Ich möchte zunächst dem Herrn Finanzminister meinen Dank für die Anerkennung aussprechen, die er in seinen letzten Worten dem Kampf der Berliner Bevölkerung um die Demokratie gewidmet hat. Ich möchte ferner auch dankend anerkennen, daß, seitdem ich am 30. September 1949 im Auftrage meiner Fraktion den Antrag begründet habe, der unter anderem politische und auch wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen für Berlin forderte, eine Reihe dieser Hilfsmaßnahmen erfolgt ist. Allerdings — das weiß auch der Herr Finanzminister — haben Berlin und auch meine Fraktion es nicht ganz verstanden, daß ausgerechnet in den schlimmsten Monaten des Winters, in denen sich die saisonbedingte Arbeitslosigkeit am meisten auswirken mußte, die Etathilfe reduziert worden ist.
Bei der gegenwärtigen Vorlage handelt es sich aber um den Wiederaufbau unserer Wirtschaft, und so bedeutungsvoll die Hilfe ist, die Berlin durch den ERP-Fonds in Gestalt von Krediten für die Berliner Wirtschaft erhalten hat, so notwendig sind doch auch die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen. Der Herr Minister hat sie im einzelnen gekennzeichnet, und ich darf nur hinzufügen, daß wir hoffen, daß die Bürgschaft von 50 Millionen, die der westdeutschen Wirtschaft den Mut geben soll, wenn ich mich so ausdrücken darf, von der Berliner Industrie zu kaufen, nicht in Anspruch genommen zu werden braucht und daß die Bürgschaft für den Kredit zum Zwecke des Ausbaus des Berliner Kraftwerks West wohl von mir hier nicht weiter begründet zu werden braucht. Wer weiß, was die Berliner Bevölkerung in der Finsternis der elf Blockademonate durchgemacht hat, wer sich die labile politische Lage ansieht, der wird ohne weiteres anerkennen, wie notwendig diese Hilfe ist.
Ich darf noch wenige Worte zu der Reduzierung der Umsatzsteuer im Westen für alle die Waren sagen, die aus Berlin gekauft werden. Gegenüber der hier und da aufgetretenen Befürchtung, daß dadurch Berlin eine zu starke Konkurrenz für die westdeutsche Wirtschaft werden würde, brauche ich wohl nur darauf hinzuweisen, daß leider das Berliner Preisniveau auch heute noch 8 bis 10 Prozent höher liegt als das westdeutsche. Infolge Fehlens von Maschinen, infolge der Verkehrserschwerungen und infolge des Mangels an Kapital haben wir diese Tatsache bisher nicht überwinden können. Aber schon sie zeigt ohne weiteres, daß Berlin für Westdeutschland, wie es teilweise befürchtet worden ist, eine Konkurrenz nicht darstellen wird. Im Jahre 1936 sind noch industrielle Lieferungen von Berlin nach auswärts in Höhe von 2 Milliarden erfolgt. Im Jahre 1949 hat aber dieser Betrag leider nur 0,4 Milliarden ausgemacht. Die Berliner Wirtschaft ist also bei weitem noch nicht so weit, daß sie wirklich die Schwierigkeiten überwunden hätte.
Im übrigen hat uns der Herr Finanzminister zwei Versprechungen gemacht, die bis heute nicht erfüllt worden sind. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich trotz der Aufzählung der verschiedenen Hilfsmaßnahmen für Berlin auf die Rede des Herrn Finanzministers vom 21. Oktober 1949 hinweise. In dieser Rede hat der Herr Finanzminister die Vergebung öffentlicher Aufträge nach Berlin und die Erklärung Berlins zum Notstandsgebiet im Sinne des § 24 Absatz 3 Satz 3 der Verdingungsordnung für Leistungen versprochen. Das letztere ist bisher nicht erfolgt.
Aber auch die Vergebung öffentlicher Aufträge
ist nur in einem ganz minimalen Betrage erfolgt.
