Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre mir erwünscht gewesen, wenn dieser Punkt der Tagesordnung im Zusammenhang mit dem soeben abgesetzten Punkt hätte behandelt werden können, im Zusammenhang mit einem Antrag, der sich ebenfalls mit unserer Wirtschaftslage, im besonderen mit der Arbeitslosigkeit befaßt. Die Dinge im Wirtschaftsleben lassen sich nicht voneinander trennen. Es darf nicht nur ein Zweig der Wirtschaft mit seinen Interessen in den Mittelpunkt der Betrach-
tung gestellt werden, sondern die Verhältnisse müssen geordnet, die Interessen gegenseitig aufeinander abgestimmt werden. Ich bitte das nicht dahin aufzufassen, daß ich etwa einseitig die Belange nur eines Standes vertreten will; ich möchte vielmehr die berechtigten Interessen der Landwirtschaft und des Bauerntums mitten hineingestellt wissen in eine Beurteilung des Wirtschaftslebens, damit die Arbeit der Landwirtschaft und des Bauerntums für unser ganzes Volk fruchtbar wird.
Gestatten Sie mir nun als Einleitung bei der Begründung des von uns eingebrachten Antrages einige grundsätzliche Bemerkungen.
— Ich bitte doch die Damen und Herren, das Nichtsachverständnis in Dingen der Landwirtschaft nicht so weit zu treiben, daß der Redner dauernd gestört wird. Es handelt sich hier um sehr ernste Fragen, die unser ganzes Volk und das ganze Bauerntum angehen.
Wir haben uns ohnehin darüber zu beklagen, daß bei allen Reden hier, gleich von welcher Seite sie gehalten werden, immer nur ein Zweig der Wirtschaft erwähnt wird, nie aber die Grundlage unserer ganzen Wirtschaft, das Bauerntum.
Hier muß Remedur geschaffen werden, die Auffassungen müssen sich ändern, denn sonst kommen wir nach meiner Überzeugung auf eine schiefe Ebene.
— Es ist doch besser, wenn man auf manche Zwischenrufe nicht eingeht.
Wir haben jetzt einen neuen Abschnitt in unserem deutschen Wirtschaftsleben erreicht. Der Abschnitt, in dem es im wesentlichen um die Verteilung von Lebensmitteln ging, ist bis auf wenige Restbestände überwunden. In dem vergangenen Abschnitt ging es um die Überwindung der Mangellage auf wichtigen Gebieten des Wirtschaftslebens. Diese Mangellage führte jahrelang zur Kontrolle aller Bauernhöfe. Jetzt aber beginnt ein neuer Abschnitt, der Abschnitt der endgültigen Bereinigung der Verhältnisse, nun allerdings nach der anderen Seite. Jetzt haben wir die Landwirtschaft wieder aufzubauen.
Beim Herangehen an diese Aufgabe haben wir besonders ein Datum vor uns, dessen Herannahen — das spreche ich ehrlich aus — mir ernstliche Sorge bereitet: bis zum Jahre 1952 sollen wir unsere Wirtschaft auf eigene Füße gestellt haben. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, dürfen wir auf keinen Fall die Belange der Landwirtschaft übersehen. In der neuen Periode, die jetzt begonnen hat, handelt es sich nicht mehr um die Verteilung, sondern jetzt handelt es sich um die Produktion, um die Regelung des Absatzes und auch um die Herstellung einer entsprechenden Rentabilität der landwirtschaftlichen Betriebe.
Wenn ich die Wichtigkeit dieser Aufgabe betone, so kann ich mich dabei nicht allein auf Äußerungen von deutscher Seite, sondern auch auf solche von amerikanischer Seite berufen. Man sage uns nicht immer, der Zwang, gewisse Maßnahmen zu treffen, komme von amerikanischer Seite. Das trifft nicht immer zu, und ich kann den Beweis für diese meine Behauptung antreten. Der Direktor des ERP-Planes, Mr. Hoffman, hat unzählige Male zum Ausdruck gebracht, daß der Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft eine der ersten Aufgaben ist, die in Angriff genommen werden müssen. Daraus geht hervor, daß das einen gewissen Vorrang einnimmt und mit unseren wirtschaftlichen Bestrebungen in Einklang gebracht werden muß.
