Rede:
ID0104715100

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 13
    1. Zur: 1
    2. Begründung: 1
    3. des: 1
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag -- 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, ¿ei f6. März 1950 1589 47. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1590A, 1635D Anfrage Nr. 32 der Fraktion der BP betr. Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Drucksachen Nr. 409 und 694) . . . . 1590B Anfrage Nr. 49 der Fraktion der BP betr. Verminderung der Überlastung der Landwirtschaft (Drucksachen Nr. 570 und 706) 1590B Anfrage Nr. 50 der Zentrumsfraktion betr. Deutsche Bundesbahn (Drucksachen Nr. 573 und 695) . . . . . . . . . . 1590B Anfrage Nr. 55 der Fraktion der SPD betr. Lehrstellen bei der Bundesbahn (Drucksachen Nr. 583 und 696) 1590C Anfrage Nr. 51 der Abg. Dr. Solleder, Kahn, Dr. Horlacher und Gen. betr. Preisbildung des Hopfens (Drucksachen Nr. 574 und 701) 1590C Zur Tagesordnung 1590C Antrag der Fraktion der SPD betr. Geschäftsführung des Präsidenten . . . 1590D Zur Geschäftsordnung: Ritzel (SPD) 1591A Schröter (CDU) 1592A Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie (Drucksache Nr. 563) 1592B Donhauser (BP) 1592C, 1607B Dr. Greve (SPD), Antragsteller . . 1593A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . . , . . 1597C Dr. Kiesinger (CDU) 1598B Frau Wessel (Z) 1600B Euler (FDP) 1601D Fisch (KPD) 1603A Dr. von Merkatz (DP) 1604D Clausen (SSW) 1606B von Thadden (DRP) s 1608B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege (Drucksache Nr. 564) . . . 1609D Zinn (SPD), Antragsteller . 1610A, 1617C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz . . . . . . . . 1611D Dr. Schneider (FDP) 1613A Dr. Mühlenfeld (DP) (zur Geschäftsordnung) . . . 1614D Ewers (DP) 1615A Dr. Kopf (CDU) 1616A Gundelach (KPD) 1617A Erste 'Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung der von der Bundesregierung auf Grund des Artikels 132 des Grundgesetzes erlassenen Ausführungsverordnung (Drucksache Nr. 589) 1618B Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Treibstoffpreise (Drucksache Nr. 620) 1618B Zur Sache: Rademacher (FDP), Antragsteller 1618C, 1623D Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1619C Vesper (KPD) . . . . . . . . 1620A Loritz (WAV) . . . . . . . . 1620C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1621B Etzel (CDU) 1621B, 1624B Aumer (BP) . . . . . . . . . 1621 D Dr. Bertram (Z) 1623A Zur Geschäftsordnung: Rademacher (FDP) 1624C Dr. Horlacher (CSU) 1624C Euler (FDP) . . . . . . . . 1625A Dr. Preusker (FDP) 1625A Ritzel (SPD) 1625B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof (Drucksache Nr. 630) 1625C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1625D Kiesinger (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . 1626C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle über den Warenverkehr im Bereich der gewerblichen Wirtschaft (Drucksache Nr. 586) (berichtigt) . . . 1626B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1626D Rische (KPD) 1627D Juncker (FDP) . . . . . . 1628D Kalbitzer (SPD) . . . . . . . 1629B Aumer (BP) 1630B Etzel (CDU) . . . . . . . . 1630D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Entwurf eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes (Drucksachen Nr. 702 und 554) 1631A Dr. Weber (CDU), Berichterstatter 1631B Dr. Etzel (BP) 1632A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz vom 9. Januar 1950 betr. Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Marx (Drucksache Nr. 605) 1633A Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann (Drucksache Nr. 689) 1633B Kurt Müller (KPD), Antragsteller 1633B Neumann (SPD) . . . . . . . 1634B Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 655) (neu) 1635D Nächste Sitzung 1635D Die Sitzung wird um 14 Uhr 36 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Erich Köhler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, wird das Wort weiter gewünscht? -- Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache der zweiten Beratung.
    Ich rufe zunächst § 1 in der Fassung der Drucksache Nr. 702 auf. Es ist der Abänderungsantrag gestellt, die Geltungsdauer bis zum 30. September 1950 zu verlängern. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit. Damit ist der Abänderungsantrag abgelehnt.


