen Gegensätze. Wir haben Erfahrung auf diesem Gebiet. Wir wissen, was es heißt, in eine Totalität und in eine Knechtschaft der Massendemokratie zu versinken. Denn diese Totalität wächst ja aus dem anarchischen Milieu der Massendemokratie heraus. Wir haben einige Erfahrungen darin und wir wünschen nichts sehnlicher, als daß aus dem Boden der Freiheit auch echte, gute Autorität erwächst. Autorität bedeutet ja nicht nur die Wirkung von oben her, sondern auch die Fähigkeit, Autorität anzuerkennen, selber im freiwilligen Gehorsam seine Ehre zu finden, indem man das, was hier als Autorität herausgestellt ist, als sein Eigenes empfindet.
    Es wurde von dem einsamen Weg des Kanzlers gesprochen. Das ist eine Metapher, vielleicht keine sehr passende Metapher. Denn wenn wir unsere Situation in diesem Lande und unsere
    eigene Tätigkeit in diesem Hauser richtig betrachten, wenn wir uns überhaupt die Atmosphäre unserer Zeit verständlich machen, so werden wir viele einsame Wege finden. Jeder ist irgendwie ganz in seine eigene Verantwortung hineingestellt. Es wird schwierig sein, wieder zu einer Ordnung zu kommen, die ein wahres Gemeinschaftsgefühl unter allen bewußt machen kann.
    Durch die Art, wie die Opposition in diesem Hause ausgeübt wurde, ist eine ziemliche Hast, eine Überlastung an Arbeit zustande gekommen. Ich weiß nicht, ob es für die Gesetzgebung günstig war — auch wenn man die Arbeit in den Ausschüssen betrachtet —, daß oft bis in die späten Nachtstunden hinein ein Gesetzgebungsinstrument geschliffen werden mußte und dabei eine gewisse Gereiztheit aufkam, die der Sache bestimmt nicht dienlich war. Ich denke hier an manche Nachtsitzung, die in diesem Hause durchgeführt wurde. Immerhin muß man dabei bedenken, daß wir an den Anfängen stehen und daß der gute, der anständige Wille, hier einen demokratischen, freiheitlichen Staat aufzubauen, von allen Beteiligten geteilt wird. Wenn man die Entwicklung dieses halben Jahres überblickt, dann ist es kein übertriebener Optimismus, festzustellen, daß vieles, was im Anfang Empörung und Kritik hervorgerufen hat, sich gebessert hat. Das alles ist auch nicht eine Sache, die dem freien Willen unterworfen ist, sondern es handelt sich hier um Entwicklungen, die aus der Situation unseres so schwer zusammengebrochenen Volkes hervorgehen.
    Hinsichtlich der innenpolitischen Aufgaben haben meine politischen Freunde einen Weg im Sinn, den man vielleicht mit folgendem einfachen Satz umschreiben darf. Wir wünschen den Frieden nach außen durch die Befriedung im Innern. Das schließt alles das mit ein, was an Wiederaufbaumaßnahmen erforderlich ist, um unser durch den Krieg so schwer geschlagenes Volk wieder aufzurichten.
    Es ist mit Recht auf die psychologische Bedeutung des rechtzeitigen Handelns hingewiesen worden. Herr Kollege Schoettle hat die Gefahren aufgezeigt, die in diesem unserem Lande aus dem Emotionalen hervorgehen. Wir sind, um


    (Dr. von Merkatz)

