Rede von
Hans
Böhm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht wohl ganz außer Zweifel, daß dieses Gesetz, das heute zur Verabschiedung steht, nicht nur bei den Bediensteten in den öffentlichen Betrieben, nicht nur beim gesamten deutschen Volk ein außerordentlich großes Interesse ausgelöst hat, sondern ich glaube, wir sind uns darin einig, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes auch über die Landesgrenzen hinaus sichtbar wird, ob die neue deutsche Bundesrepublik etwas aus der Vergangenheit gelernt hat und ob sie gewillt und bereit ist, bei der Neuordnung der gesamten Gesetzgebung eine Reihe von Grundsätzen zu verwirklichen, die einmal mit der politischen Entwicklung, auf der andern Seite aber auch mit der sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Ordnung in Deutschland eingehend verbunden sind.
Als im Jahre 1946 durch Anregungen der Militärbehörden hier in den westlichen Besatzungszonen die Frage des Berufsbeamtentums auf die Tagesordnung gestellt wurde, hat sich meine Partei rückhaltlos zum Berufsbeamtentum bekannt. Meine Partei hat es abgelehnt, die Frage des Berufsbeamtentums auf administrativem Wege zur Entscheidung zu bringen. Sie hat sich darüber hinaus allerdings auf den Standpunkt gestellt, daß man bei der Beratung über das Berufsbeamtentum den Berufsbeamten nicht in den höheren und höchsten Dienststellen suchen kann, sondern daß das Berufsbeamtentum in allen Zweigen der öffentlichen Wirtschaft und der Verwaltung gesucht und geschaffen werden muß.
Meine Partei hat eine Reihe von Anträgen zu dem Gesetzentwurf, der hier zur Beratung steht, eingereicht, und ich darf hier sagen, daß diese Anträge, die meine Partei sowohl im Beamtenrechtsausschuß wie auch im Plenum zu vertreten hatte und zu vertreten hat, zum großen und überwiegenden Teil auch Anträge der gewerkschaftlichen Organisationen sind. Wenn ich hier besonders die Anträge der gewerkschaftlichen Organisationen herausstelle, dann will ich damit gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß hier die Regierung und die Regierungsparteien bei der Verabschiedung dieses Gesetzes und bei der Behandlung der Anträge die Möglichkeit gehabt hätten, dem Verlangen und dem Willen der Gewerkschaften auch einmal Rechnung zu tragen, auch dann, wenn es nicht gerade in die außenpolitische Debatte hineinpaßt.
Man hat hier den Willen der Gewerkschaften in einer Reihe von Vorgängen im Bundestag selbst mit herausgestellt; aber da, wo es darauf ankommt, einmal diesem Faktor der Gewerkschaften mit seinen Anträgen und mit seinem Willen in irgendeiner Art und Weise entgegenzukommen, ist in der Regierungsvorlage und in diesem Gesetz nichts zu spüren.
Meine Fraktion hat sich bei ihrer Stellung zum Berufsbeamtentum von einer Reihe von Grundsätzen leiten lassen, die ich nunmehr in den von uns gestellten Anträgen kurz zu begründen versuchen werde.
Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Bejahung des Berufsbeamtentums durch meine Partei liegt darin, daß das gesamte Berufsbeamtentum aus der Atmosphäre der „grauen Eminenz" herausgelöst wird, daß das Berufsbeamtentum volksnahe gemacht wird und daß besonders bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der Beamten eine Reihe von diskriminierenden Bestimmungen, Rechtsungleichheiten usw. beseitigt werden. Meine Partei ging weiter von dem Standpunkt aus, daß die Entwicklung auf staatspolitischem Gebiet eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen hat, die auch im Gesetz mitverankert werden müssen. Die Regierungsparteien haben es nicht nur hier bei der Begründung zu dem Gesetz betont, sondern auch bei den Begründungen, die im Beamtenrechtsausschuß gegeben worden sind, wurde immer wieder darauf hingewiesen, daß einmal die Forderungen der sozialdemokratischen Fraktion und darüber hinaus auch die Forderungen der gewerkschaftlichen Organisationen bis zur endgültigen Lösung der Gesetzestrage überhaupt zurückgestellt werden sollten. War stehen auf dem Standpunkt, daß auch im Übergangsgesetz eine Reihe von Grundsätzen enthalten sein und hineingearbeitet werden müssen, die präjudizierend für die kommende Gesetzgebung wirken. Es wäre hier die Möglichkeit gegeben, auch van der Regierungsseite her schon im Anfang die Tat zu setzen und im Übergangsgesetz zum mindesten aufzuzeigen, wie für
die Zukunft die Regelung der Rechtsverhältnisse
in den öffentlichen Diensten gestaltet werden soll.
