Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Abgeordneten Jahn durchaus dankbar, daß er die Frage der Beschäftigung der Waggon- und Lokomotivindustrie im Zusammenhang mit den Angelegenheiten der Bundesbahn dem Hohen Hause unterbreitet hat. Aber ich muß mich doch gegen die Form wehren, in der dieser Antrag eingebracht worden ist, und gegen verschiedene Auslassungen in dem Antrag, die der verehrte Herr Kollege Jahr durch seine Rede in einer ganz anderen Weise kommentiert hat, als es der normale Leser bei Prüfung des Antrages tun würde.
Wenn in der Einleitung zu dem Antrag steht, daß in Kürze erhebliche Arbeiterentlassungen bei der Bundesbahn bevorstünden, so kann ich das Hohe Haus darüber beruhigen; Herr Kollege Jahn hat ja von diesen Fragen auch schon gesprochen. Es werden keine Entlassungen bei der Bundesbahn erfolgen. Ich habe, wie der Herr Kollege Jahn auch weiß, bereits nach der damaligen Besprechung im Bundestag im Spätherbst die Bundesbahn angewiesen, im Monat Dezember keine Entlassungen mehr vorzunehmen, und seitdem sind Entlassungen und Kündigungen auch nicht mehr erfolgt. Sofort nach Weihnachten habe ich dann unter Berücksichtigung der Entwicklung der Lage auf dem Arbeitsmarkt die Hauptverwaltung der Bundesbahn gebeten, mit den Gewerkschaften Verhandlungen aufzunehmen, um zwischen dem Tagewerkssoll des Wirtschaftsplanes der Bundesbahn für 1950 und der Zahl der bei der Bundesbahn beschäftigten Menschen eine Übereinstimmung herzustellen. Das ist in den Verhandlungen mit den zuständigen Gewerkschaften auch gelungen, und ich bin sehr froh, feststellen zu können — und ich erkenne dabei durchaus an, daß hier von den Gewerkschaften und von der Belegschaft der Bundesbahn ein erhebliches Opfer übernommen worden ist —, daß wir am 14. Februar die Vereinbarung unterzeichnen konnten, nach der einerseits Entlassungen bei der Bundesbahn bis zum Ende des Jahres ausgeschlossen sind und andererseits ab 1. März in allen Betrieben zur 45-Stunden-Woche übergegangen wird mit Ausnahme der Ausbesserungswerkstätten, bei denen dieses Ziel erst am 1. Juni erreicht wird; bis dahin arbeiten diese Betriebe noch 42 1/2 Wochen-Stunden wie bisher. Wir haben diese Vereinbarung getroffen, weil wir sonst genötigt gewesen wären, gegenüber den Anforderungszahlen des Jahresvoranschlags eine erhebliche Anzahl von Menschen zu entlassen, und "zwar allein aus dem Werkstättendienst 4200 Menschen. Das ist abgewendet worden, und ich freue mich, diese Tatsache feststellen zu können.
Der Antrag der SPD schießt aber wohl über das Ziel hinaus, wenn er von einem „Durcheinander im Beschaffungswesen" und von einer Ersetzung dieses Durcheinanders durch eine „vernünftige Planung" spricht. An einer anderen Stelle des Antrages wird davon gesprochen, daß das „auf dem Gebiete der Beschaffung und Instandsetzung des Fahrzeugparks herrschende Durcheinander" beseitigt werden müsse. Diese beiden Sätze sollten in der Begründung des Antrages keinen Platz haben. Diese Fragen haben sich, wie ein großer Teil von Ihnen, meine Damen und Herren, weiß, nach dem Zusammenbruch doch so entwickelt, daß es gar nicht möglich war, die Ausbesserungsarbeiten ausschließlich in den Ausbesserungswerkstätten der Bundesbahn, also der damaligen Reichsbahn, durchzuführen, weil ein erheblicher Teil dieser Ausbesserungswerkstätten zerstört war.