    dieses Schlagwort zu wiederholen, allerdings der Meinung, daß eine gute Wirtschaftspolitik immer die beste Sozialpolitik sein wird. Wir sind dabei keine Dogmatiker auf wirtschaftlichem Gebiet und sind Gegner der Schlagworte. Herr Kollege Schoettle hat heute morgen mit Recht darauf hingewiesen, wie mit den Worten Planwirtschaft und Marktwirtschaft in einer absolut oberflächlichen Weise herumgeworfen wird. Es gibt
    darüber sind wir uns vollkommen klar — sehr viele Nuancen, sehr viele Unterschiede in der Art, in der man einen Wirtschaftskörper beeinflussen kann, mit ganz gelinden indirekten Lenkungsmaßnahmen angefangen bis zu einer totalen Planwirtschaft, die bei einer Mangellage sehr leicht in eine Zwangswirtschaft umschlägt. Wir glauben, daß es in unserer Situation, die wir doch noch weitgehend von fremdem Geld leben, müßig ist, uns in diesen dogmatischen Streit einzulassen. Aber auf eines legen meine politischen Freunde und ich den allergrößten Wert. Wir dürfen nicht den Versuch machen, durch irgendwelche erdachten Schwindelkunststücke unser wirtschaftliches Leben anzuregen und damit eine scheinbare Vollbeschäftigung mit einem künstlich erzeugten Mangel auf allen Gebieten in die Wege zu leiten. Wir legen den allergrößten Wert darauf, daß wir eine gesunde Währung behalten und sie durch unser wirtschaftliches Arbeiten solide gründen. Es ist auch ein Unterschied, ob man von der Planwirtschaft spricht und damit verschiedene Lenkungsmaßnahmen meint oder ob man eine sozialistische Planwirtschaft anstrebt, die etwas ganz anderes ist, die den Wirtschaftskörper in einer totalen Weise umklammert und die zwangsmäßige Ein-griffe unter gar keinen Umständen entbehren kann, um zu funktionieren. Diese sozialistische Planwirtschaft, dieses aus der sozialistischen Idee hervorgehende Einwirken des Staates auf den freien Ablauf der Wirtschaft lehnen wir ab und müssen wir nach der Grundlage unserer ganzen Konzeption ablehnen. Allerdings sind wir uns auch bewußt, daß der wirtschaftliche Weg, den wir gegangen sind und sehen müssen, auf landwirtschaftlichem Gebiet bereits zu großen Schwierigkeiten geführt hat. Wir würden wünschen, daß es der Regierung und den gemeinsamen Anstrengungen aller Ressorts, die im Interesse der landwirtschaftlichen Belange zusammenarbeiten, gelänge, der wachsenden Not besonders der mittleren und kleinen Bauern mit wirksamen, undogmatischen Maßnahmen zu steuern.

    (Zuruf von der BP: Höchste Zeit!)

    Es ist nicht möglich, hier in dieser kurzen Zeit irgendwelche Rezepte zu geben; es ist auch gar nicht denkbar, daß diese Fragen nach irgendwelchen dogmatischen Rezepten gelöst werden. Hier muß je nach dem besonderen Fall, je nach dem besonderen Bedürfnis, das von Landschaft zu Landschaft verschieden sein wird, gearbeitet und das Geeignete gefunden werden. Dann soll auch die Kritik nicht nur aus dem Dogmatischen herkommen, und man soll sich gegenseitig nicht nur vorwerfen, man sei Planwirtschaftler oder man sei es nicht. Das ist außerordentlich nebensächlich.
    Genau dieselben Schwierigkeiten, die sich auf dem landwirtschaftlichen Gebiet ergeben, stellen sieh jetzt auch beim kleinen Mittelstand, insbesondere beim Handwerker heraus. Meine politischen Freunde und ich legen den größten Wert darauf, daß dieser Entwicklung gesteuert wird, daß man eine gesunde — nicht vom Interessenstandpunkt aus, sondern vom sozialen Standpunkt aus gesehene — Mittelstandspolitik treibt. Es ist in einem Land, das sozial — und zwar durch den Bombenkrieg und durch die Vertreibung von nahezu 13 Millionen aus den Ostgebieten — derart zerstört worden ist wie Deutsch-. land, klar und eindeutig, daß allzu krasse soziale Gegensätze verhindert und vermieden werden müssen. Es kommt hier sehr viel auf den sozialen Takt an.
    Wir gehen aber diesen sozialen Problemen unter gar keinen Umständen damit zu Leibe, daß wir uns in dem Gefälle der historischen Ideologien aufhalten und die Rezepte des 19. Jahrhunderts in diesem 20. Jahrhundert, das ganz andere Voraussetzungen hat, anzuwenden versuchen. Es ist hier das Wort gefallen, daß ein Steuergeschenk im Widerspruch zu einer sozialen Politik stehe. Ich glaube, diese Kontroverse zwischen der Steuersenkung und der Sozialpolitik verkennt den Zusammenhang gründlich und schiebt diese Frage auf ein vollkommen falsches Gleis. Vielleicht verstehen wir uns auf diesem Gebiet nicht, aber das eine darf ich seitens meiner politischen Freunde sagen: für uns ist diese von der Bundesregierung eingeleitete Steuerreform die Voraussetzung für eine gesunde und gute Sozialpolitik.

    (Bravo! bei der DP. — Abg. Schröter: Sehr richtig!)