Der Herr Minister hat darauf hingewiesen — und ich freue mich, es bestätigen zu können —, daß auf der einen Seite der Produktionswert der Berliner Industrie und dadurch auch das Finanzeinkommen sich erhöht hat. Der Produktionswert hat sich bis auf 113 Millionen monatlich erhöht. Demgegenüber aber ist ein zusätzlicher Auftragswert von Waren von Berlin nach Westdeutschland in Höhe von kaum 2 Prozent erfolgt. Ich wäre also sehr dankbar, wenn der Herr Finanzminister alles tun würde, um diese beiden uns gegebenen Versprechungen, die ja kein Geld erfordern, in Zukunft so schnell wie möglich zu erfüllen. Ich wäre um so dankbarer dafür, als ein anderes Versprechen bis heute nicht erfüllt worden ist, nämlich Bundesinstanzen nach Berlin zu überführen. Erst wenn unsere Industrie voll arbeiten kann, erst wenn wir den Absatzmarkt des Westens haben und wenn die Dienstleistungen, die immer rund 45 Prozent des Berliner Arbeitsaufkommens ausgemacht haben, erreicht sind, kann Berlin wieder auf eigenen Füßen stehen. Niemand wünscht das mehr als wir Berliner, damit wir endlich davon befreit werden, immer wieder um Hilfe bitten zu müssen.
Indem ich Ihnen, Herr Minister, noch einmal den Dank für Ihre Arbeit ausspreche, möchte ich das wiederholen, was ich am 30. September gesagt habe und was seitdem Berliner Kollegen hier ausgesprochen haben: schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe für Berlin. Wir brauchen diese Hilfe so schnell wie möglich. Das zeigen Ihnen die Arbeitslosenzahlen, die heute bei einer Gesamtberliner Bevölkerung von 2,1 Millionen 300 000 ausmachen und die auch in der zweiten Hälfte Januar noch um rund 10 000 gestiegen sind. Der Herr Minister hat gesagt, daß dazu die Kurzarbeiter kommen. Nehmen Sie diese Zahlen zusammen, dann erkennen Sie, daß im Verhältnis zu der erwerbstätigen Bevölkerung 43 Prozent in Berlin unbeschäftigt sind. Darunter befinden sich — das gebe ich sehr gern zu — auch solche Personen, die bisher nicht als Arbeitnehmer tätig waren, sondern die von Vermögen oder von selbstständiger Arbeit gelebt haben. Aber das zeigt doch nur die außerordentlich schwierige Lage, in der sich fast die gesamte Berliner Bevölkerung befindet. Ich darf aber sagen: das A und O des Lebens Berlins ist die Hebung unserer Wirtschaft und die Beschäftigung all derjenigen, die arbeitswillig sind. Erst dann wird der Berliner Magistrat in der Lage sein, den Gewerbetreibenden, den Künstlern, den Währungsgeschädigten, den Alten und Hilfsbedürftigen die Hilfe zugute kommen zu lassen, auf die sie selbstverständlich Anspruch haben.
Ich füge für die westdeutsche Bevölkerung noch etwas hinzu. Diese Tatsache ist auch die Voraussetzung für die Erfüllung der mir immer zahlreicher zugehenden Wünsche alter Berliner, die nach dem Westen evakuiert sind, wieder in ihre Heimatstadt zurückkehren zu können. Erst wenn unsere Wirtschaft arbeitet, wenn unsere Finanzen saniert sind, können wir den Berlinern, die zurückkehren wollen und denen wir mehr als gern unsere Toren öffnen wollen, wieder Wohnung und Brot geben.
Zu diesen wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Notwendigkeiten tritt aber das große psychologische und politische Moment. Die. Menschen, deren Tätigkeit der Herr Minister anerkannt hat, die nun seit über vier Jahren darum ringen, in Berlin und damit für Deutschland die Demokratie zu retten, haben einen Anspruch darauf, die Sicherheit zu haben, daß ihre wirtschaftliche Lage in absehbarer Zeit erträglich gestaltet wird. Wenn ich ein Wort zu der politischen Notwendigkeit sagen soll, so brauche ich nur auf die Tagespresse zu verweisen. Ich möchte nur darauf verweisen, daß der sogenannte Marsch der Jugend nach Berlin das äußere Zeichen dafür ist, daß, obwohl die Blockade nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, von den Gegnern der Demokratie immer wieder etwas ver-
1 sucht wird, um zu einem Totalitarismus nicht nur in Berlin, sondern in Deutschland zu kommen. Dabei habe ich volles Verständnis für die Situation Oder westdeutschen Bevölkerung. Ich brauche ja nur meinen Wahlkreis Schleswig-Holstein anzusehen, den ich vierzehn Jahre lang im Reichstag vertreten habe und dessen außerordentlich schwierige Lage ich auch heute noch mit dem größten Interesse verfolge. Ich brauche nur an die Arbeitnehmer mit geringem Einkommen in Westdeutschland zu denken, die das Notopfer für Berlin selbstverständlich sehr hart empfinden.
