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ID0103300800

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    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
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    4. Frau: 1
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    6. Kalinke: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 33. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Februar 1950 1025 33. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 1. Februar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1026D, 1057C Eintritt des Abg. Kohl in den Bundestag 1026D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen zur Durchführung der Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume zweite Hälfte 1948 und das Kalenderjahr 1949 und zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer 1950 . . . . 1027A Beschluß des Bundesrats zu dem Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Dezember 1949 . 1027A Anfrage Nr. 25 der Fraktion der SPD betreffend Bau eines Sperrwerks bei Leer (Drucksachen Nr. 354 und 477) . 1027B Anfrage Nr. 28 der Zentrumsfraktion betreffend Sonderpreise für Mineralöl (Drucksachen Nr. 380 und 479) . . . . 102713 Namensänderung der Gruppe „Nationale Rechte" in „Deutsche Reichspartei" . . 1027B Einspruch des Abgeordneten Goetzendorff gegen seinen Ausschluß von den Verhandlungen des Bundestages gemäß § 92 der vorläufigen Geschäftsordnung (Drucksache Nr. 475) 1027C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wiederherstellung der Ehrenämter und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Drucksache Nr. 444) 1027C Storch, Bundesminister für Arbeit 1027C Arndgen (CDU) 1028D Dr. Wellhausen (FDP) . . . . 1030A Frau Kalinke (DP) 1031D Dr. Leuchtgens (DR?) . . . . 1034A Richter (SPD) . . . . . . . 1034C Oskar Müller (KPD) 1036C von Fürstenberg (BP) . . . . 1037D Beratung des Mündlichen Berichts • des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Ilk, Dr. Schäfer und Genossen betreffend Familienunterstützung ehemaliger Kriegsgefangener und Internierter und über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Rückerstattungspflicht von Fürsorgeaufwendungen (Drucksachen Nr. 416, 202 und 329) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Auswirkungen der Leistungssteigerungen des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes (Drucksachen Nr. 453 und 106) 1038B Frau Niggemeyer (CDU), Berichterstatterin . . . . . . . . . 1038B Fischer (SPD), Berichterstatter . 1039B Renner (KPD) 1040C Frau Schanzenbach (SPD) . . . 1041A Dr. Kleindinst (CSU) 1042B Frau Dr. Ilk (FDP) 1042D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Wiederherstellung der deutschen Fischerei-Hoheit (Drucksachen Nr. 449 und 349) . . . . 1043B Tobaben (DP), Berichterstatter . . 1043B Wehner (SPD) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . . 1043D Dr. Bucerius (CDU) 1044A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend besonderes Referat für in Polen und in der Tschechoslowakei lebende Deutsche (Drucksachen Nr. 459 und 78) 1044C Höfler (CDU), Berichterstatter . . 1044D Frau Dr. Hubert 1045A Oskar Müller (KPD) 1045D Dr. Trischler (FDP) 1046A von Thadden (DRP) . . . . . 1046D Krause (Z) 1047B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion der BP betreffend Sofortmaßnahmen der Bundesregierung hinsichtlich der Verteilung der illegal über die Ostgrenzen kommenden Flüchtlinge (Drucksachen Nr. 460 und 92) 1047C Kuntscher (CDU), Berichterstatter 1047C Tichi (WAV) 1048B Donhauser (BP) . . . . . . . 1049A Paul (Württemberg) (SPD) . . . . 1050B Strauss (CSU) 1050D Clausen (SSW) 1051D Beschlußfassung über den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen betreffend Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums (Drucksachen Nr. 402 und 34) 1052B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen über den Antrag der Fraktion der WAV . betreffend Baudarlehn an Schwer- und Schwerstversehrte (Drucksachen Nr. 419 und 237) . . . . 1052B Lücke (CDU), Berichterstatter . . . 1052B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend abgelaufenes Produktionspermit (Drucksache Nr. 412) . . . 1052D Storch, Bundesminister für Arbeit . 1053A Dr. Bucerius (zur Geschäfts- ordnung) 1053B Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 1053D Agatz (KPD) 1054D Meyer (Westfalen) (SPD) . . . 1055C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Bericht über die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn (Drucksache Nr. 435) 1056D Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 473) 1056D Nächste Sitzung 1057C Anmerkung zur 32. Sitzung betreffend Zustimmung der Abg. Dr. Dorls und Dr. Ott zu den Erklärungen zur Frage der Zurückhaltung von Kriegsgefangenen und Internierten . 