Aber wir müssen, wenn wir nicht unglücklich operieren wollen, auch die Gleichberechtigung zwischen Industrie und Gewerbe, dem einen Hauptproduktionszweig unserer deutschen Wirtschaft, auf der einen Seite und der deutschen Landwirtschaft, dem n deutschen Bauerntum auf der anderen Seite herbeiführen. Dabei kommt es nicht allein auf die zahlenmäßige Stärke der einzelnen Berufsstände an, sondern dabei muß berücksichtigt werden, welche Produktionsbedeutung die einzelnen Berufsstände für das Gesamtwohlergehen unseres Volkes haben.
Und ein anderes: Nehmen Sie einmal irgendein statistisches Jahrbuch zur Hand! Es ist gut, daß jetzt wieder die Statistiken herauskommen und wir dadurch, wieder eine bessere Übersicht bekommen und nicht immer auf Mitteilungen von bürokratischer Seite angewiesen sind. Hier ist manches nachzuholen, was bisher versäumt worden ist. Wenn Sie sich auf Grund eines solchen Handbuches einmal
die Millionenzahl der Angehörigen unseres Bauerntums vergegenwärtigen, — was erkennen Sie dann?
Daß der „kleine Mann" auf dem Lande genau so wie in der Stadt vertreten ist.
Wenn Sie daher Bauernpolitik im wirklichen Sinn* des Wortes treiben wollen, müssen Sie gerade den besonderen Verhältnissen der Masse derer Rechnung tragen, die von ihrer Hände Arbeit leben.
Dazu kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt. Wenn wir Bodenreform betreiben wollen. müssen wir zuerst dafür sorgen, daß die jetzt bestehenden Betriebe eine gesicherte Grundlage haben. Derjenige, der unter erschwerten Verhältnissen auf ein Stück Grund und Boden kommt, kann sich erst recht nicht halten, wenn die Existenz des andern nicht gesichert ist. Das hängt nun engstens zusammen mit anderen, für unser Wirtschaftsleben entscheidenden Dingen — erschrecken Sie nicht, wenn ich das sage —, mit dem Problem der Arbeitslosigkeit. Was würde geschehen, wenn die Existenz vieler kleiner und mittlerer . Betriebe unseres mit Familienkräften arbeitenden Bauerntums erschüttert würde? Es würde zu der schon bestehenden Arbeitslosigkeit auf der industriell-gewerblichen Seite noch die Arbeitslosigkeit der landwirtschaftlichen Seite dazukommen.
Das muß unter allen Umständen verhindert werden. Deswegen muß die Fürsorge für die in den Westzonen lebende Bevölkerung - am liebsten hätte ich die Bevölkerung der Ostzone mit dabei — in den Vordergrund gerückt werden, muß der Mensch, der dort lebt, im Mittelpunkt unserer Betrachtungen stehen. Daher müssen wir auch für die Kaufkraft und die Kapitalbildung dieser ländlichen Kreise sorgen, 'damit nicht der Blutkreislauf unserer Wirtschaft gestört wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch dagegen wenden, daß man von amerikanischer Seite den Farmer in Amerika dem Bauern
in Deutschland gegenüberstellt und die Produktionsbedingungen beider für die gleichen hält.
Die sind bei uns nicht gleich und sind in der gesamten europäischen Landwirtschaft nicht gleich, da gibt es himmelweite Unterschiede.
Mit aller Schärfe aber möchte ich auf eine besondere Erschwernis für den Wiederaufbau der Landwirtschaft hinweisen, die darin liegt, daß auch unserem Bauerntum durch die Währungsumstellung die Kapitalreserven weggenommen worden sind und daß damit auch die Löhne für die mitarbeitenden Familienangehörigen zugrunde gegangen sind.
