Rede von
Dr.
Josef Ferdinand
Kleindinst
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine verehrten Damen und Herren! Die beiden Anträge, die hier gestellt worden sind, betreffen Schwierigkeiten, mit denen die öffentliche Fürsorge bereits seit Jahrzehnten zu kämpfen hat. Der Grund liegt darin, daß sowohl bei der Rückerstattungspflicht wie bei der Anrechnung der verschiedenen Einkommen die Reichsfürsorgepflichtverordnung, die Reichsgrundsätze und das Fürsorgeprinzip überhaupt von der individuellen Hilfsbedürftigkeit ausgehen. Diese individuelle Hilfsbedürftigkeit ist immer wieder durch die Katastrophen in Frage gestellt worden, in welche wir hineingeraten sind. Wir haben immer allgemeine Notstände erlebt, für die der einzelne nicht verantwortlich war und von denen er allein für seine Person nicht betroffen wurde. Die Hilfsbedürftigkeit ist als eine Massenerscheinung aufgetreten. Sie hat vor allem immer viel länger gedauert als die Hilfsbedürftigkeit, die sonst individuell hervorgetreten ist.
Darin sind nun die Schwierigkeiten begründet, die heute hervorgehoben worden sind. Man hat sich früher mit Runderlassen an die Länder und an die Fürsorgeverbände begnügt. Ich gebe aber zu, daß hier eine Sonderregelung getroffen werden muß. Die Gruppen, die hier in Frage kommen, müssen so herausgehoben werden, daß sie vollkommen berücksichtigt werden. Sie müssen der Rückerstattungspflicht enthoben werden. Sie Sind dieser Rückerstattungspflicht auch gar nicht fähig. Die Fälle, in denen ein Verfolgter, ein Kriegsgefangener, ein Bombengeschädigter in gute Verhältnisse kommt, die es ihm erlauben oder ihm die Verpflichtung auferlegen, Erstattung zu leisten, sind außerordentlich selten. Deshalb können wir dem Antrage ohne weiteres zustimmen.
Schwierig ist ja die Frage der Anrechnung von anderem Einkommen, insbesondere von Sozialrenten nach der Fürsorgepflichtverordnung. Diese Anrechnung ist nicht etwa aus fiskalischen Gründen zum Zweck von Einsparungen der Länder und der Ausgaben der Fürsorgeverbände erfolgt, sondern sie ist in den Grundsätzen der öffentlichen Fürsorge, ist in den Grundsätzen, die Art und Maß der öffentlichen Fürsorge betreffen, begründet. Aber es ist gar kein Zweifel, daß auch hier Schwierigkeiten vorliegen, Schwierigkeiten, die in der Zeitlage begründet sind.
Deshalb stimmen wir auch diesem Antrage zu, insbesondere weil für die Sozialrentner die gehobene Fürsorge ja weitgehend aufgehoben worden ist, vor allem in der amerikanischen Zone durch das Eingreifen der Militärregierung. Aber ich möchte davor warnen, daß wir diese Sonderregelung zum Anlaß nehmen, die öffentliche Fürsorge zu schematisieren und in eine Vollzugsverwaltung umzuwandeln.
Es ist davon gesprochen worden, einheitliche Fürsorgerichtsätze festzulegen. Das ist eine Angelegenheit, die schon den Reichstag vor 1933 beschäftigt hat. Es hat sich immer wieder gezeigt, daß derartige einheitliche Richtsätze für den ganzen Bereich des damaligen Deutschen Reiches und heute für den Bereich des Bundesgebiets sich einfach wegen der verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse gar nicht durchführen lassen. Wenn man die Zusammenstellung der Fürsorgerichtsätze in den einzelnen Fürsorgebezirken verglichen hat, dann hat man immer wieder festgestellt, daß sie doch im allgemeinen den örtlichen, den regionalen Verhältnissen richtig angepaßt worden sind. Die Schematisierung der öffentlichen Fürsorge würde sie an dem Kern und an dem Geist ihrer Aufgabe treffen. Aber solange wir diese Massenerscheinungen haben, die jede individuell bedingte Fürsorge erschweren, solange werden wir wohl diese Sonderregelung beibehalten müssen. Aus diesem Grunde stimmen wir ohne Aufgabe des Grundsatzes der individuellen Fürsorge diesen Anträgen zu.