Auf der anderen Seite war es dringend erforderlich, zunächst einmal alles anzusetzen, um die Bahn überhaupt wieder betriebsfähig zu machen. Sie wissen aber auch, daß gleichzeitig die alliierten Stellen ein absolutes Verbot für den Neubau von Lokomotiven und Waggons erlassen hatten, ein Verbot, das erst in der letzten Zeit gelockert worden ist. Um die notwendigen Ausbesserungsarbeiten überhaupt einigermaßen zeitgerecht durchzuführen und um andererseits die Waggon- und Lokomotivindustrie zu erhalten, blieb daher gar nichts anderes übrig, als die Ausbesserungsaufträge in erheblichem Ausmaß an diese Industrien zu geben.
Im Zuge der Arbeiten sind die Ausbesserungswerkstätten der Bundesbahn erneuert worden; zum Teil befinden sie sich noch in der Erneuerung. Es wird auch noch einige Zeit dauern, bis alle restlos wiederhergestellt sind. Je mehr dies geschieht, um so mehr soll auch seitens der Industrie eine Aufgabe der Reparaturarbeiten erfolgen. Denn es ist nach wie vor die Politik nicht nur der Bundesbahn, sondern auch des Bundesverkehrsministeriums, daß die Ausbesserungsarbeiten im Bereich der Bundesbahn selbst und in deren Werkstätten durchgeführt werden und daß die Industrie der Bundesbahn ausschließlich für Neubauten zur Verfügung steht. Wir wissen, welche Bedeutung diese Industrie für In- und Ausland gehabt hat. Wir wissen aber auch, wie außerordentlich schwer es für sie sein wird, technisch den Anschluß an die Entwicklung im Ausland zu finden. Deshalb, und insbesondere, weil es in den letzten Monaten noch nicht möglich war, die notwendigen Neubauaufträge seitens der Bundesbahn zu vergeben, haben wir zum Schutze der in der Lokomotiv- und Waggonindustrie arbeitenden Menschen uns genötigt gesehen, weitere Ausbesserungsaufträge in diese Werke zu vergeben. Es waren aber gerade die Vertreter der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, die mich deswegen zur Verantwortung gezogen haben, —
weil ich veranlaßt habe, daß diese Aufträge im Herbst vergeben wurden.
Man hat mir unterstellt, ich hätte meine Befugnisse überschritten.
Meine Damen und Herren! Wir haben, wie Sie wissen, bei der Bahn verschiedene Arten von Fahrzeugen, nämlich Güterwagen, Personenwa-
gen und Lokomotiven. Es ist wohl richtig, wenn ich Ihnen bei dieser Gelegenheit einmal ganz kurz einen Überblick über die damit zusammenhängenden Probleme gebe. Wir verfügen zur Zeit über rund 300 000 Güterwagen, von denen ein erheblicher Teil sehr überaltert ist, so daß wir eine außerordentlich hohe Frequenz an Reparaturarbeiten haben. Diese hohen Reparaturkosten belasten selbstverständlich das Betriebsergebnis der Bundesbahn. Deshalb muß es das Bestreben der Bundesbahn sein, diese überalterten Güterwagen abzustoßen. Dazu kommt, daß der Bestand von 300 000 Güterwagen gegenüber den heutigen Anforderungen weit übersetzt erscheint, da wir bei der sehr günstigen Umlaufszeit von etwa 4 bis 41/2 Tagen, wie wir sie in der Hochkonjunktur des Herbstes erreicht haben, mit den Güterwagen gut ausgekommen sind, in normalen Zeiten also ungefähr einen Überhang von 30 Prozent der Güterwagen haben. Dieser Überhang würde zweckmäßig dann beseitigt werden, wenn wir die Reparaturfresser aus den Güterwagen ausschalten könnten. Deshalb ist es und muß es auch das Bestreben der Bundesbahn sein, den jährlichen Anteil an verschrotteten Güterwagen wesentlich zu erhöhen. Dieser Anteil beträgt bisher durchschnittlich im Jahre nur 10 000 Stück. Wir werden sogar in diesem Jahre durch eine Sonderaktion, durch die etwa 300 bis 400 Arbeiter im Gebiet Watenstedt-Salzgitter zusätzlich Beschäftigung erhalten sollen, weitere 12 000 Wagen verschrotten können. Damit werden wir jedoch keine Verschlechterung in der Versorgung mit Güterwagen erhalten. Wir haben ja in den letzten Jahren 34 000 neue Güterwagen bekommen, die leider Gottes nicht in Deutschland gebaut worden sind, aber nicht aus Gründen, die bei uns lagen, sondern ausschließlich bei den hohen Herren, die damals die Angelegenheit der Bahn wesentlich aus ihren ausländischen Interessen heraus zu bestimmen versuchten.
