Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst erklären, daß ich den ausgezeichneten Ausführungen meines Freundes Gerstenmaier für meinen Teil voll und ganz beistimme.
Ich habe diesen Ausführungen nichts hinzuzufügen Lind erst recht nichts davon wegzunehmen.
Was die Behandlung der beiden Vorlagen anlangt, so möchte ich hier aussprechen, daß ich eine Zuständigkeit des Bundes nicht für gegeben erachte.
Die einzige Anknüpfung für eine Zuständigkeit des Bundes könnte der Artikel '74 Ziffer 1 des Grundgesetzes sein, weil dort von einer konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes im Bereich des Strafrechtes die Rede ist.
Wir stehen damit vor der Frage, ob Entnazifizierungsmaßnahmen strafrechtlichen Charakter haben. Das verneine ich im Einvernehmen mit der ganzen Bundesregierung. Entnazifizierungsbestimmungen haben ihren Zweck in der Sicherung des öffentlichen Lebens, des demokratischen Lebens, und weil die Bundesregierung das so ansieht, hat sie die Zuständigkeit für die Behandlung etwaiger Entnazifizierungsfragen durch Kabinettsbeschluß dem Innenministerium zu gewiesen und nicht dem Justizministerium. Der Herr Bundesminister der Justiz hat in zwei Gutachten auch seinerseits ausgesprochen, daß er eine a Zuständigkeit des Bundes für gesetzgeberische Maßnahmen auf diesem Gebiet nicht für gegeben erachtet.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir diese Rechtsfrage, ob der Bund zuständig oder nicht zuständig sei, nun ruhig einmal dahingestellt sein lassen und die Dinge unter folgenden praktischen Gesichtspunkten ansehen. Von den elf Bundesländern haben fünf bisher schon eigene Gesetze erlassen, um die Entnazifizierung abzuschließen, und zwar Schleswig-Holstein mit Gesetz vom 10. Februar 1948 und 6. Juli 1948, Niedersachsen mit der Verordnung vom 30. März 1948, Nordrhein-Westfalen mit der Verordnung vom 24. August 1949, Hessen mit dem Gesetz vom 30. November 1949 und Rheinland-Pfalz mit dem Gesetz vom 19. Januar 1950. In weiteren vier Bundesländern, nämlich in Bayern, Württemberg-Baden, Bremen und Hamburg, liegen den gesetzgebenden Körperschaften ähnliche Abschlußgesetze vor. In den beiden restlichen Bundesländern Baden und Württemberg-Hohenzollern ist die Entnazifizierung im wesentlichen abgeschlossen, so daß sich für diese beiden Länder diesbezügliche Gesetze überhaupt erübrigen.
Ich fasse das dahin zusammen: Von elf Bundesländern hat ein großer Teil die Gesetzgebung bereits getroffen: bei einem andern Teil ist sie im Gange, und bei dem Rest ist sie nicht mehr nötig. Wenn wir das als praktisches und durchschlagendes Argument gelten lassen, so sollten wir uns, meine ich. dahin einig werden, daß der Bundestag diese beiden Vorlagen gar nicht weiter zu behandeln hätte. Ich für meinen Teil möchte mich deshalb auch einer Stellungnahme zu dem Inhalt dieser beiden Vorlagen enthalten.
Nun möchte ich anknüpfend an die Ausführungen von Herrn Dr. Gerstenmaier noch folgendes sagen. Herr Dr. Gerstenmaier hat unterstrichen, daß diese Dinge im Zusammenhang mit positiven Maßnahmen zum Schutze des Bundes und seiner demokratischen Institutionen zu sehen sind. Heute morgen hatte ich Gelegenheit, dem Ausschuß des Bundestages zum Schutze der Verfassung ausführlich über die Vorarbeiten im Bundesinnenministeriums vorzutragen. Ich möchte nicht verfehlen, auch dem Plenum einiges davon zu berichten.
Zunächst- ist ein Bundesamt für Verfassungsschutz - in Ausführung des Artikels 73 Ziffer 10 und des Artikels 87 Absatz 1 — in Bildung begriffen. Der diesbezügliche Gesetzentwurf ist fertig und steht vor der letzten Abklärung mit den Alliierten. die sich ja für diese Materie einen besonderen Vorbehalt ausbedungen hatten. Daß das Bundesverfassungsgericht nach den entsprechenden Vorlagen in der Entwicklung begriffen ist, brauche ich nicht näher darzustellen.
Neben diesen institutionellen gesetzgeberischen Maßnahmen sind eine Reihe materieller gesetzgeberischer Maßnahmen in Vorbereitung oder auch schon ziemlich vor dem Abschluß. Einmal wird darüber nachzudenken sein, ob wir ein Versammlungsordnungsgesetz erlassen sollten. Der Akzent liegt auf „Ordnung"; denn die Versammlungsfreiheit als solche ist durch Artikel 8 des Grundgesetzes uneingeschränkt garantiert, und daran soll auch nichts geändert werden. Aber es läßt sich sehr wohl darüber nachdenken, ob nicht von Gesetzes wegen gewisse Spielregeln für
einen ordnungsmäßigen Ablauf politischer Versammlungen festgelegt werden sollten.