1057 Die Sitzung wird um 14 Uhr 45 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Anmerkung zu Punkt 4 der Tagesordnung der 32. Sitzung, Seite 1011 B ff. Die Abgeordneten Dr. Dorls und Dr. Ott haben dem Präsidenten gegenüber nach der Sitzung schriftlich und mündlich ihre Zustimmung zu der von dem Bundeskanzler abgegebenen Erklärung und zu der von dem Abgeordneten Pohle im Namen der Fraktionen des Bundestags abgegebenen Erklärung zur Frage der Zurückhaltung von Kriegsgefangenen und Internierten erklärt.
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    Rede von Dr. Hans Wellhausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine verehrten Damen und Herren! Meine Freunde stehen auf dem Boden des Regierungsentwurfs, wie sie das schon im Wirtschaftrat vielfach zum Ausdruck gebracht haben. Sie werden sich im Ausschuß dafür einsetzen, daß er mit größter Beschleunigung zum Gesetz erhoben wird. Wenn das schöne Wort 1 Schillers „Wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort" wahr wäre oder einen Sinn hätte, müßte dieses Gesetz schon längst verabschiedet, in Kraft getreten und beiden Sozialpartnern zum Nutzen sein. Denn geredet, meine verehrten Damen und Herren, ist zu dieser Angelegenheit weiß Gott genug, nicht bloß zwischen und von den Sozialpartnern, sondern auch in den Parlamenten, im bayerischen Landtag wie im Wirtschaftsrat. Aber wir stellen hier ja öfter fest, daß dieses Schillersche Wort nur sehr relativ richtig ist.
    Man kann meines Erachtens geradezu von einer Leidensgeschichte dieser Gesetzesmaterie sprechen. Es ist mehr als ein Jahr her, seit die SPD-Fraktion im Wirtschaftsrat einen Initiativgesetzentwurf einbrachte, dem dann einige Wochen darauf eine Regierungsvorlage folgte. Ohne ironisch zu sein, möchte ich sagen: genau dasselbe Spiel erleben wir nun wieder, nur die Taktik ist eine etwas andere und, wie mir scheinen will, eine etwas primitive.
    Wie liegen denn die Dinge? Bis 1933 war es so, daß in wichtigen Sozialversicherungsträgern Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern herrschte. Der von mir erwähnte Initiativgesetzentwurf der SPD vom vorigen oder gar vom vorvorigen Jahre wünschte diese Parität nicht aufrechtzuerhalten, sondern wollte die Arbeitnehmer zu 75 Prozent an den Organen beteiligen. Der seinerzeitige Beschluß lautete dann auf Parität. Diesmal hat man nun in dem Gesetzentwurf der SPD — mit aller Höflichkeit sei es gesagt — ein wenig mehr vorgeboten und verlangt hundertprozentige Beteiligung; wie ich annehme, in der Hoffnung, daß es nun diesmal wenigstens zu einer
    75prozentigen Beteiligung kommt. Ich sage das so offen, mein Damen und Herren, und glossiere es etwas, weil ich Sie fragen möchte: Ist das wirklich eine Materie, bei der man solche Handelsgeschäfte oder solches Handeln betreiben sollte? Ich für meine Person möchte diese Frage energisch verneinen.
    Wie ist denn der Tatbestand? Es handelt sich doch um nicht mehr und nicht weniger als darum, hier wirklich ein Unrecht, das den Sozialpartnern schon sehr früh in der Nazizeit bereitet worden ist, zu beseitigen. Diese Beseitigung ist längst überfällig. Eigentlich hätte man annehmen können, die Alliierten würden unmittelbar nach ihrem Einzug die Folgerungen ziehen. Aber sie hielten uns damals nicht für zuständig, vielleicht auch nicht für fähig, solche Dinge zu ordnen, wiewohl sie auf einem anderen Gebiet, das mit der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer zusammenhängt, sehr frühzeitig und sehr schnell zu Entschlüssen gekommen sind. Dann kam der Wirtschaftsrat mit seinem wirklich heißen Bemühen — ich erinnere mich genau — und wollte den Dingen Gestalt geben, und wiederum haben die Alliierten es nicht genehmigt. Ich finde deshalb, daß wir heute ein wenig beschämt vor den Sozialpartnern stehen und daß wir nun doch schnellstens das Versäumte nachholen und darüber hinaus auch noch Verbesserungen vornehmen sollten. Aber auf solche Verbesserungen wollen wir uns beschränken.
    Meine Damen und Herren, Strukturveränderungen in der Sozialversicherung wollen wir - das ist der Wunsch meiner Freunde — bei dieser Gelegenheit nicht vornehmen. Um das an einem Beispiel zu illustrieren: Wir wollen die Selbständigkeit der Angestelltenversicherung gegenüber der Invalidenversicherung oder sagen wir lieber: neben der Invalidenversicherung — ein Gegensatz ist es ja nicht — mit allem Nachdruck aufrechterhalten.