Ich möchte darauf hinweisen, daß wir zu diesem Zeitpunkt noch keine neuen Güterwagen bauen durften. Man hat aber im Ausland so viel Güterwagen über die Kontrakte hinaus gebaut — so günstig waren die Aufträge —, daß man uns heute noch mit ungefähr 1500 weiteren Güterwagen von dort beglücken möchte, die wir aber, da die Kontrakte Gott sei Dank abgelaufen sind, natürlich nicht abnehmen werden.
Wir sind der Ansicht, daß bei der Bundesbahn auf dem Gebiet der Güterwagen mit Ausnahme von Spezialwagen eine durchaus genügende Ausrüstung vorhanden ist und wir hier nur in geringem Umfange neue Wagen einsetzen müssen, solange wir andere, dringliche Arbeiten vor uns haben.
Bei den Personen- und Triebfahrzeugen wurde mit Rücksicht auf die Finanzlage und auch Weden des Bauverbotes eine Erneuerung bisher nicht vorgenommen. Hier liegt allerdings ein Engpaß vor, der unbedingt anzuerkennen ist. Ich habe schon wiederholt auf diesen Engpaß hingewiesen, der auch Sie auf Ihren Reisen bedrückt, wenn Sie in einem Zug fahren mit alten Personenwagen oder in einem Zug ohne II. Klasse oder wenn der Schlafwagen ausfällt. Wenn alle diese Unannehmlichkeiten auch einmal die Herren Abgeordneten betreffen, werden sie doch nur eindringlich darauf hingewiesen, wie es dem gewöhnlichen Menschen auf der Bahn geht, der damit fahren muß.
Meine Damen und Herren! Dann wollen wir uns aber daran erinnern, daß wir zwar eine große Zahl von erstklassigen Personenwagen haben, daß wir sie aber nicht benutzen dürfen.
1073 dieser Wagen, davon 923 Reisezugwagen, 53 Speisewagen, 72 Schlafwagen und 25 Triebwagen stehen der britischen und der amerikanischen Besatzungsmacht, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes der britischen und amerikanischen Armee, zur Verfügung, während die französische Armee auf solchen Einsatz nicht mehr zurückgreift. Von diesen werden planmäßig allerdings nur rund 400 Wagen benötigt, die übrigen stehen in Reserve.
Es ist hier die Frage zu stellen, ob es im Interesse einer richtigen und rationellen Betriebsführung liegt, wenn die Bahn eine solche Reserve hat, mit deren Einsatz wir jedoch in absehbarer Zeit nicht rechnen können. Wenn es in der französischen Zone möglich ist, daß mit reservierten Abteilen die Befriedigung des notwendigen Reisebedarfs der Besatzungsmacht erfolgt, sollte das im Zeitalter der Aufhebung der Diskriminierung auch in den anderen Zonen Deutschlands möglich sein.
Dann werden wir über diese Fahrzeuge wieder verfügen, und es wäre falsch, ein Fahrzeugprogramm aufzustellen, das diesen Bestand nicht berücksichtigt.
Meine Damen und Herren! Wir sind bei der Bundesbahn natürlich der Auffassung, daß wir, wenn wir über Geld verfügen könnten, den gesamten Fahrzeugbedarf den modernen Verhältnissen anpassen sollten. Das Durchschnittsalter unserer Personenzugwagen beträgt nämlich über 40 Jahre. Das ist aber nicht eine Aufgabe, die wir von heute auf morgen erledigen können, sondern nur im Zuge eines mehrjährigen Programms. Wir müssen uns hier vor allen Dingen zu neuen technischen Grundsätzen durchringen, nämlich zu dem Grundsatz, daß wir vom Langzugverkehr zum Kurzzugverkehr und vom schweren Zug zum leichten Zug, zur Fahrplanauflockerung übergehen müssen.