In der Landwirtschaft anderer Staaten wie Dänemark, Holland, Schweden, Schweiz, teilweise auch Belgien, sind die Sparkapitalien nicht zugrunde gegangen. In England, dessen Landwirtschaft auf hohen Export angewiesen ist, sucht die Regierung die Exportausweitung mit allen Mitteln zu betreiben. Auf der anderen Seite aber führt sie eine Subventionspolitik zugunsten des Bauerntums, die im Vergleich zu unseren Verhältnissen geradezu ins Ungemessene geht.
Die englische Regierung weiß nämlich genau, daß es nicht allein auf die Ausweitung des Exports ankommt, sondern auch auf die Erhaltung der binnenländischen Wirtschaft, auf die Erhaltung der Kraft ihres eigenen Bauerntums; darauf stellt sie auch ihre ganzen Maßnahmen ab. Auch die in Amerika den Farmern gewährte Unterstützung läßt sich mit unseren Verhältnissen in keiner Weise vergleichen.
Das ist bei uns ganz anders. Die Sparkapitalien der mitarbeitenden Kinder des Bauern sind dahin. Darüber hinaus müssen wir mit den Schwierigkeiten rechnen, die uns sicher bevorstehen. Der Druck darf aber nicht einseitig nach der Exportseite ausgerichtet werden. Das wäre ein Fehler. Ich bin klug genug, zu sagen: wir müssen in den Weltverkehr hinein, wir können uns nicht abschließen. Aber den Druck einseitig auf die Exportseite zu legen und dabei nicht Obacht zu geben auf das Schicksal der binnenländischen Wirtschaft, wäre auch verkehrt; denn es kommt das Jahr 1952, und bis dahin müssen wir ernährungsmäßig möglichst auf eigenen Füßen stehen. Das wird ohnehin nur bis zu einer gewissen Grenze möglich sein, denn die inzwischen erfolgte Neuordnung unserer Verhältnisse — das soll auch ausgesprochen werden, und das muß unser Volk bei jeder Kritik bedenken — war nur möglich durch die amerikanische Hilfe. Erst die Auffüllung des Nahrungsmittel- und Rohstoffmarktes hat uns diese Erholung ermöglicht, das darf nie aus den Augen verloren werden. Deswegen sollte aber unsere Stimme auch gehört werden, wenn wir jetzt auf gewisse Gesichtspunkte hinweisen, deren Beachtung für die weitere Neuordnung unserer Verhältnisse notwendig ist. Wir müssen jetzt alles darauf abstellen, den Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft fortzuführen, damit nicht durch einen falschen Weg der Wirtschaftpolitik eine Unterbrechung dieses Gesundungsprozesses eintritt.
Nun kommen hier für die deutsche Landwirt- schaft — das kann ich wohl sagen — und auch für weite Kreise der übrigen Bevölkerung, die die Landwirtschaft und das Bauerntum als wichtig für die Gesamtbevölkerung anerkennen, große Bedenken wegen gewisser Verhältnisse. Ich bin klug genug, mich nicht von neuen Formulierungen blenden zu lassen. Das ist bei uns jetzt schon beinahe so geworden: wenn einer sieh nicht mehr auskennt und nicht mehr hinaussieht, dann sagt er: Liberalisierung! Das ist so — so berechtigt auch das Wort, richtig angewendet, ist — zu einem Zauberwort geworden, das alle Schwierigkeiten beseitigen soll.
