Meine Damen und Herren! Es sollte eigentlich in diesem Hohen Hause nicht erforderlich sein, über den Begriff der Demokratie noch eine Diskussion herbeizuführen, geht es doch bei diesem Gesetz um nicht mehr und nicht weniger als um den Schutz der allgemeinen Menschenrechte, die unter dem Hitlersystem so grausam mit Füßen getreten worden sind. Und niemand in diesem Hohen Hause, der es mit der Demokratie und mit der Sicherung der allgemeinen Menschenrechte ernst meint, wird daran zweifeln, daß es richtig ist, gesetzliche Bestimmungen zu schaffen, damit nicht zum zweiten Male Bevölkerungsgruppen die ihnen gegebenen demokratischen Freiheiten mißbrauchen, um die Freiheit zu töten. Wer heute noch für den Hitlerismus schwärmt und Anhänger des gewesenen Nationalsozialismus ist, nachdem durch dieses politische Verbrechertum so unendlich viel Leid über die Welt gekommen ist und das deutsche Volk vor diesem entsetzlichen Trümmerhaufen steht, dem darf man wohl nur sagen, daß solche Menschen als politische Analphabeten zu betrachten sind — oder als Kriminelle. Der Versuch zur Wiederherstellung der politischen Grundlagen des Nazismus ist entweder Wahnsinn oder Verbrechen.
Deshalb ist es notwendig, daß neben den an sich guten Bestimmungen des Grundgesetzes eine weitere gesetzliche Grundlage geschaffen wird, um solchen Zeitgenossen diesmal rechtzeitig das Handwerk zu legen, ehe ein zweites Unglück seinen Lauf nimmt. Dieser Anfang ist aber zweifellos vorhanden, und es wäre nach meiner Auffassung grundverkehrt, den sich zeigenden Neofaschismus zu bagatellisieren. Wir haben aber in diesem Stadium aus den Fehlern der Weimarer Republik zu lernen. Wir Älteren haben es ja erlebt und können hier aus der Erfahrung urteilen. Es sind doch sehr viele in diesem Hohen Hause, die die ganze Zeit ihres Lebens im Kampf um die freien Menschenrechte zugebracht haben, die vor 1933 von Versammlung zu Versammlung zogen und gegen den aufkommenden Faschismus kämpften.
Zu den größten Fehlern der Weimarer Republik muß gerechnet werden, daß diese politisch klar sehenden Kräfte von der Republik damals zu wenig unterstützt worden sind. Und schon wieder hört man besonders oben bei uns in Schleswig-Holstein von organisiertem Saalschutz politischer Gruppen und Parteien. Wir dürfen hier nicht in den Fehler der Weimarer Republik verfallen, die damals den politischen Parteien gestattete, halbmilitärische Organisationen aufzuziehen, die die politische Auseinandersetzung auf die Straße trugen. Ich bin der Auffassung, daß wir davon ausgehen müssen, daß auch in einem demokratischen Staatswesen nur die Polizei für Ruhe und Ordnung zu sorgen hat und daß auch die Polizei nur allein für die ordnungsmäßige Durchführung von politischen Versammlungen zu sorgen und eine solche Versammlung aufzulösen hat, wenn es nicht länger geht.
Der Regierung möchte ich sagen: überlassen Sie dieses Geschäft nicht wieder Knüppelgarden politischer Parteien! -- Und sollten neo faschistische Parteien mit diesem grausamen Spiel wieder anfangen, so möchte ich der Bundesregierung und den Länderregierungen sagen: schützen Sie die staatlichen Grundlagen der jungen deutschen Demokratie, und schützen Sie die aufbauenden Kräfte dieser Demokratie besser, als es in der Weimarer Republik getan worden ist!
Ich habe aber doch hier in diesem Hohen Hause die Überzeugung gewonnen, daß von links bis rechts ein breite Grundlage von Volksvertretern vorhanden ist, die alle dasselbe wollen, nämlich Vorkehrungen zu treffen, daß sich ein 30. Januar 1933 nicht wiederholen kann. Aber ich bin der Überzeugung, daß. hier Arbeiter und demokratische Bürger zu einem einheitlichen Wollen zusammenstehen müssen. Es kommt nur darauf an, eine vernünftige Mittellinie zu finden. Ich bin sogar der Überzeugung, daß der Herr Bundesjustizminister, der zweifellos in der Justizdebatte einen unglücklichen Tag hatte, dasselbe will. Ich kann auch im Namen meiner Wähler, die überwiegend Mitglieder der dänischen Minderheit sind, sagen: wir werden jede Maßnahme unterstützen, die das Ziel hat, gesetzliche Bestimmungen zum . Schutz der freien Menschenrechte zu schaffen. Dann werden unsere Richter eine einwandfreie gesetzliche Grundlage bekommen, um ein gerechtes Urteil zu fällen. Erst dann können wir die Gerichtsurteile besser beurteilen, als es im Hedlerprozeß vielleicht geschehen ist. Wir müssen uns aber bei der Schaffung dieser gesetzlichen Bestimmungen davor hüten, daß wir damit nicht Volksgenossen treffen, die der Demokratie wohlgesinnt sind,
Das scheint mir ganz besonders in den Paragraphen 2 und 3 des Gesetzentwurfes möglich zu sein. Paragraph 2 lautet:
Wer es unternimmt, einen Teil des Bundesgebiets, in dem das Grundgesetz bereits gilt, von der Bundesrepublik Deutschland zu trennen, oder die Gliederung des Bundesgebiets in Länder auf andere Weise, als es das Grundgesetz zuläßt. zu verändern, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft.
Ich bin der Auffassung, daß jeder loyale Staatsbürger es als selbstverständlich ansehen muß, daß Abtrennungen vom Bundesgebiet, eine Änderung der Ländergrenzen oder die Bildung eines neuen Landes nicht mit Gewaltanwendung vorgenommen werden darf. Es muß aber als eine Tatsache angesehen werden, daß die jetzige Gliederung der Länder vorwiegend durch die Besatzungsmächte bestimmt worden ist. Fest steht ferner, daß die Besatzungsmächte bis heute noch ein Interesse an der Neugliederung bzw. an der Änderung der Ländergrenzen haben, weil die Hohen Kommissare zum Artikel 29 des Grundgesetzes den bekannten Vorbehalt gemacht haben. Es ist daher zu verstehen und muß auch als Tatsache angesehen werden, daß deutsche Staatsbürger bisher die Frage der Neugliederung der Länder oder der Änderung der Ländergrenzen mit Vertretern der Alliierten oder mit Vertretern der Besatzungsmächte besprochen haben. Ich stelle daher die Frage: . Sollen diese Gespräche in Zukunft auf Grund des § 2 unter Strafe gestellt oder sogar als Landesverrat angesehen werden? Selbst wenn das nicht beabsichtigt ist, kann der § 2 und insbesondere der § 3 dazu führen, daß jedes Gespräch mit Vertretern der Alliierten über diese Frage der Neugliederung der Länder als Landesverrat angesehen wird. Deshalb können die §§ 2 und 3 nach meiner Überzeugung in der jetzigen Fassung Denunziationen und Verfolgungen Tür und Tor öffnen, insbesondere — wie 'auch in diesem Hohen Hause betont würden ist -- bei der Justizkrise, in der wir uns nun mal befinden.
Ich protestiere daher im Namen meiner politischen und kulturellen Organisationen gegen die Fassung der §§ 2 und 3. Diese Paragraphen dürfen nicht Gesetz werden. Ich halte darüber hinaus den § 2 für überflüssig, weil in dieser Frage ja die Sicherung bereits im Grundgesetz gegeben ist.