Meine Damen und Herren! Vom Standpunkt der Sorge und Verpflichtung für Berlin, in der sich die Bundesregierung mit der überwältigenden Mehrheit des Bundestags in Übereinstimmung weiß, bedaure ich in etwa diesen erneuten Berlinantrag, so sehr ich seinen Inhalt auch zu würdigen weiß. Die Debatte um ihn schließt nämlich die Gefahr ein, daß man sich zum Schaden der Aufgabe, die zu erfüllen ist, leicht auseinanderdenkt und auseinanderredet. Es darf ja nicht dazu kommen, daß man sich im Ausdruck der Sorge und Verantwortung um und für Berlin schließlich gegenseitig — gleich aus welchen Gründen immer — zu überspielen sucht.
Das könnte nach der einen und der andern Seite leicht nur hemmend und lähmend wirken, und das ist doch schließlich gerade das, was unter keinen Umständen geschehen kann und was auch niemand von uns wollen kann.
Gestern erst bin ich mit dem Herrn Bundesfinanzminister Dr. Schäffer aus Berlin zurückgekehrt. Wir hatten die durch den Fasching schließlich etwas beeinträchtigten Arbeitstage am Rhein genutzt, um der schwer kämpfenden Stadt Berlin und ihrer Bevölkerung erneut zu bekunden, wie sehr sich die Bundesrepublik und die Bundesregierung im Willen und in der Tat mit ihr verbunden wissen und wie sehr Bundesrepublik und Bundesregierung für die Erfüllung der einfach weltgeschichtlichen Aufgabe mit einstehen, die Berlin in dieser Zeit erwachsen ist. Unsere Begegnung mit den Persönlichkeiten, die in dieser inselhaften Einengung unmittelbare Verantwortung tragen, war gut und sehr ermutigend. Ich glaube sagen zu dürfen: sie war gut und ermutigend für beide Teile. In den stundenlangen Beratungen und Verhandlungen, die wir mit Oberbürgermeister Dr. Reuter, mit dem Stadtkämmerer Haas und mit den übrigen Mitgliedern des Magistrats sowie im Anschluß daran mit den führenden Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens der Stadt führten, spielten ganz selbstverständlich neben den anderen Fragen der nationalen Verpflichtung, die man vielleicht etwas sehr unzulänglich nur „Berlin-Hilfe" nennt, auch die Anliegen immer wieder eine Rolle, die Gegenstand des vorliegenden Antrags der Fraktion der SPD sind. Es gilt das insbesondere für die Verhandlungen, die wir unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters mit dem gesamten Magistrat der Stadt führten. Was kann dazu und was kann in Verbindung damit zu dem Antrag gesagt werden?
Der Bundestag hat am 21. Oktober 1949 auf Antrag des Berlin-Ausschusses unter anderem beschlossen, zu überprüfen, in welchem Umfang, ohne den Ablauf des Geschäftsverkehrs zu erschweren, Dienststellen der Bundesrepublik nach Berlin verlegt werden können. Wie steht es zur Stunde um die Überprüfung und um die Erfüllung dieses Auftrags des Bundestags an die Bundesregierung? Ich darf es, ohne etwas zu verschweigen und ohne etwas zu beschönigen, in letzter Konkretheit zu sagen versuchen. Die Überprüfung, in welchem Umfang Dienststellen der Bundesrepublik nach Berlin verlegt werden können, ist noch nicht abgeschlossen. Sie kann auch gar nicht abgeschlossen sein. Es ist noch keine Möglichkeit gegeben, in solcher Konkretheit, wie es in dem Antrag vor allem. unter Punkt 1 ausgeführt ist, Beschluß zu fassen. In den einzelnen Ministerien sind im Zusammenhang mit den in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwürfen über die Errichtung derartiger oberster Bundesbehörden noch Erwägungen insbesondere auch darüber im Gange, was unter Beachtung des Auftrags des Bundestags an die Bundesregierung nach Berlin verlegt werden kann. Es kann daher zur Stunde nur über den erreichten Stand der Pläne berichtet werden.