    (Zuruf von der KPD.)

    - Das überrascht Sie sicher nicht! - Wir wollen keinen Schritt zur Einheitsversicherung tun. Was wir wollen: wir wollen dem Grundgedanken, der meines Erachtens jeder Selbstverwaltung zugrunde liegen muß, zum Durchbruch verhelfen; und der sieht in unseren Augen so aus: Wenn die Beteiligten eine gemeinschaftliche Aufgabe gestellt bekommen haben, wenn sie dabei sind, sie zu lösen, und sie zum Teil schon gelöst haben, dann hat jeder von den Beteiligten — also den Sozialpartnern — das gleiche Recht, mitzusprechen. Nichts liegt dann näher, als daß sich das eben in einer Parität der Sozialpartner in den Organen auswirkt. Das ist für meine Freunde der übergeordnete Gesichtspunkt, von dem aus die Dinge geregelt werden sollten. Denn Schwerpunkte nach der einen oder anderen Richtung — dieser Ausdruck hat schon in den Debatten des Wirtschaftsrats eine große Rolle gespielt — wollen wir nicht schaffen.
    Wir sind nun deswegen nicht unerheblichen Angriffen ausgesetzt. Diejenigen der SPD habe ich schon erwähnt. Aber sie kommen auch von anderen Seiten, und ich muß mich in diesem Zusammenhang ganz kurz mit den Gedanken der Unfallversicherung auseinandersetzen. Diese Unfallversicherung ist bekanntlich keine normale Versicherung, sondern eine Ablösung der gesetzlichen Haftpflicht der Unternehmer und eine Vorsorge, eine genossenschaftliche Rückversicherung


    (Dr. Wellhausen)

