Rede von
Dr.
Georg-August
Zinn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir nur noch einige kurze Bemerkungen.
Herr Bundesjustizminister! Es ist ein evidenter Irrtum, wenn Sie annehmen, dap dieses Gesetz von uns aus politischen Erwägungen vorgelegt worden sei, oder wenn man gar vermuten würde, der Fall Hedler sei Anlaß dazu gewesen. Das Gesetz ist beim Büro des Präsidiums zu einem Zeitpunkt eingegangen, als sich der Fall Hedler noch gar nicht ereignet hatte. Im übrigen ist der eigentliche Anreger des Gesetzes der Herr Abgeordnete Dr. Kopf von der CDU, der uns, nachdem wir einmal über das Problem gesprochen haben, veranlaßt hat, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir sind auch nicht so überheblich, nun für uns in Anspruch zu nehmen, daß dieses Gesetz vollkommen sei und alle darin niedergelegten Gedanken von uns stammen. Die Fassung, daß die aus politischer Überzeugung begangenen Taten nicht rechtswidrig seien, stammt nicht einmal von uns, sondern von Herrn Dr. Oellers. Es ist immerhin geistiges Gut von verschiedenen Seiten dieses Hauses zusammengetragen worden.
Nun zur Sache selbst. Ich habe nicht die Absicht, hier eine strafrechtliche Spezialvorlesung zu halten. Ich könnte aber eine ganze Reihe konkreter Tatbestände schildern, die von den seither in den Ländern erlassenen Gesetzen nicht erfaßt werden. Außerdem ist der sachliche Umfang der in den Ländern erlassenen Gesetze nicht überall identisch. Aus diesem Grunde und mit Rücksicht auf die in fast allen Gesetzen enthaltene Befristung des Antragrechts erschien uns die Vorlage dieses Gesetzentwurfes notwendig, ganz abgesehen davon, daß er ja auch eine gewisse politische Bedeutung hat, auf die ich bereits hingewiesen habe.
Der Herr Bundesjustizminister hat darauf hingewiesen, daß die Fassung des § 1, bei der Herr Dr. Oellers wesentlich mitgewirkt hat, mit dem Gedanken der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Jawohl, es ist zuzugeben: Gerechtigkeit verlangt nicht nur eine gerechte Norm, sondern auch eine gleichmäßige und gleiche Anwendung dieser Norm, also Rechtssicherheit. Man muß es der Rechtssicherheit zuliebe in Kauf nehmen, wenn im Einzelfall die Anwendung der Norm auch einmal unbillig ist. Aber dieses Problem der Rechtssicherheit, von dem auch Radbruch gesprochen hat, hat im Grunde doch nur dann Bedeutung, wenn es sich um die Anwendung einer in sich gerechten Norm und nicht einer Unrechts-Norm handelt. Herr Bundesjustizminister, Sie haben Herrn Professor Dr. Radbruch zitiert, aber Sie haben vergessen, jene seiner Schriften zu zitieren, die die Überschrift trägt „Gesetzliches Unrecht und ungesetztes Recht". Diese Schrift hätten Sie zitieren müssen.
a Im übrigen entsinne ich mich eines Aufsatzes, der die Unterschrift von Herrn Dr. Thomas Dehler trägt und der im Mai vorigen Jahres in der Landeszeitung der FDP in Bayern erschienen ist. In diesem Aufsatz nahm Herr Dr. Dehler im Zusammenhang mit der Frage der Rechtsgültigkeit des Konkordats ebenfalls zu dem Problem der Rechtsgültigkeit der in der Nazizeit erlassenen Normen Stellung. In diesem Aufsatz hat Herr Dr. Thomas Dehler, wenn ich mich nicht irre, die gleiche Auffassung vertreten wie Herr Professor Dr. Thoma, wie ich es heute tue und wie Herr Dr. Arndt sie vor einem Jahr in verschiedenen Aufsätzen vertreten hat.
— Aber das war im Mai! Ich hoffe aber, daß auch aus diesem „März" einmal wieder ein „Mai" werden wird und daß der Herr Bundesjustizminister seine heutige Auffassung einer Revision gemäß seiner alten Auffassung unterziehen wird.