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ID0103700900

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    Deutscher Bundestag - 37. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1950 1215 37. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . 1215D, 1244D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen zur Förderung der Wirtschaft von GroßBerlin (West) (Drucksachen Nr. 500 und 496) 1215D Dr. Reif (FDP), Berichterstatter 1216A Tillmanns (CDU) . . . . . . 1216B Dr. Besold (BP) . . . . . . . 1218A Rische (KPD) 1219C Stegner (FDP) 1222C Löbe (SPD) 1223C Dr. von Merkatz (DP) 1224B Dr. Horlacher (CSU) 1225A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Anträge der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung, der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben, der Abgeordneten Rademacher, Stahl, Dr. Oellers, Dr. Schäfer, Dr. Wellhausen und Fraktion der FDP betr. Preiserhöhung für Treibstoff (Drucksachen Nr. 501, 465, 331, 363, 384) 1225B, 1233A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 1225C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1228A Zur Geschäftsordnung, Frage der Vertagung: Euler (FDP) 1228B, 1231C Seuffert (SPD) . . . . . . . 1228D Loritz (WAV) 1229D Rische (KPD) . . . . . 1230B Rademacher (FDP) . . . . . . . 1230D Dr. Schmid (SPD) . . . . . . . 1231D Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen . . . . . . . 1232A Persönliche Bemerkungen: Dr. Seelos (BP) . . . . . . . 1232B Schüttler (CDU) 1232D Unterbrechung der Sitzung . 1233A Zur Sache: Loritz (WAV) 1233B, 1243D Rademacher (FDP) . . . . . 1235B Vesper (KPD) . . . . . . . 1237A Reismann (Z) . . . . . . . 1238B Seuffert (SPD) 1239D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1241C Dr. Solleder (CSU) 1242A Etzel (CDU) 1242D Nächste Sitzung 1244D Die Sitzung wird um 9 Uhr 48 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Dr. Anton Besold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß Berlin ein Sorgenkind des Bundes ist und daß diesem Sorgenkind geholfen werden muß. Da aber der Bund verschiedene Sorgenkinder hat, dürfen wir bei diesen Hilfsmaßnahmen den Dingen nicht völlig kritiklos gegenüberstehen. Die Fraktion der Bayern-Partei hat sich mit dieser neuen Hilfsmaßnahme auseinandergesetzt, und wir stehen nicht an, zu erklären, daß die Fraktion. den Vorschlägen in den Artikeln 1 und 2 zur weiteren Stützung Berlins zustimmen könnte. Die Hilfsmaßnahme, die in Artikel 3 vorgeschlagen und mit „Umsatzsteuervergünstigungen" überschrieben ist, kann jedoch in dieser Form von meiner Fraktion nicht angenommen werden.
    Wir stehen bei der kritischen Überprüfung dieser Hilfsmaßnahme nicht allein und verweisen Sie auf die Ausführungen und die Einwände, die schon im Bundesrat zu dieser Maßnahme gemacht worden sind; sie müssen im Interesse der gesamtdeutschen Wirtschaft unter allen Umständen einer gewissenhaften Prüfung unterzogen werden. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß diese Maßnahme in der Form, wie sie hier im Gesetz vorgeschlagen ist, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmungen innerhalb des Bundes sehr stark beeinträchtigen könnte. Ferner ist darauf hingewiesen worden, daß Finanzierungsmaßnahmen dann gefährlich sind, wenn sie über ein Steuergesetz — hier das Umsatzsteuergesetz — probiert werden. Wir wissen ganz genau, daß die Haushalts- und Wirtschaftslage Berlins noch weiter gestärkt werden muß. Wir wissen auf der anderen Seite aber auch, daß es im westdeutschen Gebiet gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage, bei der Arbeitslosigkeit, in der Zeit der zunehmenden Konkurse viele Unternehmungen gibt, die, nachdem sie sich nach diesem zweiten Zusammenbruch innerhalb einer Generation mit den letzten Kräften wieder emporgerappelt haben, um ihre Existenzfähigkeit ringen.