Aber ich möchte etwas sagen. Wenn ich vorhin von der psychologischen und politischen Beeinflussung der Berliner Bevölkerung gesprochen habe -- es gibt auch eine psychologische und politische Beeinflussung der westdeutschen Bevölkerung, eine Beeinflussung, die zum Teil in verantwortungsloser Weise erfolgt. Aus diesem Grunde bitte ich, mir noch wenige Minuten Gehör zu schenken, wenn ich Sie auf den Artikel in der letzten Nummer des „Rheinischen Merkur" unter der Überschrift „Was geschieht mit unserem Geld?" hinweise. Hier wird die Tatsache ausgenutzt, daß mancher, wenn er die 2 Pfennig auf den Brief klebt, sich nicht überlegt, daß er sie auf den Brief kleben muß, weil die Menschen drüben in Berlin sich in der größten Not befinden, und daß mancher, wenn ihm seine 50 Pfennig oder seine 1 D-Mark als Nothilfe für Berlin abgezogen werden, vielleicht nicht daran denkt, mit welchem oft geradezu phantastisch geringen Einkommen in Westberlin der Währungsgeschädigte, der Arbeitslose leben muß. Hier wird eine gewisse Unzufriedenheit ausgenutzt, die menschlich absolut verständlich ist.
Wir haben ja in diesem Kampf gegen die Hilfe für Berlin hier schon verschiedene Momente erlebt. Wir haben von den sozialpolitischen Voraussetzungen dafür gehört. Aber es ist mir außerordentlich interessant, daß man hier kulturelle Fragen zum Anlaß nimmt, nicht um kulturelle Dinge zu erreichen, sondern um den Kampf gegen Berlin, gegen seinen Magistrat, gegen die Mehrheit seiner Stadtverordnetenversammlung zu führen.
Was ist es anders, wenn in diesem Artikel behauptet wird, daß in Berlin offiziell aufgefordert worden sei, alle religiösen Bilder und Bücher aus der Schule zu entfernen, nebenbei: Bilder und Bücher, die den Kulturgemeinden gehörten, denen man sie nicht zurückgegeben hätte. Ich habe mich sofort mit dem Stadtschulrat und mit der Abteilung Volksbildung in Berlin in. Verbindung gesetzt. Ich darf Ihnen sagen. es ist mir amtlich bestätigt worden, daß in dieser Hinsicht auch nicht das geringste geschehen ist, daß weder eine Verfügung noch eine Anordnung noch eine Anweisung in diesem Sinne erlassen worden ist. Ich weiß nicht, ob es sich hier um eine oberflächliche Verwechslung mit der Ostzone handelt oder um was es sich da sonst handelt. Ich muß dasselbe sagen, wenn in diesem Artikel uns, die wir in diesen Jahren darum gerungen haben, daß die Berliner Bevölkerung nicht unterging, der Vorwurf gemacht worden ist, daß wir kein Verständnis für die großen Kulturaufgaben gezeigt hätten, die Berlin einst erfüllt hätte, und daß
wir kein Verständnis gefunden hätten für die großen Künstler, die wir hätten aus Berlin fortgehen lassen. Wenn in diesem Artikel Namen wie Wegener, wie Kortner, wie Bassermann genannt werden, dann kann ich darauf hinweisen, wie Wegener als todkranker Mann bei den Zentenarfeiern des 18. März im Jahre 1948 den Nathan gespielt hat. Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege Dr. Pünder, der damals Präsident des Deutschen Städtetages war, sich im Saal befindet.