    (Präsident Dr. Köhler)

    Wer für § 1 in der Fassung der Drucksache Nr. 702 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. -Das erste war eindeutig die Mehrheit. Der § 1 ist angenommen.
    Ich rufe § 2 auf. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Der § 2 ist fast einstimmig angenommen.
    Wer für die Einleitung und die Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Fast einstimmig angenommen.
    Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung verabschiedet. Ich eröffne entsprechend dem vorhin gegebenen Einverständnis des Hauses die
    dritte Beratung.
    Wir kommen zur Aussprache der dritten Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache der dritten Beratung.
    Wer für das Gesetz auf Drucksache Nr. 702 in der soeben in zweiter Lesung angenommenen Fassung im Ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist mit eindeutiger Mehrheit angenommen. Damit haben wir diesen neu aufgenommenen Punkt der Tagesordnung erledigt.
    Wir kommen nunmehr zu Punkt 7 der Tagesordnung:
    Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 9. Januar 1950 betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Marx (Drucksache Nr. 605).
    Der Herr Berichterstatter ist aus dienstlichen Gründen im Augenblick nicht da, wie es auch zu Punkt 8 der Tagesordnung der Fall war. Ich schlage vor, den Punkt 7 zurückzustellen. Den Punkt 8 hatten wir bereits abgesetzt.
    Wir kommen damit zu Punkt 9 der Tagesordnung:
    Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann (Drucksache Nr. 689).
    Ich möchte ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß dazu inzwischen ein Abänderungsantrag der Fraktion der SPD eingegangen ist, der als Drucksache Nr. 707 verteilt worden ist.
    Wir haben zu Punkt 9 im Ältestenrat zur Begründung durch den Antragsteller eine Redezeit von 8 Minuten und dann die Überweisung an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität vorgesehen. Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Kurt Müller!
    Kurt Müller (KPD), -Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor acht Tagen, auf der letzten Sitzung des Bundestags fühlte sich der Herr Bundeskanzler bemüßigt, auf die undemokratischen Verhältnisse und Zustände an der Saar hinzuweisen. Für mich besteht heute Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß die vom Herrn Bundeskanzler gekennzeichneten Zustände in ganz Westdeutschland herrschen.
    In der vorliegenden Materie kann man heute N leider nur zu der Frage der Immunität deutscher Abgeordneter und deutscher Parlamente Stellung nehmen. Es handelt sich um einen konkreten Fall. Am 6. März dieses Jahres drang unter Verletzung der Würde und der Immunität des Niedersächsischen Landtags britische Militärpolizei in den Landtag ein, begleitet von deutschen Kriminalbeamten, um den niedersächsischen Landtagsabgeordneten Robert Lehmann zu verhaften. Lehmann wurde im Hause des Landtags verhaftet und mit Gewalt aus dem Landtag geschleppt.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Die Verhaftung erfolgte, weil Lehmann an der Herausgabe eines Flugblattes beteiligt sein soll, das sich gegen die Demontage in WatenstedtSalzgitter wendet. Faktisch -hat Lehmann, selbst wenn er für dieses Flugblatt verantwortlich sein sollte, das getan und die Meinung vertreten, die heute alle Deutschen vertreten, die sich gegen diese widersinnige Demontage wenden.

    (Beifall bei der KPD.)

    Dieser Willkürakt der britischen Besatzungsmacht und ihrer Polizei ist ein glatter Rechtsbruch, ein Bruch der Immunität. Denn in der Notverfassung des Niedersächsischen Landtags vom Jahre 1947 ist die Immunität ausdrücklich festgelegt, vom Gebietsbeauftragten dieses Landes sanktioniert und unterschrieben. Ich weise darauf hin, daß das Recht auf Immunität ebenfalls im Grundgesetz verankert ist. Dieses Grundgesetz ist nicht nur von den damaligen Militärgouverneuren unterschrieben worden, sondern nach dem Besatzungsstatut sind die Hohen Kommissare ausdrücklich verpflichtet, das Grundgesetz
    einzuhalten und zu achten. Die Vorkommnisse im Niedersächsischen Landtag zeigen also deutlich, daß die im Grundgesetz festgelegten Maßnahmen, soweit darin von demokratischen Rechten des Volkes gesprochen wird, nur auf dem Papier stehen.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Bezeichnend ist, daß vor wenigen Tagen, als in Hannover der Demontagestop-Prozeß stattfand, dort die Frage des Rechtes behandelt wurde und daß der Richter in diesem Prozeß folgendes erklärte: Hier gibt es kein deutsches Recht; was Recht ist, bestimme ich!

