Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte anknüpfen an die Debatte, die hier vorhin stattgefunden hat, als Sie unseren Antrag, den Rechts- und Verfassungsausschuß noch einmal mit der Vorlage zu befassen, abgelehnt haben. Ich habe darauf hingewiesen, daß der Bundesregierung mit dem § 2 Buchstabe a eine Gesetzesermächtigung erteilt werden soll, die weit über den früheren Artikel 48 der Weimarer Verfassung hinausgeht. Der Herr Kollege Wuermeling hat geglaubt, diesen Hinweis widerlegen zu können, indem er meinte, es handle sich nur um eine Ermächtigung, redaktionelle Änderungen vorzunehmen. Wenn dem so wäre, dann verstehe ich nicht, warum der Ausschuß für Beamtenrecht, und zwar mit den Stimmen der Regierungsparteien, allein 18 Änderungen des Gesetzestextes von 1937 vorgenommen hat. Denn Sie wollen doch sicher nicht behaupten, daß diese Änderungen nur redaktioneller Art gewesen sind. Sie werden auch zugehen. daß es sich um sehr wesentliche materielle Änderungen des Gesetzes von 1937 handelt.
Wenn Sie aber dem ursprünglichen Vorschlag der Regierung gefolgt wären, hätten Sie diese Anträge nicht annehmen dürfen.
Meine Damen und Herren! Ich habe gesagt, nicht einmal die Weimarer Verfassung kannte im Artikel 48 eine derartige Ermächtigungsmöglichkeit. Der Artikel 48 der Weimarer Verfassung verlangte als Voraussetzung dafür. daß die damalige Reichsregierung an Stolle des Reichstages Verordnungsgesetze erließ. daß die öffentliche Ordnung und Ruhe im Deutschen Reich so erheblich gestört war, daß die Reichsregierung, ohne den Reichstag hinzuziehen zu können, zu Sofortmaßnahmen greifen mußte. Sie standen dabei immer unter Kontrolle des Verfassungsgerichtshofs. Hier sehen Sie von diesen beiden Voraussetzungen ab: Sie verlangen weder das Vorliegen eines besonderen Notstands. noch geben Sie, da wir einen Verfassungsgerichtshof zur Zeit noch nicht haben. die Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Nachprüfung.
Wir sind daher der Auffassung. daß mit einer solchen Bestimmung ein völlig unmöglicher Weg beschritten wird. Ich erinnere an die Debatte bei der ersten Lesung im Plenum. als der Herr Bundesminister des Innern auf meine damaligen Hinweise, welche zum Teil unmöglichen Bestimmungen man mit der Vorlage des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 aufrechterhalten hatte. erwiderte. es habe sich damals nur um Flüchtigkeitsfehler gehandelt. Natürlich kann so etwas im Drange der Geschäfte passieren. Aber wenn wir jetzt feststellen müssen, daß auch nach der dritten Durchkämmung des Gesetzes von 1937 immer noch verfassungswidrige Bestimmungen in der Verlage enthalten sind. dann dürfte die Gefährlichkeit einer solchen Ermächtigung klar auf der Hand liegen. Ich verweise in diesem Zusam-
menhang auf die §§ 10 und 28, auf die Vorschriften über die Gleichberechtigung der Frau; ich verweise ferner darauf, daß erst der Ausschuß die Bestimmung beseitigt hat, wonach der Reichsarbeitsdienst auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen sei, und schließlich noch auf die Bestimmung, daß der Bundespräsident die Staatsanwälte jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen kann.
Diese Gefährlichkeit wird noch dadurch erhöht, daß nicht die gesamte Bundesregierung diese Ermächtigung bekommt, sondern daß nach § 6 des Entwurfs diese Ermächtigung dem Herrn Bundesinnen- und dem Herrn Bundesfinanzminister gegeben wird. Hier werden also zwei Ressortministern die Befugnisse des Parlaments zur Gesetzgebung übertragen. Wir sind der festen Überzeugung, daß der Verfassungsgerichtshof eine solche Ermächtigung als gegen das Grundgesetz verstoßend aufheben wird.
Wir sehen daher mit wirklich ernster Sorge, welchen Weg die Regierungsparteien gehen wollen, einen Weg, den jedes verantwortungsbewußte Parlament eigentlich ablehnen sollte. Sie fangen heute, meine Damen und Herren, mit dieser Ermächtigung an, ähnlich, wenn auch nur auf einem Teilgebiet, wie damals im März 1933. Aber der Weg kann - und die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Bundesregierung und Bundesparlament seit dem Herbst vorigen Jahres beweist und bestätigt das leider dort enden, wohin eine solche Ermächtigung schon einmal unseren Staat gebracht hat.
