Meine Damen und Herren! Wir kehren nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung zurück:
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Neufestsetzung der Kohlenpreise .
Darf ich über die Redezeit folgendes bekanntgeben. Der Ältestenrat schlägt gemäß § 88 der Geschäftsordnung vor, die Gesamtredezeit auf 90 Minuten zu beschränken. Darf ich dazu das Einverständnis des Hauses feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch. — Es ist demgemäß beschlossen.
Für die Begründung durch die Antragsteller sind 20 Minuten vorgesehen. Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort zur Begründung? — Herr Abgeordneter Imig, bitte!
Imig , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die mit Wirkung vom 1. 1. 1950 erfolgte Regelung des Kohlenpreises ist auf die Vorgänge bei der Festsetzung des neuen Verrechnungskurses der D-Mark anläßlich der Pfundabwertung zurückzuführen. Die Bundesregierung hatte damals der Hohen Kommission einen Kurs von 22,5 Dollar-Cent vorgeschlagen. Aber dann hat die Hohe Kommission am 28. 9. in einem. Memorandum den Beschluß festgelegt, daß diese Kursfestsetzung 23,8 Dollar-Cent sein solle. Diese Festsetzung war mit ganz bestimmten Vorschriften verbunden, und zwar einmal unter Ziffer 2, daß jegliche diskriminierenden Maßnahmen zu verschwinden haben, zweitens: Aufhören jeglichen Dumpings, und zum dritten: Einstellung jeglicher Subsidien für diese beiden Maßnahmen. Wir haben anläßlich der damaligen Debatte auf diese Punkte gar nicht so sehr Gewicht gelegt, aber heute zeigt es sich, daß sie schon zu ihrer Wirkung kommen. Denn jetzt hat Holland schon bei der Ruhrbehörde Einspruch eingelegt, weil Holland es als diskriminierende Maßnahme auffaßt, daß die Exportkohle nach der Schweiz und Frankreich billiger ist als nach Holland.
Worauf sich heute unsere Eingabe stützt, das ist die Ziffer 3; denn da stand die Vorschrift, daß binnen 7 Tagen Maßnahmen zu treffen seien, daß die Kohle importierenden Länder durch die Abwertung der D-Mark nicht geschädigt werden dürften. Es waren auch Vorschläge dazu angegeben, und unter diesen Vorschlägen stand einmal die Aufrechterhaltung desselben Preises für Exportkohle vor der Abwertung, zum andernmal Angleichung der Export- und Inlandpreise, daß die Differenz nicht größer sein sollte als vor der Abwertung. Für die Durchführung sollte die Bundesregierung Maßnahmen vorschlagen. Anläßlich der Bekanntgabe dieses Memorandums hat dann der Herr Bundeskanzler im Namen der Bundesregierung Erklärungen abgegeben, die ich hier einmal wörtlich vorbringen möchte:
Wir sind der Auffassung, daß eine derartige Heraufsetzung aus Anlaß der Angleichung des Verrechnungskurses der D-Mark an den Dollar
— er betonte nicht Abwertung der D-Mark — für die deutsche Wirtschaft unmöglich und 'untragbar ist. Wir werden diesen Weg unter keinen Umständen beschreiten. Ich erkläre das ausdrücklich namens der Bundesregierung.
Mit dieser Erklärung des Herrn Bundeskanzlers waren nun wohl die Parteien des Hohen Hauses sämtlich einverstanden; denn auch Herr Dr. Bucerius, der Sprecher der CDU, sagte:
Wir haben mit Genugtuung vernommen, daß die innerdeutschen Kohlenpreise unter keinen Umständen erhöht werden dürfen, weil eine solche Erhöhung das bestehende deutsche Preis- und Lohngefüge stark erschüttern würde. Die CDU/CSU-Fraktion bittet die Bundesregierung, an diesem Standpunkt bei der Verhandlung unter allen Umständen festzuhalten.
Mein Fraktionsfreund Kollege Dr. Schumacher ersuchte dann die Bundesregierung um ein detailliertes Programm von Abwehrmaßnahmen unter der Bedingung, daß die Bewilligung der dafür erforderlichen Mittel der Zuständigkeit des Hohen Hauses unterliegen sollte. Aber, meine Damen und Herren, ich bin der guten Meinung: wenn die Bundesregierung diesem Ersuchen nachgekommen wäre, dann wäre sie ihrer sonstigen Handlungsweise untreu geworden.
