Meine Damen und Herren! Meine Freunde sind mit einer Verweisung des Antrags an den Ausschuß einverstanden. In Vorbereitung der dortigen Beratungen erlauben Sie mir, zu einigen grundlegenden Gesichtspunkten kurz Stellung zu nehmen.
Wie einige von Ihnen wissen, hat dieses Initiativgesetz der SPD eine ziemlich große Vorgeschichte. In ähnlicher — meines Erachtens in einigen Punkten besserer — Form wurde der Gesetzentwurf schon im Wirtschaftsrat eingebracht. Nachdem man über einen dort zunächst von der KPD eingebrachten Antrag, schlechthin und etwas grob — ich meine, in den Ausmaßen grob — einen Mindestlohn von 50 Pfennig festzusetzen,
— ich spreche ja nur von dem System — nachdem man über diesen Antrag nicht zu einer Einigung gekommen war, weil man sich im Gegenteil, ich glaube auch bei den Antragstellern, darüber einig
war, daß man es auf diese Weise nicht gut machen könne, hat sich eine Unterkommission des Wirtschaftsrates in langen Sitzungen damit beschäftigt, aus dem Entwurf der SPD etwas Gutes zu machen. Schließlich wurde ein Entwurf im Plenum des Wirtschaftsrates behandelt und abgelehnt. Ich betone das besonders, weil es, wenn ich mich recht erinnere, der einzige Gesetzentwurf auf arbeitsvertragsrechtlichem Gebiet war, der von der damaligen gesetzgebenden Körperschaft abgelehnt wurde. Alle anderen wurden genehmigt, und wenn sie nicht Gesetz wurden, dann lag es an der Militärregierung. Aber hier erfolgte eine Ablehnung.
Das möchte ich vorausschicken und nun darauf eingehen, daß es sich — das ist bereits von meinen Vorrednern gesagt worden — ausschließlich um ein Organisationsgesetz handelt. Es stehen weder die Mindestbedingungen selbst in dem Gesetz noch ist gesagt worden, nach welchen Grundsätzen sie in etwa festgelegt werden sollen. Ich sage gleich, daß ich das als einen Vorteil des Gesetzes ansehe; denn es ist ja völlig unmöglich, dafür nun Gesetzesparagraphen zu schaffen. Es ist schon im ersten Paragraphen die Rede davon, in welchen Fällen Mindestarbeitsbedingungen erlassen werden sollen. Wenn Sie nachschauen wollen, es heißt in § 1 Absatz 2: sie können festgelegt werden, „wenn eine tarifvertragliche Regelung durch die Gewerkschaften nicht erfolgt." Dieses absolute „nicht erfolgt" stößt auf Bedenken. Es folgt dann zwar die Aufzählung einiger Fälle, in denen oder aus denen das Nichterfolgen der Regelung begründet ist, aber es heißt dabei „insbesondere". Es gibt also außer den Gründen, die da stehen — zum Beispiel wenn eine Vereinigung der Arbeitgeber fehlt —, nach dem Willen der Antragsteller anscheinend auch noch andere Gründe, über die man im Ausschuß sehr erheblich reden müßte; denn grundsätzlich davon auszugehen, daß in den Fällen, in denen eine tarifvertragliche Regelung durch die Gewerkschaft — wie es mit einer gewissen Einseitigkeit heißt — deshalb nicht erfolgt, weil die Gewerkschaft zu einer solchen Regelung nicht bereit ist, das ist doch wahrscheinlich oder hoffentlich nicht im Sinne der Antragsteller. Ich erwähne diesen Punkt, weil mir da zwischen dem von mir schon erwähnten seinerzeitigen Initiativantrag derselben Partei im Wirtschaftsrat und dem vorliegenden Antrag eine Verschiedenheit aufgefallen ist und weil ich die Zweifel, die ich aufgeworfen habe, gerne geklärt und bereinigt wissen möchte.
Davon abgesehen fragt es sich nun, wo denn bei der heutigen Sachlage in der Tat noch ein Bedürfnis besteht, sich tarifunfähig zu machen. Das ist ja Gott sei Dank eine verschwindende Ausnahme geworden. Also wo ist noch ein Bedürfnis vorhanden, von dem mit vollem Recht und zu unserer Befriedigung und sicherlich auch mit Absicht in § 1 Absatz 1 hervorgehobenen Grundsatz der Tarifvertragshoheit der Sozialpartner abzuweichen oder, wie ich sagen möchte, ihn geradezu zu verletzen? Diese Frage wird in erster Linie durch den Hinweis auf die Heimarbeit beantwortet. Dazu hat der Kollege Sabel schon das Nötige gesagt.
Wir rechnen damit, daß das Heimarbeitsgesetz, das ja leider im Wirtschaftsrat auch an der Versagung der Genehmigung durch die Alliierten gescheitert ist, nun schnellstens eingebracht wird; denn dafür besteht zweifellos eine dringende Notwendigkeit. Das Gesetz von 1934, das noch in der Vornazizeit vorbereitet worden ist, hat an sich gute Grundlagen für die Regelung der Heimarbeit geschaffen. 1939 sind dann die Treuhänder der Arbeit in das Gesetz eingefügt worden. Die gibt es nicht mehr, und dadurch hat das Gesetz seine Möglichkeiten verloren. Ich nehme das, was der Kollege Sabel gesagt hat, als eine Bestätigung dafür, daß das Haus in der Tat die baldige Vorlage eines Heimarbeitsgesetzes zu erwarten hat. Wenn man das unterstellt, dann bleiben tatsächlich nur noch wenige Gruppen, vielleicht überhaupt nur noch eine übrig, in denen ein Bedürfnis auftreten kann, und ob die nun gerade für die Regelung von Mindestarbeitsbedingungen prädestiniert sind, möchte ich bezweifeln. Ich möchte jedenfalls auf diesen Gedanken in Vorbereitung der Ausschußberatungen heute schon hinweisen.
Ich möchte Sie weiter darauf aufmerksam machen, daß in dem Tarifvertragsgesetz, welches, ich glaube, im April 1949 vom Wirtschaftsrat verabschiedet worden ist, die Möglichkeit geschaffen ist, daß auch mit einem einzelnen Arbeitgeber Tarifverträge abgeschlossen werden, so daß notfalls die andere Seite, die Arbeitnehmerseite, in der Lage ist, soziale Notstände durch Abschluß eines Tarifvertrages auch dort zu überwinden oder das sogar zu erzwingen, wo es an einer Vereinigung von Arbeitgebern fehlt.
Zum Schluß erlauben Sie mir bitte zu unterstreichen, was ich vorhin schon erwähnte, daß es uns bedenklich, vielleicht sogar gefährlich erscheint, von dem Grundsatz der Tarifvertragshoheit ohne Not abzuweichen. Wir sind bekanntlich erst seit wenigen Monaten im Nachkriegsdeutschland in der Lage, Lohn- und Arbeitsbedingungen zwischen den Sozialpartnern wieder frei und un-
beeinflußt abzuschließen. Ich glaube nicht, daß es ein Zeichen des Vertrauens in dieses Recht, das von der Rechten wie von der Linken gleich hoch gehalten wird, sein würde, wenn man nun autoritäre Lohnabsprachen oder Lohnregelungen in diesem Fall als unabweisbar — —