Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine verehrten Anwesenden, die Feinde der Demokratie stehen also nicht nur außerhalb der politischen Parteien, sondern sie befinden sich in ihnen drin, und sie sitzen auch da, wo wir vermeinten, daß sie nicht säßen und nicht sitzen sollten. Aber die Lösung dieser Frage ist unseres Erachtens nicht nur ein juristisches, sondern ein eminent politisches Problem. Wenn der Staat einmal wirklich in Gefahr kommt, dann sind die toten Buchstaben des Gesetzes keine genügend scharfe Waffe, um ihn zu retten. Dann kommt es unseres Erachtens darauf an, daß es Menschen gibt, die nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen bei diesem Staate stehen und von der Richtigkeit dessen überzeugt sind, daß es ihn zu schützen gilt und es sich auch lohnt, ihn zu schützen. Unsere Gesetze werden nur wirksam sein, wenn wir uns hinter sie stellen, das heißt, wenn wir, die Angehörigen aller derjenigen Parteien, denen das Demokratische in und an diesem Staat nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Ausdruck ihres inneren politischen Wesens ist, dem Volke draußen sagen, daß dieser Staat nur als ein demokratischer Staat die letzte Chance ist, die wir in Deutschland und Europa haben, wenn wir in Frieden und Freiheit unter Achtung des Menschen als Menschen leben wollen. Gelingt es uns nicht, meine Damen und Herren, die große Masse des deutschen Volkes davon zu überzeugen — in diesem Zusammenhang darf ich mich einmal mit besonderem Nachdruck an die Rechte oder besser gesagt Halbrechte und an die Mitte dieses Hauses wenden —, daß die Demokratie, von der wir sprechen, es wert ist, daß man sie dem deutschen Volke nahe bringt, daß sie im Raume der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung aber nur dann bestehen kann, wenn diese Ordnung eine gerechte ist, dann ist all unser Mühen umsonst. Kommt unser Staat wirklich einmal in die Gefahr, daß die Demokraten sich mit dem Leben vor ihn stellen müssen, dann wollen wir hoffen und wünschen, daß es außer der deutschen Arbeiterschaft nicht nur eine Handvoll aufrechter Demokraten gibt, die gewillt sind, ihr Leben für die Demokratie einzusetzen, sondern daß dann die Masse des deutschen Volkes, gleichviel, in welchen demokratischen Parteien sie steht, auch bereit ist, sich mit ihrem Leben für diese Demokratie einzusetzen, und zwar anders, als es 1933 der Fall gewesen ist.