Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausgangspunkt für die Beratungen des Gesetzes, das heute zur Debatte steht, waren die Anträge Drucksache Nr. 107 und Drucksache Nr. 108. Diesen Anträgen folgend haben der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen wie auch der Bundestag beschlossen, die Regierung zu ersuchen, a) den Schwerbeschädigten und Hinterbliebenen eine
Teuerungszulage zu gewähren, die die unterschiedlichen Bezüge innerhalb des Bundesgebietes möglichst einander angleicht, und b) die nicht sozialversicherten Hinterbliebenen und Beschädigten gegen Krankheit zu versichern. Damit war der Bundesregierung vom Bundestag ein genau umschriebener Auftrag gegeben, und entsprechend diesem Auftrag hat die Bundesregierung dem Bundestag einen Gesetzentwurf zugeleitet.
Bei den Beratungen im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen hat dann der Ausschuß einmal in Verfolg von Wünschen der Kriegsopferorganisationen, dann aber auch aus Erkenntnissen eines Teiles der Mitglieder dieses Ausschusses Abänderungen an diesem Gesetzentwurf vorgenommen, Abänderungen, die gegenüber dem Regierungsentwurf eine Reihe von Verbesserungen vorsahen. Diese Abänderungen wurden allerdings in Unkenntnis der finanziellen Auswirkungen beschlossen. Erst als die Beschlüsse des Ausschusses formuliert und in Gesetzesform gegossen waren, wurden uns von der Bundesregierung Mitteilungen über die finanziellen Auswirkungen dieser Beschlüsse gemacht. Die Frau Berichterstatterin hat ja schon darauf verwiesen, daß anstatt der zunächst vorgesehenen 80 Millionen nach den Beschlüssen des Ausschusses ein Finanzbedarf von etwa 203 Millionen entstünde.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle, daß bis zum 31. März 1950 nicht der Bund, sondern die Länder für die Beschaffung der Finanzmittel zur Versorgung der Kriegsopfer zuständig und verantwortlich sind. Die Durchführung der Beschlüsse des Kriegsopferausschusses hätte zur Folge gehabt, daß bis zum 31. März die Länder anstatt, wie vorher angenommen, rund 20 Millionen nun rund 50 Millionen hätten aufbringen müssen. Darüber hinaus steht fest, daß der Bundesrat das vom Kriegsopferausschuß zunächst angenommene Gesetz abgelehnt hätte, weil — und das sind Informationen, die ich als Mitglied des Haushaltsausschusses bekommen habe — die Länder in einem Bericht über ihre Finanzlage mitgeteilt haben, daß sie im vergangenen Jahre für soziale Lasten und für die Kriegsopferversorgung 11/4 Milliarden Mark mehr haben aufbringen müssen als im Vorjahr. Auch die politische Zusammensetzung des Bundesrats ist eine andere als die des Bundestags. Da wir nun wissen, daß ein Gesetz, das in seinen Leistungen über die Vorschläge in dem Antrag des Kriegsopferausschusses hinausgeht, der Ablehnung verfällt, stehen meine Freunde und ich auf dem Standpunkt, daß es besser ist, einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach zu haben.
Da dieses Gesetz, wie es vorhin von der Berichterstatterin erläutert worden ist, an Verbesserungen einmal eine Teuerungszulage, zweitens eine Ausdehnung des Personenkreises, der auf Witwenrente Anspruch hat, und drittens die Pflegezulage f ar den hilfsbedürftigsten Kreis der Kriegsopfer, die auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind, um ihr Leben zu fristen, vorsieht und endlich die Nichtanrechnung dieser Teuerungszulage auf die Fürsorgeunterstützung angeordnet hat, stehen wir nun vor der Frage, entweder dem Antrag des Ausschusses für Kriegsopferfragen zuzustimmen und damit diese Verbesserungen den Kriegsopfern ab 1. Januar dieses Jahres zu sichern, oder uns auf den Boden des SPD-Antrags Drucksache Nr. 491 zu stellen und damit Gefahr zu laufen, daß all die Verbesserungen die ich kurz angedeutet habe, unter den Tisch fallen. Als Realpolitiker und als CDU stehen wir auf dem Standpunkt, daß es im Interesse der Kriegsopfer gelegen ist, dem Antrag zuzustimmen. Gewiß sind auch wir der Auffassung, daß eine ganze Reihe von Nöten, in denen die Kriegsopfer stecken, recht bald in irgendeiner Form einer Milderung entgegengeführt werden müssen; es ist auch des längeren und breiteren schon im Kriegsopferausschuß darüber geredet worden. Es liegen auch Erklärungen der Bundesregierung vor, daß die gesamte Kriegopferversorgung auf einen ganz neuen Boden gestellt werden soll und muß, weil mit dem nächsten Haushaltsjahr ab 1. April dieses Jahres die Verantwortung für die Kriegsopferversorgung auf den Bund übergeht und daher von diesem Zeitpunkt ab eine neue gesetzliche Regelung notwendig ist.
Um der Bundesregierung in dieser Beziehung auch mit Richtlinien und mit Forderungen an die Hand zu gehen, hat der Kriegsopferausschuß eine Entschließung gefaßt, nach der all diese Dinge, die wir bei der augenblicklichen Situation nicht der Verwirklichung entgegenführen können, in irgendeiner Form in das Gesetz zur Neugestaltung der Kriegsopferversorgung einzubauen sind. Weil die Dinge so liegen meine Damen und Herren, und weil wir als CDU auf dem Standpunkt stehen, daß Politik die Kunst des Möglichen ist.
bitten wir Sie, dem Antrag des Kriegsopferausschusses die Zustimmung zu geben.