Rede von
Bruno
Leddin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbessserung von Leistungen an Kriegsopfer habe ich namens der SPD-Fraktion vor Beginn der dritten Lesung folgende Erklärung abzugeben:
Die SPD-Fraktion wird in Erkenntnis der schweren und weitgehenden sozialen Verpflichtungen, die sich aus der Erbschaft der Hitlerdiktatur und des zweiten Weltkrieges ergeben, von der Bundesregierung nicht verlangen, daß sie eine Sozialpolitik im luftleeren Raum betreibt.
Die SPD-Fraktion ist daher an die Beratung auch dieses Gesetzes mit der aufrichtigen Absicht und dem vollen Ernst herangegangen, eine gemeinsame Basis für die Verabschiedung dieses Gesetzes zu finden unter Verzicht auf an sich grundsätzliche Forderungen. In Übereinstimmung mit den Mitgliedern des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen aller Fraktionen hat sie die dringlichsten Forderungen, die einer Verein-
heitlichung des Kriegsopferrechts entsprechen, im Ausschuß einmütig erarbeitet.
Erst in der letzten Sitzung des Ausschusses erklärten die Mitglieder der Regierungsparteien, daß ihre Fraktionen
1. der Erweiterung des Personenkreises für die Gewährung der Teuerungszulagen,
2. der Gewährung von Waisenrenten und Kinderzulagen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr auch in den Ländern, wo dies bis jetzt noch nicht erfolgte,
3. der Gewährung von Elternrenten und Elternbeihilfen ebenfallls in den Ländern, die bis jetzt diese soziale Maßnahme noch nicht haben,
4. der Bezahlung der Krankenversicherungsbeiträge für die Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, die keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben, damit sie und ihre Angehörigen im Falle der Krankheit vor Not und Elend geschützt sind,
5. die Anwendung der Reichsversicherungsordnung § 559 b und § 595 bei der Berechnung von Körperbeschädigtenrenten und Hinterbliebenenrenten aufzuheben, damit insbesondere die kinderreichen Familien ein soziales Existenzminimum haben,
nicht zustimmen könnten. Sie haben heute in der zweiten Lesung die gleiche Haltung eingenommen. Bei dieser Sachlage bleibt der Gesetzentwurf trotz der Erweiterung der Regierungsvorlage um eine Verbesserung der Pflegezulage für Schwerstbeschädigte, insbesondere Kriegsblinde und der Nichtanrechnung der eventuell gewährten Fürsorgeunterstützung auf die Teuerungszulagen, die durch sozialdemokratische Initiative erreicht wurden, weit hinter den sozialen Erfordernissen zurück.
Die SPD-Fraktion ist zu einer sachlichen Zusammenarbeit in allen Fragen bereit, die nicht das Privileg einer Partei, sondern ein gemeinsames Anliegen aller Parteien sein sollten. Diese Zusammenarbeit ist aber unmöglich, wenn alle noch so berechtigten und vertretbaren sozialen Wünsche mit dem Hinweis auf die Finanzlage des Bundes verneint werden, obwohl die Bundesregierung eine Steuersenkung von rund einer Milliarde DM bei den zahlungsfähigsten Teilen unseres Volkes einzuräumen gewillt ist.
Die SPD-Fraktion wird einer Politik des Ausweichens, der leeren Deklamationen, auch wenn
sie mit noch so großer, aber wenig überzeugender Lautstärke vorgetragen werden, und
unverbindlicher Entschließungen ihre Entschlossenheit zu einer Politik praktischer und
fühlbarer Hilfe entgegensetzen. Sie wird sich
bei der dritten Lesung der Stimme enthalten.