Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stehe nicht an, hier zu erklären, daß ich vorhin in meinen Ausführungen mit dem Ausdruck „demagogisch" zu weit gegangen bin.
Es war weniger meine Absicht, vielleicht Herrn Bazille oder andere Leute, die um ihn herum arbeiten, damit zu treffen; ich dachte vielmehr an andere Kreise, die ja nun einmal in der Stellung von Forderungen keine Maße kennen und niemals daran denken, daß die wirklich arbeitenden Menschen letzten Endes auch die Mittel für den Lebensunterhalt all der unglücklichen Opfer des Krieges aufbringen müssen.
— Herr Renner — —
- Herr Renner, ich will Ihnen einmal etwas sagen. Sie waren doch am vorigen Samstag bei der Tagung der Kriegsbeschädigten in Düsseldorf.
Da haben Sie doch gehört, wie der Vertreter der Kriegsbeschädigten aus Berlin erklärt hat: Wir wären ja so glücklich, wenn wir erst einmal die Regelung hätten, die Sie bisher hatten; denn bei uns in Berlin und in der Ostzone bekommen die Kriegsbeschädigten 40 Mark im Monat.
Das haben Sie von einem Mann gehört, der die Kriegsbeschädigten aus Berlin vertritt.
Ich möchte Ihnen nunmehr zu Ihren endgültigen Entschlüssen noch einmal folgendes sagen. Im vergangenen Jahre haben die Länder für die Kriegsbeschädigten insgesamt 2,1 Milliarden DM ausgegeben. Ich habe Ihnen bei der ersten Lesung dieses Gesetzes erklärt, daß das Kriegsbeschädigtenrecht, wie es durch dieses Übergangsgesetz gestaltet wird, im laufenden Jahr einen Aufwand von über 3 Milliarden DM erfordert. Es ist die Frage aufgeworfen worden, wie sich diese Summe errechnet. Ich will es Ihnen sagen. Die Länder haben für diesen Zweck im letzten Vierteljahr 650 Millionen DM ausgegeben. Multiplizieren Sie das mit 4, haben Sie einen Betrag von 2,6 Milliarden DM. Gerade Herr Bazille wird mir recht geben, wenn ich sage, der Rückstand in der Bearbeitung der Anträge ist so groß, daß im Laufe dieses Jahres durch 'die Aufarbeitung dieser Rückstände eine Vermehrung der Ausgaben um 15 % eintritt. Dann haben Sie den Betrag, den ich genannt habe.
Ich erkläre hier nochmals dasselbe, was ich am vorigen Samstag den Kriegsbeschädigten in ihrer Organisation selbst gesagt habe. Dieses Übergangsgesetz ist dazu vorgesehen, daß man für die endgültige Gestaltung der Versorgung der Kriegsbeschädigten wenigstens eine halbwegs
gleiche Grundlage hat. Wir haben heute siebenerlei Kriegsbeschädigtenrecht. Wenn heute so getan wird, als wenn die Bundesregierung so reaktionär ist, daß sie den Kriegsbeschädigten nichts zukommen lassen will, dann muß ich darauf hinweisen, daß das Recht der Gesetzgebung heute noch bei den Ländern liegt.
Sie hätten im vergangenen Jahre bestimmt die Möglichkeit gehabt, weitergehende Gesetze zu beschließen, als sie beispielsweise in der amerikanischen Zone und im Lande Nordrhein-Westfalen angenommen worden sind. Ich will absolut nicht sagen, daß die Länder das hätten tun müssen; sie mußten wissen, was sie finanziell tragen konnten. Aber das Kriegsbeschädigtenrecht, wie es heute vorliegt und das wir bereits durch dieses Übergangsgesetz verbessern wollen, ist letzten Endes doch ein Recht, das sich draußen in den Ländern je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit entwickelt hat. Wir haben nicht gesehen, daß die sozialen Erwägungen in den reicheren Ländern etwa zu gesetzlichen Regelungen geführt hätten, die sich auch nur halbwegs mit dem vergleichen lassen, was heute von der Bundesregierung, und zwar in aller Kürze, verlangt wird.
3 Milliarden an Belastungen durch die Kriegsbeschädigten für das nächste Jahr, das ist doch immerhin eine Summe, die jedem von Ihnen zu denken gibt. Ich habe es den Kriegsbeschädigten am Samstag selber gesagt: das neue Kriegsbeschädigtenrecht kann nicht nur darauf aufgebaut werden, daß noch weitere Mittel aufgebracht werden; vielmehr müssen die zur Verfügung stehenden Mittel so gerecht eingesetzt werden, daß der wirklich Bedürftige, derjenige, der von seiner Rente leben muß, so viel bekommt, daß er leben kann. Derjenige aber, dem das Schicksal noch die Möglichkeit gelassen hat, sich selber zu helfen, muß zugunsten des noch schwerer Getroffenen auch einmal auf etwas verzichten können.
Meine Damen und Herren! Das heutige Kriegsbeschädigtenrecht gibt beispielsweise auch einem Minister noch die Möglichkeit, eine Kriegsbeschädigtenrente zu beziehen. Sie werden zugestehen müssen, daß man hier zu einer Neuordnung kommen muß, damit das, was der Staat, was die Allgemeinheit für die Kriegsbeschädigten erübrigen kann, auch dahin geleitet wird, wo die Not der Menschen am drückendsten ist.