Rede von
Gustav
Gundelach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Bereits bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen habe ich namens meiner Fraktion erklärt, daß wir diesem Gesetz unsere Zustimmung nicht geben können. Seitens der Regierungsvertreter und der Abgeordneten der Regierungsparteien wurde im Ausschuß erneut darauf hingewiesen, daß es sich nur um ein Provisorium handele. Deshalb solle man auf weitgehende prinzipielle Änderungen verzichten. Man hat gesagt, es komme darauf an, für den Übergang die Rechte der Beamten im Bundesdienst schnellstens zu regeln; alles andere könne später bei der Vorlage eines neuen Beamtengesetzes beraten und beschlossen werden.
Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich sind in dieser Frage einer ganz anderen Meinung. Wir sind fest davon überzeugt, daß die Bundesregierung bestrebt ist, an dem Alten, das heißt an dem Beamtengesetz von 1937, festzuhalten. Sie hat kein Interesse daran. etwas grundlegend Neues beschließen zu lassen. Die Bundesregierung will das Berufsbeamtentum in seiner bisherigen Form, das heißt den Berufsbeamten als besondere Kaste im Staat, den Beamten auf Lebenszeit beibehalten. Sie will auch keine Angleichung der Rechte der großen Zahl der Verwaltungsangestellten an die Rechte der Beamten, obwohl das eine Forderung der Gewerkschaften ist. Wir Kommunisten wollen aber das Wort Berufsbeamtentum so verstanden wissen. daß dazu alle Personen gehören. die den Erwerb ihres Lebensunterhalts, also ihren Beruf darin finden. daß sie im Staatsdienst oder im Dienst einer öffentlichen Körnerschaft eine verantwortliche Tätigkeit ausüben. Wir sind auch der Meinung. daß bei der Besetzung besonders der leitenden Stellen in der Verwaltung allein die Befähigung entscheidend sein darf und erst in zweiter Linie die Zahl der abgeleisteten Dienstjahre. Fs sollte auch nicht nur auf die bereits im öffentlichen Dienst stehenden Personen zurückgegriffen werden. Wir sind der Ansicht. daß bei der Auswahl von Bewerbern auch solche mit einzubeziehen sind, die auf Grund ihrer Tätigkeit und ihrer Erfahrungen im öffentlichen Leben oder in der Wirtschaft sich die entsprechenden Fähigkeiten für eine solche Funktion angeeignet haben.
Wir sind gegen die Anstellung von Beamten auf Lebenszeit und vertreten die Auffassung, daß Anstellungen auf der Grundlage des allgemeinen Arbeitsrechts und der Tarifverträge zu erfolgen haben. Wir wollen, daß der Verwaltungsangestellte die gleichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten erhält, wie sie der Berufsbeamte hat. Er soll auch die gleichen Versorgungsansprüche haben.
Wir Kommunisten lehnen den sogenannten unpolitischen Beamten ab. Ein fähiger und fortschrittlich eingestellter Beamter darf nicht unpolitisch sein. Der Berufsbeamte soll und muß — das ist unsere Auffassung - aufs engste mit dem Volk verbunden sein und auch die Möglichkeit haben, ungehindert und in jeder Weise am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilzunehmen. Er muß wie jeder andere Staatsbürger das Recht haben. offen seine Meinung zu sagen. Erst wenn der Beamte dieses Recht hat, ist er auch als Person auf seine Zuverlässigkeit und seine Staatstreue zu kontrollieren. Das ist etwas ganz
anderes als die Verpflichtung, die man in § 3 Ziffer 2 im zweiten Satz dem Beamten auferlegt. Dieser Satz lautet:
Sie
nämlich die Beamten -
haben auch außerhalb des Dienstes Angriffen auf die Staatsordnung, die in ihrer Anwesenheit erfolgen, entgegenzutreten.
Die Befürworter dieser Bestimmung sind des Glaubens, damit könne man reaktionären Bestrebungen entgegentreten. Das ist nach unserer Auffassung eine absolut irrige Meinung. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß wir ja einmal in der Weimarer Zeit. das sogenannte Republikschutzgesetz gehabt haben. Aber wer sich diese Jahre in die Erinnerung ruft, weiß so gut wie ich, daß dieses Republikschutzgesetz aus der Weimarer Zeit nie als ein wirksames Mittel gegen die Feinde von rechts angewandt worden ist, sondern daß alles getan wurde, um dieses Gesetz in seiner ganzen Schärfe und Härte gegen die Arbeiterklasse anzuwenden.
Wir lehnen deshalb die angeführte Verpflichtung
für die Beamten, wie sie hier zum Ausdruck
kommt, ab, weil sie den Beamten in Gewissenskonflikte bringt und ihn bestenfalls zu einem Denunzianten erzieht. Der Beamte wird - das ist unsere Auffassung — reaktionäre Bestrebungen gemeinsam mit dem fortschrittlichen Teil unseres Volkes nur dann erfolgreich bekämpfen können, wenn er selbst alle politischen Rechte besitzt, auf die andere Staatsbürger nach dem Grundgesetz Anrecht haben.