    Die Umsatzsteuervergünstigungen, die im Bundesrat als Bonus an den westdeutschen Ersterwerber bezeichnet worden sind und die man auch als eine besondere Exportprämie für Berlin kennzeichnen kann, sind theoretisch zunächst für das gesamte Wirtschaftsgebiet gültig. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß die Auswirkungen dieser Vergünstigungen in der Praxis nur einen ganz kleinen Teil westdeutscher Unternehmungen betreffen und begünstigen werden. Dazu kommt als weitere Folge, daß der Teil der Unternehmungen, der diese Vergünstigungen in Anspruch nimmt, notgedrungen zur Belebung Berlins seine gesamten wirtschaftlichen Beziehungen nach Berlin verlegt und den übrigen westdeutschen Unternehmungen, die vielleicht genau so notleidend sind und an der Kippe stehen, seine bisherige wirtschaftliche Hilfestellung entzieht, um sie nach Berlin zu verlagern. Diese Überlegungen müssen angestellt werden, wenn man erkannt hat, daß es sich hier zweifelsohne um gefährliche einseitige Wettbewerbsmaßnahmen handelt.
    Wir haben auch größte Bedenken gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Überwachung dieser Hilfsmaßnahme. Sie wissen alle, daß gerade die Wirtschaftsunternehmungen unserer Generation, die den ersten Weltkrieg mit der Inflation und den zweiten Weltkrieg mit den Währungserschütterungen, mit den unerhörten Steuergesetzen und ihrem konfiskatorischen Charakter überdauert haben, sich nolens volens dazu entschließen mußten, in geradezu raffinierter Weise die Gesetzgebung zu durchbrechen, um existenzfähig zu sein. Wir wissen auch, daß man das — vielleicht berechtigt, vielleicht unberechtigt — als unmoralisch bezeichnet hat, insbesondere auf dem Gebiet der Steuergesetzgebung. Dieser Zug, der nun einmal durch die gesamte Wirtschaftsentwicklung und die Ungunst der Zeit in unser Wirtschaftsleben hineingebracht worden ist, wird hier nur wieder mehr Boden finden. Die wirklich begrüßenswerten Hilfsmaßnahmen für Berlin werden sich nicht auf Berlin beschränken. .Ich glaube, es wird nicht verhindert werden können, daß diese Hilfsmaßnahmen sich nicht nur nach West-Berlin, sondern auch nach Ost-Berlin hinein auswirken und besonders von geschäftstüchtigen Leuten ausgewertet werden, während der solide Geschäftsmann in Westdeutschland unter dieser einseitigen Bevorzugungsmaßnahme leiden wird. Insbesondere werden diejenigen Unternehmungen leiden, denen durch die Verlagerung der gesamten Wirtschaftsbeziehungen nach Berlin vielleicht die letzten Grundlagen genommen werden. Diese Auswirkungen müssen, auch wenn es sich um eine Hilfsmaßnahme für Berlin handelt, entscheidend berücksichtigt werden.
    Wenn bei der Einbringung dieses Gesetzes in der letzten Sitzung beantragt worden ist, die Gesetzesvorlage dem zuständigen Ausschuß zu überweisen, und wenn sie dem Finanzausschuß überwiesen worden ist, so glauben wir feststellen zu müssen, daß damit einer zuverlässigen und einwandfreien Überprüfung der Auswirkungen dieses Gesetzes in keiner Weise Genüge getan ist. Vielmehr kann das einzige sachverständige Gremium, das die Auswirkungen dieses Gesetzes wirklich zuverlässig überprüfen und uns dann den Überprüfungsbericht objektiv übermitteln kann, nur der Wirtschaftsausschuß sein. Wir werden daher beantragen, daß dieses Gesetz, insbesondere die Bestimmung in Artikel III dem einzig zuständigen Ausschuß, dem Wirtschaftsausschuß, zur nochmaligen Nachprüfung überwiesen wird. Das bedeutet keine Verzögerung dieser Gesetzesvorlage.


