Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion würdigt in vollstem Umfang die Motive, die Herrn Meitmann und seine Fraktion veranlaßt haben, dem Hohen Hause den Antrag Nr. 508 vorzulegen. Aber wenn man den Inhalt dieses Antrags einmal durchliest, so muß man sich doch sagen, daß diese Fragen nicht allein mit dem guten Herzen erledigt werden können, sondern daß man ganz nüchtern die Auswirkungen und die Folgen bedenken muß, die sich daraus ergeben. Mit der Einheit Deutschlands hat der Antrag direkt nichts zu tun.
— Nein, in keiner Weise. Die Einheit Deutschlands wird nicht mehr und nicht weniger dadurch hergestellt, daß diese Zentralbehörden in Berlin oder anderswo sind. Die Sache hängt davon ab; daß die Alliierten sich verständigen. Dazu können wir leider viel zu wenig beitragen. Man muß aus dieser Atmosphäre die Dinge lösen, um sie nicht unter falschen Aspekten zu behandeln. Es ist eine eminent praktische Angelegenheit und gar keine grundsätzliche Angelegenheit, um die es sich hier handelt. Wir müssen doch zunächst einmal sehen, daß es sich hier um Behörden handelt, die, wenn sie in Berlin sind und westdeutsche Fragen regeln sollen, vom Bundesgebiet her — je nach Belieben der Russen überhaupt nicht erreichbar sind, die nicht bloß ungeheure Reisekosten erfordern, sondern eine Erschwernis mit sich bringen, die diese Behörden zur Arbeitsunfähigkeit verurteilen wird. Ganz abgesehen von der Frage: Welche Beamten würden sich denn überhaupt bereit finden, dahin zu gehen?
Dann sollen nur Berliner Beamte diese Behörden speisen? Das geht ja nun auch wieder nicht, daß hinterher nur ausgesprochen ortsfremde, mit den Verhältnissen des westlichen Teils des Bundes nicht vertraute Personen über diese Angelegenheiten entscheiden. Damit können wir uns nicht einverstanden erklären. Ebensowenig kann man allerdings nach unserer Auffassung den Berlinern zumuten, immer den Weg zum Westen zu machen, wenn ihre Angelegenheiten entschieden werden, solange nicht eine laufende Verbindung es ermöglicht, daß die Angelegenheiten Gesamtdeutschlands an einer Stelle geregelt werden.
Nach den Ausführungen, die d er Herr Bundesminister Kaiser soeben gemacht hat, ist im übrigen die Stadt Berlin aber auch schon derart mit Behörden bedacht, daß kein weiterer Grund besteht, die Verwaltung urn diese nicht notwendigen Erschwernisse noch zu verkomplizieren. Meine Fraktion kann sich deswegen nicht bereitfinden, für diesen Antrag der SPD zu stimmen. Das hat gar nichts mit irgendeiner Aversion gegen die Stadt Berlin oder den Namen Berlin zu tun. Das ist lediglich eine Überlegung, die aus der Notwendigkeit resultiert, den Bedürfnissen der Verwaltung und des Verkehrs Rechnung zu tragen, die Arbeitsfähigkeit dieser Behörde und die Schnelligkeit ihrer Arbeit zu unterstützen, wo immer es geht. Im übrigen schlagen wir vor, man möge umgekehrt Außenstellen oder, wie es der Herr Minister eben genannt hat, Vertretungen der Zentralbehörden ruhig nach Berlin legen, die dann ab und zu einmal hinreisen, aber nicht die ungeheuren Kosten des stetigen Reiseverkehrs von Berlin zum Westen und vom Westen nach Berlin notwendig machen. Ich bitte Sie, sich zum Beispiel nur einmal zu überlegen, daß der Bundesrechnungshof doch dauernd auf Reisen sein muß, wodurch sich Tausende von Kilometern und entsprechende Tagegelder ergeben. Was muten Sie beim Bundesverfassungsgericht den Parteien und ihren Vertretern zu, wenn sie laufend nach Berlin fahren müssen! Ich fürchte, sowohl das Bundesverwaltungsgericht wie auch das Bundesverfassungsgericht werden mit den westdeutschen Angelegenheiten ausreichend zu tun haben. Was für einen Zeitverlust hat das
zur Folge! Alles unproduktive Arbeiten!
Dann die Altpatente, von denen im Antrag die
B) Rede ist. Soweit sie westdeutsche Interessenten betreffen, wird in zahllosen Fällen der Verkehr mit diesen Behörden erschwert, wenn diese immer nach Berlin reisen müssen.
Zu unserem Bedauern ist es also technisch absolut unmöglich und höchst unzweckmäßig. Man darf sich nicht von reinen Sentiments oder Ressentiments in dieser höchst nüchternen, unprosaischen Angelegenheit leiten und verleiten lassen.