    Wir legen Wert darauf, daß keinerlei Versuche unternommen werden zu zaubern. Wir wollen eine realistische Wirtschaftspolitik, wir wollen alle Bemühungen dareinsetzen, daß dieser geduldige, aber solide Weg, der letzthin zu einer Hebung des Wohlstandes führt, mit aller Energie gegangen wird. Es gilt hier, den Schwierigkeiten zu steuern, die gemütsmäßig dabei auftreten. Es kommt darauf an, daß man dem Tun all der Narren, die versuchen, bei dieser schwierigen Situation Deutschlands im Trüben zu fischen, wehrt, daß man den Gefahren, die aus dieser Verbitterung, dem Elend unseres Volkes und aus der Radikalisierung hervorgehen, begegnet, damit die Ruhe und Stetigkeit unserer ganzen Entwicklung gewahrt bleiben, um einen wahrhaft soliden Wirtschaftsaufbau herzustellen, der nicht von irgendwelchen Wunschvorstellungen und Illusionen getrieben wird, sondern der auf der Realität gesunden Wirtschaftens, d. h. der Schaffung neuer Werte aufbaut.
    Ich glaube, wenn es uns so gelingt, nicht unsere gesamte wirtschaftliche Vorstellung einer Vollbeschäftigungskulisse bei schlechter Währung, Zwang und Mangellage zu opfern, sondern eine wahrhaft solide Arbeitsbeschaffung in die Wege zu leiten, daß wir damit dann gegenüber der östlichen Totalität den Beweis erbracht haben, daß aus dem Kern unseres abendländischen Denkens heraus eine Meisterung der großen sozialen Spannungen und Schwierigkeiten dieses Jahrhunderts möglich geworden ist, daß wir damit die große Anziehungskraft nach Osten ausüben und den Schutzwall unserer abendländischen Ordnung gegenüber dem neuen Nomos, der da drüben aufgestellt ist, begründen. Es handelt sich nicht darum, daß wir die materiellen Grund-


    (Dr. von Merkatz)

    lagen unseres Daseins zur Steuerung der Not beschneiden. Es geht nicht darum, die letzten Ordnungen eines überkommenen Wirtschaftssystems zu zerstören und einzuebnen; es kommt vielmehr darauf an, daß man nicht verteilt, sondern daß man Neues schafft und daß man allen Menschen die Geborgenheit des Arbeitsplatzes und des Lebens verschafft, die für sie erforderlich ist, um in seelischer Gesundheit als Staatsbürger dem Gemeinwesen zu dienen.
    Nichts ist leichter bei einer solchen Generaldebatte, als an der Außenpolitik der Regierung Kritik zu üben. Kaum ein Gebiet ist so der Kritik ausgesetzt und von jeher so als kritikwürdig betrachtet worden. Ich möchte mich hier einer näheren Stellungnahme enthalten und nur einige Grundsätze meiner politischen Freunde zum Ausdruck bringen.
    Es wurde von Herrn Kollege Schoettle heute nach der außenpolitischen Konzeption gefragt. Ich glaube, daß diese außenpolitische Konzeption bei uns allen die gleiche sein wird.

    (Abg. Schröter: Sehr richtig!)


    (Abg. Dr. Schmid: Für einige Ihrer politischen Freunde!)

    Immerhin steht unter den geistigen Vätern dieser Bewegung der Deutschen Partei Constantin Frantz, dessen Schriften, wenn man sie heute noch einmal liest, bei manchem, was veraltet und verklungen ist — —

    (Abg. Dr. Schmid: Ich warne!)