    (Dr. Besold)

    Wenn wir uns an die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers in der Sitzung vom 8. Februar 1950 erinnern, so hat er dort in seinem Referat an Hand von Zahlen gezeigt, daß durch die bisherigen Subventionen eine günstige Entwicklung der Wirtschafts- und Haushaltslage von Berlin zu verzeichnen ist. Er hat sich wörtlich dahin ausgedrückt, daß eine Besserung der Berliner Wirtschaft festzustellen sei. Das heißt doch, daß dieses notleidende Berlin, dieses Sorgenkind des Bundes, wenigstens einmal auf die Füße gestellt ist und laufen kann. Das heißt fernerhin für uns, daß wir bei weiteren Hilfsmaßnahmen nicht kritiklos und leichtfertig über derartig einschneidende Maßnahmen, die das gesamte westdeutsche Wirtschaftsgebiet betreffen, hinweggehen können. Es geht nicht an, daß wir bei einem derartigen Gesetz nur durch den Ruf „Berlin!" wie hypnotisiert am Schnürchen dasitzen und eine Entscheidung ohne die zuverlässigen Überprüfungen fällen.
    Wir dürfen schließlich nicht vergessen, daß der Bund auch andere Sorgenkinder hat, Sorgenkinder, die nicht weniger in Gefahr sind und nicht weniger um ihre Existenz kämpfen.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Wir dürfen bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß wir den Bund schon lange und seit Monaten darauf hingewiesen haben, daß sich auch in der Bayerischen Ostmark ein Wirtschaftsgebiet befindet. das die gleichen Voraussetzungen wie Berlin hat, das ebenfalls unter den Auswirkungen des geschlossenen Eisernen Vorhangs leidet, das noch dazu in einem völlig abgeschlossenen Winkel ist, wo die Zufuhr von Rohmaterial und die Abfuhr von Fertigwaren einer besonderen Ungunst unterworfen sind. Wir haben beantragt, Maßnahmen für dieses Gebiet zu überlegen und in die Wirklichkeit umzusetzen.
    Wenn der Ruf „Berlin!" kommt, dann wird innerhalb weniger Tage entschieden und das Gesetz durchgetrieben. Wenn ein Ruf aus dem bayerischen Osten oder, wie gestern, aus Schleswig-Holstein kommt, wo durch die Flüchtlingsfrage geradezu ein Notstand gegeben ist, dann hat man Zeit zu überlegen und zurückzustellen.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Wir rufen den Bund und alle hier anwesenden Abgeordneten auf, die übrigen Sorgenkinder des Bundes nicht zu vernachlässigen. Der Bund und die westdeutsche Bevölkerung haben unerhörte finanzielle Unterstützungen, die schließlich vielleicht auch in einer größeren Summe zum Aufbau des westdeutschen Wirtschaftsgebiets hätten verwendet werden können, nach Berlin gepumpt. Wir wissen, daß das Notopfer Berlin geleistet wird und daß diese Unterstützungen bis zum Ende dieses Jahres verlängert worden sind. Man kann nicht bloß einem Notgebiet alles geben und die anderen vergessen, die in den schwierigsten Zeiten, die unser deutsches Vaterland überhaupt zu überwinden hatte, die Arbeitslosigkeit und seit Jahr und Tag die Hilfestellung gegenüber den Flüchtlingen allein getragen haben. Vergessen Sie das nicht! Diese Mahnung wollte ich an Sie gerichtet haben.
    Ich möchte gerade mit Rücksicht auf die Ausführungen eines Vorredners daran erinnern, daß die Hilfsmaßnahmen für Berlin auch richtig gesteuert werden müssen und daß nicht vielleicht, wie hier schon oft durch verschiedene Abgeordnete ausgedrückt worden ist, einseitigen parteipolitischen Maximen Rechnung getragen werden darf. Wir haben seinerzeit, schon vor Monaten, als der BerlinAusschuß in Berlin die Verhältnisse untersucht und festgestellt hatte, daß ein gewisser Teil der Bevölkerung von der sozialen Hilfestellung dieser Unterstützungen wenig verspürt, den Antrag gestellt, daß man von den Geldern, die nach Berlin abgezweigt werden, auch einen entsprechenden und ausreichenden Teil der katholischen Caritas und der evangelischen Inneren Mission zuteilt, um hier eine gleichmäßige Ausstrahlung auf die gesamte notdürftige Berliner Bevölkerung zu gewährleisten. Auch dieser Antrag ist bis heute noch nicht verbeschieden, obwohl es im Interesse von Gesamtberlin und der gesamten Berliner Bevölkerung, im Interesse der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit höchst notwendig gewesen wäre.

