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ID0104002600

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    Deutscher Bundestag - 40. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1950 1327 40. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Februar 1950. Geschäftliche, Mitteilungen . . . 1328B, 1386D Zustimmung des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer 1328C Anfrage Nr. 27 der Zentrumsfraktion betr. die Häuser Dahlmannstraße 5 und 7 in Bonn (Drucksachen Nr. 379 und 546) 1328C I Anfrage Nr. 18 der Abg. Dr. Müller und Gen. betr. Gesetz zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren (Drucksachen Nr. 278 und 585) 1328C Anfrage Nr. 34 der Abg. Goetzendorff und Gen. betr. Anteil der Heimatvertriebenen an den Stellenplänen der Ministerien (Drucksachen Nr. 414 und 593) . . . 1328D Anfrage Nr. 45 der Fraktion der KPD betr. Söldneranwerbung von Deutschen im Bundesgebiet (Drucksachen Nr. 489 und 595) 1328D Schreiben des Bundesministers für Angelegenheiten der Vertriebenen vom 14. Februar 1950 betr. Überführung der noch in den polnisch verwalteten deutschen Gebieten sowie der in Polen, der Tschechoslowakei und den südosteuropäischen Staaten lebenden Deutschen (Drucksache: Nr. 591) 1328D Zur Tagesordnung 1328D Abg. Renner (KPD) 1329A Abg. Dr. von Brentano (CDU) . 1329D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 482) in Verbindung mit dem Antrag der Abg. Dr. Richter und Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Beendigung der Entnazifizierung (Drucksache Nr. 561) 1328D, 1329D Euler (FDP), Antragsteller 1330A, 1353C Dr. Richter (DRP), Antragsteller 1332A, 1354C Dr. Gerstenmeier (CDU) . . . . 1333C Dr. von Merkatz (DP) 1336A Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 1338B von Thadden (DRP) 1340A Dr. Etzel (BP) 1340D, 1355A Loritz (WAV) . . . . . . . . 1342D Erler (SPD) 1344D Dr. Reismann (Z) 1349C Paul (KPD) 1351B Dr. von Brentano (CDU) . . . 1352D Interpellation der Fraktion der SPD betr. Neufestsetzung der Kohlenpreise (Drucksache Nr. 404) . . 1328D, 1355B Imig (SPD), Interpellant . 1355B, 1361C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 1357A Rische (KPD) . . . . . . . 1359B C Dr. Blank (FDP) 1360B Dr. Seelos (BP) 1360D Loritz (WAV) 1361B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Bekanntmachungen (Drucksache Nr. 512) 1361D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Frau Abgeordneten Wessel und Gen. betr. Rentenversicherung für die freien Berufe (Drucksache Nr. 488 und 62) 1362A Schüttler (CSU), Berichterstatter 1362A Krause (Z) 1362D Renner (KPD) 1363B, 1366A Frau Kalinke (DP) 1363D Frau Dr. Steinbiss (CDU) . . . 1364C Dr. Hammer (FDP) 1364D Dr. Reismann (Z) 1365B Beratung des Antrags der Abgeordneten Strauß, Dr. Horlacher, Graf von Spreti und Gen. betr. Auslandwerbung für den Fremdenverkehr in Deutschland (Drucksache Nr. 490) 1366C Strauß (CSU), Antragsteller . . 1366C Eichner (BP) 1368A Jacobs (SPD) 1368C Stahl (FDP) 1369B Dr. Brönner (CDU) 1369D Mensing (CDU) . . . . . . . 1370A Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Studienkommission zur Erforschung der Möglichkeiten im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit (Drucksache Nr. 503). 1370B Dr. Bertram (Z), Antragsteller . 1370C Strauß (CSU) . . . . . . . 1371D Wönner (SPD) 1372A Harig (KPD) 1372B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Verlegung von Dienststellen des Bundes nach Berlin (Drucksache Nr. 508) 1373B Meitmann (SPD), Antragsteller 1373C, 1384C Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen . 1376B, 1386A Dr. Seelos (BP) 1378A Dr. Reismann (Z) 1379C Dr. Bucerius (CDU) 1380B Dr. Hoffmann (FDP) 1382A Neumann (SPD) 1382C Dr. Krone (CDU) 1384B Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Drucksachen Nr. 569, 497 und 175) 1386C Nächste Sitzung 1386C Die Sitzung wird um 14 Uhr 2 Minuten durch den' Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst erklären, daß ich den ausgezeichneten Ausführungen meines Freundes Gerstenmaier für meinen Teil voll und ganz beistimme.