    (Hört! Hört! bei der KPD. — Abg. Rische: Kolonialjustiz!)

    Der Bruch der Immunität im Niedersächsischen Landtag und der Demontagestop-Prozeß in Hannover zeigen deutlich, daß es in Westdeutschland kein deutsches Recht gibt, sondern ein Besatzungsrecht, und daß nach einem Kolonialrecht regiert wird. Der Niedersächsische Landtag hat in einer Stellungnahme eindeutig gegen diesen Rechtsbruch durch die britische Militärpolizei Stellung genommen. Er übermittelte dem britischen Unterhaus einen einstimmig angenommenen Protest. -
    Meine Damen und Herren! Der Bundestag beschäftigte sich in der 29. Sitzung im Januar 1950 bereits mit der Frage der Immunität. Damals, in dieser genannten Sitzung, beschloß der Bundestag, die Bundesregierung zu beauftragen, bei der Alliierten Hohen Kommission zu erwirken, daß die Immunität der Mitglieder der Landtage und des Deutschen Bundestags von den Behörden der Besatzungsmächte beachtet wird. Das ist


    (Kurt Müller)

    der Beschluß dieses Hauses. Aber leider muß ich feststellen, daß die Bundesregierung diesen Auftrag nicht ausgeführt hat.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Wie soll man das auffassen? Das kann man nur so auffassen, daß die Bundesregierung auch in diesem Fall die Handlung der Militärregierung und der Militärpolizei, den Rechtsbruch der Besatzungsmächte deckt.

    (Sehr richtig! bei der KPD.)

    Mancher der Damen und Herren schenkt dem Fall des Bruchs der Immunität im Falle Lehmann wenig Beachtung. Es gibt solche Stimmen: Es handelt sich ja um einen Kommunisten! Diesen Damen und Herren möchte ich mit einem Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung" antworten. Diese Zeitung schrieb:
    Morgen können genau so Nichtkommunisten an der Reihe sein. Außerdem: das Recht ist unteilbar, und Kommunisten sind nicht Staatsbürger zweiter Klasse.
    In der Tat, meine Damen und Herren, als wir in der genannten Sitzung des Bundestags zum Prozeß gegen die „Niedersächsische Volksstimme" Stellung nahmen, wußten wir noch nicht, daß dieser Presseprozeß die Einleitung für weitere Presseprozesse war. Heute ist mir bekannt, daß gegen ein rein bürgerliches Unternehmen in Detmold ebenfalls ein Prozeß von demselben Staatsanwalt in denselben Fragen auf Grund desselben Gesetzes der Hohen Kommissare — Nr. 5 — angestrengt wird. Am ,13. März 1950 hat das Obergericht in Hannover den Verfasser des Flugblattes „Fünf Minuten vor zwölf", das sich mit der Demontage in Watenstedt -Salzgitter beschäftigt.
    und den Chefredakteur der „Neuen Volkszeitung" verurteilt. Die Rotationsmaschine der Druckerei wurde beschlagnahmt.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Man plant also nicht nur in diesem Fall, wie das Beispiel Detmold zeigt, sondern auch in anderen Fällen mit solchen Maßnahmen vorzugehen, die deutschen Gesetzen entgegenstehen. Man achtet das deutsche Recht nicht, man bricht es, weil man nach Kolonialmethoden regiert.
    Wir bitten Sie, sich gegen diese Praxis zu wenden, deshalb unserem Antrag zuzustimmen und damit gegen den Bruch der Immunität durch die Besatzungspolizei Stellung zu nehmen und mit uns für die Freilassung des Abgeordneten Lehmann zu kämpfen.

    (Beifall bei der KPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Zur Begründung des Änderungsantrages Drucksache Nr. 707 hat Herr Abgeordneter Neumann das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Franz Neumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Im dritten Absatz des kommunistischen Antrags heißt es
    Der Bundestag steht ferner auf dem Standpunkt, daß das Recht des Wählers und das demokratische Prinzip der freien Wahl aufgehoben wird, wenn der vom Volke gewählte Abgeordnete durch Strafverfolgung oder Inhaftierung daran gehindert wird, sein Recht wahrzunehmen und seine Pflicht zu erfüllen, dem Auftrag seiner Wähler innerhalb und außerhalb des Parlaments nachzukommen und
    denselben von seinem politischen Standpunkt aus zu vertreten.

