Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache über die Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Investitionen im Gebiet der Bundesrepublik ist damit geschlossen.
Wir kommen damit zu Punkt 2 der Tagesordnung.
— Ich habe keine Wortmeldung hier.
— Meine Damen und Herren, es ist doch offenbar ein Irrtum gewesen. Sind Sie damit einverstanden, daß ich — —
— Meine Damen und Herren, hier hat doch offenbar ein Irrtum vorgelegen. Der Herr Interpellant hat gemeint, er brauche sich nicht noch einmal besonders zum Wort zu melden. Ich erteile ihm also das Wort zu einer Schlußbemerkung.
Dr. Veit , Interpellant: Meine Damen und Herren! Die heutige Antwort der Regierung durch den Mund des Herrn Bundeswirtschaftsministers kann keineswegs befriedigen.
Der Herr Wirtschaftsminister führt die Diskussionen — das war schon damals im Wirtschaftsrat so und ist heute im Bundestag wieder das gleiche — immer nach derselben Richtung. Sie können ihm vortragen, was Sie wollen, und Sie können die Argumente nehmen, woher Sie immer wollen, der Herr Bundeswirtschaftsminister schließt regelmäßig mit der Verteidigung seiner sozialen Marktwirtschaft,
obgleich ich über diese Frage doch wahrhaftig hier nichts gesagt hatte.
Meine Damen und Herren! Ich habe die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers nicht aus Erwägungen parteipolitischer Art angegriffen,
sondern ich habe sie angegriffen mit den Argumenten des Marshallplan-Memorandums. Ich habe diese Argumente wörtlich zitiert, und ich habe die aus diesem Memorandum sprechende Sorge vorgetragen, daß wir das Ziel nicht erreichen werden, und gefordert, daß eine intensivere Kapitallenkung eingeleitet wird.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister ist mit keinem Wort auf diese Argumentation eingegangen.
Ich habe den Herrn Bundeswirtschaftsminister gefragt, ob die neuen Mittel, von denen der Herr
Bundeskanzler in seiner letzten Rede gesprochen
hat, diese 3,5 Milliarden in dem OEEC-Memorandum, bereits verplant sind
oder ob es sich um andere neue Mittel handelt. Diese Frage ist nicht beantwortet worden. Es ist weder gesagt worden, ob es neue Mittel sind, noch ist die Antwort gegeben worden auf die Frage — die ich für diesen Fall gestellt hatte —, woher denn diese neuen Mittel eigentlich genommen werden sollen. Und eines ist doch beachtlich: auf die Frage in dem Antrag meiner Fraktion, wie die Investitionen sich nun eigentlich auf die einzelnen Wirtschaftsgebiete verteilen, ist der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht eingegangen. Er hat nur gesagt, auf welchen Gebieten sich die Zahl der Arbeitsplätze erhöht hat.
Die Summen der Investitionen sind nicht aufgegliedert worden. Meine Damen und Herren, das ist kein Zufall. Das beweist, daß die Regierung einfach nicht in der Lage ist, darüber Auskunft zu geben, wie sich die Investitionen auf die einzelnen Wirtschaftsgebiete verteilt haben.
Es wird uns gesagt — und mit diesem Vorwurf tritt man uns grundsätzlich entgegen —, wir wollten nichts anderes, als die Zwangswirtschaft wiederherzustellen, wir dächten an nichts anderes als an den Plan, daß die Kapitalien durch eine Regierungsstelle bis in den letzten der tausend Kanäle gelenkt und geleitet werden sollten. Habe ich etwas Derartiges ausgesprochen, meine Herren?
Ich habe nur die Forderung erhoben, die auch im OEEC-Memorandum aufgestellt ist, mit intensiveren Mitteln an die Kapitallenkung heranzugehen. Wenn man natürlich die Diskussionen hier, auch wenn man sie nicht parteidogmatisch führt, immer nur dazu benutzt, sich zu verteidigen, um recht zu behalten, dann, meine Damen und Herren, werden wir aus den Fehlern, die zur Zeit gemacht werden und die von den Kreisen, die Ihnen nahestehen, aufgezeigt werden, nicht herauskommen.
Wir stehen doch vor der Frage, ob wir bis zum
Jahre 1952 das Ziel, lebensfähig zu sein, erreicht
oder wenigstens annähernd erreicht haben werden bzw. ob wir dieses Ziel überhaupt erreichen
können. Wenn Herren wie der Herr Präsident
Abs une wenn andere Herren, die dieses OEEC-
Memorandum verfaßt haben, es aussprechen, daß
Fehlinvestitionen erfolgt sind und daß die jetzige
Kapitallenkung nicht ausreicht, dann sollte man
endlich einmal damit aufhören, gegen uns zu
polemisieren, zu behaupten, wir wollten die
Zwangswirtschaft, und sollte zusammen mit uns
nach Wegen suchen, wie wir diese Fehler ausgleichen und für die Zukunft vermeiden können.