Soweit die Gleichberechtigung' der Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst in Frage kommt, hat meine Kollegin Albrecht bereits das Notwendige gesagt. Ich kann mich zunächst einmal auf eine Reihe von anderen Grundsätzen konzentrieren.
Da gestatten Sie mir eine Frage besonders herauszustellen. Bei der Bejahung des Berufsbeamtentums sind wir von dem Standpunkt ausgegangen, dem Berufsbeamtentum draußen in der Öffentlichkeit wieder das Vertrauen und die Rolle zu geben, die das Berufsbeamtentum im Staate selbst spielen muß; das heißt, der Berufsbeamte
— wenn wir den Begriff nehmen wollen - und der Beamte überhaupt wird sich nicht mehr
— das ist auch in der ersten Lesung gesagt worden — in einer sogenannten „Kaste" abkapseln können, sondern der Berufsbeamte wird sich bemühen müssen, nach außen hin in lebendiger Verbindung zu seiner Arbeit und zu seinem Arbeitskreis seine Pflichten zu erfüllen. Wir waren der Meinung und sind es auch jetzt noch, daß auch die Leistung des Berufsbeamten bei der Eingruppierung, bei der Beförderung im Vordergrund stehen muß. Wir sind der Meinung, daß der berühmte Trottelparagraph, der ja in allen Diskussionen eine sehr große Rolle spielt, in die neue Gesetzgebung mithineingearbeitet werden muß, daß alle Eingruppierungen, Beförderungen usw. von der Leistung des einzelnen Beamten abhängig gemacht werden müssen und daß die Möglichkeit gegeben sein muß, da, wo auf Grund dieser Bestimmungen die Leistung nicht gegeben ist, durch andere Maßnahmen einzuwirken. Ich verweise hier auf Ziffer 5 der Drucksache Nr. 526 betreffend Neuordnung des § 21 des alten Gesetzes von 1937.
Ich komme zu Ziffer 9 der Drucksache Nr. 526. Dort haben wir beantragt, die Bestimmung des § 28 Absatz 2 in das Gesetz mitaufnehmen zu wollen, daß derjenige, der eine Mindestdienstzeit von 10 Jahren zurückgelegt hat und sich im Probe- und Vorbereitungsdienst befindet, zum mindesten dann in das Beamtenverhältnis übernommen werden soll.
Wir haben weiter in unserem. Antrag einen § 28 a folgenden Wortlauts eingefügt:
Wer als Angestellter mindestens 10 Jahre im öffentlichen Dienst tätig war, muß auf seinen Antrag in das seiner in den letzten drei Jahren ausgeübten Tätigkeit entsprechende Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übergeführt werden.
Mit dieser Bestimmung wollen wir einen Teil der Rechtsungleichheit beseitigen; wir wollen damit aber auch gleichzeitig den Angestellten, die 10 Jahre und länger in der öffentlichen Verwaltung beschäftgt sind, eher als bisher und besser als bisher die Möglichkeit geben, in das Beamtenverhältnis hineinzuwachsen, vorausgesetzt
— das ist im Antrag niedergelegt — daß sie eine derartige Tätigkeit seit mindestens 3 Jahren verrichtet haben.
Unter Ziffer 11 stellen wir den Antrag, § 3 Ziffer 7 in der Weise zu ändern, daß mit § 42 die Einsicht in die Personalakte gewährt wird. Wir haben verlangt, daß der Beamte Einsicht in seine vollständigen Personalakten bekommt und daß der Beamte dieses Recht auch seiner Personalvertretung übertragen kann. Wir sehen darin eine wesentliche Bestimmung auf dem Gebiete des Mitbestimmungsrechts und der Betriebsvertretung, wozu ich gleich noch einiges zu sagen habe. Ich verweise auch hier auf die Drucksache Nr. 526 und bitte, genügend Notiz davon zu nehmen.
