Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen das Ergebnis der Beratungen in den beiden Ausschüssen, obwohl wir gegen die Formulierung, die der Ausschuß unserem Antrag auf Drucksache Nr. 106 gegeben hat, gewisse Bedenken haben. Wir sind der Auffassung, daß das Problem nicht in der Form gelöst werden kann, daß man die alte „Gehobene Fürsorge" wieder einführt. Wir Kommunisten sind in dieser Auffassung nicht allein; denn bis in die Rechtskreise der auf dem sozialen Gebiet tätigen Personen und Organisationen besteht die Ansicht, daß durch die Schaffung einer gehobenen Fürsorge, an der nur ein bestimmter Teil von Fürsorgeberechtigten partizipieren würde, eine gewisse Generalisierung der Wohlfahrtsleistungen eintreten würde, wogegen man sich zu wenden habe. Ich stehe also mit meinem Urteil gegen die Wiedereinführung der gehobenen Fürsorge nicht allein. Ich bin mir allerdings darüber klar, daß die Regelung des Tatbestandes, den wir mit unserem Antrag angeschnitten haben, nicht leicht ist.
Ich bin folgender Überzeugung. Das Problem der Außerachtlassung eines gewissen Teils der Renten oder der Eigentumserträgnisse bei der Berechnung zur Feststellung der Bedürftigkeit nach den Prinzipien der allgemeinen Wohlfahrtspflege kann man nur auf der Basis lösen, daß man die Fürsorgepflichtverordnung, die die derzeitige Rechtsbasis der gesamten öffentlichen Wohlfahrtspflege ist, grundsätzlich ändert. Man sollte den neuen sozialen Begriffen, wie sie sich im Laufe der Jahre nach dem Zustandekommen der Fürsorgepflichtverordnung herausgebildet haben, und auch der allgemeinen sozialen Lage, wie sie nicht zuletzt der Krieg bedingt hat, Rechnung tragen. Unter diesen Gesichtspunkten sollte man an eine Neuregelung der Rückerstattungspflicht und an eine Neuregelung der Unterhaltspflicht herangehen. Wenn man das .Problem auf dieser Basis anpackt, kann man eine Regelung im Sinne des Ausschußbeschlusses erreichen, ohne zum Prinzip der gehobenen Fürsorge zurückzukehren.
Entschuldigen Sie, wenn ich mich für verpflichtet gehalten habe, auf diesen Tatbestand hinzuweisen. Wir begrüßen den Beschluß des Ausschusses insofern schon, als er wenigstens mit der Praxis Schluß macht, die sich herausgebildet hat, daß nämlich die Gemeinden die Leistungsverbesserungen des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes dazu benutzt haben, um Rieseneinsparungen zu machen, daß also die eine Hand wieder weggenommen hat, was die andere gegeben hatte, daß das Sozialversicherungsanpassungsgesetz in der Tat eigentlich nur eine Verschiebung der Lastenträger bedeutete. Insofern begrüßen wir, wie gesagt, den Beschluß
des Ausschusses, bitten aber doch darum, noch einmal den Gedanken zu erwägen, ob nicht das, was von uns allen gewünscht wird, besser durch eine grundsätzliche Änderung der Prinzipien der Fürsorgepflichtverordnung als dadurch zu erreichen ist, daß wir zu dem meines Erachtens längst überholten Prinzip der sogenannten gehobenen Fürsorge zurückkehren.