    (Abg. Rische: „Schlägst du meinen Esel, schlag' ich deinen Esel!")

    — Ein sehr schöner Satz, den ich zitiert habe, Herr Kollege; ein sehr schöner Satz! Wir wären froh, wenn er von allen Mitgliedern dieses Hauses vertreten würde.
    Heute morgen haben sich im Ausschuß für Immunitätsfragen alle Parteien zu diesen Grundsätzen bekannt. Sie haben erklärt, daß das Recht des Abgeordneten unteilbar ist und daß man nicht nach der Zugehörigkeit zu Parteien sehen sollte, sondern daß das Recht des Abgeordneten überall wirksam werden sollte. Und meine Damen und Hierren, wenn der Herr Kollege Müller vom Rechtsbruch, vom Bruch der Immunität und von dem Schutz sprach, der nur auf dem Papier steht, wenn er von Kolonialjustiz sprach,

    (Abg. Rische: Ist es keine?)

    so sind das alles schöne Worte, Herr Kollege Rische; es müßten nur nicht die Ostzone und OstBerlin existieren.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD und in der Mitte.)

    Das ist der Schönheitsfehler bei diesen Worten.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Sehen Sie, was nutzt es denn, wenn Sie im Lande herumlaufen, wenn Herr Reimann schöne Worte findet, wie sie folgendermaßen in der „Täglichen Rundschau", Ihrem russischen Regierungsorgan in Berlin, zu lesen sind:

    (Zuruf von der KPD: Ihr Leibund Magenblatt!)

    Die Verhaftung des Abgeordneten Robert Lehmann ist ein Angriff auf die elementarsten demokratischen Rechte der deutschen Bevölkerung. Es ist darum die Ehrenpflicht eines jeden aufrechten Deutschen, gegen diesen Willkürakt zu protestieren und um die Freilassung Robert Lehmanns zu kämpfen.
    Ich sagte Ihnen schon: die Parteien haben heute
    im Ausschuß diesen Grundsatz vertreten, und
    Sie sollten jetzt bei der Abstimmung über unseren Zusatzantrag beweisen, daß Sie auch zu dieser Frage grundsätzlich positiv Stellung nehmen.

    (Abg. Renner: Weshalb ist denn der Mann verhaftet worden?)

    — Das will ich Ihnen gleich sagen, Herr Kollege Renner. Im übrigen haben Sie schon vor einem Vierteljahr einmal gesagt, daß Sie die Frage der Insassen in den KZ's grundsätzlich prüfen wollten; Sie wollten sich deswegen mit mir in Verbindung setzen.

    (Abg. Renner: Ich habe Sie gefragt, Sie sollten mir eine Adresse geben! Ich habe bis heute keine Adresse bekommen!)

    — Ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind, das hat doch gar keinen Zweck. — Wir haben folgendes festzustellen: Für uns ist hier die Frage des Grundsatzes ganz klar, und wir stimmen infolgedessen auch Ihrem Antrag zu. Wir sagen aber, wenn Sie von der Kolonialjustiz sprechen, dann sollten Sie einmal die Frage der Justiz in der Ostzone überprüfen. Einer der Staatsanwälte in der Ostzone hat in der Angelegenheit eines politischen Prozesses seine Aktentasche liegengelassen, aus der folgendes entnommen werden konnte.

    (Zuruf des Abg. Renner.)



    (Neumann)

    Es ist ein Originalbrief der SED, der in unserem Besitz ist. Es heißt in diesem Brief:
    In der Falkensache
    — gemeint ist die Verfolgung der Falken, die den lizenzierten „Telegraf" im Ostsektor Berlins verteilt haben —
    sind weiter Ulbricht und Edith Baumann der Ansicht, daß es wünschens wert ist, den Termin auf die Zeit vom 15. bis 20. Juni zu verlegen,
    -- des Vorjahres —
    und zwar sowohl mit Rücksicht auf die Pariser Verhandlungen, die durch einen früheren Termin gestört werden könnten, wie vor
    allem mit Rücksicht auf das Pfingsttreffen
    der FDJ in Leipzig, wo eine Sammlung der
    gesamten Jugend angestrebt werden soll.
    Herr Renner, was ist mit diesen jugendlichen
    Menschen geschehen, die weiter nichts getan haben, als eine westlich lizenzierte Zeitung im Ostsektor Berlins zu verteilen? Die Jugendlichen
    Gerhard Sperling, Lothar Otter, Horst Glank und
    Günter Schlierf sind am 7. Juli 1949 zu je 25
    Jahren Zwangsarbeitslager verurteilt worden.

