Rede:
ID0103701900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Löbe.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1950 1215 37. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . 1215D, 1244D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen zur Förderung der Wirtschaft von GroßBerlin (West) (Drucksachen Nr. 500 und 496) 1215D Dr. Reif (FDP), Berichterstatter 1216A Tillmanns (CDU) . . . . . . 1216B Dr. Besold (BP) . . . . . . . 1218A Rische (KPD) 1219C Stegner (FDP) 1222C Löbe (SPD) 1223C Dr. von Merkatz (DP) 1224B Dr. Horlacher (CSU) 1225A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Anträge der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung, der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben, der Abgeordneten Rademacher, Stahl, Dr. Oellers, Dr. Schäfer, Dr. Wellhausen und Fraktion der FDP betr. Preiserhöhung für Treibstoff (Drucksachen Nr. 501, 465, 331, 363, 384) 1225B, 1233A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 1225C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1228A Zur Geschäftsordnung, Frage der Vertagung: Euler (FDP) 1228B, 1231C Seuffert (SPD) . . . . . . . 1228D Loritz (WAV) 1229D Rische (KPD) . . . . . 1230B Rademacher (FDP) . . . . . . . 1230D Dr. Schmid (SPD) . . . . . . . 1231D Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen . . . . . . . 1232A Persönliche Bemerkungen: Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 1232B Schüttler (CDU) 1232D Unterbrechung der Sitzung . 1233A Zur Sache: Loritz (WAV) 1233B, 1243D Rademacher (FDP) . . . . . 1235B Vesper (KPD) . . . . . . . 1237A Reismann (Z) . . . . . . . 1238B Seuffert (SPD) 1239D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1241C Dr. Solleder (CSU) 1242A Etzel (CDU) 1242D Nächste Sitzung 1244D Die Sitzung wird um 9 Uhr 48 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Artur Stegner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich bedauern außerordentlich, daß die Debatte um die Berlin-Gesetze jedesmal zum Gegenstand einer negativen politischen Polemik wird, während doch gerade das Problem Berlin die Einheit dieses Hohen Hauses auch nach außen hin in klarer Weise dartun sollte.
    Das Problem Berlin gliedert sich für uns — und das lassen Sie mich abschließend mit ein paar Worten sagen — gewissermaßen in drei Stufen. Die erste ist die großpolitische Stufe, die der Herr Kollege Tillmanns bereits in positiver und der Herr Kollege Rische in, wie ich glaube, negativer Weise behandelt haben,

    (Zuruf des Abg. Rische)

    so daß ich mich darüber nicht mehr groß zu verbreiten brauche.
    Der zweite Punkt ist der parteipolitische. Meine Damen und Herren, für uns ist West-Berlin auch ein demokratischer Staat, und wir glauben, daß die politischen Meinungsunterschiede am besten innerhalb dieses West-Berliner demokratischen Staates ausgetragen werden sollten. Dazu ist durch das Vorhandensein der Parteien und der Berliner Stadtverordnetenversammlung die Möglichkeit gegeben. Diese lokal-parteipolitischen Dinge sollten aber nicht in dieses Hohe Haus hineingetragen werden, da die Mehrzahl der Abgeordneten aus rein lokalen Gründen wahrscheinlich nicht in der Lage sein wird, den Dingen im einzelnen zu folgen und sie mangels dieser Kenntnis entsprechend zu würdigen. Ich meine, auch diesen Punkt könnten wir übergehen.
    Der dritte, wichtige Punkt, mit dem sich unsere Gesetzgebung hier befaßt, ist aber die wirtschaftspolitische Seite. Meine Damen und Herren, wer während des Berlin-Besuches des Berlin-Ausschusses Gelegenheit hatte, sich mit den Dingen der West-Berliner Wirtschaft zu befassen, der weiß, daß die West-Berliner Wirtschaft durch die jüngste politische und wirtschaftspolitische Vergangenheit Berlins noch nicht wettbewerbsfähig geworden ist. Vergessen Sie nicht die schweren Luftangriffe, Totaldemontage, mehrere Währungsreformen, Blockade und Uraltkonten; das sind die Stationen