Wir sind noch aus einem zweiten Grunde gegen diese Bestimmung. Sie bringen mit dieser Bestimmung das Beamtenrecht, und damit einen erheblichen Teil unseres Verfassungsrechtes in eine sehr undurchsichtige Position. Ich sagte schon, wir bezweifeln kaum, daß schon bei den jetzt besteh en gebliebenen verfassungwidrigen Bestimmunen der kommen de Bundesverfassungsgerichtshof diese Ermächtigung und dieses Gesetz für ungültig erklären werde. Die Folge wäre, daß die bis dahin erfolgten Ernennungen zu Beamten ungültig werden würden. Ich glaube, wir sollten auch um der Beamten willen eine solche Situation von vornherein vermeiden.
Aus dem gleichen Grunde sind wir dagegen, daß der Herr Bundesinnenminister allein das Recht bekommt, die in der Hitlerzeit erlassenen Durchführungsverordnungen zum Gesetz von 1937 neu 7U redigieren und zu veröffentlichen. Auch das überschreitet die Ermächtigungsmöglichkeiten des Artikels 80 des Grundgesetzes um ein Erhebliches. Es handelt sich hier um nicht weniger als 92 sehr wichtige Durchführungsbestimmungen und Erlasse. Wir sind der Meinung, daß, wenn auch nicht das Plenum, so zum mindesten der zuständige Ausschuß. dieses Parlaments das Recht erhalten muß, festzustellen, was von diesen Verordnungen durch die Ereignisse überholt ist und was nicht.
Sie finden in der Vorlage der Regierung, und zwar merkwürdigerweise nicht im Gesetzestext, sondern etwas verschämt nur in der Begründung den Hinweis, daß gleichzeitig das alte Beamtendienststrafrecht wieder in Kraft treten solle. Unser Abänderungsantrag zu Ziffer 6 geht dahin:
Das Nähere über die Bestrafung von Dienstvergehen wird auf Grund der früheren Beamtendienststrafordnung geregelt, deren Fassung durch Gesetz unverzüglich festzustellen ist.
Wenn Sie diesem Antrag nicht stattgeben, dann würden Sie die alte Fassung des § 22 Absatz 2 aufrechterhalten, der da sagt:
Das Nähere über die Bestrafung von Dienstvergehen regelt die Reichsdienststrafordnung, das heißt die Reichsdienststrafordnung vom Jahre 1937 oder 1938. Sie selbst, meine Damen und Herren, geben aber doch zu, daß sich durch die staatsrechtliche Umwälzung nicht nur einige Formalien, sondern der materielle Inhalt dieses Gesetzes verändert habe; und nicht einmal das wollen Sie hier honorieren und berücksichtigen.
Hinzu kommt, daß die Reichsdienststrafordnung von damals sehr rückständig war; sie hat viele Rechte, die die Beamten vor 1933 besaßen, beseitigt. Ich erinnere u. a. daran, daß das Jahr 1937 das Geheimverfahren in Dienststrafsachen brachte, daß die Verteidigung außerordentlich eingeschränkt wurde, eine Verteidigung wirksam erst in der Hauptverhandlung möglich war, nachdem sämtliche Urkunden- und Zeugenbeweise bereits erhoben waren, und daß die Beweisantritts- und die Berufungsmöglichkeiten zu Ungunsten des Beamten eingeschränkt wurden. Entweder, meine Damen und Herren, erhalten Sie, wenn Sie bei dieser alten Vorlage bleiben, diese Benachteiligung der Beamten aufrecht - und ich weiß nicht, wie Sie das mit Ihrem Eintreten für das Beamtentum rechtfertigen wollen —, oder aber Sie müssen diese Ungerechtigkeit aufheben. Dann können Sie das nur durch ein Gesetz, das durch den Bundestag verabschiedet werden muß.
Meine Damen und Herren, wir haben zu dem Paragraphen über die Eidesleistung einen Abänderungsantrag eingereicht.