    (Sehr gut! bei der BP.)

    Die Fraktion der Bayernpartei würde — um es nochmals zu sagen — den Artikeln I und II zustimmen. Sie kann dem Artikel III nicht zustimmen. Sie beantragt daher, dieses Gesetz zur neuerlichen Prüfung dem Wirtschaftsausschuß zu überweisen.

    (Beifall bei der BR)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.

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    Rede von Friedrich Rische


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Sie gehen sicher mit mir in der Auffassung einig, daß um Berlin politisch gerungen wird und daß jeder Groschen für Berlin einen Beitrag zu diesem unheilvollen politischen Kampf darstellt. Meine Fraktion bedauert es außerordentlich, daß es zu dieser harten Auseinandersetzung um die deutsche Hauptstadt überhaupt gekommen ist. Wenn man allerdings zurückblickt, wenn man die Ereignisse verfolgt, die dazu geführt haben, daß schließlich Berlin zum politischen Problem Nr. 1 in Deutschland wurde, dann kann man immer wieder feststellen, daß es dabei sehr viele historische Irrtümer und eine Unmasse von Verleumdungen gibt. Wir Kommunisten sind der Auffassung, daß es bei einer konsequenten Politik der Befolgung der Potsdamer Beschlüsse niemals zu diesem Problem Berlin gekommen wäre. Wir hätten dann wahrscheinlich auch nicht zwei politisch voneinander getrennte Teile in unserem von Leid so geprüften Vaterland.

    (Zuruf in der Mitte: Allerdings!)

    Meine Damen und Herren! Durch die Vorlage des
    Gesetzentwurfs über angebliche Hilfsmaßnahmen

    (Zuruf in der Mitte: „Angebliche"?)

    zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) werden Sie keinesfalls erreichen, daß die wirtschaftlichen, viel weniger noch die politischen Probleme der deutschen Hauptstadt gelöst werden. Hier müßten Sie, wenn Sie wirklich helfen wollen, grundsätzliche Maßnahmen beschließen. Sie müßten die Frage politisch aufrollen. Das wird auch bei allen Debatten, die bisher um die deutsche Hauptstadt geführt wurden, von uns immer wieder versucht. Leider, habe ich gesagt, gibt es dabei eine Unmasse von Verzerrungen. Leider gibt es dabei immer wieder den Versuch, die so von Leid geprüfte Stadt zum Mittelpunkt weltpolitischer Auseinandersetzungen zu machen.
    Das vorliegende Gesetz sieht einige — wie Sie sagen — Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft Berlins vor. In Wirklichkeit wissen Sie ganz genau und werden es, wenn Sie ehrlich sind, zugeben, daß Sie nur eine Bürgschaft für eine längst als bankrott bekannte und gekennzeichnete Wirt-


    (Rische)

    schaftspolitik geben. Alles, was Sie unternehmen werden, wird nicht dazu ausreichen, um diesen weiter fortschreitenden Bankrott, den Zerfall der Berliner Wirtschaft wirklich aufzuhalten. Wenn dabei von einigen Kollegen behauptet wird, daß Berlin heute um Europas willen gehalten werden müsse, so möchte ich einmal fragen, warum man sich dann nicht an Europa wendet, um den Kampf um Berlin zu führen. Das überläßt man wohlweislich den deutschen, besonders den westdeutschen Steuerzahlern.
    Dann redet man, wenn es um Berlin geht, an dieser Stelle von der Verteidigung des Abendlandes. Ich habe die größten Bedenken gerade gegen die Verwendung dieser Worte von der „Verteidigung des Abendlandes". Das hat uns Dr. Goebbels jahraus jahrein immer wieder vorgekaut und in die Hirne des deutschen Volkes hineingehämmert Ihr Abendland ist heute allzusehr mit Oradour, mit Auschwitz und Buchenwald, mit den Millionen von Arbeitslosen in Westeuropa verbunden. Mit Ihrer Formulierung von der Verteidigung der Kultur des Abendlandes wenden Sie sich aus einem Gefühl der Überheblichkeit gegen die Weltkultur,

    (Zurufe rechts: Siehe Osten! — Ostkultur!) wenden Sie sich dagegen, daß es eine Kultur gibt, die einen einzigen Nenner hat und die ihre Repräsentanten in allen Ländern aufweist.