    (Beifall in der Mitte und bei der SPD.)

    Ich habe diesen Ausführungen nichts hinzuzufügen Lind erst recht nichts davon wegzunehmen.
    Was die Behandlung der beiden Vorlagen anlangt, so möchte ich hier aussprechen, daß ich eine Zuständigkeit des Bundes nicht für gegeben erachte.

    (Zuruf rechts: Warum denn hier nicht?)

    Die einzige Anknüpfung für eine Zuständigkeit des Bundes könnte der Artikel '74 Ziffer 1 des Grundgesetzes sein, weil dort von einer konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes im Bereich des Strafrechtes die Rede ist.
    Wir stehen damit vor der Frage, ob Entnazifizierungsmaßnahmen strafrechtlichen Charakter haben. Das verneine ich im Einvernehmen mit der ganzen Bundesregierung. Entnazifizierungsbestimmungen haben ihren Zweck in der Sicherung des öffentlichen Lebens, des demokratischen Lebens, und weil die Bundesregierung das so ansieht, hat sie die Zuständigkeit für die Behandlung etwaiger Entnazifizierungsfragen durch Kabinettsbeschluß dem Innenministerium zu gewiesen und nicht dem Justizministerium. Der Herr Bundesminister der Justiz hat in zwei Gutachten auch seinerseits ausgesprochen, daß er eine a Zuständigkeit des Bundes für gesetzgeberische Maßnahmen auf diesem Gebiet nicht für gegeben erachtet.
    Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir diese Rechtsfrage, ob der Bund zuständig oder nicht zuständig sei, nun ruhig einmal dahingestellt sein lassen und die Dinge unter folgenden praktischen Gesichtspunkten ansehen. Von den elf Bundesländern haben fünf bisher schon eigene Gesetze erlassen, um die Entnazifizierung abzuschließen, und zwar Schleswig-Holstein mit Gesetz vom 10. Februar 1948 und 6. Juli 1948, Niedersachsen mit der Verordnung vom 30. März 1948, Nordrhein-Westfalen mit der Verordnung vom 24. August 1949, Hessen mit dem Gesetz vom 30. November 1949 und Rheinland-Pfalz mit dem Gesetz vom 19. Januar 1950. In weiteren vier Bundesländern, nämlich in Bayern, Württemberg-Baden, Bremen und Hamburg, liegen den gesetzgebenden Körperschaften ähnliche Abschlußgesetze vor. In den beiden restlichen Bundesländern Baden und Württemberg-Hohenzollern ist die Entnazifizierung im wesentlichen abgeschlossen, so daß sich für diese beiden Länder diesbezügliche Gesetze überhaupt erübrigen.
    Ich fasse das dahin zusammen: Von elf Bundesländern hat ein großer Teil die Gesetzgebung bereits getroffen: bei einem andern Teil ist sie im Gange, und bei dem Rest ist sie nicht mehr nötig. Wenn wir das als praktisches und durchschlagendes Argument gelten lassen, so sollten wir uns, meine ich. dahin einig werden, daß der Bundestag diese beiden Vorlagen gar nicht weiter zu behandeln hätte. Ich für meinen Teil möchte mich deshalb auch einer Stellungnahme zu dem Inhalt dieser beiden Vorlagen enthalten.
    Nun möchte ich anknüpfend an die Ausführungen von Herrn Dr. Gerstenmaier noch folgendes sagen. Herr Dr. Gerstenmaier hat unterstrichen, daß diese Dinge im Zusammenhang mit positiven Maßnahmen zum Schutze des Bundes und seiner demokratischen Institutionen zu sehen sind. Heute morgen hatte ich Gelegenheit, dem Ausschuß des Bundestages zum Schutze der Verfassung ausführlich über die Vorarbeiten im Bundesinnenministeriums vorzutragen. Ich möchte nicht verfehlen, auch dem Plenum einiges davon zu berichten.
    Zunächst- ist ein Bundesamt für Verfassungsschutz - in Ausführung des Artikels 73 Ziffer 10 und des Artikels 87 Absatz 1 — in Bildung begriffen. Der diesbezügliche Gesetzentwurf ist fertig und steht vor der letzten Abklärung mit den Alliierten. die sich ja für diese Materie einen besonderen Vorbehalt ausbedungen hatten. Daß das Bundesverfassungsgericht nach den entsprechenden Vorlagen in der Entwicklung begriffen ist, brauche ich nicht näher darzustellen.
    Neben diesen institutionellen gesetzgeberischen Maßnahmen sind eine Reihe materieller gesetzgeberischer Maßnahmen in Vorbereitung oder auch schon ziemlich vor dem Abschluß. Einmal wird darüber nachzudenken sein, ob wir ein Versammlungsordnungsgesetz erlassen sollten. Der Akzent liegt auf „Ordnung"; denn die Versammlungsfreiheit als solche ist durch Artikel 8 des Grundgesetzes uneingeschränkt garantiert, und daran soll auch nichts geändert werden. Aber es läßt sich sehr wohl darüber nachdenken, ob nicht von Gesetzes wegen gewisse Spielregeln für