Alle diese Fragen werden bei der Bundesbahn sehr ernst bearbeitet. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, sich im Bundesbahn-Beirat — wie Herr Kollege Jahn Gelegenheit gehabt hat — die Vorträge der Herren der Bundesbahn anzuhören, dann würden Sie feststellen, daß man von einem Durcheinander im Beschaffungswesen und ähnlichem nicht sprechen kann. In Verteidigung der Bundesbahn muß ich sagen: Hier wird schon sehr planmäßig und zielbewußt gearbeitet, und hier liegen auch die entsprechenden brauchbaren Pläne vor; denn wir haben in dem Programm, das für den Wirtschaftsplan 1950 vorgesehen ist, insgesamt 210 Millionen DM, also fast die Summe, die der Herr Jahn hier anfordert, schon für diese durch den Antrag gestellten Aufgaben eingesetzt, allerdings in einer etwas anderen Aufteilung.
Wir haben folgende Aufteilung vorgesehen: 40 Millionen für Neubauten und 60 Millionen für Wiederaufbau und Ausbesserung noch vorhandener brauchbarer und wiederherstellbarer Wagen, die wir ja nicht einfach auf den Schrotthaufen werfen können. Ferner haben wir einen zusätzlichen Bedarf in einer Größenordnung von 110 Millionen vorgesehen, der sich wie folgt aufteilt: auf elektrische Triebfahrzeuge 23,8 Millionen, auf Dieseltriebfahrzeuge 10,9 Millionen, auf Güterwagen 6,5 Millionen, auf Neuherrichtung von Güterwagen 6,8 Millionen und auf Umbau von 1000 Reisezugwagen 41 Millionen. Dazu kommen, gedeckt durch Kredite der Länder, 6,4 Millionen für Dampflokomotiven bei Henschel-Kassel und 14,6 Millionen für andere Triebfahrzeuge.
Nun komme ich zu dem Problem, das Herr Kollege Jahn ganz klar erkannt und eindeutig beklagt hat, nämlich zu der Tatsache, daß die Bundesbahn nicht in der Lage ist, die genügenden Mittel, die in ihrem Jahresplan vorgesehen sind, so rechtzeitig disponibel zu haben, daß sie auch die Bestellungen rechtzeitig herausgeben kann. Hier erinnere ich alle Herren und Damen, die im Wirtschaftsrat gesessen und damals die Verantwortung getragen haben, daran, daß sie es für genügend befunden haben oder befinden mußten, daß man einem Unternehmen mit einem Anlagevermögen von über 9 Milliarden Mark und mit einem Jahresumsatz von rund 3,5 Milliarden Mark anläßlich der Währungsumstellung das gesamte Umlaufsvermögen wegnahm und es mit ganzen 200 Millionen D-Mark ausstattete, die zum größten Teil zur Abnahme überhängender Aufträge verwendet werden mußten. Wenn Sie das größte deutsche Unternehmen, die Bundesbahn — und das ist natürlich auch eine Ihrer Aufgaben, meine sehr verehrten Damen und Herren — nicht mit dem notwendigen Umlaufkapital ausstatten, dann können Sie natürlich auch nicht erwarten, daß die Bundesbahn Ihren Anforderungen entspricht und die entsprechenden Aufträge an die Industrie rechtzeitig herausgibt. Das kann jetzt nur geschehen, wenn man der Bahn auf dem Kreditwege beispringt. Hier ist die Lage so: da die Bank deutscher Länder sehr stark überlastet ist, hat sich die Bundesbahn, um möglichst viel Mittel heranzuholen, auch an die Länder gewendet. Wenn die Länder, insbesondere die süddeutschen Staaten, hier sehr intensiv geholfen haben, dann meine ich, sollte man diese Hilfe nicht als ein „Durcheinander" bezeichnen, sondern im Interesse der Menschen, die dadurch Arbeit und Brot finden, als ein durchaus vernünftiges Entgegenkommen.
Ich bin der Auffassung, daß es für die Industrie in Nordrhein-Westfalen zweifellos richtig gewesen wäre, wenn sich dieses Land hier nicht von den süddeutschen Ländern hätte beschämen lassen.