§ 4 behandelt die Frage der Vereidigung. Der Eid und seine Heiligkeit haben in Verbindung mit dem, was wir in 'den letzten Jahrzehnten erleben mußten, außerordentlich an Bedeutung verloren, und der Mißbrauch, der in dieser Zeit mit dem Eid getrieben worden ist, verwischt völlig den feierlichen Eindruck, der mit der Eidesleistung beim Dienstantritt eines Beamten beabsichtigt ist. Der Beamte hat vor 1918 und nach 1918, vor 1933 und nach 1933 jedesmal einen Treueid geleistet. Aber viele Beamte haben immer wieder gerade dann, wenn sie für den Staat am notwendigsten waren, vergessen, daß sie diesem Staat einen Eid geleistet hatten. Nur ein einziges Mal wurden sie von ihrem Eid entbunden. das war 1918, und gerade in diesem besonderen Falle haben manche von ihnen den Eid trotzdem gehalten, weil sie gute Monarchisten blieben und damit zugleich Feinde der Weimarer Republik wurden, obwohl sie auch dieser Republik den Eid geleistet hatten. Und ich frage Sie meine Damen und Herren: wo blieb denn die Heiligkeit des Eides nach 1933, als man den Weimarer Staat verriet?
Mich schreckt vor allem die jüngste Vergangenheit. Einer der ersten Leitsätze des wieder in Kraft zu setzenden Beamtengesetzes von 1937 fordert. daß Führer die Treue zu halten sei bis in den Tod. Was ist denn daraus geworden?
Man sehe sich doch heute einmal die Einstellungsgesuche an, man sehe sich die Entnazifizierungsakten mit all den zusammengesuchten Zeugnissen und Entlastungsbescheinigungen an! Da werden
Sie von denen, die diesen Eid geleistet haben, immer wieder hören, sie hätten niemals daran gedacht, Nationalsozialisten zu sein, und hätten niemals daran gedacht, dem sogenannten Führer die Treue zu halten. Wenn man sich das vergegenwärtigt, daß eine bis zum Tode geschworene Treue so schlecht gehalten wurde, dann sollte man einer solchen Einrichtung gegenüber doch außerordentlich skeptisch sein.
Im übrigen ist es eine allgemeine Zeiterscheinung, daß wir den Eid um seiner Würde willen nicht mehr durch zu häufigen Gebrauch herabsetzen lassen. Ich erinnere an die Entwicklung in der Justiz, wo es im Gegensatz zu früher heute nicht mehr üblich ist, die Zeugen und Sachverständigen ohne weiteres zu vereidigen. Auch das hat man getan, um dem Eid nicht durch zu häufigen Gebrauch seine Bedeutung zu nehmen.
Wir sind der Auffassung, daß ein einfaches Gelöbnis der Treue gegenüber diesem Staat, verbunden mit dem guten deutschen Handschlag, den Eid ersetzen sollte. Wer von den Beamten das will. kann dieses Gelöbnis unter Anrufung Gottes leisten. Ich glaube. Sie tun Ihrer Auffassung von der Heiligkeit des Eides keinen großen Gefallen, wenn Sie den Eid nach diesem Mißbrauch noch weiter als die Grundlage der never Verpflichtung ansehen wollen. Im übrigen, meine Damen und Herren, haben Sie zu dem Beamten bitte das Vertrauen. daß es nicht erst der Berufung auf seinen Eid bedarf. um ihn zu veranlassen. diesem Staat die Treue 711 halten. Glauben Sie den Beamten, daß sie sich auch durch einen Handschlag und durch ein Gelöbnis gebunden fühlen!
Lassen Sie mich roch auf einen letzten Punkt hinweisen. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat den Antrag eingebracht, in § 3 die Worte zu streichen:
Die Beamten haben auch außerhalb des Dienstes Angriffen auf diese Staatsordnung, die in ihrer Anwesenheit erfolgen, entgegenzutreten.
Der Beschluß des Ausschusses, dem wir beitreten — und weswegen wir uns gegen diesen FDP-Antrag wenden hat eine interessante Vorgeschichte. Die Frage. wieweit die Pflicht des Beamten gegenüber dem Staat geht. ist schon. im Frankfurter Wirtschaftsrat zwischen den Parteien eingehend beraten worden. Damals hat man mit Zustimmung der anderen Parteien folgendes gefordert:
Der Beamte ist verpflichtet, innerhalb und außerhalb des Dienstes für die demokratische Ordnung zu wirken.
Demgegenüber sah der Regierungsentwurf lediglich die Vorschrift vor:
Die im Dienst des Bundes stehenden Personen müssen sieh durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung bekennen.
Aber selbst dies war dem Bundesrat, der doch sonst so großzügig über dieses Gesetz hinweggegangen ist, zu wenig und er war es, der in Übereinstimmung mit alien Regierungen. ob SPD oder CDU. folgende Formulierung vorschlug:
Der Beamte ist verpflichtet, innerhalb und außerhalb des Dienstes nach Kräften für die Festigung und Vertiefung des demokratischenGedankens einzutreten und die durch das Grundgesetz gewährleistete demokratische Staatsordnung zu unterstützen.
