Die Seeleute und der Schiffsbau sind zu kurz gekommen! Gerade unsere Werften an der Wasserkante warten darauf, daß sie den Kredit bekommen, den sie benötigen, um erst einmal 150 000 Tonnen Schiffsraum herzustellen. Diese 150 000 Tonnen Schiffsraum, die unsere Werften jetzt zu bauen imstande sind, werden dazu beitragen, daß wir 10- bis 15 000 Werftarbeiter mehr in Lohn und Brot bekommen. Darüber hinaus werden einige Tausend Seeleute auf diesen Schiffen hinausgehen können, und auch bei den Reedereien wird einiges Personal in Lohn und Brot kommen, wenn unser Schiffsbau endlich in genügendem Maße berücksichtigt wird. Die 150 000 Tonnen Schiffsraum, die wir in einem Jahr bauen wollen, benötigen allein 100 000 Tonnen Stahl, der aus dem Ruhrgebiet nach der Wasserkante zu bringen ist. Diese 150 000 Tonnen Schiffsraum werden auch dazu beitragen, daß die Zubringerindustrien zusätzliche Beschäftigung finden. Darum muß mit allem Ernst darauf geachtet werden, daß die Kredite für den Schiffsbau in dem Maße bereitgestellt werden, wie unsere Schiffsbauindustrie und unsere Seeschiffahrt es von der Regierung erwarten.
Einiges möchte ich nun den Kollegen von links noch sagen.
Wichtig ist es, das eine zu begreifen: wenn wir die Arbeitslosigkeit beseitigen wollen, wenn wir unsere Wirtschaft erfolgreich aufbauen wollen, dann darf unter keinen Umständen der Wirtschaftsfrieden fahrlässig gefährdet werden. In der letzten Zeit werden bedenkliche Äußerungen getan, die etwa dahin lauten: Wir werden um Lohnforderungen und dergleichen Dinge nicht herumkommen. Ich fürchte, daß diese Lohnforderungen uns in eine Zeit hineinführen werden, in der dann die Wirtschaftskämpfe in einem Maße entbrennen, daß die Arbeiter sowohl wie die Wirtschaft selbst in die größte Gefahr kommen.
— Jawohl! Daher bitte ich, eines zu beachten: sie
sind es nicht allein, die entscheiden. Es ist erfreulich, daß Herr Böckler, der Vorsitzende der Gewerkschaften, sich bereit erklärt hat, nur so weit zu gehen, wie es ohne Gefahr für die Wirtschaft möglich ist.
Aber vergessen Sie eins nicht: Ihre „Freunde" von links — und wir haben es in allen Ländern beobachten können — werden dafür sorgen, daß die Störungen in der Wirtschaft in einem Maße einreißen, daß sie alles in Gefahr bringen. Denen geht es ja nicht darum, den Arbeitern oder .der Wirtschaft zu helfen. Wo jener Stern strahlen soll, da muß Nacht sein, da muß Elend herrschen. Daher die Störungen von dieser Seite, vor denen ich alle warnen möchte, warnen aus dem ernsten Empfinden heraus, daß sie nur zur Katastrophe führen können.
Nun noch ein paar Worte zu dem, was wir vom Ausland zu erwarten haben und was wir dem Ausland zu sagen haben. Herr Professor Nölting hat England angeführt. Ich darf betonen: wir freuen uns wirklich, daß uns von amerikanischer Seite in einer Weise geholfen worden ist, wie wir es wohl kaum hätten erwarten können; trotzdem ist es geschehen. Nichtsdestoweniger bleibt noch sehr viel zu tun gerade für die Besatzungsmächte, die die größte Möglichkeit haben, dazu beizutragen. daß unsere Wirtschaft mehr in Gang kommt und daß die Arbeitslosigkeit reduziert wird. Ich nehme an, daß die verantwortlichen Staatsmänner in England ihren Shakespeare ebensogut kennen wie den Karl Marx. Shakespeare läßt seinen Shylock dem Richter sagen: You take my life, when you take the means whereby I live. Das, meine Damen und Herren, möchten wir jenen Kreisen auch entgegenhalten: sie nehmen unseren Arbeitern, unserem arbeitenden Volke das Leben, wenn sie ihnen die Möglichkeit und die Mittel nehmen, womit sie das Leben verdienen können.
Wir haben allen Grund, daran zu erinnern. Täglich hören wir an der Wasserkante, wie unseren Seeleuten die Möglichkeiten genommen werden, auf ausländischen Schiffen anzumustern. Da hat in den letzten Tagen ein dänischer Kapitän vergeblich versucht, drei deutsche Seeleute für sein Schiff zu bekommen. Er ist bei dem englischen permit-officer gewesen; der hat ihm gesagt: nein, nicht nötig, er könne auch ohne diese drei Mann fahren. — Solche Maßnahmen sind nicht geeignet, Vertrauen für die Ratschläge derjenigen zu erwecken, die uns fortgesetzt raten: ihr müßt etwas tun, damit die Erwerbslosigkeit beseitigt wird! Wir wollen etwas tun; man soll uns aber die Möglichkeiten für ein solches Tun nicht durch Maßnahmen verbauen, wie sie immer wieder in Erscheinung treten. Das muß den Herren gesagt werden; denn es ist ja nicht so, daß man unsere Seeleute ablehnt, weil sie nichts taugen. Wo hat es schon einmal jemand gegeben, der hätte behaupten können: die deutschen Seeleute taugen nichts, daher können wir sie nicht brauchen? Ich habe von Mr. Havlock Wilson, dem verstorbenen englischen Seemannsführer, persönlich erfahren, daß die deutschen Seeleute, die bei ihm organisiert waren, die besten Seeleute waren. Aber gerade weil die deutschen Seeleute tüchtig sind, weil überhaupt die deutsche Tüchtigkeit in der Welt bekannt ist, will man — so scheint es — deutsche Seeleute auf den Schiffen des Auslandes nicht zulassen. Hier muß Wandel geschaffen werden. Wir
1172 Deutscher Bundestag — 3f3. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. Februar 1950
glauben und hoffen, daß unsere Regierung nichts unterlassen wird, um alle Möglichkeiten dafür auszuschöpfen.
Zum Schluß möchte ich sagen: Wir dürfen das Vertrauen in unsere Regierung setzen, daß der Wille zur Beseitigung der Not, der in der Regierungserklärung zum Ausdruck kam, mit dem Steigen der Erwerbslosigkeit nur noch fester, nur noch stärker geworden ist
und daß die Regierung entsprechend handeln wird. Damit ist, glaube ich, auch der Antrag der SPD erledigt.