Rede von
Franz
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und meine Herren! Meine Fraktion ist mit der Fraktion der SPD der Meinung, daß die Bundesregierung ein Gesetz gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht vorlegen muß.
Wir haben von diesem Rednerpult aus bereits wiederholt durch unsere beauftragten Sprecher diesem Willen Ausdruck verliehen. Wir sind der Meinung, daß die Monopolkontrolle und die Dekartellisierung ein wesentlicher Teil der sozialen Marktwirtschaft sind. Wir sind zwar daran gewöhnt, daß diejenigen, die uns nicht hören wollen, die unsere politischen Gegner sind, aus unserer Begriffsvorstellung von sozialer Marktwirtschaft immer nur einen Teil herauslösen und daß sie die Ernsthaftigkeit unseres Willens, diese soziale Marktwirtschaft von verschiedenen Seiten her zu beurteilen, einfach nicht akzeptieren wollen. So haben wir wiederholt ganz klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß unter sozialer Marktwirtschaft nicht nur ein echter Leistungswettbewerb zu verstehen ist, sondern daß
neben dem echten Leistungswettbewerb — als eine zweite Säule — die Monopolkontrolle dazukommt. Wenn unter diesem Gesichtspunkt die SPD und Herr Professor Nölting mit mir der Meinung sind, daß der Kartelleingriff ein planender Eingriff ist, wenn es ihm also Freude macht, hier einem alten Bekannten zu begegnen, — nun dann mag er unter diesem Aspekt uns meinetwegen auch als Anhänger einer planenden Wirtschaftsauffassung ansehen.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß wir unter keinen Umständen zur liberalen Wirtschaft alter Prägung zurück dürfen.
Wer jemals die Düsseldorfer Leitsätze nur am Rande gelesen hat, weiß, wie ernst es uns mit einer Ordnung ist, die an sich neben dem Leistungswettbewerb unbedingt die unabhängige Monopolkontrolle sieht. Diese unabhängige Monopolkontrolle ist eine Notwendigkeit.
— Ich weiß nicht, inwieweit ein solches Erfordernis, das auch Sie aufstellen, bei uns Theorie sein soll.
Wir sind der Meinung, daß die soziale Marktwirtschaft, wie ich schon sagte, in einem klaren Gegensatz zur Wirtschaft alter liberaler Prägung steht. Gerade weil wir einen Rückfall in diese Wirtschaft alter liberaler Prägung vermeiden wollen, sind wir der Meinung, daß neben einem Leistungswettbewerb eine Monopolkontrolle notwendig ist. So wenig wie der Staat oder halbstaatliche Organe die Aufgabe haben dürfen, die Wirtschaft zu lenken, so wenig dürfen nach unserer Auffassung auch Privatpersonen und private Verbände derartige Lenkungsaufgaben übernehmen. Wir wissen, daß die alte Wirtschaftsordnung liberaler Prägung es den Unternehmern erlaubt hat, sich zu Kartellen und Marktverbänden zusammenzuschließen, um auf weiten Gebieten die Preise zu diktieren, die Erzeugung nach ihrem Belieben zu gestalten und einzuschränken und hier einen Wirtschaftskampf mit allen Mitteln zu führen, den wir unter keinen Umständen zulassen wollen.
Wenn Sie, Herr Professor Nölting, heute hier das Bild von dem Sportplatz gebraucht haben, dann scheint es mir, daß Sie dieses Bild falsch angewendet haben; denn wenn Sie sagen: auf dem Sportplatz herrscht ein rüder Ellenbogenkampf, dann ist das, glaube ich, eine höchst unsportliche Auffassung; das ist es doch gerade, was im Sport nicht gilt. Überall da, wo eine solche rüde Ellenbogenfreiheit angewendet wird, wird der Schiedsrichter eingreifen und dafür sorgen, daß der Leistungswettbewerb des sportlichen Wettkampfes in eine anständige und ordentliche Form kommt. Wir stellen uns vor, daß es die Aufgabe der Monopolkontrolle ist, gerade hier einzusetzen und dafür zu sorgen, daß die Grundlage eines echten Leistungswettbewerbs unter allen Umständen erhalten bleibt. Gerade das sportliche Bild zeigt die Berechtigung unserer Auffassung im Gegensatz zu der Meinung, die Sie vertreten.
Wir sind auch nicht der Meinung, Herr Professor Nölting, daß in einer sozialen Marktwirtschaft eine Freiheit herrschen darf, die solche kartellartigen Zusammenschlüsse zwangsläufig er-
laubt. Denn wir wissen auf politischem Gebiet besonders seit 1933 ganz genau, daß im Namen der Freiheit die Freiheit aufgehoben werden kann. Das darf man eben nicht tun, und insofern ist das, was Sie planenden Eingriff nennen, unseres Erachtens eine höchst wichtige Ordnungsfunktion, um die sich allerdings der Staat unter allen Umständen zu kümmern hat.