    (Stegner)

    der Berliner Wirtschaft. Wenn daher Westdeutschland heute aus einer wirtschaftspolitischen Verantwortung glaubt, Erzeugnisse in Berlin herstellen lassen zu müssen, und wenn es dafür Steuererleichterungen gewährt, so ist das nur recht und billig. Ich darf Sie an die gestrige Debatte in diesem Hohen Hause erinnern, bei der sich, glaube ich, die Fraktionen aller Parteien über das Ziel klar waren: die Arbeitslosigkeit in Westdeutschland muß beseitigt werden. In diesem Zusammenhang darf ich aber auch daran erinnern, daß Berlin prozentual die größte Arbeitslosigkeit aller Länder Westdeutschlands hat. Daher ist es selbstverständliche Pflicht, diese Wirtschaftshilfe zu leisten.
    Lieber Kollege Besold, insofern ist die Lage des Berliner Notstandsgebietes eine andere als die von Gebieten innerhalb des Bundes. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß selbst die Allierten den Berliner Problemen, die durch die Blockade aufgeworfen worden sind, derartig viel Bedeutung beigemessen haben, daß sie eine Luftbrücke gigantischen Ausmaßes zur Erhaltung der West-Berliner Bevölkerung eingerichtet haben. Es ließen sich viele Beispiele dafür bringen. Ich verkenne absolut nicht die Wichtigkeit der anderen Notgebiete entlang der ganzen Demarkationslinie und oben in Schleswig-Holstein, aber ich glaube, Berlin müssen wir doch als einen Sonderfall ansehen. Dazu kommt, daß wir Deutsche die Verhältnisse in Berlin letzten Endes nicht geschaffen haben; das muß einmal ausgesprochen werden. Aber nachdem die Dinge nun einmal so liegen und nachdem die Berliner sich in ihrem schweren politischen, Wirtschaftspolitischen und persönlichen Kampf bewährt und auf uns verlassen haben, haben wir die Pflicht, diese Wirtschaftshilfe zu leisten.
    Darüber hinaus ist auch anzunehmen, daß Berlin das mit seinen 21/2 Millionen Einwohnern doch ein recht beträchtliches Marktgebiet darstellt, bei einer Wiedergewinnung seiner Kaufkraft durch Beseitigung der Arbeitslosigkeit wirtschaftspolitisch auch wieder ein wertvoller Markt für Westdeutschland werden wird. Die Berliner Wirtschaft umfaßt ja nicht alle Zweige des täglichen Bedarfs oder auch nur alle Zweige ,der Investitionsindustrie, sondern nur ganz gewisse Gruppen. Die anderen Dinge müssen wir aus Westdeutschland liefern, und bei der Konsumtion dieser großen Stadt wind das einen wesentlichen Beitrag zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit auch hier bei uns darstellen. Berlin hat heute sein natürliches Absatzgebiet in seiner Umgebung verloren und muß sich daher einen neuen Markt in Westdeutschland erschließen. Aus dieser Verflechtung sollten wir lernen und sollten einsehen, daß die Wirtschaftshilfe, die wir heute leisten, nicht nur eine politische und nicht nur eine wirtschaftspolitische ist. Sie muß vielmehr diesen heute ganz natürlichen Zusammenhang fördern und soll über die Schwierigkeiten der Verkehrsverhältnisse hinweg zwischen den Menschen Berlins, der Ostzone und des Westens wieder ein persönliches und wirtschaftliches Band knüpfen.
    In diesem Sinne bitten Sie meine Freunde und ich, dem Berlin-Gesetz in zweiter und dritter Lesung zuzustimmen, damit wir den Wert dieser Berlinhilfe nicht durch unnütze Verzögerung abschwächen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löbe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Löbe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die öftere Wiederkehr der Debatten über Hilfsmaßnahmen für Berlin von diesem Platze aus könnte leicht die Vorstellung erwecken, als hätten Sie es mit einem Bittsteller zu tun, der von Tür zu Tür geht und um eine milde Gabe bittet,

    (Sehr richtig! bei der KPD)

    von einem Ministerium zum andern und von einer Fraktion zur andern, um mit dieser milden Gabe noch einige Tage oder einige Wochen sein Leben zu fristen. Ich möchte diese Vorstellung gern aus Ihrem Gedächtnis streichen. Denken Sie lieber an einen immer noch kräftigen Arbeitsmann, der seine Arme und Hände gern rühren möchte, aber auf seinen Schultern eine ungeheure Last trägt, die ihn bis zur Erde niederbeugt. Wir möchten Sie bitten, diese Last lockern zu helfen. Nur darum handelt es sich. Wir appellieren, wie alle unsere Redner ausgeführt haben, an jene gesamtdeutsche Gesinnung, die wir eigentlich bei keiner Partei vermissen möchten, und es ist eine schmerzliche Enttäuschung, daß trotzdem — es sind nicht alle Bayern —, aber die sogenannte Bayernpartei

    (Abg. Dr. Seelos: Die „sogenannte"? — Es heißt Bayernpartei!)

    in jeder Art und Weise versucht, wenn nicht zu
    verhindern, so doch mindestens zu verschleppen.

    (Abg. Dr. Seelos: Dagegen wehre ich mich! Wir wollen das nicht verschleppen, sondern wir wollen gegen geschäftsordnungswidrige Praktiken angehen! — Zustimmung bei der BP.)

