Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(WAV)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Ich darf fortfahren. Wir haben jetzt, wie ich bereits sagte, bestes Wetter zum Bauen, und trotzdem ist die Zahl der Arbeitslosen in Westdeutschland nur unwesentlich zurückgegangen. Woher kommt das? Das kommt einmal davon her, daß Bauten erst in viel zu geringem Umfang in Angriff genommen wurden. Aber es gibt noch einen zweiten Grund, und der ist noch schlimmer: daß nämlich die Zahl der jetzt wieder in Arbeit einströmenden Bauarbeiter
weitgehend dadurch paralysiert wird, daß in anderen Branchen, die nicht etwa saisonbedingt sind,
weiterhin Arbeitslose zuwachsen, so daß trotz des Beginnes günstiger Witterung die Arbeitslosenzahl noch nicht so heruntergeht. wie sie heruntergehen könnte.
Und nun darf ich Ihnen eines sagen: Wir haben alle noch die Worte des Herrn Bundeskanzlers und seiner Minister, des Herrn Ministers Storch, des Herrn Ministers Erhard usw. in den Ohren, die im September, Oktober, November und noch später dem Hohen Hause immer wieder erklärten, mit der Arbeitslosigkeit sei es nicht so tragisch, es handele sich hier lediglich um normale Erscheinungen, usw. Wir alle haben das gehört, und Sie, meine Herren von den Regierungsparteien, werden nicht in der Lage sein, das zu bestreiten!
- Das Arbeitsbeschaffungsprogramm? Ja, das ist viel zu spät gekommen, und bis jetzt, Herr Zwischenrufer, sehe ich noch keine Verwirklichung dieses Programms, sonst müßten Sie mindestens 4- bis 500 000 arbeitslose Bauarbeiter schon wieder eingegliedert haben! Aber allein schon die Tatsache, daß die Regierung Adenauer so lange Monate hindurch — September, Oktober, November, Dezember, sogar noch Januar,
also gerade die wichtigsten und wertvollsten Monate hindurch — die Bedeutung der Arbeitslosigkeit nicht erkannt hat,
das allein schon ist ein Faktum, das wirklich n i ch t zugunsten der Regierung Adenauer spricht!
— Zugunsten derer, die rechtzeitig davor gewarnt haben. Herr Zwischenrufer! Dazu haben wir gehört, und dazu haben auch noch andere Leute in diesem Hause gehört. Aber Sie haben diese Warnungen leider nicht berücksichtigt, sondern Sprüche hier herinnen im Parlament machen lassen,
als sei das eigentlich gar nicht von Bedeutung.
Meine Damen und Herren! Diese Mißachtung des Arbeitslosenproblems in seiner ganzen Tragweite ist einer der Hauptfehler, die die Regierung Adenauer bisher begangen hat.
Ein zweiter Hauptfehler der Regierung Adenauer ist dieser: daß sie nichts getan hat. um von sich aus die Wirtschaft dadurch wirklich anlaufen zu lassen, daß man es endlich einmal gewissen Großbanken verunmöglichen würde, den Sparern, die ihr Geld zur Bank tragen, nur 21/20/o Zinsen zu geben, aber selbst 9, 10 und noch mehr Prozent Zinsen zu verlangen, selbst auf allererste Sicherheiten und erste Hypotheken.
Wenn ein kleiner Kaufmann im Lande draußen eine Ware, die er um 10 Mark bekommt, um 30 und 40 Mark weiterverkaufen würde, würde man ihn mit Recht wegen Wuchers zur Anzeige bringen. Die großen Bankdirektoren aber dürfen mit Unterstützung. dieser Regierung, die dafür verantwortlich ist, daß die Spanne zwischen den Einlagezinsen und den Zinsen für entnommene Gelder so groß ist, aber nichts dagegen tut, unerhörte Gewinne machen mit den Ersparnissen unseres Volkes! Jeder, der von der Wirtschaft, von der Bauwirtschaft oder von was sonst etwas versteht,
weiß, daß es zu teuer ist, wenn ein Geld 9 oder 10 oder noch mehr Prozent Zinsen pro Jahr kostet. Jeder Einsichtige weiß. daß unter solchen Umständen die Privatwirtschaft nicht bauen kann und auch nicht in der Lage ist. ihre Unternehmen zu erweitern. daß die Landwirtschaft nicht in der Lage ist, große Meliorationsprojekte durchzuführen, und daß auch keine Privatgesellschaft und kein gemischtes Unternehmen, also öffentlich und privat zusammen, hergehen wird, irgendwelche Kraftwerksbauten durchzuführen, wen n Geld nur zu so unerhört hohen Zinssätzen zu haben ist. All das hätte die Regierung Adenauer tun müssen!
Sie hätte auch dafür sorgen müssen und können, daß Millionen von Menschen sich mehr Lebensmittel kaufen können, als ihnen das jetzt möglich ist. Millionen von Arbeitslosen, Heimatvertriebenen, kleineren Angestellten und Arbeitern
könnten sich mehr leisten, wenn nicht unerhört hohe Handelsspannen da und dort, und zwar beim Großhandel,
nicht etwa bei den kleinen Leuten, das verzögern würden. Ja, rufen Sie nur dazwischen „Eierpreis"! Schade, daß nicht S i e damals den Antrag auf Einfuhr der Eier vom Ausland gestellt haben, wie das die WAV getan hat!
Sie haben damit gewartet, Sie haben es uns, der
kleinen Fraktion der WAV, überlassen! Und das
Ergebnis war, daß allein auf diese Ankündigung hin
der Preis heruntergegangen ist! Jawohl, das sind die Tatsachen! Da brauchen Sie nur die entsprechenden — —
— Was sind das für tolle Zurufe: „Sie gackern!" Wenn Sie nichts Besseres zwischenzurufen verstehen, dann beteiligen Sie sich bitte nicht hier an der Diskussion! Sie werden damit nur der Demokratie schaden, wenn Sie mit solch lächerlichen Zwischenrufen daherkommen.
Meine Damen und Herren! Auch auf anderen Gebieten ist ein unerhörter Wucher bei den Großhandelsspannen getrieben worden. Wir haben diese Anträge eingereicht. Immer und immer wieder wird jetzt die Behandlung dieser Dinge im Plenum hinausgeschoben. Schon lange war sie überfällig. Wir werden Ihnen dann noch einiges mit nackten Ziffern zu sagen haben, damit Sie sehen, wie hier durch Versäumnisse der Regierung Preise hochgehalten werden. an denen der Bauer, der Kleinhändler und der Verbraucher nichts haben, deren Gewinne lediglich in die Taschen einiger weniger zehntausend Großverdiener fließen.
Und gerade hier hat die Regierung auch versagt.
durch entsprechende Gesetze einzugreifen und
hier dafür zu sorgen. daß das Produzierte wirklich zu anständigen Preisen an die Verbraucher gelangen kann.
Wir haben hier such kein Programm der Regierung vor uns. Oder wollen Sie vielleicht das Ausnendelnlassen als ein Programm bezeichnen? Wollen Sie ein reines Laisser-faire. Laisser-aller, ein reines Zulassen und Hingehenlassen vielleicht als Programm und als etwas. was der Regierung zugute gerechnet werden kann. bezeichnen? Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich auf diesen Standpunkt stellen!
— Herr Präsident, „wirtschaftlicher Eunuch" hat er gesagt der Abgeordneter Strauß! Ich verbitte mir das jetzt bald.