Aber von dort haben wir leider über Kredite für diese Zwecke bisher noch nichts gehört, obwohl die großen Waggon- und Lokomotiv-Industrien doch in Nordrhein-Westfalen konzentriert liegen und hier sogar der Arbeitslosenstock eingreifen mußte, um dankenswerterweise für die Durchführung von Lokomotivaufträgen bei der Firma Krupp Kredite zur Verfügung zu stellen.
Herr Abgeordneter Jahn hat mit Recht darauf hingewiesen, daß unsere Bundesbahn mit sehr starken Auflagen belastet ist, die an und für sich von ihr nicht zu tragen sind. Im deutschen Volk herrscht offenbar heute noch in vielen Kreisen die Meinung, eine Eisenbahn sei grundsätzlich ein Unternehmen, das erheblichen Verdienst abwerfe. Wenn Sie aber einmal einen Blick auf die wirtschaftliche Lage der Eisenbahnen der europäischen Länder werfen, dann werden Sie feststellen, daß es in Europa heute keine Eisenbahn gibt — mag sie so oder so geführt sein —, die in der Lage ist, einen Überschuß abzuwerfen. Deswegen erscheint es umso bemerkenswerter, daß man bei der Festsetzung des Etats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes damals in jenem Hohen Hause des Wirtschaftsrates glaubte, von diesem Unternehmen ohne weiteres einen festen Jahresgewinn von 174 Millionen einkassieren zu können. Gerade jetzt ertönt immer wieder der Ruf, die Bundesbahn solle nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden. Aber es ist einer der ersten wirtschaftlichen Grundsätze, ein Unternehmen erst dann in seinen finanziellen Möglichkeiten durch Abzug von Mitteln zu beeinträchtigen, wenn ein Gewinn tatsächlich nachgewiesen ist und ohne Schaden für das Werk entnommen werden kann. Man kann doch nicht vorher Festsetzungen machen; sonst arbeitet man tatsächlich nur fiskalisch und nicht mehr wirtschaftlich.
Auf der anderen Seite ist die Belastung, die unsere Bundesbahn unter anderem durch Pensionslasten aller Art hat und auf die Herr Kollege Jahn bereits hinwies, sehr beträchtlich. Wir zahlen zur Zeit insgesamt 60,5 % der jährlich insgesamt aufgewendeten Gehaltssumme für Pensionen. Das ist eine Belastung, die nur begreiflich ist, wenn man weiß, daß 9,6 % der Gehaltssumme für Pensionen an Vertriebene und 8,3 % der Gehaltssumme für Zahlungen an Kriegshinterbliebene und Kriegsbeschädigte aufgewendet wird. Schon hieraus ist zu sehen, daß geprüft werden muß, ob es neben der Abgabe an den Staat nicht auch andere Belastungen gibt, die aufzubringen die Bundesbahn an sich nicht verpflichtet ist. Meine Damen und Herren! Vergessen Sie bitte nicht: Sie sitzen schließlich hier in diesem Hause als Vertreter der Eigentümer und Besitzer dieses größten deutschen Unternehmens. Dieses größte deutsche Unternehmen ist auf Veranlassung seines Besitzers — nicht durch Sie, aber durch die damaligen Machthaber — in Situationen gekommen, die es praktisch um den größten Teil seiner Substanz gebracht haben. Es ist jedoch immer Aufgabe des Besitzers oder Eigentümers eines Betriebes, wenn ein solcher Betrieb durch seine Schuld so geschädigt worden ist, auch dafür zu sorgen, daß dieser Betrieb die notwendigen Mittel zum Wiederaufbau bekommt.
Deshalb ist es Aufgabe dieses Hohen Hauses, diese Fragen zu prüfen, und sich dann bewußt zu sein, daß man von einem wirtschaftlichen Unternehmen doch keinen Ertrag verlangen kann, wenn man nicht bereit ist, ihm das notwendige Kapital zum Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Eine der ersten Voraussetzungen dazu — über die wir uns in absehbarer Zeit im Rahmen der einschlägigen Gesetze unterhalten werden — ist, daß man einem solchen Unternehmen nicht zumuten kann, einen etwa entstandenen Betriebsverlust vor sich her zu wälzen; man muß vielmehr diesen Betriebsverlust abdecken. Hier handelt es sich um Prinzipien, über die wir sicher noch sehr eingehend sprechen werden, und ich
erbitte Ihre Hilfe, um der Bundesbahn ein Fundament zu geben, das sie wieder zu einem wirklich ertragreichen Unternehmen macht.
