Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde bedauern, daß die Mehrheit des Ausschusses sich nicht bereit gefunden hat, diesen Antrag auch mit einigen klaren
Richtlinien zu versehen, um der Regierung gegenüber zum Ausdruck zu bringen, wie man sich diese Neuordnung denkt. Ich kann leider nicht wie der Herr Kollege Blank die Versicherung aussprechen, daß ich zum Herrn Bundeskanzler das Vertrauen habe, daß er eine Vorlage auch nur gemäß dem Ahlener Programm bringen wird. Der Herr Bundeskanzler ist auf diesem Gebiet kein unbeschriebenes Blatt;
das weiß Herr Kollege Blank selber sehr gut. Ich will jetzt in diesem Zusammenhang gar nicht anführen, was der Herr Bundeskanzler jeweilig, zum Teil widersprechend, als Parteiführer geäußert hat, sondern ich möchte nur darauf hinweisen, daß seine Ausführungen in der Regierungserklärung nicht die einzige Erklärung darstellen, die er in dieser Hinsicht als Bundeskanzler abgegeben hat. Ich denke daran, daß er das Angebot der Beteiligung ausländischen Kapitals an deutschen Werken nach Paris gerichtet hat. Ich denke daran, daß er dieses Angebot noch durch die befürwortende Übermittlung eines Finanzierungsvorschlages der Vereinigten Stahlwerke unter Heranziehung ausländischer Kapitalbeteiligung bekräftigt hat.
Meine Damen und Herren, das ist zu diesem Kapitel nicht nur geredet, es ist vielmehr dazu gehandelt,
und zwar in einer Form, daß man sagen könnte, es wird versucht, vollzogene Tatsachen zu schaffen, die eine umfassende Neuordnung im Rahmen der deutschen Wirtschaft und in deutscher Zuständigkeit ausschließen, insbesondere vollzogene Tatsachen zu schaffen, die der Vergesellschaftung der deutschen Grundstoffindustrie entgegenstehen.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich für die heutige Debatte mit einer ganz kurzen Feststellung begnügen: Wir wollen, daß die deutsche Grundstoffindustrie Volksbesitz wird. Wir wollen, daß in keiner Beziehung eine Rekapitalisierung erfolgt, sondern daß eine Sozialisierung erfolgt. Wir wollen, daß keine Besitz- und damit Verfügungsrechte an inländische und ausländische Kapitalinteressenten gegeben werden. Wir bestreiten nicht, daß die Ruhrwirtschaft europäische Funktionen hat. Aber wir betonen nicht losgelöst von der deutschen Wirtschaft selbst, sondern nur in Verbindung mit ihr. Ich möchte zu diesem Kapitel nur eine Feststellung treffen: die Ruhr gehört zu Deutschland, und Deutschland ist ein Bestandteil Europas. Wir stellen uns nicht dagegen, daß die deutsche Grundstoffindustrie in eine übergeordnete europäische Konstruktion eingegliedert wird. Aber es erscheint uns viel wichtiger, daß das mit nationalisierten Industrien geschieht. Dann ist die Sicherheit einer echten europäischen Konstruktion viel größer. Die Frage ist nur, welche Form der Nationalisierung durchgeführt werden soll.
Ich freue mich, von Herrn Kollegen Blank nicht wieder das Schreckgespenst der Verstaatlichung vorgeführt bekommen zu haben. Darin liegt viel Übertreibung. Der staatliche Bergbau vor 1914 war in seiner reaktionären Kraft stärker als der von Krupp und Stinnes. Der nach 1918 konnte einen Vergleich mit dem privaten Bergbau durchaus aushalten. Aber für uns ist ja
bei dieser Frage gar nicht entscheidend, ob an der Spitze des Bergbaues ein kapitalistischer Generaldirektor oder ein bürokratischer Staatsbeamter steht. Wir verstehen unter Sozialisierung etwas mehr. Wir wollen das Verhältnis des Menschen zum Betrieb ändern. Wir wollen die Menschen, die in diesen Betrieben arbeiten, verantwortlich einschalten. Wir wollen ihnen nicht nur Rechte geben, sondern wir wollen ihnen entsprechend diesen Rechten Mitverantwortung geben. Ich hoffe, daß wir insbesondere nach den Worten des Herrn Kollegen Blank Aussicht haben, hier zu einer konstruktiven Arbeit zu kommen. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß einmütige gewerkschaftliche Kundgebungen vorliegen und hier in diesem Hause Männer sind, die den Gewerkschaften angehören und hier sowohl der Opposition, wie der Regierungskoalition angehören. Es ist nur notwendig, meine Damen und Herren — verzeihen Sie —, daß Sie sich etwas an die Formulierungen erinnern, die Sie 1945, 1946 und 1947 gefunden haben.