Insofern möchte ich diesem Wort „Liberalisierung" nicht in vollem Umfang folgen, obwohl ich andererseits wünsche, daß wir unseren Wirtschaftsraum vergrößern, soweit es die Verhältnisse zulassen, und hier eine Grundlage für die Zusammenarbeit in Europa legen. Ich habe hier das klassische Buch von Lujo von Brentano vor mir liegen, der sich besonders mit der Freihandelstheorie beschäftigt hat. Selbst der Mann ist vorsichtig, der doch sicher der klassische Verfechter der Theorie des besten Standortes für die Industrie, für die Landwirtschaft und das Gewerbe war, das heißt, daß die besonderen Zweige nur dort betrieben werden sollen, wo sie den größtmöglichen Ertrag und die wenigsten Unkosten aufweisen. Auch dieser Mann sagt sogar und führt es in seinem Buch aus:
Nur dann kann Deutschland den hochfliegenden Zielen, die es verfolgt, noch näherkommen, wenn es mit rücksichtsloser Energie seine Produktivkraft denjenigen Produktionszweigen zuwendet, welche der nationalen Arbeit die größtmöglichen Ergebnisse versprechen. Diese Notwendigkeit wird auch jene politischen Konstellationen bedingen, welche den rückläufigen Strömungen auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik heute dienen. Gewiß werden Mittel gefunden werden müssen, um den einzelnen Wirtschaften, welchen
die Rückkehr zu einer den Interessen des Ganzen entsprechenden Wirtschaftspolitik schwer wird, diesen Übergang zu erleichtern. Was zur Schonung und Erleichterung derselben geschehen kann, soll geschehen, solange nur das, was das Interesse des Ganzen notwendig macht, nicht beeinträchtigt wird.
Sie sehen daraus seine Einschränkung, trotz seiner scharfen Einstellung für den Wirtschaftsverkehr ohne Zollschranken, also für den freien Wirtschaftsverkehr. Ja, und ich setze noch hinzu, wir werden bei solchen Sachen sehr vorsichtig sein müssen; denn wir haben eine zusammengedrängte Bevölkerung in den Westzonen. Wir haben eine angeschlagene Industrie; wir haben eine Landwirtschaft, die wieder aufgebaut werden muß. Wir müssen das Instrument der Liberalisierung so vorsichtig anwenden, damit nicht die Arbeitsplätze unserer in den Westzonen wohnenden Menschen dadurch in Gefahr kommen.
Da müssen ,die Verhältnisse genau geprüft werden; da kann ich nicht bloß mit einem Grundsatz arbeiten, sondern da muß ich die Dinge mit Abmaß betrachten und die Auswirkungen sehen. Deswegen wird es auch bei der Arbeitslosendebatte so wichtig sein, im einzelnen nachzuprüfen, welche Ursachen hier vorhanden sind. Denn
wir können uns nicht von heute auf morgen in Dinge hineinbegeben, die für ,das Leben der in der Wirtschaft beschäftigten Menschen außerordentlich ernst werden würden.
Dann kommt das Problem der Handelsverträge, das neben der Liberalisierung der Wirtschaft, also dem Verkehr über die Grenzen der einzelnen Staaten hinweg, noch mit Zollschranken, aber ohne Mengenbegrenzungen, eine wesentliche Rolle spielt. Das ist ein Problem, das der genauen Überprüfung bedarf. Da ist es notwendig - und das spreche ich auch hier aus —, daß wir in den Organen des Bundestags, in seinen Ausschüssen und auch im Bundestag selbst über die jeweiligen Rechtsgrundlagen, die auf diesen wichtigen Gebieten bestehen, unterrichtet sind. Wir müssen wissen, was kann die Regierung tun, und was kann sie nicht tun, weil wir die Verantwortung tragen müssen. Wenn es eines der wichtigsten Rechte des Parlaments ist, den Etat der Regierung zu bewilligen, das heißt Ein- und Ausgaben unter Kontrolle zu halten, so ist es um so wichtiger, das Leben der Nation im Verhältnis zu anderen Staaten unter Kontrolle zu halten. Das ist der Etat unserer Westzonen gegenüber dem Ausland und der Beeinflussungen gegenüber dem Ausland. Wir sind sowieso in einer sehr schwierigen Lage, weil wir über keinerlei Posten in der Zahlungsbilanz mehr verfügen; denn die Zahlungsbilanz hat uns früher ermöglicht, vieles auszugleichen, was wir an Importen dafür hereinnehmen konnten. Das fällt heute auch aus, und deswegen ist das System der Handelsverträge für die Landwirtschaft das wichtigste Prolem, das es gibt.