    — Ich weiß, warum Sie warnen, Herr Professor. Ich habe ihn ziemlich ganz gelesen. Aber gerade das, was er auf diesem Gebiet des abendländischen Gedankens zu geben wußte, war eine bedeutende Vorausschau der Dinge. Es sind auch noch andere Traditionen, die auf diesem alten Gedanken beruhen, daß sich die europäischen Völker als Glied einer Familie fühlen, so wie das einmal in Zeiten vor der Reformation als eine Selbstverständlichkeit in Europa galt. Dieser guten Tradition, die noch in unseren Städten, in unserer Kunst, in unserem Geistesleben spürbar geblieben ist, wollen wir dienen. Denn ohne den geistigen Hintergrund, ohne das eigentlich Oberzeugende, was in den Dingen ist, läßt sich der Weg in die europäische Gemeinschaft nicht gehen.
    Wir verkennen dabei nicht, daß eine ganze Reihe praktischer und realer Erkenntnisse diese geistige Linie ergänzen müssen. Ich glaube, daß man dann, wenn man zur Methodik dieser Diplomatie Stellung nehmen soll —, in dem Zustand der Suzeränität, in dem wir uns befinden, und bei der exzeptionellen Lage, in der sich unser ganzes Volk befindet, von neuartigen Gesichtspunkten ausgehen muß. Denn eine solche soziale Zerstörung, wie sie Deutschland erlebt hat, hat
    es in Europa vielleicht noch nicht gegeben. Wenn man hier eine richtige Methode der Diplomatie entwickeln will, so wird man den Kern- und Schwerpunkt in den einfachen menschlichen Beziehungen finden müssen. Ich glaube, daß wir vielen Methoden der diplomatischen Technik, wie sie in der Vergangenheit üblich waren und wie sie das 18. Jahrhundert zu einer Perfektion entwickelt hat, nicht zu folgen vermögen und daß der außenpolitische Stil, der unseren Weg kennzeichnet, seitdem wir wieder zu einem Staatsgebilde heranzuwachsen uns bemühen, von diesen neuartigen Bedingungen sehr stark bestimmt sein muß und bestimmt ist.
    Wir dürfen dabei auch die außerordentlich schwierige innerpolitische Situation in den Ländern, die uns umgeben, nicht verkennen. Denn nicht nur wir haben soziale Spannungen und Schwierigkeiten; auch die anderen Völker Europas und unsere Sieger haben unter den Folgen des Krieges auf das allerschwerste zu leiden. Ich glaube, daß nur die Selbstbeherrschung, die Selbstdisziplin und die große Tugend der Geduld uns zu Erfolgen führen kann.
    Meine politischen Freunde und ich lehnen eine Politik der Illusionen ab. Es reift uns nichts zu. Gewiß, wir haben ein gewisses Gewicht der Bevölkerungszahl und der geographischen Lage nach. Aber das Leben ist immer Entscheidung, und in unserer gefährlichen Lage müssen insbesondere wir dessen eingedenk sein, daß uns nichts in den Schoß fällt. Es ist vollkommen richtig — und ich glaube, diese Ansicht wird von allen Fraktionen dieses Haues geteilt —, daß wir Grenzen setzen müssen, daß wir nicht bei einer Entwicklung mitmachen dürfen, die Deutschland als ein Volk minderen Rechtes in dieses Europa einzugliedern versuchte, also eine Schwindelkonstruktion dieses Europas darstellen würde. Eine europäische Gemeinschaft der Zusammenarbeit kann überhaupt nicht existieren, wenn man in diesem Jahrhundert mit seiner komplizierten technischen und sozialen Kultur den Versuch machen wollte, ein Volk minderen Rechtes — und das noch in der Mitte Europas — bestehen zu lassen. Es ist immerhin in der Mantelnote, mit der das Besatzungsstatut überreicht wurde, ausgeführt worden, daß es das Ziel der Besatzungspolitik ist, die Eingliederung dieses Volkes, und zwar des gesamten Deutschlands, in eine Gemeinschaft und Zusammenarbeit der europäischen Völker zu gegenseitigem Nutzen zu ermöglichen. Ich glaube, diese Eingliederung unter Schaffung der Voraussetzungen wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Art ist die große deutsche Aufgabe und der Kernpunkt einer außenpolitischen Konzeption. Darin liegt das wahre Wesen der Verständigung. So kann und soll man den Weg der Bundesregierung begreifen. Jedenfalls kann das Hineinwachsen in Europa, in die europäische Gemeinschaft nicht nach der Methode des diplomatischen Geschäfts geschehen. Hier gibt es nichts ein- und auszuhandeln. Der historische Prozeß, der dahintersteht, ist weit tiefergreifend, weit schicksalhafter und schwerer, als daß man mit solchen Äußerlichkeiten etwas erreichen könnte. Es wird darauf ankommen, in der Zukunft einen gereiften Zustand im deutschen Volk hervorzurufen, eine wahrhafte, neue europäische Tradition aufzubauen und durch diese Vorbildlichkeit un-


    (Dr. von Merkatz)

    seres politischen Ethos die Gefahren der Radikalisierung zu überwinden.
    Meine Freunde und ich bekennen uns zur christlichen Freiheit und Menschenwürde als den beiden großen Grundpfeilern, die unser Gemeinschaftsleben im Abendlande tragen. Diese christliche Freiheit und Menschenwürde — ein Freiheitsbegriff, der nur aus dem Christentum heraus verständlich ist —

    (Zuruf: Na, na!)

    gilt es zu verteidigen, und dazu gehört die Toleranz.
    Es ist heute hier ein böses Wort von einer Relation zwischen evangelischer und nationalsozialistischer Gesinnung gefallen. Ich glaube wohl nicht, daß der Herr Redner das in dieser massiven Weise gemeint hat. Aber ich möchte doch nochmals namens meiner politischen Freunde darauf hinweisen: Wenn wir zu all den Nöten und innerlichen Schwierigkeiten nun auch noch konfessionelle Gegensätze hinzufügen wollten, dann wären wir vollkommen wahnsinnig.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Es ist doch die große Leistung unseres Volkes — ich deutete es schon an —, daß wir diesen Gegensatz überwunden haben und damit eine Liberalität und Toleranz als Grundlage unseres Gemeinschaftswesens entwickelt haben, die wir gerade für die Zukunft und am Rande des totalitären Bereiches so dringend nötig haben.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)