Wir Kommunisten sind auch keineswegs damit
einverstanden, daß dem Bundespräsidenten das Recht eingeräumt wird, Beamte und Richter zu ernennen, wie das in § 24 des Beamtengesetzes vorgesehen ist. Wir sind vielmehr der Meinung, daß in einem demokratischen Staatswesen die Ernennung der leitenden Beamten durch die Volksvertretung, das heißt durch die parlamentarischen Körperschaften, erfolgen muß.
Der § 7 Absatz 4 des vorliegenden Gesetzes behandelt die Frage. wie der Beamte sich bei Anordnungen dienstlicher Art seinem Vorgesetzten gegenüber zu verhalten hat. Der betreffende Teil dieses Paragraphen lautet wie folgt:
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen hat der Beamte unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten und hat der Beamte weiterhin Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit, so kann er sich an die nächsthöheren Vorgesetzten wenden, um eine die Verantwortung klarstellende Entscheidung herbeizuführen. Bei für ihn erkennbarer Strafbarkeit der Anordnung wird der Beamte nicht von seiner eienen Verantwortung befreit; in solchen Fällen hat er die Ausführung zu verweigern.
So weit der Paragraph, den ich hier anspreche! Wir sind der Meinung, daß ein Beamter, der Bedenken gegen eine dienstliche Anordnung hat, falls diese von seinem unmittelbaren Vorgesetzten nicht gewürdigt werden, das Recht haben soll, sich an die Volksvertretung zu wenden und nicht, wie es im Gesetz vorgesehen ist, an seine nächsthöheren Vorgesetzten. Wir vertreten nämlich den Standpunkt, daß mit dem Instanzenweg, mit dem man keine sehr guten Erfahrungen gemacht hat, Schluß gemacht werden sollte und daß die Kontrolle der Bürokratie durch die Volksvertretung erfolgen muß.
Wir geben uns allerdings keinen Illusionen hin. Die Mehrheit der Abgeordneten dieses Bundestages wird nicht gewillt sein, einer solchen fortschrittlichen Auffassung zu folgen. Die Regierungsparteien wollen — das hat sich im Beamtenrechtsausschuß mit aller Deutlichkeit ergeben — gemeinsam mit der Bundesregierung am alten Beamtenrecht festhalten. Sie stehen, von kleinen Änderungen abgesehen, wie sie auch in der Berichterstattung vorgetragen worden sind, auf dem Standpunkt, daß man möglichst an dem Althergebrachten festhalten muß. Wie seitens der Bundesregierung auf allen anderen Gebieten am Althergebrachten festgehalten wird, so ist es auch in der Frage der Regelung der Rechte für die Beamten des Bundes. Die Gesetzesvorlage ändert das Beamtengesetz aus der Nazi-Zeit von 1937 nur ganz unwesentlich. Das ist kein Zufall, sondern es ist eine kühl überlegte Politik unserer Bundesregierung, einer Regierung, die nach unserer Auffassung durch ihre Praxis in den wenigen Monaten ihres Bestehens bereits den Beweis dafür erbracht hat, daß sie weitgehend die Interessen der Finanz- und Industriekreise vertritt, jener Kreise, die auch während der Hitler-Jahre die wirklichen Herren Deutschlands waren. Eine solche Regierung braucht Rechtsverhältnisse für die Beamtenschaft. wie sie im Beamtengesetz von 1937, also in dem Nazi-Gesetz, verankert sind.
In Wahrung der berechtigten Interessen der Beamtenschaft lehnen auch die Gewerkschaften den vorliegenden Gesetzentwurf ab. Mit vollem Recht beklagen sich die Gewerkschaften darüber, daß ihnen keine Möglichkeit gegeben wurde, zu dem Regierungsentwurf Stellung zu nehmen und im Beamtenrechtsausschuß diese Frage mit zu beraten. In einem Schreiben des Vorstandes der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr wird unter anderem folgendes gesagt:
Den zur Wahrung der Interessen des Personals berufenen Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist weder von
der Absicht einer Neuordnung Kenntnis gegeben worden, noch wurde ihre Stellungnahme zu der geplanten Neuordnung eingeholt.
Bei der Vorlage handelt es sich somit um eine völlig einseitige Verwaltungsarbeit.
Es heißt weiter in der Stellungnahme der Gewerkschaften:
Recht, Pflicht und Aufgabe der Gewerkschaften ist es, die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Da ihnen im ,vorstehenden Fall nicht die Möglichkeit einer Einflußnahme bei der Vorbereitung des Entwurfs gegeben war, fühlt sich die Leitung der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vor ihrem Gewissen verpflichtet, um so vornehmlicher nunmehr nach Bekanntwerden der Vorlage ihrer Auffassung Ausdruck zu geben und einer rückschrittlichen Entwicklung mit allen zulässigen und erlaubten Mitteln entgegenzuarbeiten.
Es heißt dann weiter:
Das Deutsche Beamtengesetz von 1937, das nach dem Entwurf wieder voll zur Anwendung gebracht werden soll, trägt unseren Anforderungen in bezug auf die notwendige Verwirklichung demokratischer Grundsätze in keiner Weise Rechnung.