- Herr Dr. Richter, ich will dem Polizeipräsidenten ja gern die Plattform geben durch ein derartiges Gesetz,
das einmal klarstellen soll, wer Hausherr in einer politischen Versammlung ist, wer im Zweifelsfalle als Ruhestörer anzusehen wäre, und dergleichen mehrt
Ich weise sodann auf Artikel 9 des Grundgesetzes hin, durch den Vereine unter Verbot gestellt sind, wenn sie verfassungswidrige Ziele verfolgen, und ich weise auf Artikel 21 hin, wonach für politische Parteien dasselbe gelten kann. Diese beiden Stücke stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Bundesverfassungsgericht, das ja allein berufen sein wird, diese Verbote auszusprechen. Aber die materiellen Bestimmungen, die dazu noch erforderlich sind, dürfen auch nicht fehlen. Für die Verwirkung von Grundrechten im Sinne des Artikel 18 des Grundgesetzes wird auch der Verfassungsgerichtshof zuständig sein. Deshalb konzentriert sich ein wesentliches Stück aller Bemühungen darauf, daß wir diesen Bundesverfassungsgerichtshof alsbald etablieren und damit die eben genannten Bestimmungen des Grundgesetzes wirksam machen.
Nun möchte ich aber auch noch darauf hinweisen, daß der Bundesjustizminister mit mir eine Novelle zum Strafgesetzbuch erarbeitet, durch die sichergestellt werden soll, daß .gewisse politische Handlungen oder Äußerungen unter Strafe gestellt werden, um auch von dieser Seite her Ordnung in unser politisches Leben zu bringen.
Meine Damen und Herren! In der Niederschrift der mündlichen Begründung des Hedler-Urteils von Neumünster lese ich als Schlußabsatz folgendes. Der Vorsitzende sagt da:
Schließen aber möchte ich mit dem Worte eines Angehörigen eines nahen Widerstandskämpfers des 20. Juli, der auch sein Leben lassen mußte. Der betreffende Angehörige schreibt hier folgendes: „Nach all dem, was meine Familie und ich erlebt haben, können uns wohl Gefühle der Bitterkeit gegen einen Mann wie Hedler befallen und der Wunsch, daß er hart bestraft werden möge, und doch glaube ich, daß man nicht mit diesem System des Bestrafens von politischen Gesinnungen fortfahren sollte. Überzeugen, aufklären, bessermachen, das scheint mir der einzig richtige Weg zu sein."
Meine Damen und Herren, ich würde glücklich sein, wenn wir in Deutschland in unserem ganzen politischen Leben so reif wären, daß wir mit Überzeugen und Aufklären die Dinge zu steuern vermöchten.
Ich habe leider die Überzeugung daß das nicht geht und daß wir deshalb gehalten sind, den Strafrichtern die nötigen gesetzlichen Bestimmungen durch Ausgestaltung des Strafgesetzbuches an die Hand zu geben, mindestens auf einige, absehbare Zeit. In der Novelle zum
Strafgesetzbuch wird es sich darum handeln, nicht nur Bestimmungen über Hoch- und Landesverrat zu überarbeiten und den Tatbestand des Friedensverrates einzuschließen, sondern vor allen Dingen darum, die Verächtlichmachung von Staatsorganen, Staatssymbolen und verantwortlichen Amtsträgern erheblich intensiver zu bekämpfen und unter verschärfte strafrechtliche Maßnahmen zu stellen. Dasselbe gilt für Staatsverleumdung und für die politische Lüge,
für Volksverhetzung und Störung verfassungsmäßiger Ordnung. Damit habe ich Ihnen in einigen Stichworten angedeutet, in welcher Richtung diese Überlegungen zur Ausgestaltung des Strafgesetzbuches sich bewegen.
Im Zusammenhang damit wird natürlich sofort die Frage auftauchen, ob wir es den normalen Strafgerichten überlassen können, derartige Tatbestände zu judizieren. Darüber möchte ich eine Meinung in diesem Augenblick noch nicht aussprechen. Auch der heute morgen mit diesem Thema befaßte Ausschuß zum Schutze der Verfassung hat diese Frage wohl angeschnitten, aber noch nicht abschließend behandelt, weil uns allen die Doppelseitigkeit dieses Problems ohne weiteres einsichtig ist. Diese Doppelseitigkeit besteht darin, daß auf der einen Seite die Verurteilung strafbarer Tatbestände gewährleistet werden muß, auf der andern Seite aber den Sondergerichten eine sehr suspekte Vergangenheit anhaftet, die es uns schwer machen würde, diesen Weg wiederaufzunehmen.
Als letztes möchte ich in diesem Zusammenhang noch auf das ebenfalls in Arbeit befindliche Pressegesetz hinweisen.
— Herr Rische, von der Demokratie bleibt für jeden, der es echt meint, genügend Spielraum übrig!
Aus dem Pressegesetz möchte ich hier nur einige
Gesichtspunkte hervorheben, die in den Zusammenhang des Verfassungsschutzes gehören. Es
dreht sich unter anderem darum, verschärfte Bestimmungen über die Berichtigung falscher Nachrichten festzulegen, um - mit anderen Worten —
die Wahrheitspflicht der Presse zu unterstreichen
sowie auch zu sichern, daß 'der verantwortliche Redakteur kein Strohmann sein darf, auch nicht in der Person eines politisch immunen Abgeordneten.
Das sind so einige von den Dingen, die in Bearbeitung begriffen sind und die ich in Anknüpfung an die Ausführungen von Herrn Dr. Gerstenmaier hier nennen wollte, um deutlich zu machen, daß wir gegen diese Problematik auf breiter Front angehen müssen, wenn wir wirklich zu einem positiven Ergebnis kommen wollen. Diese Arbeit ist im Gange und wird mit aller Intensität betrieben.