    der Unternehmer gegen Unfälle im Betrieb. Aus dieser Definition geht meines Erachtens schon hervor, wie wenig begründet es doch eigentlich ist, diesen Selbstverwaltungskörper der Unfallversicherung, der nur die Arbeitgeber angeht, in die Parität hineinzubeziehen, zumal ja bei den Folgemaßnahmen, bei der Unfallfürsorge selbst, bei der Heilfürsorge usw. diese Parität in besonderen Organen, die Sie durchschnittlich kennen werden, gesichert ist. Wir sind aber um des lieben Friedens willen, des übergeordneten Gesichtspunkts willen, den ich vorhin dargelegt habe, im Wirtschaftsrat der Meinung gewesen, darauf nicht bestehen zu sollen, und wir haben deshalb zugestimmt, daß auch insoweit, also in der Unfallversicherung, die Parität durchgeführt wird.
    Wie wollen wir uns nun heute verhalten? Ich bin der Meinung, daß wir doch bei dieser Materie nicht darauf aus sein sollten, dem einen oder andern eins auszuwischen oder ihn gar zu erziehen, wiewohl das ja modern ist. Das soll keineswegs unser erstes Prinzip und unser erster Gedanke sein, sondern wir wollen das Ganze fördern. Die offensichtliche Nichtachtung — ich glaube, man muß es doch schon so ausdrücken, nicht vom Kanapee-Standpunkt aus gesehen, sondern sachlich gesprochen —, die durch den vorliegenden Entwurf der SPD nun dem einen Sozialpartner und seinen Interessen widerfährt, müßte uns meines Erachtens doch zu der Überlegung führen, ob es richtig war und ist, in der Unfallversicherung die Haltung einzunehmen, die wir eingenommen haben.
    Denn, meine verehrten Freunde, ich möchte nicht so bescheiden wie mein Vorredner sein, daß man „die Arbeitgeber bei der Stange halten wolle" - das war ja das Hauptmoment —, sondern ich bin schon der Meinung, daß die Arbeitgeber von sich aus den Wunsch und die Pflicht und das Recht haben, sich in diesen Dingen zu betätigen. Ich glaube, eine Diskriminierung, die das verhindert oder unmöglich macht, können wir nicht mitmachen. Ich halte sie für völlig unverdient. Ich gehe aber einen Schritt weiter. Ich bin der Meinung, daß es viele Arbeiter gibt, die großen Wert darauf legen, die Sorgen, die die Sozialversicherungsträger ja leider zur Zeit in einem sehr großen Umfang beunruhigen, gemeinsam zu erörtern, und daran sollte niemand gehindert werden. Ich finde, daß es ein nicht sehr guter, ja ein schlechter Beitrag zur Herbeiführung des sozialen Friedens ist, wenn nun politische Wünsche, wie geschehen, in einem Initiativgesetz einer großen Partei dieses Hauses ihren Niederschlag finden. Ich finde vor allem, meine verehrten Damen und Herren, daß das nicht mit der an wichtigen Stellen in hoffnungsvoller Weise gerade in den letzten Wochen hervorgetretenen Verständigungsbereitschaft in Einklang steht. Ich beschränke mich durchaus auf diesen einen großen Komplex und bin im übrigen auch der Meinung, daß wir in den Ausschußberatungen noch sehr vieles zu den Dingen zu sagen haben werden; aber schnell!
    Erlauben Sie mir bitte, daß ich in diesem Zusammenhange noch auf die Drucksache Nr. 361 eingehe die, glaube ich, schon dem Ausschuß überwiesen ist. Es ist der Antrag der Abgeordneten Günther und Genossen, der eine wichtige Einzelfrage, nämlich die Frage der Betriebskrankenkassen, mit dem Prinzip der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung und ihrer Wiederherstellung verbinden will. Das ist vollständig richtig. Denn diese Wiederzulassung der Errichtung neuer Betriebskrankenkassen scheint mir doch eine Selbstverständlichkeit zu sein, wenn man der Selbstverwaltung grundsätzlich zustimmt. Sie scheint mir aus der Koalitions- und Organisationsfreiheit, die das Grundgesetz — und alle Verfassungen vorher außer bei Hitler; der hatte keine —sicherstellt und vorschreibt, ohne weiteres zu folgen. Ich gehe weiter: ein Verbot, wie es die Nationalsozialisten 1934 verfügt haben, steht in einem flagranten Widerspruch zu dem Grundsatz der Koalitions- und Organisationsfreiheit. Ich glaube, es wäre überflüssig, hierüber noch viel zu sagen, und ich tue mich ja eigentlich auch sehr leicht; denn den Kreisen, die in dieser Beziehung zurückhaltend oder gar ablehnend sind, ist ja durch die Ihnen bekannten Vorgänge in der französischen Zone schon eine sehr klare und deutliche Antwort erteilt worden. Dort hat man durch in allen drei Ländern gleichlautende Gesetze die Sperre aufgehoben, und das für mich keineswegs überraschende Ergebnis war das, daß eine Vielzahl von Betrieben mit außerordentlichen Mehrheiten der Errichtung oder Neuerrichtung von Betriebskrankenkassen zugestimmt haben. Damit bin ich keineswegs für ein „laissez faire, laissez aller", denn ein Paragraph, auf den ich jetzt nicht mehr eingehen will, nämlich § 248 der Reichsversicherungsordnung -' die Kenner werden verstehen, was ich meine, auch ohne daß ich die Dinge vortrage — enthält ja schon durchaus alle Kautelen, die nötig sind. Wenn es noch an etwas gefehlt hat, dann ist das, was wir im Wirtschaftsrat vorgeschlagen haben, nämlich die Erhöhung der Mindestzahl von 150 auf 300 Mitglieder, das Entsprechende und das, was noch nötig ist. Ich möchte Ihnen deswegen auf das dringendste empfehlen, der Errichtung von Betriebskrankenkassen zuzustimmen.
    Zusammengefaßt zu der ganzen Gesetzesmaterie geht der Wunsch meiner Freunde dahin, daß wir es geradezu für eine Ehrenpflicht halten, nunmehr auf dem schnellsten, dem einfachsten. aber auch auf dem modernsten Wege die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung wiederherzustellen. Denn, meine Freunde, es wird ohnehin - das möchte ich zum Schluß noch sagen — nicht leicht sein, die Kräfte auf beiden Seiten, bei den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern, zu finden, zu interessieren und mit Kenntnissen zu versehen — das gehört nämlich auch zum Ehrenamt, daß man Kenntnisse hat, das wird oft vergessen —,