Meine Damen und Herren! Wenn ich auch zweifellos nicht Eisenbahn-, sondern Verkehrsminister bin, so werden Sie mich doch nicht von der Überzeugung abbringen, daß unsere Bundesbahn, technisch richtig erneuert und mit den nötigen Geldmitteln versehen, wieder ein wirtschaftlich ertragreiches Unternehmen werden kann. Aber dazu müssen wir alle gemeinsam arbeiten, und dazu müssen wir auch die richtigen und vernünftigen und keine unvorsichtigen Wege gehen. Sehen Sie, mein verehrter Herr Kollege Jahn hat gesagt, nach der damaligen Debatte über die Entlassungen bei der Bundesbahn sei ich ins „Schlafzimmer" gegangen. Nun, ich glaube, daß ich gelegentlich auch im „Schlafzimmer" arbeite, wenn auch vielleicht manchmal anders als andere Leute.
Nach diesem karnevalistischen Ausflug möchte ich aber darauf hinweisen, daß wir im Verkehrsministerium tatsächlich nun nicht etwa geschlafen haben, sondern daß wir die Probleme schnell erkannt und gute Lösungen vorbereitet haben. Denn sehen Sie, meine Herren von der SPD, obwohl Sie doch seinerzeit dagegen waren, daß wir die Lokomotiv- und Waggonindustrie durch Überbrückungsaufträge unterstützt haben, haben wir uns nicht beirren lassen und weiterhin sehr schnell gearbeitet, um im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms der Regierung voranzukommen. Sie wissen, daß der Bundesbahn in diesem Arbeitsbeschaffungsprogramm 250 Millionen D-Mark zur Verfügung stehen. Diese Summen werden nach Oberbau, Brückenbau und anderen Betriebsbauten auf die Hauptnotstandsgebiete Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern, Nordhessen und Rheinland-Pfalz aufgefächert, während die übrigen Gebiete gleichzeitig durch Zulieferungen beaufschlagt werden. Wir werden etwa verbrauchen: 94 000 Tonnen Schienen, 55 000 Tonnen Kleineisen, 1,2 Millionen Kubikmeter Schotter, wobei Aufträge an die Steinindustrie in Niedersachsen für 3 Millionen, in Bayern für 5 Millionen, in Nordhessen für 1 Million, in Rheinland-Pfalz für 1/2 Million und im Westerwald für 2 1/2 Millionen anfallen. Wir werden dabei rund 2 Millionen getränkter Holzschwellen verbrauchen. Die entsprechenden Aufträge sind in ähnlicher Weise aufgeteilt, so daß unsere großen Waldgebiete im Bayrischen Wald, in Niedersachsen, in Nordhessen, im Westerwald und Schwarzwald ihre entsprechende Beaufschlagung bekommen. Wir werden Brücken im Wert von 58 Millionen bauen; davon entfallen unter anderem 16 Millionen auf Niedersachsen, 19 Millionen auf Bayern und 8,2 Millionen auf Rheinland-Pfalz. Wir werden Betriebsbauten aufführen, auch diese Bauten sind auf die genannten Gebiete aufgeteilt, so daß wir die 250 Millionen nunmehr sofort herausgeben können. Die Aufträge für Schotter und Schwellen laufen bereits, und wir haben die kurzarbeitenden Menschen nun wieder sehr schnell an der Arbeit und werden neue Menschen in die Arbeit hineinbekommen, und zwar in den Gebieten, wo uns die Arbeitslosigkeit am meisten bedrückt und wegen der Heimatvertriebenen besondere Sorge macht.
— Ich glaube, verehrter Herr Jahn, wenn in allen „Schlafzimmern" so schnell gearbeitet würde wie in meinem Amt, können wir in Deutschland ganz zufrieden sein.
- Ich habe nicht vom Bett gesprochen, Herr
Wehner! Sie sollten sich überhaupt nicht rühren, wenn ich spreche, denn Ihre Lügnerei kenne ich ja nun leider genügend.
- Beruhigen Sie sich, lieber Herr Arnholz, wir
sprechen einmal in Braunschweig über diesen Fall.