— Herr Kollege Pünder, ich weise Sie darauf hin, wie wir in tiefer Erschütterung dieses Spiel des todgeweihten Mannes erlebt haben. Ich kann Sie darauf hinweisen, wie gerade in diesen Tagen Fritz Kortner, der seinen „Ruf" bereits zur Uraufführung nach Berlin gebracht hatte, im „Vater" von Strindberg in Berlin auf der Bühne steht, wie der alte Bassermann in Berlin auf der Bühne steht, nachdem er in diese Stadt zurückgekommen ist. Wenn diese Zeitung — wir kennen sie ja wohl alle aus dem Beleidigungsprozeß, den der Herr Ministerpräsident Arnold gegen die Zeitung geführt hat — nun uns, die wir stolz waren — und nicht nur wir, sondern auch unsere westdeutschen Besucher — auf die wundervolle Goethe-Ausstellung, die wir in Berlin veranstaltet haben, den Vorwurf macht, daß wir für die Goethe-Ausstellung Geld verplempert hätten, wenn weiter gesagt wird, wir hätten diese Dinge in rein marxistischem Geist und, was weiß ich, welchem Geist gemacht, dann weise ich darauf hin, wie der Herr Bundespräsident bei seiner Anwesenheit in Berlin aufs tiefste erschüttert war von der wunderbaren „Fidelio"-Aufführung, die wir ihm geboten haben. Aber ich weise auch darauf hin, daß wir noch andere kulturelle Aufgaben hatten, daß wir die Freie Universität schaffen mußten, damit die Studenten nicht dem totalitären Geist der Humboldt-Universität ausgesetzt waren, daß wir für unsere Erwachsenen die Hochschulen wieder ins Leben gerufen haben, die notwendig waren für die Menschen, die in den zwölf Nazi-Jahren jede politische Ausbildung hatten entbehren müssen. Und daß das keine marxistischen Institutionen sind, kann ich schon allein dadurch beweisen, daß der Herr Bundespräsident vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten bereits in der Hochschule für Politik, die einst mit seine Gründung war, einen Vortrag gehalten hat, daß er anläßlich seiner Anwesenheit als Bundespräsident zu den Studenten der Freien Universität gesprochen hat und daß die verschiedenen Herren Minister ebenfalls in der Hochschule für Politik zu Worte gekommen sind.
Ich bedaure deshalb, daß man diese Dinge zum politischen Kampf benutzt, und wenn dafür anscheinend — was mir gar nicht vorstellen kann — Frau Hilde Körber als Kronzeugin benutzt wird, so möchte ich darauf hinweisen, daß mir Frau Hilde Körber als Schauspielerin und als Kollegin in der Berliner Stadtverordnetenversammlung, als Mitglied der CDU-Fraktion außerordentlich wertvoll ist. Sie weiß es so gut wie ich, und ich glaube wie Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, daß es im Magistrat von Berlin nicht nur einen Bürgermeister namens Schroeder, sondern daß es auch einen Bürgermeister namens Dr. Friedensburg gibt, daß der Kämmerer Dr. Haas und daß der Leiter der Abteilung Rechtswesen Dr. Kielinger heißen. Das
heißt, daß dies drei Mitglieder der CDU-Fraktion sind, zu denen noch drei Mitglieder der FDP kommen. In dieser Zusammensetzung arbeitet also der Berliner Magistrat. Und wenn in dem Artikel gefragt wird, „was mit unserem Gelde geschieht", so wird seine Verwendung durch diese Zusammensetzung des Magistrats bestimmt.
Aber ich möchte noch auf eines hinweisen. Wenn am 5. Dezember 1948 fast zwei Drittel der Berliner Bevölkerung der SPD das Vertrauen ausgesprochen hatten, so sind wir stolz darauf gewesen. Und wenn ich hier als Hauptschuldige an diesem „Unglück" gekennzeichnet werde, so glaube ich, das geht über mein Verdienst. Aber auch wenn es so wäre, wäre ich stolz darauf.
Aber wenn wir diese Tatsache nicht ausgenutzt haben, um die bürgerlichen Parteien beiseite zu stellen, sondern wenn wir erklärt haben, wie wir in der Blockade und vor der Blockade mit unseren bürgerlichen Kailegen um .die Demokratie gekämpft haben und es weiter so tun wollen, dann dürfte das doch schon ein Zeichen dafür sein, daß wir nicht eine Macht der SPD, wie es hier geschildert wurde, in unlauterer Weise ausnutzen.
Aber was will denn der Schreiber dieses Artikels? Das sagt er im letzten Absatz, in dem er schreibt, es sei von Hannover ein kürzerer Weg nach Karlshorst als von Hannover nach Bonn.
Meine verehrten Herren und Damen, wir sind in Berlin stolz darauf, daß die demokratischen Parteien, wenn sie auch 1n der einen oder anderen Frage verschiedener Ansicht sind — das ist ganz selbstverständlich —, in der Frage der Demokratie geschlossen dastehen. Wir Sozialdemokraten sind allerdings stolz darauf, daß wir dabei die Hilfe unserer Partei in Hannover gehabt haben. Niemals hat unser Parteivorstand uns einen Vorwurf daraus gemacht, daß wir diesen Kampf gemeinsam mit der CDU und FDP geführt haben.
Aber es wird ja noch schlimmer! In dem Artikel steht, daß die intensive Berlinhilfe von der Auflage einer beschleunigten Neuwahl abhängig gemacht werden soll.