Rede von
Adolf
Ludwig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 525 gestatten wir uns, Ihre Aufmerksamkeit auf eine Gruppe des schaffenden Volkes zu lenken, die eines besonderen Schutzes bedarf. Wir denken dabei an Hausangestellte, Heimarbeiter, gewisse Schichten von Gelegenheitsarbeitern, unständig Beschäftigte, Land- und Forstarbeiter und Menschen mit unbestimmtem Arbeitsverhältnis.
Normal werden die Tarifverträge nach freien Verhandlungen der beiden Organisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeschlossen, und wir wollen auch in Zukunft an dieser Regelung festhalten. Bei den genannten Gruppen handelt es sich aber um solche, bei denen der Partner auf der Arbeitgeberseite fehlt. Niemand kann zulassen oder wünschen, daß wertvolle Arbeitnehmerschichten arbeitsrechtlich benachteiligt sind. Deshalb war es notwendig, ein Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vorzulegen. Es soll in einer Weise verfahren werden, die es möglich macht, nicht nur beide Teile eingehend zu hören, sondern auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer in paritätischer Zusammensetzung entscheiden zu lassen.
Es wird vorgeschlagen, einen Hauptausschuß zu errichten. Bei dieser Gelegenheit gestatte ich mir, darauf hinzuweisen, daß in § 2 Absatz 2 letzte Zeile ein Druckfehler unterlaufen ist, der zu berichtigen wäre. Es muß dort statt „Stellenplan" heißen „Stellvertreter". Es soll also durch das Bundesarbeitsministerium ein Hauptausschuß errichtet werden, der aus sechs Vertretern der Spitzenverbände, und zwar der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, besteht, und dieser Ausschuß soll auf drei Jahre gewählt werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können bei ihm Anträge stellen auf Einführung oder Aufhebung schon eingeführter Mindestarbeitsbedingungen; im letzteren Fall, wenn die Voraussetzungen in Wegfall gekommen sind. Solche Mindestarbeitsbedingungen sollen festgesetzt werden, wenn eine Sicherung angemessener Löhne zur Befriedigung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse erforderlich erscheint. Die betroffenen Gewerkschaften, Vereinigungen von Unternehmern und oberste Arbeitsbehörden sind vor der Entscheidung zu hören. Wenn die Zulassung beschlossen wird, tritt ein Festsetzungsausschuß in Aktion. Für jeden Wirtschaftszweig und jede Tätigkeit, für die Mindestarbeitsbedingungen festzusetzen sind, muß ein Festsetzungsausschuß errichtet werden. Zuständig ist hier entweder die oberste Arbeitsbehörde oder, wenn ihr Bereich überschritten wird, der Bundesarbeitsminister. Diese Ausschüsse sollen aus drei bis fünf Mitgliedern und einem unparteiischen Vorsitzenden bestehen.
Die Mindestarbeitsbedingungen gelten unmittelbar und zwingend für Arbeitnehmer und Arbeitgeber des Geltungsbereichs. Günstigere tarifliche Bestimmungen werden nicht berührt. Ein Verzicht auf Rechte kann nur durch Vergleich möglich gemacht werden, und zwar auch nur nach Billigung durch die oberste Arbeitsbehörde. Ausschlußfristen zur Geltendmachung von Rechten . können nicht rechtswirksam vereinbart werden. Es soll also hier insbesondere die Schwäche der Position dieser Gruppen berücksichtigt werden. Nach Ablauf der Aufhebung der Mindestarbeitsbedingungen gelten diese weiter, bis eine andere Regelung getroffen ist.
§ 11 fordert eine wirksame Überwachung, was ebenfalls in Anbetracht der Schwäche dieser Gruppen erforderlich ist. Die Unternehmer können durch die oberste Arbeitsbehörde zur Einhaltung aufgefordert werden. Das Land kann durch die oberste Arbeitsbehörde Nachzahlungen an die Berechtigten gerichtlich geltend machen.
Die Aufsicht über die Geschäftsführung des Hauptausschusses führt der Bundesarbeitsminister. Die Kosten für diesen Hauptausschuß trägt das Arbeitsministerium; für die Festsetzungsausschüsse die für die Errichtung zuständige Stelle.
Beide Ausschüsse beraten nicht öffentlich. Die Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefaßt, bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. Das Beisitzeramt ist selbstverständlich Ehrenamt.
Es besteht nach diesem Vorschlag eine Auskunftspflicht gegenuber allen befaßten Steilen. Das schließt auch das Recht auf Betriebsbesichtigung und auf Verlangen entsprechender Unterlagen in sich.
Die Entscheidungen über Festsetzung oder Aufhebung bedürfen einer öffentlichen Bekanntmachung. Die Mindestarbeitsbedingungen sind auch ins Tarifregister einzutragen, genau wie die anderen Tarifverträge. Sie sind im Betrieb auszuhängen oder den Beschäftigten in anderer Weise zugänglich zu machen.
Ich möchte noch besonders darauf hinweisen, daß durch die paritätische Besetzung der Ausschüsse und durch die Möglichkeit, auch Vertreter der Beteiligten zu hören, diese Mindestarbeitsbedingungen nicht den Charakter der Tarifordnungen haben, wie wir sie im Nazireich gekannt haben. Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß es in verschiedenen Ländern bereits ähnliche Vorschriften gibt, die zum Teil noch weitergehen als das, was wir hier vorschlagen. Ich erinnere nur an den gesetzlichen Mindestlohn in Amerika, der zweifellos diese Vorschläge weit überschreitet. Wir werden also überall, wo es geht, selbstverständlich an den Tarifverhandlungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer festhalten, also an der selbständigen Zusammenarbeit der Beteiligten zur Schaffung von Tarifverträgen. Wir müssen
aber auch diejenigen schützen, für die es nicht möglich ist, einen Partner auf der Unternehmerseite zu finden. Eine rasche Beratung und Verabschiedung wäre notwendig. Für gewünschte Verbesserungen werden wir uns jederzeit gern einsetzen.