Da stehe ich auf dem Standpunkt, daß die Produkte, die der Bauer erzeugt, soweit sie zum Leben ,des Bauern notwendig sind, nicht der Liberalisierung unterworfen werden können. Hier muß ein Halt gemacht werden. Ich erinnere nur an die Fragen der Veredelungsproduktion. Es wird niemand zweifeln, daß wir die teuren Produkte für unsere Lebenshaltung, die aus der Veredelungsproduktion stammen - Milch, Fleisch, Fett —, möglichst durch Hebung unserer eigenen Wirtschaft erzeugen wollen. Wir werden einen Teil, besonders in der Fettversorgung, noch hereinnehmen müssen; aber das muß durch Handelsverträge so geregelt werden, daß im Leben und Emporstreben des Bauerntums zugunsten des Gesamtvolks keine Störung erfolgt.
Es ist auch noch bei den Handelsverträgen möglich, auf die einzelnen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, die im Verkehr mit den einzelnen Staaten zu beobachten sind. Das war früher so. Deswegen stehe ich auch auf dem Standpunkt — das ist im Antrag hier gefordert —, daß die Handelsverträge als eines der wichtigsten Instrumente zur Regelung des Lebens eines Volkes gegenüber dem Ausland unbedingt von jetzt an der Ratifizierung durch den Bundestag unterworfen werden müssen. Dabei berufe ich mich auf Artikel 73 des Grundgesetzes, wo es heißt:
Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über: 5. . . . ,die Einheit des Zoll-
und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge . . .
Das ist hier klar ausgesprochen. Im Artikel 59 heißt es:
Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen,
— und Gegenstände der Bundesgesetzgebung sind
die Zoll- und Handelsverträge nach Artikel 73 —
bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes.
Weiter kommt hinzu, daß, nachdem der Bundestag das Recht der Ratifizierung solcher Handelsverträge im Interesse aller Beteiligten für sich in Anspruch nehmen muß, die Regierung gehalten ist, über diese Dinge fortlaufend Auskunft zu geben. Denn man kann hier letzten Endes zu diesen Dingen nicht Stellung nehmen, wenn man nicht wenigstens in den Grundzügen über den Werdegang der Verhältnisse unterrichtet ist. Hier kommen besonders schwerwiegende Probleme in Betracht, idie für das Leben von Hunderttausenden von Menschen, die von der Bodenkultur ihre Existenz erhalten, wichtig sind. Da kommen auch die Produkte des Wein-, des Obst-, des Gemüsebaus und der vielen Spezialkulturen hinzu. Ich bin zum Beispiel — ich sage das nicht aus politischen Gründen — ein großer Freund unserer Pfälzer, weil sie ein sehr lebhaftes Völkchen sind; im übrigen gehören die Rheinländer auch zu dieser Weinfröhlichkeit.
Das ist vielleicht der einzige Vorzug dessen, daß wir in Bonn sitzen müssen; es hat ja auch viele Nachteile, die wir aber nicht erörtern wollen. Wir sitzen nun einmal da und müssen die Dinge so betrachten, wie sie sind. —Es leben wirklich viele Zehntausende von Menschen mit ihren Familienangehörigen von diesen Sonderkulturen, und wenn diese Sonderkulturen keinen Schutz erfahren, dann ist es mit dem Leben dieser Menschen aus. Es gibt Familien, die von zwei bis drei Tagwerken oder — nach Ihren Begriffen hier oben — von drei bis vier Morgen leben, vielleicht manche von noch weniger. Es ist kein Einzelfall, daß Leute durch die höchste Ausnutzung, die höchte Intensivierung des Bodens sich und ihre Familien erhalten. Deswegen ist es notwendig, daß auf diese Verhältnisse Rücksicht genommen wird.