    (Bundesinnenminister Dr. Heinemann)

    einen ordnungsmäßigen Ablauf politischer Versammlungen festgelegt werden sollten.

    (Abg. Dr. Richter: Da empfehle ich, beim Braunschweiger Polizeipräsidenten anzufangen! Dem muß das mal beigebracht werden!)

    - Herr Dr. Richter, ich will dem Polizeipräsidenten ja gern die Plattform geben durch ein derartiges Gesetz,

    (Heiterkeit)

    das einmal klarstellen soll, wer Hausherr in einer politischen Versammlung ist, wer im Zweifelsfalle als Ruhestörer anzusehen wäre, und dergleichen mehrt

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich weise sodann auf Artikel 9 des Grundgesetzes hin, durch den Vereine unter Verbot gestellt sind, wenn sie verfassungswidrige Ziele verfolgen, und ich weise auf Artikel 21 hin, wonach für politische Parteien dasselbe gelten kann. Diese beiden Stücke stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Bundesverfassungsgericht, das ja allein berufen sein wird, diese Verbote auszusprechen. Aber die materiellen Bestimmungen, die dazu noch erforderlich sind, dürfen auch nicht fehlen. Für die Verwirkung von Grundrechten im Sinne des Artikel 18 des Grundgesetzes wird auch der Verfassungsgerichtshof zuständig sein. Deshalb konzentriert sich ein wesentliches Stück aller Bemühungen darauf, daß wir diesen Bundesverfassungsgerichtshof alsbald etablieren und damit die eben genannten Bestimmungen des Grundgesetzes wirksam machen.
    Nun möchte ich aber auch noch darauf hinweisen, daß der Bundesjustizminister mit mir eine Novelle zum Strafgesetzbuch erarbeitet, durch die sichergestellt werden soll, daß .gewisse politische Handlungen oder Äußerungen unter Strafe gestellt werden, um auch von dieser Seite her Ordnung in unser politisches Leben zu bringen.
    Meine Damen und Herren! In der Niederschrift der mündlichen Begründung des Hedler-Urteils von Neumünster lese ich als Schlußabsatz folgendes. Der Vorsitzende sagt da:
    Schließen aber möchte ich mit dem Worte eines Angehörigen eines nahen Widerstandskämpfers des 20. Juli, der auch sein Leben lassen mußte. Der betreffende Angehörige schreibt hier folgendes: „Nach all dem, was meine Familie und ich erlebt haben, können uns wohl Gefühle der Bitterkeit gegen einen Mann wie Hedler befallen und der Wunsch, daß er hart bestraft werden möge, und doch glaube ich, daß man nicht mit diesem System des Bestrafens von politischen Gesinnungen fortfahren sollte. Überzeugen, aufklären, bessermachen, das scheint mir der einzig richtige Weg zu sein."
    Meine Damen und Herren, ich würde glücklich sein, wenn wir in Deutschland in unserem ganzen politischen Leben so reif wären, daß wir mit Überzeugen und Aufklären die Dinge zu steuern vermöchten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich habe leider die Überzeugung daß das nicht geht und daß wir deshalb gehalten sind, den Strafrichtern die nötigen gesetzlichen Bestimmungen durch Ausgestaltung des Strafgesetzbuches an die Hand zu geben, mindestens auf einige, absehbare Zeit. In der Novelle zum
    Strafgesetzbuch wird es sich darum handeln, nicht nur Bestimmungen über Hoch- und Landesverrat zu überarbeiten und den Tatbestand des Friedensverrates einzuschließen, sondern vor allen Dingen darum, die Verächtlichmachung von Staatsorganen, Staatssymbolen und verantwortlichen Amtsträgern erheblich intensiver zu bekämpfen und unter verschärfte strafrechtliche Maßnahmen zu stellen. Dasselbe gilt für Staatsverleumdung und für die politische Lüge,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    für Volksverhetzung und Störung verfassungsmäßiger Ordnung. Damit habe ich Ihnen in einigen Stichworten angedeutet, in welcher Richtung diese Überlegungen zur Ausgestaltung des Strafgesetzbuches sich bewegen.
    Im Zusammenhang damit wird natürlich sofort die Frage auftauchen, ob wir es den normalen Strafgerichten überlassen können, derartige Tatbestände zu judizieren. Darüber möchte ich eine Meinung in diesem Augenblick noch nicht aussprechen. Auch der heute morgen mit diesem Thema befaßte Ausschuß zum Schutze der Verfassung hat diese Frage wohl angeschnitten, aber noch nicht abschließend behandelt, weil uns allen die Doppelseitigkeit dieses Problems ohne weiteres einsichtig ist. Diese Doppelseitigkeit besteht darin, daß auf der einen Seite die Verurteilung strafbarer Tatbestände gewährleistet werden muß, auf der andern Seite aber den Sondergerichten eine sehr suspekte Vergangenheit anhaftet, die es uns schwer machen würde, diesen Weg wiederaufzunehmen.