Hinsichtlich der Errichtung von Vertretungen der Bundesministerien in Berlin ist folgendes zu sagen. Erstens bestehen in Berlin bereits Vertretungen des Bundesministeriums für Wirtschaft — diese Vertretung ist im weiteren Ausbau begriffen —, des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Bundesministeriums für Finanzen. Zweitens: der Bundesbevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland in Berlin ist am 31. Januar 1950, also wenige Tage bevor dieser Antrag der SPD ein-
gereicht wurde, von der Bundesregierung ernannt worden. Er hat seine Tätigkeit wie das bekannt ist, inzwischen aufgenommen. Es war nicht Schuld der Bundesregierung, daß sich die Berufung des Bundesbevollmächtigten so lange hinausgezögert hat. Drittens: die Errichtung von Abteilungen, Vertretungen oder Verbindungsreferaten wird von folgenden Ministerien vorgenommen. Vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen; es führt, nachdem der Bundesbevollmächtigte sein Amt angetreten hat, nunmehr raschestens die Errichtung seiner eigenen Abteilung in Berlin durch. Da der Abteilungsleiter zugleich Stellvertreter des Bundesbevollmächtigten sein wird, verzögerte sich zunächst die Errichtung dieser Abteilung. Auch ist es erst jetzt möglich geworden, die Raumfrage zu lösen. Das Haus der deutschen Bundesrepublik, in dem die Berliner Vertretungen der Ministerien usw. vereinigt werden, öffnet am 1. April 1950 in der Kaiserallee gegenüber dem bekannten früheren Joachimsthaler Gymnasium seine Pforten.
Es handelt sich dabei um ein bundeseigenes Gebäude. Von dem Erwerb des zunächst in Aussicht genommenen, sehr repräsentativen Gebäudes am Fehrbelliner Platz, des bekannten Karstadt-Hauses, wurde aus Gründen der gebotenen Sparsamkeit Abstand genommen, da die Erwerbung dieses Gebäudes allein 71/2 Millionen D-Mark erfordert hätte. Weiter vom Bundesministerium für den Marshallplan, vom Bundesministerium für Verkehr, vom Bundesministerium für den Wohnungsbau, vom Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen. Dieses Ministerium glaubt sich nach Lage der Verhältnisse zwar nicht in der Lage zu sehen, förmliche Zentralämter nach Berlin zu verlegen, doch wird es nach seiner Versicherung starke Vertretungen der beiden technischen Zentralämter in Berlin einrichten. Vom Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen erfolgt die Berufung von Beauftragten, die für die Koordinierung des Aufnahmeverfahrens in Verbindung mit dem Sozialamt des Magistrats von Groß-Berlin tätig sein werden. Und ganz selbstverständlich wird vom Arbeitsministerium zunächst die Errichtung einer Verbindungsstelle vorgenommen.
Was ferner die Verlegung sonstiger Dienststellen nach Berlin angeht, so ist festzustellen: Folgende Dienststellen befinden sich in Berlin: die frühere Reichsschuldenverwaltung; dann eine Verbindungsstelle des Rechnungshofes, der Normenausschuß, die Staatsdruckerei; die frühere Reichsdruckerei in Berlin ist auf den Bund übergegangen. Das Patentamt, Dienststelle Berlin, ist gemäß Verordnung vom 9. Februar 1950 auf der Grundlage des früheren Reichspatentamtes errichtet worden. Es ist bekannt, daß der Bundesminister der Justiz inzwischen in Berlin persönlich geprüft hat, welche Aufgaben dieser Dienst- bzw. Zweigstelle übertragen werden können. Weiter die Verbindungsstelle oder Vertretung des Statistischen Amtes in Berlin. Diese Vertretung wird durch das Bundesministerium des Innern erweitert. Beabsichtigt ist insbesondere die Verlagerung der Aufarbeitung von statistischem Material des Bundes und der statistischen Landesämter zur Ausnutzung der in Berlin vorhandenen Fachkräfte. Der Umfang dieser Auftragsverlagerung wird zur Zeit von einem Ausschuß der statistischen Landesämter geprüft.