Das ist die Stellungnahme der Gewerkschaften zu dem vorliegenden Gesetz. Die Ausschaltung der Gewerkschaften als Interessenvertretung der Beamten bei der Vorbereitung des Entwurfs ist
— das muß von dieser Stelle aus festgestellt werden — eine Mißachtung der Koalitionsfreiheit, wie sie allen Deutschen im Grundgesetz zugestanden ist. Unter Koalitionsfreiheit verstehen wir Kommunisten auch eine Verpflichtung für die Regierung, die Gewerkschaften als Interessenvertretung der Beamten bei der Regelung wichtiger Fragen anzuhören. Aber, meine Damen und Herren, offenbar sind die Gewerkschaften der Bundesregierung unbequem, und deshalb wurden sie bei der vorbereitenden Stellungnahme zu diesem vorliegenden Gesetz einfach kurzerhand ausgeschaltet. Dieselbe Regierung ist aber jederzeit bereit, mit Interessenorganisationen zum. Beispiel der Industrie und des Handels zu verhandeln. Diese Organisationen sind nicht nur. wie man sehr oft ails der Presse und sonst erfährt, darüber gut informiert, was die Regierung vorhat, sondern sie sind zumeist die Inspiratoren, wenn es um die Regelung von Fragen geht, die deren Profitinteressen berühren.
Durch ihr Verhalten bestätigt die Bundesregierung immer wieder, daß sie, wie wir hier
wiederholt zum Ausdruck gebracht haben, eine
Regierung der Millionäre in Westdeutschland ist,
eine Regierung jener kleinen Oberschicht unseres Volkes, die mit Hilfe der englischen und amerikanischen Finanzherren wieder hochgepäppelt wird, obwohl diese kleine Oberschicht die Verantwortung für den verbrecherischen Hitlerkrieg, für unsere heutige Not und auch für die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der großen Zahl der unteren und mittleren Beamten sowie der Verwaltungsangestellten trägt.
— Seien Sie doch nur still. Sie en Sie das Ihren eigenen Abgeordneten. oder billigen Sie uns eine solche Redezeit zu, daß wir jederzeit in der Lage sind, voll unsere Meinung hier zu sagen.
Sie sind schuld daran, wenn bei einer so wichtigen Frage, die hier zur Beratung steht, einer Oppositionspartei ganze 13 Minuten eingeräumt werden.
— Ja, dann sind wie eben gezwungen, uns zu konzentrieren und brauchen selbstverständlich ein entsprechendes Konzept. Das lassen wir uns von Ihnen auch ganz bestimmt nicht vorschreiben. Denn unsere Abgeordneten arbeiten genau so wie Sie im Parlament; wir haben dieselben Rechte wie Sie.
Meine Damen und Herren! Weil das so ist, sollen die Rechtsverhältnisse der im Bundesdienst stehenden Personen unter Ausschaltung der Berufsvertretung auf der Grundlage eines Beamtengesetzes aus der Nazizeit geregelt werden. Das wird auch durch einen Satz, den ich aus der Begründung zu diesem Gesetz zitiere und der die Auffassung der Bundesregierung in grundsätzlicher Hinsicht beinhaltet, ausdrücklich bestätigt. Diese meine Worte richte ich besonders an die Vertreter der Regierungsparteien, die so tun wollen, als wenn etwas grundsätzlich Neues nur im Augenblick nicht geschaffen zu werden braucht, weil man später etwas grundsätzlich Neues schaffen will. Mit dem, was ich jetzt zitiere, geben Sie von. den Regierungsparteien zu, daß Sie gar nicht die Absicht haben, in der Zukunft etwas Neues zu schaffen. Dieser Teil aus der Begründung lautet folgendermaßen:
Das Deutsche Beamtengesetz eignet sich für eine Anwendung beim Aufbau der Bundesverwaltung besonders auch deshalb, weil es allen Verwaltungsangestellten bekannt und durch Durchführungs- und Ausführungsvorschriften weitgehend für den praktischen Gebrauch ergänzt und erläutert worden ist.
Meine Damen und Herren! Die Mehrheit des Beamtenrechtsausschusses, die aus Vertretern der Regierungsparteien besteht, hat sich ganz besonders diesen Satz zu eigen gemacht und auch erreicht, daß die Regierungsvorlage ohne wesentliche Änderungen gegen die Stimmen der Opposition im Ausschuß angenommen wurde. Sie allein, die Vertreter der Regierungsparteien, tragen deshalb die volle Verantwortung dafür, daß auf dem Gebiet der Ordnung der Rechtsverhältnisse der Beamten in Zukunft im wesentlichen alles beim alten bleibt. Daran ändert auch der im Ausschuß wiederholte Hinweis nichts, daß es sich nur um eine vorläufige Regelung handelt. Nein — das sage ich besonders Ihnen, meine Herren von den Regierungsparteien —: wer wirklich etwas Neues will, der benutzt jede sich bietende Gelegenheit, das Neue voranzutreiben, auch dann, wenn es nur für eine Übergangsperiode Gültigkeit hat.