    (Abg. Rische: Sehr verdächtig!)

    Als letztes möchte ich in diesem Zusammenhang noch auf das ebenfalls in Arbeit befindliche Pressegesetz hinweisen.

    (Abg. Rische: Was bleibt denn dann eigentlich von der Demokratie noch übrig?)

    — Herr Rische, von der Demokratie bleibt für jeden, der es echt meint, genügend Spielraum übrig!

    (Lachen bei der KPD und Zuruf: So, „genügend"?)

    Aus dem Pressegesetz möchte ich hier nur einige
    Gesichtspunkte hervorheben, die in den Zusammenhang des Verfassungsschutzes gehören. Es
    dreht sich unter anderem darum, verschärfte Bestimmungen über die Berichtigung falscher Nachrichten festzulegen, um - mit anderen Worten —
    die Wahrheitspflicht der Presse zu unterstreichen

    (Sehr gut! in der Mitte)

    sowie auch zu sichern, daß 'der verantwortliche Redakteur kein Strohmann sein darf, auch nicht in der Person eines politisch immunen Abgeordneten.

    (Erneute Zurufe in der Mitte: Sehr gut!)

    Das sind so einige von den Dingen, die in Bearbeitung begriffen sind und die ich in Anknüpfung an die Ausführungen von Herrn Dr. Gerstenmaier hier nennen wollte, um deutlich zu machen, daß wir gegen diese Problematik auf breiter Front angehen müssen, wenn wir wirklich zu einem positiven Ergebnis kommen wollen. Diese Arbeit ist im Gange und wird mit aller Intensität betrieben.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf von Thadden


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DRP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)

    Meine Damen und Herren! Ich bin sehr glücklich, daß ich direkt nach dem Herrn Bundesinnenminister sprechen kann, der hier einige Punkte berührt hat, die wir gerade zum Gegenstand eines Antrages gemacht haben, für den ich mich im Augenblick bemühe, die erforderlichen Unterschriften zusammenzubekommen. Dieser Antrag soll die augenblicklichen Intentionen der Regierung noch einmal unterstreichen. Dies vorweg.
    Das Ende der Entnazifizierung, Entnazisierung oder Säuberung oder Entbräunung mit Hilfe von „Persil-Scheinen" oder Geld scheint uns eine Sache, die sowohl schnell als auch gründlich herbeigeführt werden sollte. Die Entnazifizierung wurde von den Besatzungsmächten eingeführt im Widerspruch zu allem geltenden Recht. Die Besatzungsmächte waren klug genug, bereits 1947 zu merken, daß die Sache einigermaßen verfahren war — schon unter ihrer Zuständigkeit —, um die Sache dann schnellstens in deutsche Hände zu legen. Dadurch und danach ist die Bürokratisierung, ist die „Verfahrung" dieser ganzen Angelegenheit ins Ungeheuerliche gewachsen. Wir sind inzwischen auf Dinge gekommen, deren Traurigkeit noch gar nicht in vollem Umfang zu überblicken ist; ich weise nur auf die jüngsten Fälle in Süddeutschland hin

    (Abg. Hilbert: Süddeutschland ist groß! Wo denn?)