Am 29. 9. hat dann nochmals eine Unterredung auf dem Petersberg stattgefunden. Auch hier wurde § 3 des Memorandums noch einmal erwähnt, und die Bundesregierung sollte dazu neue Vorschläge ausarbeiten. Die Hohe Kommission hat nun zu Anfang Dezember zu Verhandlungen geladen, die auf dem Hügel zunächst unter Hinzuziehung von zwei Vertretern der DKBL stattgefunden haben. Aber damit im Hohen Hause kein Irrtum aufkommt, möchte ich sagen, daß die DKBL keine Wirtschaftsabteilung der Ge-
werkschaften, sondern die Deutsche Kohlenbergbauleitung ist. Seitens dieser Vertreter der DKBL wurde jede Änderung des Kohlenpreises, die die Kostenlage des Bergbaues nach der Minusseite beeinflussen konnte, abgelehnt. Die Verhandlungen sind dann ohne die DKBL weitergeführt worden und ergaben das bekannte Resultat: 2 Mark 18 je Tonne Minderung des Exportpreises und Erhöhung des Inlandpreises um 30 Pfennig je Tonne. Dazu kommt noch der Krisenzuschlag der Bundesbahn für die Kohlenfrachten von 121/2 vom Hundert: Verteuerung pro Tonne 10 Pfennig. Aber das wollen wir in der Rechnung nicht weiter berücksichtigen.
Die Regelung ist natürlich nicht in 7 Tagen erfolgt. Es hat auch keine Erhöhung des Inlandpreises um 25 Prozent stattgefunden. Aber im Prinzip ist die Bundesregierung gedrängt worden, diesen Weg zu beschreiten. Die Senkung des Exportpreises um 2 Mark 18 und die Erhöhung des Inlandpreises um 30 Pfennig bewirkt, daß die jetzige Differenz zwischen Inlandpreis und Exportpreis 5 Mark 50 beträgt. Wir haben bisher nach den amtlichen Berechnungen im Bundesgebiet 104 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Davon wurden 22 Millionen Tonnen exportiert — ohne 5 Millionen Tonnen Braunkohlebriketts —, und nach diesem Stande haben wir einen Exportmindererlös von rund 48 Millionen D-Mark. Es erfolgt natürlich ein teilweiser Ausgleich, durch die Erhöhung des Inlandpreises mit 25 Millionen D-Mark, so daß wir also im Bergbau einen Mindererlös von rund 23 Millionen D-Mark zu verzeichnen haben. Das bewirkt, daß für den Inlandsverbrauch eine ungedeckte Spanne von 0,36 D-Mark je Tonne vorhanden ist. Natürlich sind dann einige große Bedarfsträger von dieser Erhöhung ausgenommen worden, wie die Bundesbahn, Eisen- und Stahlindustrie, Elektrizitätswerke, Gas- und Wasserwerke, die einen Verbrauch von rund 26,2 Millionen Tonnen haben. Das sind also rund 32 Prozent des Inlandabsatzes. Die gesamte darauf entfallende Mehrbelastung wird dem verbleibenden Inlandsrestverbrauch zugeschrieben. Man hat wahrscheinlich mit der Herausnahme der großen Bedarfsträger ein Ausweichen vor den Rückschlägen auf die Preisgestaltung bewirken wollen. Aber selbst diese Möglichkeit, die man da zu erschöpfen versucht, kann natürlich nicht bewirken, daß die übrige Industrie, die ja auch Kohlenverbraucher ist, diese Erhöhung ohne weiteres absorbieren kann. Die Wirkungen dieser Handlung sind schon damals bei der Debatte über das Memorandum der Hohen Kommission sämtlich geschildert worden, namentlich eine starke Beeinflussung unserer Handelsbilanz durch den Verlust von Devisenbeträgen, die für uns so äußerst wertvoll sind,
Aber das Ganze berührt auch noch eine zweite Seite, und das ist die Lohnfrage. Es ist nun einmal so, daß einer der lohnintensivsten Betriebe der Bergbau ist. Hier erfolgt die Ertragsberechnung nicht nach Mark, sondern nach Pfennigen. Meine Damen und Herren! Bei der jetzigen Jahresförderung bedeutet ein Pfennig pro Tonne Kohle eine Million D-Mark. Durch die Erhöhung der Belegschaft und die persönliche Leistungssteigerung des Bergmannes ist eine Verbesserung der Kostenlage des Bergbaues um 2 Mark 50 je Tonne verwertbarer Förderung erzielt worden. Dieses durch die Leistungssteigerung bedingte Kostenbild wird durch die Neubelastung von 0,36 D-Mark stark gefährdet. Bis jetzt haben die Bergarbeiter bewiesen, daß sie für die wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin Verständnis aufgebracht haben. Sie haben bei der letzten Lohnforderung diese Tatsache eben in Rechnung stellen müssen. Das ist der Beweis einer wirtschaftlichen Vernunft und die Anerkennung wirtschaftlicher Verhältnisse, und diese wirtschaftliche Vernunft und diese Anerkennung der wirtschaftlichen Verhältnisse möchte ich auch allen Verfechtern der freien Marktwirtschaft einmal anempfehlen.
