Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat am 19. Oktober 1949 den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Aumer von der Bayernpartei gestellt. Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität habe ich Ihnen Bericht zu erstatten. Ich möchte den Bericht in drei Teile gliedern, erstens feststellen, worauf sich das behauptete strafwürdige Verhalten des Abgeordneten Aumer gründen soll. Der Abgeordnete Aumer erhielt im Mai 1945 durch die damals zuständige Stelle der amerikanischen Militärregierung in München die Wohnung einer Frau zugewiesen, die sich beim Einmarsch der Amerikaner entleibt, die mit dem. Hitlerbild im Arm Seibstmord begangen hatte.
Der Gatte dieser Frau, ein General a. D. aus der Zeit des ersten Weltkrieges, erstattete am 5. Juli 1945 Anzeige gegen den heutigen Abgeordneten Aumer mit der Begründung, der Abgeordnete Aumer habe Gegenstände, die Eigentum des Generals a. D. gewesen seien, widerrechtlich aus der Wohnung entfernt. Die Akten zeigen, daß Abgeordneter Aumer diese Wohnung nicht benutzt hat, da sie sich ausweislich der Akten in einem unmöglichen Zustand befand. Richtig ist, daß Gegenstände, die dann später wieder zurückerstattet worden sind, aus der Wohnung zur Benutzung in einer anderen Wohnung, die dem Abgeordneten Aumer zugewiesen war, entfernt worden sind. Am 30. Juli 1945 erfolgte durch die Staatsanwaltschaft München die Einleitung eines Verfahrens auf Grund der Anzeige des General a. D. gegen den Abgeordneten Aumer. Am 18. Oktober 1945 ließ der Oberstaatsanwalt die Klage wieder fallen. Ich zitiere aus den Akten die Begründung:
Die neuerlichen Erhebungen haben ergeben, daß eine Schuld nicht vorliegt.
Das ist der erste Akt.
Der zweite Akt: Am 11. September 1946, also rund ein Jahr später, wurde das Verfahren auf Veranlassung des Generalstaatsanwalts in München erneut aufgenommen. Am 30. Dezember 1947 wurde das Verfahren auf Grund des Straffreiheitsgesetzes eingestellt.
Der dritte Akt: Der Abgeordnete Aumer wehrte sich wiederholt gegen die gegen ihn ausgesprochene Beschuldigung, und er setzte diese Abwehr auch im . Verlaufe eines Zivilprozesses fort. Er erklärte in diesem Zivilprozeß unter Parteieid, er habe sich keines Diebstahls schuldig gemacht. Am 16. Juni 1949 wurde daraufhin von der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Meineids eingeleitet. Am 12. Oktober 1949 erfolgte das Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums auf Beschlußfassung betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Aumer. Das war der dritte Akt.
Wenn wir uns nun die Hintergründe kurz betrachten, so ist festzustellen, daß hier verschiedene Dinge durcheinandergehen. Einmal ergeben die Akten, daß der heutige Abgeordnete Aumer damals eine Holzstatue, die im Jahre 1917 einer Abtei in Frankreich entnommen worden war und die sich in der betreffenden Wohnung befand, ordnungsmäßig zur Rückgabe an den französischen Besitzer sichergestellt hat und daß der Abgeordnete Aumer in dieser Wohnung größere Mengen von Waffen und Munition vorfand, die der SS gehört hatten und die in dieser Wohnung deponiert waren.
Herr Abgeordneter Aumer, der einmal Insasse eines Konzentrationslagers in der Hitlerzeit und anerkannterweise Hitlergegner ist, war auch der erste Staatskommissar für politisch Verfolgte in Bayern.
Der Ausschuß hat bei Prüfung des Sachverhalts den Eindruck gewonnen, daß der Grundsatz, der für die Behandlung von Immunitätsfragen unter anderen von dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität aufgestellt worden ist, wonach Verfahren, die von einem politischen Interesse infiziert sind, nicht zu einer Aufhebung der Immunität führen dürfen, in diesem Falle Anwendung finden müsse. Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, den Antrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 19. Oktober auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Aumer abzulehnen.