    — in Stuttgart —, deren sich in positiver Form ganz besonders der „Neue Vorwärts" mit einer sehr schönen Kritik angenommen hat.
    Früher sagte man — es wurde schon von einem Vorredner gesagt — nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz. Dieses neue Recht, das man unter der Fahne des Rechts proklamierte, bedeutet etwas ganz anderes, wenn wir es noch weiter so fortführen, wie es bisher geschehen ist. Es ist nichts anderes als die Legalisierung von irgendwelchen Racheakten, Pfründensicherung und Brotlosmachung von vielen Familienernährern und damit — ich möchte beinahe sagen — von Sippenhaft. Nachdem in Indien der Kastengeist abgeschafft ist oder abgeschafft wird, ist er hier in Deutschland leider noch in voller Blüte.

    (Lachen links.)

    Wenn wir einen Gesetzentwurf einbringen würden, wonach die Straffreiheit demjenigen zugesichert wird, der einen Entnazifizierungsgerichtshof bestochen hat, würden wir, glaube ich, zu ungeheuerlichen Ergebnissen kommen, die uns zeigen, was in dieser Beziehung alles geschehen ist.

    (Sehr richtig! rechts. — Zuruf links: Sie müssen ja Ihre Erfahrungen haben!)

    Damit wollte ich nur sagen: wenn die Presse voll von Bestechungsaktionen gegenüber den Entnazifizierungshöfen ist, so sehe ich in diesem Fall den Tatbestand der Bestechung nicht so sehr wie den Tatbestand des Selbsterhaltungstriebes und der Angst, die wirtschaftliche Existenz durch ein inkompetentes Gremium abgesprochen zu bekommen.

    (Zuruf von der KPD: Sind das mutige Nazi gewesen! — Zuruf rechts: Vielleicht gehen die dann einmal wenigstens zu nützlicher Arbeit über, die Brüder!)

    Ich habe voller Freude feststellen können, daß sich die Auffassungen der CDU, die hier von Herrn Dr. Gerstenmaier vorgetragen wurden, doch in sehr wesentlichen Punkten nicht mit dem Antrag der FDP, sondern mit dem unsrigen decken.

    (Lachen in der Mitte und links.)

    Herr Dr. Gerstenmaier schlug vor: Wir brauchen eine weitgehende und fortgeführte Amnestie. Das verlangen wir, indem wir sagen: die Einteilung des Volkes in Kategorien, also in Menschen verschiedener Rangklassen, wird aufgehoben.

    (Abg. Euler: Das haben wir schon beantragt gehabt!)

    Die mit dieser Kategorisierung verbundenen Rechtsnachteile sollen wegfallen. Das ist genau dasselbe, was Herr Dr. Gerstenmaier in anderen Worten verlangt hat. Welch' schöne Arbeitsunterlage ist also unser Antrag!
    Weiter wurde gesagt, man solle an denjenigen nicht vorbeigehen, die sich strafbar gemacht haben. Auch das ist unsere Auffassung, daß diejenigen, die nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches und nicht eines imaginären Sonderrechts faßbar sind, gegen sich selbst, wenn sie mit den gegen sie verhängten Maßnahmen nicht einverstanden sind, ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht anstrengen können. Unser Antrag, den wir, wie mein Kollege Richter schon sagte, dem zuständigen Ausschuß als Arbeitsunterlage empfehlen, wird meines Erachtens den Antrag der FDP an materiellem Inhalt übertreffen, zumal vieles in diesem Antrag der FDP enthalten ist, mit dem wir nicht übereinstimmen können. Wir müssen endlich dazu kommen, die unproduktive Papierwühlerei, die in Hunderten von Ausschüssen auch heute noch betrieben wird und für unendlich viele Leute ein Pöstchen, eine Pfründe bedeutet, abzuschließen.
    Der § 1 der Vorlage der FDP bedingt eine unnötige Aufrechterhaltung eines Apparates, der mit einem Federstrich zu Nutz und Frommen der Gesamtheit beseitigt werden sollte.
    Was den § 2, den Anspruch auf Ersatz von Schäden anlangt, so ist im Zuge der sogenannten Entnazifizierung vor allen Dingen in den ersten zwei Jahren unendlich viel geschehen, was man nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches mit Diebstahl bezeichnen würde und bezeichnet. Diese Diebstähle, die unter dieser Fahne der Entnazifizierung vorgekommen sind,

    (Zuruf rechts: Werden noch fortgesetzt!) müssen gesühnt werden können. Wenn wir das nicht tun, dann schaffen wir ein Sonderrecht.