Ich denke an ein Wort, das damals von Herrn Minister Kaiser ausgesprochen wurde: Die bürgerliche Gesellschaftsordnung gehört einem versunkenen Zeitalter an
und wird durch ein Zeitalter des werktätigen Volkes,
durch das Zeitalter der sozialistischen Lebenshaltung abgelöst.
Ich könnte noch eine Reihe solcher Hinweise bringen. Ich bringe sie in Erinnerung daran, was uns damals in der größten Not bewegte, und zur Mahnung, daß die Gedanken, die dort ausgesprochen wurden, doch endlich auch realisiert werden möchten.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Regierung wird bei ihrer Aufgabe nicht an den Verhandlungen vorbeigehen können, die, als es keinen Bundestag gab, schon im Lande NordrheinWestfalen in dieser Frage stattgefunden haben; sie wird an den Ergebnissen dieser Verhandlungen nicht vorbeigehen können. In Nordrhein-Westfalen haben wir ein Sozialisierungsgesetz beschlossen.
— Richtig, mit einer geringen relativen Mehrheit, aber immerhin hatte die Opposition sich vom starren Nein zur verlegenen Stimmenthaltung zurückentwickelt. Die englische Militärregierung hat dieses Gesetz nicht bestätigt. Auf die Gründe brauche ich nicht mehr hinzuweisen; sie sind von meinem Vorredner vorgebracht worden. Deshalb ist es Aufgabe des Bundes, nun bald aktiv zu werden.
Aber noch mehr als auf dieses Sozialisierungsgesetz lege ich Wert darauf, daß eine fast einmütige Zustimmung des Landtages Nordrhein-Westfalen zu einer Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten Arnold vorliegt, der sie seit dieser Zeit wiederholt erneut bestätigte. In dieser Regierungserklärung — ich bitte. einige Sätze daraus zitieren zu dürfen — heißt es:
Für die Neuordnung der Grundstoffindustrie
scheidet sowohl das System der bisherigen
großkapitalistischen Wirtschaftsweise wie
auch eine einseitig bürokratische Staatswirtschaft aus. Ziel muß vielmehr eine echte Gemeinschaft sein.
Dann heißt es weiter:
Eine Beteiligung des privaten Großkapitals in den vorgenannten Betriebs- und Industriezweigen wird ausgeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, noch einmal feststellen zu dürfen: der Landtag faßte diesen Beschluß einstimmig, allerdings ohne die wenigen Stimmen der FDP.
-- Aber bitte, die FDP ist wenige Wochen später auch schuldig geworden!
Wir haben dann am 2. August 1947 im Landtag eine Entschließung angenommen, die von der Militärregierung die Rückgabe des beschlagnahmten Eigentums forderte. Es heißt in dieser Encschließung:
Um sichere rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse in der Kohlenwirtschaft herzustellen, ersucht der Landtag die Militärregierung, die Beschlagnahme des Eigentums an der Kohlenwirtschaft aufzuheben und das Eigentum an eine von der Landesregierung zu benennende und vom Landtag zu bestätigende deutsche Treuhandverwaltung zu übertragen,
--- und nun kommt der entscheidende Satz — damit für die Kohlenwirtschaft eine gemeinwirtschaftliche Ordnung im Sinne der Regierungserklärung vom 17. Juni eingeführt werden kann.
Dieser Antrag ist auch von der FDP unterschrieben.
— Entscheidend ist, daß er mit unterschrieben worden ist!
Meine Damen und Herren, ich brachte diese Erinnerungen, weil ich glaube, daß sie es wert sind, aufgefrischt zu werden.
Wenn im Geiste dieser Manifestationen an die Aufgabe der Neuordnung herangegangen würde, dann könnte dieser Bundestag ein Beispiel fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen wesentlichen Teilen der Opposition und der Regierungskoalition geben. Unser guter Wille dazu steht fest, und diesen guten Willen unterstreichen wir dadurch, daß wir unbeirrt an unserer Forderung festhalten. Vergesellschaftung ist das Gegenteil von Privatisierung. Wir wollen eine echte Vergesellschaftung, wir wollen, daß die Grundstoffindustrie Besitz des deutschen Volkes wird!