    (Abg. Euler: Er muß ja selber lachen!)

    Ein Viktor Hugo, ein Tolstoi, ein Strindberg und ein Goethe,

    (Lachen bei der SPD, in der Mitte und rechts.) das waren Repräsentanten der Weltkultur, das waren nicht Vertreter — wie Sie sagen — des Abendlandes.


    (Abg. Dr. Wellhausen: Vorsichtig!)

    Sie wissen ganz genau, das Berlin-Problem ist ein echtes deutsches Problem, und seine Lösung hängt davon ab, daß wir alle zusammen, die willigen, gut gesinnten Deutschen, die eine fortschrittliche Lösung der politischen Probleme des Vaterlandes anstreben, endlich Schluß machen mit dem „Kampf um Berlin".
    In Artikel III des Gesetzes haben Sie für westdeutsche Unternehmer, die Waren von Berlin abnehmen, eine Steuervergünstigung vorgesehen. Herr Kollege Tillmanns, Sie haben einen Appell an die westdeutsche Unternehmerschaft gerichtet, sie solle doch die Möglichkeiten des Gesetzes ausnutzen. Aber die „Solidarität" der westdeutschen Unternehmerschaft für die Wirtschaft West-Berlins ist nur dann gegeben, wenn man zu gleicher Zeit den westdeutschen Unternehmern Umsatzsteuervergünstigungen von jährlich 20 Millionen DM zur Verfügung stellt. Nennen Sie das auch Solidarität für Berlin? Wir wissen ganz genau: Wenn die Herren von der rechten Seite Politik machen, dann denken Sie dabei unweigerlich ans Geschäft. So auch wieder in dieser Frage!
    Die Umsatzsteuervergünstigung nach Artikel III soll eine Intensivierung des Warenaustausches mit West-Berlin erreichen. Ich erinnere hier aber an Maßnahmen der Bundesregierung, beispielsweise an das Stahl-Embargo der Adenauer-Regierung, an das Embargo, das sicherlich auf höchsten Druck angeordnet wurde. Wollen Sie etwa damit erreichen, daß der innerdeutsche Warenverkehr noch mehr gedrosselt wird und im Endresultat auch die West-Berliner Wirtschaft trifft? Sie hätten alle Ursache, endlich einmal die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West und die Intensivierung des innerdeutschen Handels mit Nachdruck von Ihrer eigenen Regierung zu fordern, von einer Regierung, die sich nur ständig bemüht, Schwierigkeiten gerade auf diesem Gebiete zu machen.
    Herr Kollege Tillmanns, wenn Sie von kleinlichen Verkehrsschwierigkeiten bei Helmstedt sprechen. dann hätten Sie um der Wahrheit willen hier auch erklären müssen, daß bei Helmstedt dutzende und dutzende Male versucht wird, zu schmuggeln und die Wirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen. Wenn man einen Vertrag eingegangen ist, den bekannten Interzonenhandelsvertrag von Frankfurt, dann besteht alle Ursache, daß man sich auch zu dem Buchstaben des Vertragswerks bekennt.

    (Zuruf von der Mitte: Zu dem Geist!)