Ich möchte nun noch die von uns beantragte Einfügung eines § 42 a begründen. In diesem Paragraphen ist von der Vereinigungsfreiheit die Rede. Aber nicht nur die volle gewerkschaftliche Betätigung, sondern auch das Recht der Mitwirkung der Betriebsvertretung ist in dieser Bestimmung angesprochen. Neben der Mitwirkung der Betriebsvertretung ist in Absatz 3 dieses § 42 a der Antrag auf Bildung eines Personalamtes gestellt. Die Bildung des Personalamtes und das Personalamt überhaupt hat schon in der ersten Debatte zu diesem Gesetz eine außerordentlich große Rolle gespielt. Meine Damen und Herren, ich verrate Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, daß auch wir dem Personalamt nicht kritiklos gegenüberstehen. Auch das Personalamt, so wie es jetzt in seinem inneren Aufbau war, hat bestimmt eine ganze Reihe von Reformen nötig. Wir halten aber die Schaffung eines Personalamtes für dringend erforderlich, weil wir der Auffassung sind, daß bei der Durchführung des § 21, das heißt bei der Anwendung des Trottelparagraphen, der Einsicht in die Personalakten, der Zurückgruppierung, der Ablehnung von Beförderungen usw. die Personalvertretung mitreden muß, und daß man es hier nicht allein der Entscheidung der obersten Dienstbehörde überlassen darf, ob diese oder jene Regelung, diese oder jene Maßnahme notwendig ist.
Wir halten aber noch aus einem anderen Grunde die Schaffung des Personalamtes für notwendig. Meine Damen und Herren, seien Sie sich darüber klar - und diesen Appell möchte ich auch an die Regierung, und zwar nicht nur an die Regierung in ihrer Gesamtheit, sondern auch an die einzelnen Minister und ihre Ressorts richten —, daß die Frage des Mitbestimmungsrechtes, die Frage der demokratischen Ordnung im Betrieb für die öffentlichen Betriebe und Verwaltungen genau so wie für jeden Privatbetrieb auf der Tagesordnung steht.
Ich habe hier ein Urteil liegen, das dem Herrn Wirtschaftsminister in der Zwischenzeit bekanntgeworden sein wird. Noch besteht das Gesetz 22 der Militärregierung zur Schaffung der Betriebsvertretungen, aus dem sich, die Notwendigkeit ergibt, Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Das Verwaltungsamt für Wirtschaft mußte sich deswegen verklagen lassen, und das Obergericht des Vereinigten Wirtschaftsgebietes hat die Verwaltung für Wirtschaft, das jetzige Wirtschaftsministerium, am Donnerstag vergangener Woche verurteilt, bereits ausgesprochene Entlassungen für rechtsungültig erklärt und dem Wirtschaftsministerium bzw. der Wirtschaftsverwaltung bescheinigt, daß die Nichtanwendung dieser demokratischen Mitbestimmungsrechte Gewaltmißbrauch darstellt,
und daß auch ein Staat nicht dadurch aus der Klemme herauskommen darf und kann, daß er diese Bestimmung einfach außer acht läßt. Der Herr Präsident wird mir gestatten, einen Absatz aus der Urteilsbegründung vorzulesen. Dort heißt es:
In diesem Licht betrachtet, ist das Prozeßvorbringen der Revisionsklägerin objektiv
geeignet, den sehr schmerzlichen Eindruck zu erwecken, daß hier eine neue und gefährliche These von der Macht des Staates aufgestellt wird,
der zufolge der Staat, um sich in Verlegenheiten Luft machen zu können, befugt sein soll, sich einseitig von cien Verpflichtungen eines gültigen Vertrages zu lösen. Einem solchen Versuche, mit einer unhaltbaren Begriffskonstruktion wie mit einem archimedischen Hebel Recht und Gerechtigkeit aus den Angeln zu heben und damit die Existenzgrundlage des Volkes anzutasten, muß die Justiz im Namen . des Rechtes mit allem Nachdruck entgegentreten.
Das oberste Verwaltungsgericht stellt also die Mitwirkung der Personalvertretungen auch in den öffentlichen Betrieben ais eine durch die Verhältnisse gegebene Notwendigkeit und jeden Versuch, sie zu verhindern, als einen Gewaltmissbrauch dar.
Ich glaube, damit bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit die von uns gestellten Antrage im großen und ganzen ausreichend begründet zu haben. Ich möchte aber noen einmal darauf hinweisen, daß unseren Antragen die Absicht zugrunde liegt, aas Berufsbeamtentum wieder in sauberer und anständiger Form in die Verwaltung zu stellen, auch die notwendige Demokratisierung der öffentlichen Verwaltung durchzuführen und die Mitbestimmung und Mitverantwortung von Gewerkschaften und Betriebsvertretungen in den öffentlichen Betrieben sicherzustellen. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir um diese Regelungen nicht herumkommen werden. Es wäre nur die Regierungsparteien richtig und notwendig gewesen, schon im Übergangsgesetz den Versuch zur Regelung dieser Verhältnisse zu machen. Wir bitten sie also, diesen Anträgen, aie nur Notwendigkeiten und keinem agitalorischen Bedürfinis entsprechen, zuzustimmen und ein Gesetz zu schaffen, das sich nicht nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus rechtfertigen und sehen lassen kann.