Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion sieht sich zu ihrem lebhaften Bedauern außerstande, dem Gesetz in der gegenwärtigen Fassung ihre Zustimmung zu erteilen, und beantragt da her, den Gesetzentwurf nochmals dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zusammen mit dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
Die Beratungen in diesen beiden Ausschüssen sind leider nicht mit der Gründlichkeit geführt worden, die der Wichtigkeit dieses Gesetzes angemessen ist. Das ist kein Vorwurf. Sie konnten nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit geführt werden. Es war ja bisher nur möglich, überstürzt in den frühen Morgenstunden mit der Aussicht, um 10 Uhr zum Plenum gehen zu müssen, zwei Sitzungen durchzuführen, in denen eine gründliche Erörterung der Probleme nicht stattfinden konnte. Außerdem hatte eine Reihe von Mitgliedern beider Ausschüsse nicht einmal Kenntnis von den Beratungen.
Die Gründe, die uns dazu bewegen, eine nochmalige Beratung zu erbitten, sind folgende. Hier wird vom Dach her gebaut. Es soll ein Bundesfinanzhof eingerichtet werden, ohne daß bisher überhaupt schon Klarheit über die Bundesfinanzverwaltung als solche besteht. Im § 1 des Gesetzes wird zwar auf Oberfinanzpräsidien angespielt. Aber wie sich im einzelnen die Bundesfinanzverwaltung gestalten wird, ist noch unbekannt, da, das Gesetz über die Bundesfinanzverwaltung ja erst in erster Lesung dem Hohen Hause vorgelegen hat und zur Beratung .ansteht. Es scheint uns unbedingt erforderlich, hier die notwendige Verbindung herzustellen.
Weiter ist in der vergangenen zweiten Lesung im Plenum plötzlich eine wesentliche Änderung
durch den Antrag eingetreten, den der Herr Kollege Schneider von der FDP gestellt hat. Durch diesen vom Hause angenommenen Antrag ist in § 3 ein dritter Absatz eingefügt worden, und zwar auch ohne hinreichende Erörterung. Diese eingefügte Bestimmung besagt, daß die Richter am Bundesfinanzhof, soweit sie nicht die Befähigung zum Richteramt besitzen, notwendigerweise die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst erlangt haben müssen. Das ist eine Änderung gegenüber den Bestimmungen der Reichsabgabenordnung und, wie uns scheint, eine nicht hinreichend geprutie Abänderung, da erhebliche Unklarheiten darüber bestehen, was unter höherem Verwaltungsdienst zu verstehen ist. Die einzelnen landesrechtlichen Regelungen sind da durchaus verschieden.
Drittens — und das ist für uns der wichtigste Punkt — befindet sich in § 3 Abs. 2 Satz 2 die Bestimmung, daß über die Berufung der Richter am Bundesfinanzhof der Bundesfinanzminister gemeinsam mit einem Richterwahiausschuß entscheidet. Abgesehen davon, daß es ein Schönheitsfehler ist, eine Bestimmung des Grundgesetzes in einem einfachen Gesetz zu wiederholen, ist ja hier nicht das Geringste gesagt, wie dieser Richterwahlausschuß verfahren soll. Es erhebt sich da, wie Sie alle wissen, eine ganze Reihe von wichtigen verfassungsrechtlichen Fragen. Wir haben unsererseits dem Hohen Hause schon vor einigen Monaten ein Richterwahlgesetz vorgelegt, das auch in erster Lesung im Plenum gewesen ist und zur Zeit zur Beratung im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ansteht. In der ersten Lesung dieses Entwurfs hat sich damals bereits gezeigt, daß im einzelnen über die Funktionen, die Befugnisse und die Verfahrensweisen dieses Ausschusses vorerst erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Das ganze Gesetz könnte also gar nicht durchgeführt werden, ohne daß über den Richterwahlausschuß und seine Verfahrensweise gleichzeitig Klarheit geschaffen wird; denn ich hoffe, daß nicht die Absicht bestanden hat, diese schwierigen und grundlegenden verfassungsrechtlichen Fragen nun etwa im Wege einer Durchführungsverordnung durch den Herrn Bundesfinanzminister zu regeln. Eine derartige Maßnahme könnte keinesfalls in Betracht kommen. Wir haben hier das erste der oberen Bundesgerichte, und dieses erste der oberen Bundesgerichte kann aus dem Gesamtkomplex der oberen Bundesgerichte nicht herausgenommen werden. Wenn wir es einsetzen wollen, müssen wir gleichzeitig Klarheit schaffen, wie dieser Richterwahlausschuß verfährt, arbeitet und beschließt, ob das Initiativrecht bei allen Mitgliedern liegt oder nur beim Bundesfinanzminister, ob der Ausschuß die Personalakten anfordern und einsehen kann und wann er beschlußfähig ist. Also alles das, was in unserem Gesetzentwurf geregelt ist, müßte hier gleichzeitig geregelt werden. Ohne dies kann ein solches Gesetz gar nicht realisiert werden.
Wir sind uns darüber klar, daß ein dringendes Bedürfnis besteht, den Bundesfinanzhof unverzüglich 'und so bald wie möglich einzusetzen. Aber auch diese dringende Notwendigkeit kann uns nicht der Sorge entheben, daß wir ein Gesetz machen, das wirklich den begründeten Anforderungen entspricht und nicht für eines der oberen Bundesgerichte eine solch lückenhafte Regelung bringt. Aus diesem Grunde darf ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen, den Gesetzentwurf
nochmals zu einer gründlichen Beratung an die beiden Ausschüsse zurückzuüberweisen.