    (Heiterkeit)

    Kenntnisse, die sie brauchen, um ihre Pflichten im Vorstand oder in der Vertreterversammlung solcher Körperschaften erfüllen zu können. Ich hoffe sehr, daß sich zu gegebener Zeit recht viele Leute finden, die darin eine Befriedigung sehen. Denn erst dann wird das Gesetz, das wir beschließen wollen, seinen Sinn haben und sich zum Segen beider Sozialpartner auswirken.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Wenn die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung neben der Selbstverwaltung in der Gemeinde die Hohe


    (Frau Kalinke)

    Schule der Demokratie darstellt, so ist es für uns alle, die wir seit 1945 um wirklich souveräne Formen der Demokratie ringen, unerträglich — und das ist hier schon mehrfach ausgesprochen worden —, daß diese demokratische Selbstverständlichkeit in der Selbstverwaltung der sozialen Versicherung in allen ihren Formen nicht schon verwirklicht werden konnte. Seit Beendigung des Krieges ist und das ist hier auch schon historisch dargestellt worden — von allen Trägern des öffentlichen Lebens, den politischen Parteien wie den Gewerkschaften, die Wiederherstellung der Selbstverwaltung gefordert worden. Wir haben es bedauert, daß die so vielfachen Bemühungen des Wirtschaftsrates an der Militärgesetzgebung bzw. am Veto der Militärregierung gescheitert sind, und wir können heute zurückblickend nur mit Bedauern feststellen, daß überall da, wo schon Gesetze der Selbstverwaltung erlassen worden sind, in der französischen Zone und in Bayern, diese fortschrittlichen Gesetze nicht nur eine Zersplitterung der Gesetzgebung, sondern auch eine Rechtszersplitterung der Selbstverwaltung gebracht haben, die nun schnellstens beseitigt werden soll.

    (Sehr gut!)

    Insofern begrüßt meine Fraktion die Vorlage der Bundesregierung, die sich weitgehend auf den Entwurf des Wirtschaftsrates stützt und die Wiederherstellung des Rechtszustandes in der Form, wie er vor 1933 bestanden hat, erstrebt.
    Wir sehen in einer echten Selbstverwaltung das Fundament des staatlichen Aufbaus überhaupt. Das Haus unseres neuen Staates wird nur dann ein tragfähiges Gebäude sein, wenn 0 dieses Fundament fest und gesund ist. Jede Freiheit trägt verantwortliche Verpflichtungen in sich, und die Verwirklichung einer echten sozialen Versicherung aus dem guten Geist genossenschaftlicher Selbsthilfe erfordert eine tatsächliche verantwortliche geistige Mitarbeit und Gestaltung. Auf dem Wege der Mitarbeit und Mitverantwortung wachsen Männer und Frauen, Arbeiter und Angestellte, Arbeitgeber und Arbeitnehmer in jenes echte Bewußtsein des Mitverantwortlichseins hinein, das der letzte und tiefste Sinn der Demokratie überhaupt ist.

    (Sehr gut! rechts.)

