Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir alle sind Jahr und Tag von dem Bestreben erfüllt, eine Verständigung mit Frankreich herbeizuführen und darüber hinaus eine westeuropäische Union herzustellen. Dieser Gedanke erfüllt wohl —abgesehen von den Kommunisten — alle Mitglieder dieses Hauses. Ich persönlich habe mich vom Herbst 1945 an, als am 18. Oktober unser Programm herauskam, mit diesem Gedanken schon auseinandergesetzt. Aber wir sind bis jetzt noch nicht weitergekommen, und alle Bemühungen von unserer Seite haben nur zu dem geführt, was wir als Saarabkommen vor uns sehen.
Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen in meiner Ansicht nach sehr beachtlichen Ausführungen dargelegt, was er von diesem Abkommen vom 3. März 1950, von diesem Saarabkommen hält. Seine Charakterisierung ist zweifellos nach jeder Richtung hin fest und klar. Es ist ein Übergriff auf das Gebiet der Gewalttätigkeit im Sinne von Mazarin und Richelieu, was wir hier vor uns sehen: Frankreich greift mit gierigen Händen nach der deutschen Grenze und reißt uns nach Elsaß-Lothringen noch einen anderen Teil unseres Landes weg, und es etabliert in diesem Land eine Gewaltherrschaft, die mit der russischen Gewaltherrschaft beinahe konkurrieren kann.
Ich habe dieser Charakterisierung, die der Herr Bundeskanzler gegeben hat, nichts mehr hinzuzufügen. Die Gewalttat herrscht auf den Straßen. Wir müssen nun sehen,. wie wir dieser Gewalt Herr werden.
Es ist heute von dieser Stelle aus schon sehr viel darüber geredet worden, was da zu tun ist. Wenn ich das im Geist an mir vorüberziehen lasse und mir überlege, dann sehe ich immer wieder: Es sind Wünsche, Hoffnungen, berechtigte Forderungen; aber aus kaum einer Stelle spricht eine realistische Haltung gegenüber den gegebenen Tatsachen. Man kann den Franzosen nicht dadurch imponieren, daß man ihnen zu jeder Tageszeit sagt: „Wir wollen uns ja mit euch verständigen; seid doch vernünftig, ihr Franzosen, und hört auf uns, denn davon hängt nicht nur das Schicksal Deutschlands, sondern auch das Europas ab, und ihr zerstört die großen Hoffnungen aller Deutschen und aller guten Europäer!" Damit können Sie den Franzosen nicht imponieren. Wir können bei den Franzosen nur dann Eindruck machen, wenn wir ihnen mit einer festen, klaren Haltung gegenübertreten.
Dieser festen unid. klaren Haltung geben Sie Ausdruck, wenn Sie einem Antrag zustimmen, den ich hiermit einbringe und der da sagt:
Alle Verständigungsverhandlungen mit Frankreich werden eingestellt, und der Beitritt Deutschlands zur Europäischen Union und zum Europarat unterbleibt, bis das Saarabkommen zwischen Frankreich und dem Saargebiet aufgehoben ist und die wirtschaftliche und politische Freiheit des Saargebiets für alle Zeiten sichergestellt ist.
Wenn Sie diesen Antrag annehmen, dann imponieren Sie Frankreich,
sonst imponieren Sie ihm nicht!
— Sie von links wollen ja doch dasselbe. Herr Schumacher hat doch in seinen Schlußsätzen beinahe dasselbe gesagt. Stellen Sie sich doch nicht auf einmal dagegen, weil ich es sage! Sie meinen, Sie müßten von vornherein in jedem das Gegenteil von dem sagen, was ich sage.
Das, was wir in diesem Antrag vorschlagen, ist das einzige, was wir in dieser Stunde machen können. Wenn wir nicht alle Verhandlungen auf Verständigung mit Frankreich von Stund an einstellen und wenn wir nicht alle Bemühungen, den europäischen Rat zu bilden, aufgeben, bis die Saarkonvention zurückgenommen und damit das Saar-
Deutscher ,Bundestag - 46. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. März 1930 1585
gebiet für uns sichergestellt ist, dann zeigen wir damit, daß es uns an Mut und Entschlossenheit fehlt. Es gehört ein großer Mut dazu, das zu tun. Wir können hier auch nicht mit weibischem Klagen weiterkommen, sondern wir müssen nun wirklich zugreifen. Ich habe die feste Überzeugung, daß ich im Namen von Millionen Deutschen spreche, wenn ich heute den Franzosen zurufe: Die Hände weg von der Saar, die Hände weg von deutschem Land! Das ist das Entscheidende, und an diese Aufgabe müssen wir nun auch wirklich ernsthaft herangehen. Wir dürfen keine halben Maßnahmen ergreifen, die nun wieder auf eine Bitte oder so etwas hinauslaufen. In der praktischen Politik wird man nur dann etwas erreichen, wenn man Maßnahmen androht und dann auch ausführt, die dem anderen auch Eindruck machen.