    — Ich habe gemerkt, Herr Dr. Seelos, daß Sie auch geschäftsordnungsmäßige Spitzfindigkeiten in den Dienst dieser Tätigkeit stellen.

    (Sehr richtig! bei der SPD. —Abg. Dr. Seelos: Das ist keine Spitzfindigkeit!)

    — Damit möchte ich mich nicht auseinandersetzen, sondern mit den Argumenten, die Sie vorbringen.
    Die Rede, die heute so sachlich begann, leider aber einen unsachlichen Ausgang nahm,

    (Abg. Dr. Seelos: Sind die bayrischen Notgebiete unsachlich? Ist das kein Faktum?)

    ist in mancher Ihrer Behauptungen von uns zu korrigieren. Werter Herr Kollege, es ist nicht so, daß auf den Ruf der Berliner: „Helft mir!" immer der Bundestag schon am nächsten Tag gesprungen kam und half. Wir haben um das, was heute zur Entscheidung steht, dreieinhalb Monate lang gerungen, ehe es für dieses Haus beschlußreif wurde. Sie können auch die Bedenken zurückstellen, die Sie wegen einer unlauteren Konkurrenz haben, die aus der Umsatzsteuerermäßigung entstehen könnte. Was ist denn die Ursache dieser Vergünstigung? Die Gestehungskosten in Berlin sind heute wegen der Verkehrsschwierigkeiten und all der anderen Umstände, die Sie kennen, 9 bis 12 Prozent höher als im Westen Deutschlands. Durch die Umsatzsteuerermäßigung von 3 Prozent wollen wir diesen Gegensatz etwas mildern. Sollten dabei im Verkehr — welche Befürchtung Sie ausgesprochen haben — der Westsektoren mit dem Ostsektor und der Ostzone Unregelmäßigkeiten zu befürchten sein, so wird der Berliner Magistrat aus eigenem, aber auch auf Anruf durch Sie alles tun, um solche Unregelmäßigkeiten zu beseitigen. Sehen Sie, uns berührt es besonders eigentümlich, daß eine Partei, die trotz ihres föderativen Charakters doch immerfort mit Wünschen und Anträgen an den Bund tritt,

    (Sehr wahr! bei der SPD .und in der Mitte)



    (Löbe)

    bei unserem Fall so wenig brüderlich deutsch, möchte ich sagen, handelt.

    (Abg. Dr. Seelos: Das stimmt ja gar nicht! Werfen Sie keine bittere Pille in diese Debatte!)

    — Ja, das stimmt leider. Sie haben manchen Antrag für Ihre von mir anerkannten Notgebiete im Bayrischen Wald usw. gestellt. Haben Sie jemals gehört, daß ein Berliner Abgeordneter sich gegen Ihre Forderungen gewendet hätte, wie Sie es täglich tun?

    (Abg. Dr. Seelos: Dagegen wehre ich mich ja gar nicht!)

    Schon aus dieser Gegenüberstellung müßten Sie
    eigentlich sehen, wie ungerecht Ihre Darstellung ist.

    (Abg. Dr. Seelos: Sie haben dreieinhalb Monate Zeit gehabt und wir einen Tag, um das Gesetz zu kennen! Darum handelt es sich! — Gegenruf links: Wo seid ihr denn die ganze Zeit gewesen?)

    Meine Damen und Herren! Über dieses gesamtdeutsches Interesse hinaus bitten wir um die Erledigung dieser Beschlüsse, weil es auch aus anderen Gesichtspunkten nicht zu spät werden darf. Wenn einmal der Damm zerbricht, den Berlin heute bedeutet,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    dann wird eine Flut alles niederreißen, was wir heute für Aufbau, für Frieden und für einen vielleicht wieder möglichen Wohlstand schaffen. Alles dies würde hinweggeschwemmt werden und nicht mehr wiederkommen.

    (Zuruf von der SPD: Auch in Bayern! — Zurufe von der KPD.)

    Dann werden wir nicht mehr um Kriegsopfer- oder Flüchtlingsversorgung streiten können; dann sind wir und unsere Kinder vielleicht selber die Flüchtlinge, für die die Welt kein Asyl mehr hat. Es ist eine Schwäche des einzelnen Menschen und seiner Gesellschaft, oft die Entscheidungsstunde zu verpassen und nachher zu sagen: ach, hätte ich das gewußt! Vermeiden Sie diesen Fehler und helfen Sie rechtzeitig, an Stelle gewaltsamer Auseinandersetzungen die Abwehr mit gewaltlosen und unblutigen Mitteln durchzusetzen, die uns viel Schwereres ersparen wird.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei allen Parteien außer der BP und der KPD.)