Befürwortet wird vom Bundesministerium des Innern ferner die Verlegung der Interzonen-Handelsstatistik nach Berlin. Weiter: die frühere Chemisch-Technische Reichsanstalt und das Kuratorium für Wirtschaftlichkeit sind in Berlin. Reststellen dieser beiden Institutionen befinden sich nach wie vor in Berlin. Sie verbleiben dort, ohne daß parallele Organisationen im Westen errichtet werden. Dann noch die Verhandlungsführung für die Interzonen-Handelsaufgaben, die aus gegebener Veranlassung als Treuhandstelle dem Deutschen Industrie- und Handelstag zugeordnet worden sind. Dieser Einrichtung, die im Ausbau begriffen ist, kommt für die weitere Entwicklung des Interzonen-Handels große Bedeutung und Verantwortung zu.
Meine Damen und Herren, Sie werden sagen: das ist ja alles wenig; und es ist auch erst ein Anfang. Das ist aber der augenblickliche Stand. Alles weitere wird von der Bundesregierung in letzter Gewissenhaftigkeit geprüft und so rasch wie möglich zur Entscheidung gebracht. Ich weiß, daß der bisherige Stand den Erfordernissen und den Notwendigkeiten, seien sie nun materieller oder seien sie — ich befinde mich da mit dem Herrn Kollegen Meitmann in voller Übereinstimmung — nationalpolitischer Art, wie sie nicht nur in Berlin und wie sie hier im Hause nicht nur von der Opposition, sondern von uns allen empfunden werden, nicht entspricht. Ich bitte den Bundestag aber, gewiß zu sein, daß die Bundesregierung um ihre Verpflichtungen und um ihre Verantwortung für Berlin weiß. Sie würde, nein: sie müßte es als befremdlich empfinden, wenn man diesen ihren Willen, für Berlin alles zu tun, was nur geschehen kann, anzweifeln würde. Die Bundesregierung weiß, daß sie durch die Verlegung oder, besser gesagt, durch die Rückführung bzw. durch die Neuerrichtung förmlicher Bundesbehörden in Berlin, die unter den obwaltenden Umständen nicht notwendigerweise im Bereich des engeren Bundesgebietes ihres Amtes walten müssen, nur einer Verpflichtung gerecht wird, über die es bei keinem von uns überhaupt eine Diskussion geben sollte und geben darf. Es kommen hier insbesondere Bundesbehörden aus dem Zuständigkeitsbereich des Justiz-, des Finanz- und des Arbeitsministeriums in Betracht, 'und ich darf hierzu gleich bemerken, daß ich persönlich der Auffassung bin, daß nicht nur das Bundesaufsichtsamt für Privatversicherung und andere Behörden, die hier aufgeführt sind, nach Berlin gehören, sondern auch noch andere Behörden, und ich insbesondere werde mit Nachdruck dafür eintreten. Nur gebe ich, meine Damen und Herren, noch einmal dem sehr dringenden Wunsche Ausdruck, daß wir uns in dieser ganzen Angelegenheit herüber und hinüber mit größerem Vertrauen begegnen. Wir gestehen dabei der Opposition ganz selbstverständlich durchaus das Recht immer neuer Mahnung und immer neuen Antriebs zu. Nur sollte diese ihre Tätigkeit nicht von erkennbarem Mißtrauen getragen sein. Das hilft ja nicht, sondern das könnte nur lähmen und hemmen, und das wäre in der Sorge und im Denken an Berlin das Gefährlichste und das Bedauerlichste. Wenn irgendwo, meine Damen und Herren, so ist in der Sorge und in der Verantwortung für und um Berlin die Pflicht zur Gemeinsamkeit für uns alle miteinander gegeben.