Es wäre manche Unzufriedenheit beseitigt worden, wenn man dem nachgekommen wäre. Nach den Gesetzen der freien Wirtschaft gilt nun eben einmal das freie Spiel der Kräfte. Was würde aber daraus werden, wenn einmal beide Sozialpartner diesen Standpunkt vertreten würden!
Der Herr Wirtschaftsminister hat als Rezept, um dieses Minus wieder auszugleichen, erhöhte Leistungen empfohlen. Erhöhte Leistungen bedeuten aber Investitionen für die Mechanisierung. Das ist ein langfristiges Programm und kann nicht von heute auf morgen verwirklicht werden. Die physische Leistung des einzelnen Arbeiters im Bergbau ist in einem dauernden Ansteigen begriffen. Auf der anderen Seite haben wir aber zu verzeichnen, daß der Kohlengroßhandel eine Erhöhung seiner Handelsverdienstquote von 50 Prozent bekommen hat.
Das bedeutet für den Konsumenten einfach eine Gewinnverlagerung vom deutschen Kohlenverkauf auf den Kohlenhandel; aber für uns als Bergarbeiter bedeutet das eine Minderung des Erlöses des Bergbaues; das ist ein wesentlicher Unterschied. Es handelt sich hier um eine Verdienstspanne, die nahezu 20 Millionen Mark ausmacht. Meine Damen und Herren, ich darf es einmal deutlich sagen, daß es die Bergarbeiter satt haben, daß auf ihre Kosten Preispolitik getrieben wird. Die Bergarbeiter haben durch ihr Verhalten in aller Deutlichkeit gezeigt, daß sie gewillt sind, den wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Sie haben deswegen auch in bezug auf das Mitbestimmungsrecht ganz bestimmte Forderungen zu stellen. Ich habe einmal in diesem Hohen Hause eine Äußerung der Rechten gehört: „Das müßte schön aussehen, wenn die Arbeiter mitbestimmen würden". Ich verstehe eigentlich gar nicht, warum Sie so ängstlich sind. Wir haben bisher zwei Kriege gehabt, die ein gerüttelt Maß von Not und Elend, von Trümmern und Schutt geschaffen haben. Wenn ich einmal zynisch werden darf, möchte ich Ihnen ehrlich versichern, daß der dümmste Funktionär innerhalb der Gewerkschaften noch viel zu schlau dazu ist, um einen derartigen Haufen von Dreck und Schutt hinzulegen. In dieser Beziehung können Sie also eigentlich unbekümmert sein.
Sie berufen sich immer darauf, daß diese Maßnahmen ergriffen werden müßten, um zu einer blühenden Wirtschaft zu kommen. Die „blühende Wirtschaft" mit dem „ehrlichen, tüchtigen" Unternehmer haben wir schon gehabt, und zwar so, daß nahezu nichts mehr daran auszubauen war; und wir haben dabei Millionen von Erwerbslosen gehabt. Es handelt sich nicht nur um
ein Produktionsproblem, sondern es ist in der Hauptsache mit ein Verteilungsproblem. Und wenn Sie sich auf den tüchtigen und ehrlichen Unternehmer berufen, dann vergessen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß der skrupellose und hemmungslose Unternehmer immer noch dem ehrlichen und tüchtigen überlegen ist!
An den Herrn Bundesminister habe ich noch die Frage zu richten, inwieweit die Erhöhung der Quote für den Kohlengroßhandel jetzt noch einen zusätzlichen Gewinn für diesen bedeutet.