    So erzieht die Selbstverwaltung die Staatsidee
    tragende Bürger und formt eine echte verantwortliche und staatserhaltende Gesinnung, die
    immer da einen Wall aufrichten wird, wo Zwang
    und Diktatur jemals drohen könnten. In diesen
    Wall, in dieses Fundament des Hauses der deutschen Sozialversicherung dürfen an keiner Stelle
    Breschen geschlagen werden. Gerade unsere Arbeit in diesem Hause zeigt, wie nötig wir schöpferische Menschen brauchen. Wir brauchen sie in
    allen Schichten und Ständen unseres Volkes. und
    Herr Kollege Wellhausen hat eben gerade darauf
    hingewiesen, wie notwendig es ist, diese Menschen zu finden. daß es leider aber auch eine
    reale Weisheit ist. daß Gott nicht jedem, dem er
    ein Amt gibt, auch den Verstand gegeben hat.

    (Heiterkeit.)

    Wenn es uns nun in der Selbstverwaltung gelingt, ausgehend von dem Grundsatz, den der Herr Bundesminister für Arbeit in seiner Begründung vorgetragen hat — dem Grundsatz nämlich der gleichberechtigten Zusammenarbeit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer als den Trägern der gesamten Wirtschaft —, die schöpferische Initiative zu fördern und die Verantwortung zu stärken, dann ist die höchste Aufgabe der Selbstverwaltung erfüllt. Ich selbst habe in dieser Selbstverwaltung der sozialen Krankenversicherung vor 1933 in einem echten und unmittelbaren Kontakt mit den Versicherten meine ersten entscheidenden sozialpolitischen Anregungen empfangen. Ich möchte jene Erfahrung aus der Lebensnähe niemals entbehren. Ich ,weiß aus dieser Erfahrung, daß der Geist echter demokratischer Verantwortung auch jedem Bürokratismus am besten entgegenwirkt und Menschen formt, bei denen der Geist mehr gilt als der Buchstabe des Gesetzes, Menschen formt, bei denen eben der Geist den Buchstaben oder den Paragraphen der Reichsversicherungsordnung erst Inhalt gibt.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Wir wollen beim Aufbau unserer Selbstverwaltung auch dafür Sorge tragen, daß wir die Jugend für echte demokratische Lebensformen gewinnen und begeistern.

    (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Wir wünschen, daß bei der Besprechung der Frage des Vorschlagsrechts im Ausschuß dafür Sorge getragen wird, daß nicht nur gewerkschaftliche Spitzenorganisationen, sondern daneben auch alle im Aufbau befindlichen Berufsverbände, die Organisationen der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, herangezogen werden und daß darüber hinaus vor allen Dingen auch jene jungen Menschen. die jungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die noch keiner Organisation angehören und ihr noch fernestehen, für die echten staatsbürgerlichen Tugenden der Selbstverwaltung gewonnen werden.

    (Abg. Rische: Die wollen erst Arbeit haben!)

    Meine Fraktion ist der Auffassung, daß wir überall dort auf die Wiederherstellung des Zustandes vor 1933 Wert legen sollten. wo die damals gemachten Erfahrungen ausreichend erscheinen. Sie meint aber. daß in der Beratung des Ausschusses darüber hinaus neue Wege gesucht werden sollten, um mit offenem Blick für die zukünftigen Notwendigkeiten die Grenzen der Verantwortung abzuwägen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen gemeinsam bedenken, was not tut. und sollen gemeinsam diese neuen Wege suchen.
    Einig bin ich auch mit dem, was der Herr Minister über die Verteilung der Verantwortung sagte, daß nämlich für die Verteilung der Verantwortung niemals etwa nur die materielle Beteiligung der Arbeitgeber durch Beitragsleistung allein entscheidend sein darf.

    (Abg. Rische: Jetzt kommt die Demokratie!) Wir sind vielmehr der Auffassung, daß die wirklich übergeordneten Gesichtspunkte, die ja auch Sie sehen wollen,


    (Abg. Rische: Jetzt kommen Sie mit Ihrer Demokratie!)

    — ja, mit der wahren demokratischen Auffassung, die die übergeordneten Gesichtspunkte und nicht nur das Interesse des einzelnen oder einer Gruppe sieht—, daß diese übergeordneten Gesichtspunkte eben bei der Vorbereitung


    (Frau Kalinke)

    und Schaffung einer neuen Sozialordnung,. die Sie doch auch anstreben, maßgebend sein sollen.

    (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)