    (Pfui! bei der SPD, in der Mitte und rechts.) 25 Jahre, ohne daß diese jugendlichen Menschen das Recht hatten, überhaupt einen Verteidiger zu haben,


    (Zuruf von der KPD: Und die Gestapo?) ohne daß sie überhaupt die Möglichkeit hatten, vor einem ordentlichen Gericht zu erscheinen!


    (Abg. Renner: Das Gegenteil ist richtig! — Pfuirufe von der SPD und von der Mitte.)

    Nun darf ich Ihnen zum Schluß folgendes sa- gen. Sie haben im vorigen Jahre an die Straßenzäune und an die Mauern geschrieben: „Freiheit für Reimann!" Freiheit für Reimann? Warum so bescheiden? Freiheit für den Mann, der zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde und der nach vier Wochen Gefängnisaufenthalt wegen guter Führung entlassen worden ist?! Es ist Ihnen bekannt, daß dieser Herr Reimann, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, die Möglichkeit hatte, am ' zweiten Tage seine Frau zu empfangen; daß er die Möglichkeit hatte, Briefe zu senden und zu empfangen, und daß er nach den Berichten der kommunistischen Presse in Berlin sogar „auf den Druck der werktätigen Massen" Delegationen aus der Ostzone empfangen konnte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist hier in Westdeutschland.

    (Abg. Renner: Das stimmt ja gar nicht!) Wissen Sie, Herr Renner, wir sind nicht so bescheiden. Wir fordern Freiheit für alle Männer und Frauen,


    (Abg. Rische: Auch für die Kriegshetzer!)

    die die Freiheit in der Ostzone erkämpfen wollen. Wir fordern Freiheit für die, die heute in
    Kellern und in Bunkern, in Gefängnissen, Zuchthäusern und KZ's für ihre Überzeugung schmachten demokratische Organisationen wieder aufnach der Zerschlagung der Hitler-Diktatur glaubten demokratische Organisationen wieder aufrichten zu können; sie schmachten heute, ohne die
    Vorteile Reimanns zu genießen, sie hatten nicht
    die Möglichkeit, irgendeinen Familienangehörigen
    zu empfangen, sie hatten nicht die Möglichkeit
    -- seit viereinhalb Jahren nicht die Möglichkeit —, Nachrichten zu senden oder zu empfangen.
    Und darum sagen wir, daß Sie bei aller Berechtigung Ihres Antrages in der Begründung sehr vorsichtig sein und daß Sie vor allen Dingen den Versuch unternehmen sollten, hier die Freiheit eines Abgeordneten wieder zu beschaffen, der jetzt im vierzehnten Monat spurlos verschwunden ist. Herr Kollege Renner, unser Zusatzantrag sagt schon, daß dieser Abgeordnete Werner Rüdiger verhaftet worden ist, weil er auch wieder im Besitz der im Westen Berlins lizenzierten Zeitung „Telegraf" gewesen sein soll. Sie reden große Worte von der Einheit Deutschlands und Sie verfolgen hier wegen des Besitzes einer lizenzierten Zeitung die Menschen auf das grausamste. Werner Rüdiger ist nach Aussage entlassener KZ-Häftlinge nach Rußland abtransportiert worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sie haben dank Ihrer guten Verbindungen also hier die Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß Werner Rüdiger genau so wie der Abgeordnete Lehmann sein Mandat ausüben kann. Wenn es Ihnen ernst ist um die Freiheit des Abgeordneten, dann werden Sie nicht nur darum reden und dafür kämpfen, daß Lehmann wieder in Freiheit gesetzt wird, sondern dann werden Sie mit allen anständigen demokratischen Kräften auch dafür sorgen, daß das gleiche für Werner Rüdiger der Fall ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)