Ich erinnere mich noch ,der Verhältnisse, wie sie im Jahre 1924 gegeben waren. Auch damals mußten wir die Verhältnisse auf handelspolitischem Gebiet neu ordnen. Da ist es so gewesen, daß wir im Jahre 1924 die Handelsverträge meistens auf 5 Jahre abgeschlossen haben. Dabei hat sich gezeigt, daß die Grundlagen, von denen man im Jahre 1924 ausgegangen war, für die Gesamtentwicklung bis zum Jahre 1929 nicht haltbar gewesen sind. Obwohl damals der Reichstag die Handelsverträge ratifiziert hatte, mußte die damalige Regierung beauftragt werden, mit den ausländischen Staaten in Verhandlungen einzutreten, um gewisse Korrekturen herbeizuführen, weil die Grundlagen nicht mehr stimmten. Deswegen ist es für uns so wichtig, daß wir jetzt von den momentanen Verhältnissen, wie sie zur Zeit noch liegen mögen, nicht ausgehen können, sondern auch die Entwicklung mit in Rechnung stellen müssen, die die kommenden Jahre bringt.
Denn sonst würde uns eine Reihe von Fehlschlüssen unterlaufen, die sich hier sehr nachteilig auswirken könnten. Deswegen sage ich, wir müssen künftig auch von der Bundesseite her das System der Handelspolitik mit den Handelsverträgen in erster Linie zugunsten der Landwirtschaft, aber auch der übrigen Wirtschaft in die Hand nehmen. Auch in den Organen ,des Bundestags wird es unsere Pflicht sein, die Verhältnisse hier auch unsererseits in die entsprechende Betrachtung zu bringen.
Damit komme ich auf etwas zu sprechen, was mir schon längst große Sorge macht. Wenn unsere Arbeit im Bundestag und ihr Erfolg an der Zahl unserer Ausschüsse gemessen würde, dann wären wir das beste Parlament auf der ganzen Welt. Aber die Zahl der Ausschüsse ist bereits so gewachsen, daß man nicht mehr weiß, was der andere tut. Damit komme ich auf etwas zu sprechen, was nach meiner Überzeugung unbedingt der Reform bedarf. Wir können nämlich die Koordinierung auf wirtschaftlichem Gebiet nicht bloß auf der Regierungsseite wünschen, wir können nicht bloß wünschen, daß sich der Wirtschaftsminister und der Ernährungsminister zu gemeinsamem Handeln und zur Angleichung ihrer Verhältnisse zusammenfinden, sondern wir müssen diese Koordinierung auch in den Ausschüssen des Bundestags vornehmen. Nach meiner Überzeugung gehört .der Außenhandel, der die landwirtschaftlichen Verhältnisse betrifft, mindestens zur Vorberatung in den Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft, weil die wirtschaftliche Seite — das Grundproblem — für die Gestaltung des Außenhandels maßgebend ist. Die
3) gewerblichen und industriellen Fragen sowie die handelspolitischen Fragen gehören in erster Linie in den Wirtschaftsausschuß. Denn sonst besteht die Gefahr, daß der eine dort das sagt und der andere — vielleicht von der gleichen Partei -im anderen Ausschuß wieder etwas anderes. Da ist die Koordinierung der Verhältnisse absolut notwendig.
Ferner ist es notwendig, daß wir eine fortlaufende Übersicht über die Einfuhren, eine Zusammenstellung der Einfuhren, und außerdem noch eine Zusammenstellung über die seither abgeschlossenen handelsvertraglichen Abmachungen bekommen. Hier hat auch die Bayernpartei einen Antrag eingebracht. Da warte ich ab, was die Herren dazu zu sagen haben.
