Rede von
Hans
Jahn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir nicht danach, Späße zu machen, auch wenn sie Schlafzimmerarbeit betreffen. Es kommt mir darauf an, daß der Bundestag den Ernst der Situation, wie er aus unseren theoretischen Erwägungen herausgeklungen ist, nicht nur erkennt, sondern durch eine entscheidende Tat auch dazu beiträgt, daß dieses Hauptproblem Nr. 1, das Problem der Arbeitslosen in Angriff, und zwar positiv in Angriff genommen wird. Ich stelle fest, daß trotz der von Herrn Bundesverkehrsminister hier bekanntgegebenen kleinen Kredite von einigen Mullionen an die Waggon- und Lokindustrie in diesen Industrien Entlassungen vor der Tür stehen. Ich stelle weiterhin fest, daß bei der Bundesbahn
Entlassungen mir vermieden werden konnten, weil die Eisenbahner, und zwar 86 000, in den Ausbesserungswerken das Opfer einer Kurzarbeit von 42 1/2 Stunden seit dem 1. April vergangenen Jahres auf sich genommen haben, und daß wir aus Verantwortungsgefühl dem deutschen Volk gegenüber neuerdings vereinbart haben, le 45-Stundenwoche bei 6-prozentiger Lohneinbuße für 300 000 Eisenbahnarbeiter einzuführen.
Ich stehe nicht an zu sagen, daß wir auf die Dauer nicht immer wieder an die Opferwilligkeit der Arbeiter appellieren können und daß es deshalb falsch ist, wenn wir uns damit abfinden wollten, daß dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nun das Lebenslicht ausgeblasen werden sollte.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Oberbau bei der Bundesbahn, der gewiß sehr erneuerungsbedürftig ist — darauf haben wir mehr als einmal hingewiesen — kann mit 250 Millionen DM nicht gerettet werden. In der Verlautbarung der Bundesregierung selbst heißt es ja, daß beim Oberbau ungefähr für 30 000 Einsatzleute und bei der Zubringerindustrie für 75 000 Leute Arbeit für 10 Monate geschaffen werden kann. Der Oberbau kann in betriebssicherem Ausmaß erst wiederhergestellt werden, wenn für mindestens fünf Jahre 300 Millionen DM pro Jahr zur Verfügung gestellt werden können.
— Deshalb reden wir hier von diesen Problemen!
— Ja, ja, vom Jahre 1950. Aber was geschieht nach 1950? •
— Das werden wir später sehen? Mit diesem Trost kann ich mich nicht abfinden. Wir sollten uns dazu verstehen, einen Plan aufzustellen,
nach dem diese Arbeit durchgeführt wird,
weil eine solche planmäßige Festlegung Ruhe in die Belegschaften der hierfür in Frage kommenden Industrien bringen würde. Darauf kommt es uns an, daß die Arbeiterschaft merkt, daß sie ihren Arbeitsplatz behalten kann. Wir glauben, daß es möglich sein muß, dem materiellen Inhalt unseres Antrages zuzustimmen.
Ich kann mich nur schweren Herzens dazu bereit erklären, dafür einzutreten, den Antrag dem Ausschuß zu überweisen, und zwar deshalb, weil ich fürchte, daß in der Zwischenzeit Arbeiterentlassungen vorgenommen werden. Diese Verantwortung möchte ich nicht übernehmen.
- Ja, das weiß ich, das haben wir vereinbart;
aber, Frau Kollegin Kalinke, ich spreche jetzt von
den Privatindustrien, die, wenn sie keine Unterstützung bekommen, aller Wahrscheinlichkeit nach zu Arbeiterentlassungen schreiten müssen.
Ich bitte also, daß der Antrag dem Ausschuß überwiesen und der Auschuß beauftragt wird, schnellstens in die Beratung des Antrags einzutreten, damit er positiv erledigt werden kann.