Meine Damen und Herren! Wir halten im Gegensatz zu den Herren Vorrednern diesen Gesetzentwurf in organisatorischer Hinsicht für einen Fortschritt gegenüber den bisherigen Fachstellen und Exportausschüssen, weil wir der Meinung sind, daß es sich hier um staatliche Aufgaben handelt, die demzufolge von Behörden zu erledigen sind. In sachlicher Hinsicht dagegen finden wir diese Regelung außerordentlich mangelhaft, schon allein deswegen, weil sie sich nur auf die Regelung der gewerblichen Wirtschaft beschränkt. Eine Neuorganisation und eine neue Behörde im Bereich des Außenhandels müssen im Hinblick auf eine Vermehrung und Förderung des Außenhandels betrachtet werden. Diese notwendige Aufgabe wird, glaube ich, durch diese Behörde, wie sie hier vorgeschlagen ist, sachlich nicht erfüllt. Die der Behörde gestellten Aufgaben, wie Aufbau der Einfuhrprogramme und Vorbereitung der Unterlagen für die kommenden Außenhandelsverträge, können nicht erfüllt werden, wenn diese Oberbehörde auf die agrarischen Einfuhren keinen Einfluß hat. Jede industrielle Ausfuhr, die wir in Deutschland brauchen, bedingt naturgemäß in der Regel auf der anderen Seite eine agrarische Einfuhr. Deshalb hat es keinen Sinn, nur die eine Hälfte des Außenhandels durch diese Bundesstelle zu erfassen. Die Gegensätze in diesen Fragen innerhalb der Regierung scheinen sich in dieser Bundesstelle wiederzuspiegeln. Ebenso ist es mit den Aufgaben hinsichtlich der ERP-Einfuhren, die diese Bundesstelle gutachtlich bearbeiten soll. Auch diese gutachtliche Beurteilung der ERP-Einfuhren und damit also die faktische Einflußlosigkeit dieser Bundesstelle auf die ERP-Politik spiegelt einen weiteren Gegensatz innerhalb des Kabinetts zwischen den verschiedenen Ministerien, die mit Wirtschaftsfragen befaßt sind, wieder.
Die Bundesstelle für den Warenverkehr muß, wenn sie effektiv werden soll, den Außenhandel bei allen Ministerien, das heißt beim Wirtschafts-, Landwirtschafts- und ERP-Ministerium in sich vereinigen. Außerdem werden in dieser Bundesstelle wichtige Belange der Außenhandelspolitik überhaupt nicht vertreten. Die Förderung des Außenhandels soll in nächster Zeit einer weiteren Oberbehörde übertragen werden, wie man aus Zeitungsmeldungen erfährt. Die Handelsverträge sind nach den Ausführungen des Wirtschaftsministers weiterhin einer Außenhandelsabteilung beim Wirtschaftsministerium unterstellt, und die Förderung der Dollarexporte bleibt in ihren Aufgaben offenbar nach den bisherigen Meldungen beim ERP-Ministerium. Mir scheint, diese Aufteilung der - verschiedenen Außenhandelsaufgaben auf verschiedene Bundesstellen und -ministerien sollte beseitigt und in den Ausschußberatungen behandelt werden. Die andere Aufgabe dieser Bundesstelle, die Beaufsichtigung des Interzonenhandels, ist ebenfalls ein organisatorischer Fortschritt und sachlich, wie beim Außenhandel, sehr mangelhaft gelöst, weil ausreichende Vertrags- und Gesetzesunterlagen für den Interzonenhandel nicht vorhanden sind. Das Frankfurter Interzonenhandelsabkommen kann den Gesamtkomplex des Interzonenhandels, wie die Tatsachen zeigen, nicht regeln. Folglich ist der Interzonenhandel zum Schaden des reellen Handels und eines Teiles der westdeutschen Industrie heute in den Händen von Schwarzhändlern, und der Interzonenhandel ist zugleich ein politischer Streitpunkt zwischen Ost und West geworden, bei dem der Interzonenhandel nur leiden kann.
Wenn die Bundesstelle also ihre Aufgabe in bezug auf den Interzonenhandel erfüllen soll,
dann braucht sie Leitsätze für den Interzonenhandel, die eindeutig ihre Aufgaben in diesem Punkte umreißen. Die bloße organisatorische Zuweisung des Interzonenhandels an die Bundesstelle genügt nicht, um einen wirtschaftspolitischen Effekt zu erzielen.
Der Interzonenhandel braucht im übrigen, wenn er auf eine reelle und erfolgreiche Basis gestellt werden soll, die das Volumen des Interzonenhandels erhöht, auch auf seiten der Bundesrepublik eine straffe Organisation, wie sie auf seiten des Geschäftspartners, der Ostzone, vorhanden ist. Wenn wir den Interzonenhandel nicht ebenfalls unter strenge Kontrolle und Organisation nehmen, dann werden wir vom östlichen Partner überspielt. Die Folge ist, daß wegen des ostdeutschen Währungsverfalls, der etwa 1:7 beträgt,
die Reallöhne in der Ostzone derart tiefer liegen — wenn Sie auch darüber lachen mögen —, daß ein Teil der westdeutschen Arbeiter brotlos wird, weil sie von der ostdeutschen Industrie unterboten werden.
Nun einige kurze Bemerkungen zu dem Organisatorischen dieses Gesetzentwurfs: Der Bundesrat fordert für diese Bundesstelle einen Länderausschuß zur Informierung. Uns scheint ein solcher Länderausschuß angebracht zu sein, wenn die Koordination mit den Länderwirtschaftsministerien hergestellt werden soll. Dann wird in § 6 die Verschwiegenheit der Beiräte festgelegt, die sich auf ein Kriegsgesetz stützt. Mir scheint dieses Gesetz naturgemäß überholt zu sein, und wir sollten ein anderes Gesetz dafür heranziehen.
Aus diesen allgemeinen Beanstandungen des vorliegenden Entwurfs beantrage ich, den Gesetzentwurf einem gemischten Ausschuß zu überweisen, bei dem. alle Ausschüsse beteiligt sind, die mit dem Außenhandel bzw. mit dem Interzonenhandel befaßt sind, als da sind der Wirtschaftsausschuß, der Agrarausschuß, der Außenhandelsausschuß, der ERP -Ausschuß mid der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen. Die Federführung für diesen gemischten Ausschuß hätte naturgemäß beim Wirtschaftsausschuß zu liegen.