— Sie können doch nicht behaupten, daß ich bis jetzt vielleicht in die Luft hinein gesprochen habe. Ich weiß nicht, woran es liegt; an mir liegt es nicht. Jedenfalls muß der Antragsteller —das ist doch höflich genug von mir — die Anhaltspunkte angeben, die zur Beurteilung der Verhältnisse notwendig sind. Bisher haben wir in der Handelspolitik zwei Linien gehabt, einmal ,die Linie der Besatzungsmächte, die JEIA. Jetzt ist es in deutsche Hand übergegangen. Was an Handelsabmachungen durch die JEIA getroffen worden ist, können wir doch nicht einem Untersuchungsausschuß unterwerfen, sondern wir können nur das einem Untersuchungsausschuß unterwerfen, was von uns gemacht worden ist, worauf wir und die jetzige Regierung Einfluß nehmen. Ich sehe
diesen bösartigen Zwischenruf gar nicht ein, wenn C die Dinge beleuchtet werden sollen.
Ich bin sogar der Meinung, daß es allein schon Aufgabe des Ausschusses für Landwirtschaft und Ernährung wäre, hier entsprechende Auskunft zu verlangen, und daß wir die Sicherungen treffen müssen, damit die Rechte des Bundestags entsprechend gewahrt werden. Das ist meine Meinung von den Dingen, und das ist doch eine ganz höfliche Auffassung, zumal wir zwei doch eigentlich persönlich befreundet sind, wenn du auch aus dem Vaterhaus hinausgelaufen bist.
Wir können diese Dinge doch in Freundschaft behandeln, und — ich brauche ja nicht aus der Schule zu reden — auf landwirtschaftlichem Gebiet wollen wir ja keinen Streit miteinander haben; das hat doch gar keinen Wert. Es handelt sich um ein ernstes Problem der Landwirtschaft, und man kann den Streit auf anderen Gebieten, aber nicht gerade auf dem der Landwirtschaft austragen. Da müssen wir sowieso alle Kräfte zusammenhalten, um die Gesichtspunkte, die notwendig sind, für diesen Berufsstand zur Geltung zu bringen. Das erachte ich wenigstens für meine Lebensaufgabe, und das kommt daher, daß ich selber aus dem Kleinbauerntum des Frankenlandes hervorgegangen bin und weiß, in welchen Verhältnissen wir damals in .den neunziger Jahren und in den Jahren um 1900 herum gelebt haben. Ich möchte nicht mehr haben, daß unser Bauerntum zu einem Lohnfaktor der Industrie heruntersinkt, sondern ich will, daß es ein selbständiges Unternehmertum bleibt, wenn es auch klein ist. Es hat um so mehr Recht darauf, weil es aus dem Fleiß seiner Hände mit seinen Familienangehörigen ,den größtmöglichen Ertrag aus dem Grund und Boden herauszuholen sucht. Das sind doch Gesichtspunkte, die man nicht außer acht lassen darf.
Ich, bin ja bis jetzt noch Präsident des bayerischen Landtags, wenn auch infolge der Arbeitsüberlastung nicht mehr lange; infolgedessen halte ich mich genau an die Geschäftsordnung. Meine 30 Minuten sind bald herum, ich komme daher zum Schluß. Auf die Belastung der Landwirtschaft komme ich noch besonders zurück. Ich möchte jetzt nur einen Gesichtpunkt hervorheben. Es ist notwendig, daß man auch der Kapitalbildung in bäuerlichen Betrieben Rechnung trägt und insbesondere die Lohngestaltung der mitarbeitenden Familienangehörigen berücksichtigt.
Die Kapitalbildung sollte sichergestellt werden; denn glauben Sie mir: die Landflucht wird um so mehr bekämpft, je mehr wir das Leben des Bauern und insbesondere seiner eigenen Kinder auf dem Bauernhof sicherstellen.
Die Kinder werden um so lieber auf dem Hof sein, wenn sie vom Vater auch die entsprechende Entlohnung oder Rückstellung für ihre künftigen Verhältnisse erwarten können. Das muß bei der Steuergesetzgebung berücksichtigt werden. Daß auch das Soforthilfegesetz einer Überprüfung bedarf, darauf werde ich auch noch zurückkommen; denn man
kann nicht mehr verlangen, als man geben kann. Die Verhältnisse sind in vielen bäuerlichen Betrieben — man kann sagen: in der Mehrzahl der Betriebe — drängend geworden, so daß nach dieser Richtung hin eine genaue Prüfung stattfinden muß.
Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag, soweit er die Rechtsfrage des Abschlusses der Handelsverträge, die für mich klar ist, betrifft, dem Verfassungs- und Rechtsausschuß zu überweisen, damit wir bezüglich der Aufgaben, ,die wir selber zu erledigen haben, einmal eine eindeutige Stellungnahme bekommen. Im übrigen bitte ich, den Antrag federführend an den Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft zu überweisen, wobei eine gewisse Koordinierung mit dem Ausschuß für Außenhandelsfragen herbeigeführt werden muß, so daß wir hier doch zu einer einheitlichen Stellung kommen. Ich möchte insbesondere wünschen, daß der Antrag bei seiner Verwirklichung uns davor bewahren möge, daß wir im Jahre 1952, welches das entscheidende Jahr werden wird, Rückschläge erleiden, daß w r vielmehr die Produktion der Landwirtschaft weiter erhöhen, den Absatz steigern und die Qualitätserzeugung der Landwirtschaft heben können und auf diese Weise mit eigenen Mitteln unserer verbrauchenden Bevölkerung, soweit es möglich ist, das Leben erhalten können. Wir werden ohnehin bei der Anhäufung der Bevölkerung in den Westzonen darüber hinaus noch auf Zufuhren des Auslandes angewiesen sein; aber was wir selber verdienen können, das wollen wir selber verdienen. Das ist auch eine Erhaltung der auf dem Grund und Boden jetzt lebenden Bevölkerung.
Ich möchte hier eines offen aussprechen. Sie sehen an einem praktischen Beispiel, wie es nicht sein soll. Ich meine die Lösung der Frage unserer Brotversorgung. Der Zustand, der jetzt besteht, daß sämtliche Läger mit unserem deutschen Inlandsroggen gefüllt und nicht absetzbar sind, muß durch geeignete Maßnahmen der Bundesregierung so rasch wie möglich beseitigt werden.
Nach meiner Überzeugung ist es eine Sünde, Auslandsprodukte hereinzunehmen, wenn wir über Inlandsprodukte verfügen, die wir in erster Linie für den Verzehr heranziehen können. Da muß der Ausmahlungssatz des Roggens heruntergesetzt und da muß gutes, reines Roggenbrot wieder hergestellt werden.
Da muß dann auch der Hausfrau, damit sie, wenn
das Roggenbrot auf den Markt kommt, nicht geschädigt ist, ausgezeichnetes Weizen- und weißes
Mehl geliefert werden, damit sie den Zusatz zum
Roggen hat; und im übrigen gehört der Weißbrotverzehr etwas zurückgedrängt, weil er uns Devisen kostet, die an das Ausland zu bezahlen sind.
Das muß mindestens so geregelt werden, daß unsere einheimische Produktion wieder den Vorrang erhält; denn eine Lebenshaltung, die sich nicht auf den eigenen Grund und Boden aufbaut, kostet uns große Beträge, die uns für die Manipulation der Einfuhrpolitik, für Produkte, die wir zur Erhaltung der Bevölkerung in den Gewerbe- und Industriebetrieben dringend benötigen, fehlen.
So würde ich wünschen, daß dieser Antrag bei seiner weiteren Beratung auf fruchtbaren Boden fallen möge, damit die Produktionsfreudigkeit und die Sicherheit unserer bäuerlichen Bevölkerung erhalten bleibt und damit wir hier einen Grundstein legen, der sich besonders bewähren wird, wenn das Jahr 1952 kommt, in dem wir unser Dasein aus eigener Kraft bestreiten sollen. Ohne ein kräftiges Bauerntum, das erhalten und
. gefördert werden muß, wäre dieses Ziel nach
meiner Überzeugung aber nicht zu erreichen.