    Und wie sieht die Wahrheit aus? In Wahrheit ist es so, daß das Stahl-Embargo mit der Begründung verkündet wurde, die Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik sei ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen. Ich erkläre hier namens meiner Fraktion, daß dies nicht stimmt. In Wirklichkeit gibt es Sperrlisten. In Wirklichkeit gibt es seitens der Treuhandstelle für Interzonenhandel ausgesprochene Behinderungen der Einfuhr von Waren aus der Deutschen Demokratischen Republik nach Westdeutschland. Das sind die Tatsachen. Ich denke, Sie hätten alle Ursache, sich über diese Frage einmal zu unterhalten und über dieses Problem auch von dieser Stelle aus der West-Berliner Bevölkerung die volle Wahrheit zu sagen.
    Meine Damen und Herren! Bei der Lösung des Berlin-Problems kommt es nicht auf die Schärfe der Polemik, sondern vielmehr auf grundlegende Lösungen an. Unserer Meinung nach kann man Berlin nur helfen, wenn die deutsche Hauptstadt ihre Einheit wiedererhält.

    (Zuruf rechts: Russisch wird!)

    Wir wissen. daß es hier und in Westberlin Kräfte gibt, die sofort politisch bankrott machen würden, wenn die Einheit der deutschen Hauptstadt wiederhergestellt würde. Wir wissen, daß es Politiker gibt, die von der Spaltung Berlins „politisch" leben. Berlin muß aber nicht nur die Einheit wiedererhalten, Berlin muß Hauptstadt eines einheitlichen und demokratischen Deutschland werden.
    Sie, Herr Kollege Tillmanns, haben dann in diesem Zusammenhang von den politischen Erfahrungen gesprochen, die die Deutschen jenseits der Grenze von Helmstedt in den letzten vier Jahren gesammelt haben. Ich kann Ihnen versichern: diese 18 Millionen Deutsche haben wahrhaftig in den letzten vier Jahren eine Unmasse von politischen Erfahrungen gesammelt.

    (Anhaltender, ironischer Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Diese deutschen Menschen in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone,

    (Zuruf rechts: ehemaligen?)

    in der gegenwärtigen Deutschen Demokratischen Republik

    (Lachen)

    haben gelernt, wie man wahrhaft demokratische Errungenschaften und Reformen auch kämpferisch verteidigen muß.

    (Lachen und anhaltende Unruhe.)

    Ich weiß ganz genau, daß Sie gegen diese kämpferische Demokratie selbstverständlich sehr viele
    Einwände haben. Sie wissen ganz genau, daß diese


    (Rische)

    Demokratie unvereinbar ist mit der Herrschaft der Junker und der Monopole, mit der Herrschaft der Schieber, der Kriegshetzer und der Verderber des deutschen Volkes.

    (Anhaltende Zurufe. — Dr. Schmid: Aber nicht der Konzentrationslager!)

    — Diese deutschen Menschen, Kollege Schmid, haben die Erfahrung gesammelt, daß man die Demokratie verteidigen muß gegen alle Angriffe, woher sie auch kommen mögen.

    (Abg. Dr. Schmid: Mit Gestapomethoden! — Abg. Dr. Preusker: Also auch gegen Sie! — Anhaltende Unruhe.)

    Sie werden eines Tages in Westdeutschland begreifen lernen, daß gerade Ihre Position in West-Berlin und Ihre so erfolglose Wirtschaftspolitik und,
    wenn Sie wollen, auch „Außenpolitik" nicht der
    von Ihnen gewünschte Anziehungspunkt, nicht nur
    nicht für die West-Berliner, sondern auch nicht
    mehr für die westdeutsche Bevölkerung sein wird.

    (Abg. Dr. Schmid: Warum laßt Ihr denn da nicht wählen? — Zuruf rechts: Sie haben Angst!)

    — Herr Kollege Schmid, Sie wissen ganz genau,

    (Zuruf rechts: Ich weiß ganz genau, warum!) daß es im Kampf um die Demokratie auf mehr als auf formale Wahlakte ankommt, nämlich auf tatsächliche demokratische Reformen.


    (Lachen und anhaltende Unruhe. — Abg. Dr. Schmid: Ihre Demokratie ist der Genickschuß !)

    Beruhigen Sie sich, wir werden außerdem als echte Demokraten auch noch wählen lassen! Und seien Sie sich darüber im klaren, diese Wahl wird ein Bekenntnis zu den sozialen Reformen, zur lebendigen. kämpferischen Demokratie sein.

    (Erneute Zurufe. — Abg. Dr. Schmid: Wir sind im Fasching! Abg. Strauß: Zur Erschießung der Demokratie!)