In ähnlicher Richtung lagen und liegen die Vorschläge der Gewerkschaften. In dem Streichungsantrag ist daher nach unserer Auffassung nur ein bedauerliches Absinken des Willens zu sehen, die Beamtenschaft mit wirklich aktiven demokratischen Elementen zu durchsetzen.
Der Ausschuß verlangt mit Recht, daß der Beamte staatsfeindlichen Äußerungen, die in seiner Gegenwart fallen, entgegentritt. Damit ist natürlich nicht gemeint, daß er handgreiflich werden soll, daß er in einer großen Kundgebung als Gegenredner aufstehen oder daß er versuchen soll, irgendwelche Presseäußerungen durch Leitartikel zu widerlegen. Schenken wir doch den Richtern unserer Dienststrafgerichte ein gewisses Vertrauen! Sie werden schon den richtigen Weg finden, um zu verhindern, daß ein Beamter gezwungen wird, über sein physisches oder geistiges Vermögen hinaus solchen Angriffen, die in seiner Gegenwart erfolgen, entgegenzutreten. Aber der Beamte soll Gesprächen dieser Art entgegentreten auf Grund seiner besseren Kenntnis, die er aus der Verwaltungsarbeit gewonnen hat, vor allem auch auf Grund des von ihm zu fordernden Gefühls der inneren Verbundenheit zu diesem Staat. Wenn dieses Gefühl nicht vorhanden ist, hat auch das Gerede vom demokratischen Berufsbeamtentum keinen Sinn. An einem formalen Bekenntnis zu den verfassungsmäßigen Grundlagen des Staates haben wir alle kein Interesse. Jeder Beamte muß sich darüber klar sein, daß seine Umgebung darauf achtet, wie er sich verhält, und daß sein Verhalten für die anderen zum Maßstab wird, wie stark und wie kräftig sich diese junge Demokratie selbst einschätzt. Damit ist von ihm keineswegs zuviel verlangt.
Sie, meine Damen und Herren von der Rechten, möchten doch den Inhalt des alten Berufsbeamtentums, wie er vor mehr als 100 Jahren galt, wirksam werden lassen. Hierbei möchte ich auf einen der Altmeister unserer Verwaltungslehre, auf Otto Meier, hinweisen, der gar nicht so schlecht dahin formulierte, daß der Beamte zur persönlichen Hingabe verpflichtet sei. Aber die persönliche Hingabe kann sich doch nicht auf die Zeit beschränken, in der er sich in seinem Büro befindet. Diese Hingabe ist doch eine Frage der Gesamtpersönlichkeit, die auch außerhalb des Dienstes wirksam werden muß. Mit diesem Grundgedanken wäre es unvereinbar, wenn man sich darauf beschränken könnte, nur diejenigen Pflichten zu erfüllen, die in der engen Sphäre des Lebens eines Beamten anfallen. Er muß vielmehr alles tun, um jegliche Gefahr von seinem Dienstherrn, das heißt von diesem Staat abzuwenden. Wenn Sie das von dem Beamten nicht verlangten, würden Sie von ihm weniger verlangen, als man von jedem gewöhnlichen Angestellten auch in der freien Wirtschaft fordert. Nach der ständigen arbeitsrechtlichen Rechtsprechung ist jeder Arbeitnehmer verpflichtet, auch außerhalb seiner eigentlichen Berufstätigkeit, außerhalb des Betriebes, allen Vorgängen entgegenzutreten, die dem Dienstherrn irgendwie Schaden bringen können.
Hinzu kommt, daß wir Sozialdemokraten in dieser Bestimmung gar nicht so sehr eine Verpflichtung für den demokratisch eingestellten Beamten sehen, sondern in viel stärkerem Maße glauben, dem Beamten durch diese Vorschrift eine Sicherheit zu geben, wenn er nihilistischen Elementen oder neofa-
schistischen Bewegungen entgegentritt. Gerade hierzu hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen eine begrüßenswerte Entschließung gefaßt, als er erklärte, er stelle sich hinter jeden Beamten und Angestellten, der in der Verteidigung der Demokratie formal einmal fehlgreife. Die Beamten ollen wissen, daß Parlament und Regierung schützend hinter ihnen stehen, wenn sie sich für diesen Staat einsetzen. Daher ist diese Vorschrift in erster Linie dafür gedacht, dem Beamten Mut zu geben, den Feinden einer freiheitlichen Staatsordnung entgegenzutreten. Haben Sie doch nicht die Angst, wir könnten in der Beamtenschaft ein Zuviel an kämpferisch veranlagten Demokraten bekommen. Davon kann es nach unserer Meinung nie genug geben.