Dabei brauchen wir, worauf ich in meiner Begründung schon hingewiesen habe, gar nicht von irgendwelchen dogmatischen Erwägungen auszugehen. Gerade vom Standpunkt einer liberalen Politik und gerade von Standpunkt der Marktwirtschaft müßte erkannt werden, daß marktfremde Vorgänge diesen Markt stören und daß durch eine aktive Wirtschaftspolitik dem mit aller Entschiedenheit entgegengearbeitet werden muß. Das geschieht aber nicht in ausreichendem Maße. Die Marshallplanhilfe ist ja, im großen gesehen, so sehr wir sie bejahen und begrüßen, marktfremd.
Denn hier strömen Hunderte von Millionen Dollar in die deutsche Wirtschaft, ohne daß sie ihr die Impulse geben, die diese deutsche Wirtschaft empfangen würde, wenn sie auf dem Auslandsmarkt zum Zuge kommen müßte und ohne diese Marshallplan-Hilfe dem Wettbewerb ausgesetzt wäre. Hier müssen wir eingreifen. Es genügt nicht, daß wir nur die ERP-Mittel verplanen und in einer zweifellos vorhandenen, aber nur sehr losen Vorstellung dafür sorgen, daß diese Kapitalien an die richtigen Stellen geleitet werden. Darüber hinaus muß in der Erkenntnis der Tatsache, daß das Gebiet der Selbstfinanzierung das weitaus wichtigste Gebiet der Kapitalbildung und Kapitallenkung ist, gerade diesem Gebiet erhöhte Aufmerksamkeit zugewandt werden. Das geschieht nicht, wenn man es so macht, wie es in der Regierungsvorlage zum neuen Steuergesetz vorgesehen ist, daß man durch eine Abänderung des § 32 a die Selbstfinanzierung noch ausdehnt, statt sie zugunsten einer zweckmäßigeren Kapitallenkung einzuschränken.
Sie wissen doch selbst, meine Damen und Herren, daß beispielsweise die konsumnahe Industrie heute wesentlich interessanter ist als andere Zweige der Produktionsgüterindustrien.
- Nicht mehr, jawohl, aber es war eine ganze Zeitlang so. - Infolgedessen sind die Investitionen begreiflicherweise, wenn sie dem privaten Profitstreben des Unternehmers überlassen wurden, nicht in die volkswirtschaftlich wichtigen Kanäle gelenkt worden.
Nun denke ich gar nicht daran, Ihnen die Anregung zu geben, daß wir ein Amt errichten, in welchem Hunderte von Regierungsräten dem letzten Betrieb die letzte Mark zuweisen. Aber, meine Damen und Herren, gibt es denn keine anderen Mittel als auf der einen Seite die Freiheit und auf der anderen Seite den äußersten Zwang?
Gibt es nicht dazwischen noch Möglichkeiten, mit absolut marktgerechten Mitteln auch dieses große Gebiet der Selbstfinanzierung zu steuern und zugunsten eines vernünftigen Einsatzes unserer Kapitalien zu lenken?
Darauf geht man nicht ein. Sie klatschen Beifall, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister aufs neue seine „soziale Marktwirtschaft" verteidigt, ohne einmal zu überlegen, ob Sie nicht mit diesem Beifall Ihr eigenes Gewissen beruhigen wollen.
Es darf doch nicht eine parteipolitische Frage sein,
ob wir bis zum Jahr 1952 das Ziel erreicht haben.
Wir müssen gemeinschaftlich versuchen, die Kapitalien, die wir in Deutschland bilden, richtig zu lenken. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat uns dafür gar keine Hoffnungen gemacht. Er hat erklärt, er denke nicht daran, auf dem Gebiet der privaten Kapitalbildung und der Selbstfinanzierung etwa einen Eingriff vorzunehmen. Damit schwinden alle Hoffnungen, mit den richtigen Mitteln die Wirtschaftspolitik so zu führen, daß wir erstens unsere arbeitslosen Menschen wieder in Arbeit und Brot bringen und zweitens unseren Export so steigern können, daß wir bis zum Jahre 1952, wenn die Hilfe, die uns das Ausland jetzt gibt, wegfällt, wenigstens in etwa lebensfähig sind. Deswegen haben wir kein Vertrauen, daß
die Regierung auf diesem Wege zum Zuge kommt. Wenn noch soviel Milliarden in Aussicht gestellt sind, so haben wir doch kein Vertrauen, auch wenn wieder der Einsatz geballten Kapitals, um das Arbeitslosenproblem zu lösen, versprochen wird. Die Bedenken hat der ERP-Minister selbst in seinem Memorandum ausgesprochen. Kein Wort dieses Memorandums ist widerlegt. Wir sprechen hier ganz deutlich aus: Wenn diese Wirtschaftspolitik fortgesetzt wird, wird Deutschland im Jahre 1952 nicht lebensfähig sein!