Weil wir aber unsoziale Auswüchse des freien Wettbewerbs vermeiden wollen — unsoziale Auswüchse, für die ja der letzte Verbraucher zu zahlen hat —, darum sind wir der Meinung, daß eine Monopolkontrolle notwendig ist, und darum bejahen wir auf weiten Gebieten das, was der sozialdemokratische Antrag heute hier gefordert hat. Wir sind allerdings das will ich mit aller Offenheit aussprechen — über einen Satz dieses Antrages höchst mißtrauisch, wenn es nämlich in Absatz 2 in den letzten Zeilen heißt: „ohne daß wirtschaftsordnende Funktionen gestört werden und solche Organisationsformen, die der Leistungssteigerung oder den Zwecken einer guten und preiswerten Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes dienen, eine Behinderung erfahren." Wir werden in der Ausschußarbeit beantragen, einmal klarzustellen, ob hier die Ladenhüter einer alten Planwirtschaft wieder Eingang finden sollen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, einverstanden! Wenn es anders gemeint ist, würden wir unter keinen Umständen einer solchen Formulierung unser Einverständnis geben. Die Dinge wären im Ausschuß zu klären, und ihnen wäre im Ausschuß ein Inhalt zu geben.
Ich sage also zusammenfassend: grundsätzlich auf weiten Gebieten ein volles Ja, aus den Grundsätzen, die ich kurz dargelegt habe und die unser wirtschaftspolitisches Glaubensbekenntnis sind und die eine schriftliche Formulierung in unseren Düsseldorfer Leitsätzen gefunden haben.
Ich muß aber — und das muß ich nochmals mit aller Deutlichkeit hier sagen — unser höchstes Befremden darüber zum Ausdruck bringen, daß die sozialdemokratische Fraktion gerade in diesem Augenblick einen solchen Antrag einbringt, in dem es im letzten Absatz heißt:
Da die Vorarbeiten zu einem derartigen Gesetz bereits seit anderthalb Jahren im Gange sind, praktische Ergebnisse aber bisher nicht vorgelegt werden konnten, erwartet der Bundestag von der Regierung, daß sie nunmehr diesem Beschluß umgehend Rechnung trägt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gesagt: wir sind erstaunt über diesen Antrag, und zwar sind wir deswegen erstaunt, weil die sozialdemokratische Fraktion ganz genau weiß, daß auf dem Gebiet der Schaffung eines Gesetzes gegen den Wettbewerb in den letzten Monaten sehr viel Arbeit geleistet worden ist, und weil sie sich, worauf Herr Professor Erhard mit Recht schon hingewiesen hat, mit irgendwelchen Verbindungsleuten an dieser Arbeit beteiligt hat.
Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß ja die Bundesregierung noch gar nicht anderthalb Jahre besteht. Wir haben eine Bundesregierung, wenn ich mich nicht irre, seit September, also seit einigen Monaten.
Wie da von einer anderthalbjährigen Arbeit geredet werden kann, weiß ich nicht. Ein Kartellgesetz ist aber eine Angelegenheit, die in der Wirtschaft außerordentlich viele Umwälzungen hervorrufen wird, und es wäre leichtfertig und töricht, ein solches Gesetz über den Daumen zu peilen und nicht in der genügenden Weise vorzubereiten und durchzuarbeiten. Die Bundesregierung hat entsprechend einer Erklärung des Kanzlers und entsprechend unseren Erklärungen sehr bald, nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen hat, diese Aufgabe in Angriff genommen, und Herr Professor Erhard hat soeben bereits dem Herrn Sprecher der Sozialdemokratie nachgewiesen, daß er von dem vorhandenen Entwurf ganze Teile hier vorgelesen hat. Ich muß ganz ehrlich sagen, Herr Professor Nölting, daß ich Sie in diesem Punkt Ihrer Ausführungen heute nicht verstanden habe, wenn Sie gesagt haben, dieser ganze Entwurf sei in ein mysteriöses Dunkel gehüllt. Ich habe noch gestern mit Ihnen über diese Dinge gesprochen, und Sie wissen doch, daß durch einen Ihrer engsten Mitarbeiter hier eine bestimmte Arbeit geleistet worden ist. Sie haben gesagt: Ich kenne den Inhalt nicht. Nun, das unterstelle ich; aber Sie wissen doch, daß die Arbeit von einem Referentenentwurf bereits zu einem Ergebnis gekommen ist. Sie wissen ganz genau, daß der Entwurf im Kabinett besprochen und akzeptiert worden ist, und Sie wissen ganz genau, daß sich der Entwurf inzwischen zur Überprüfung bei den einzelnen Ministerien befindet.
Sie haben auf die Bedenken des Bundesjustizministeriums hingewiesen. Diese sind aber nur rechtlicher Natur und beziehen sich auf die Kollision mit dem Grundgesetz; andere Bedenken sind es nicht. Es ist Ihnen also doch bekannt, daß hier eine Arbeit wesentlicher Art geleistet worden ist, und das hätte der Ehrlichkeit wegen gesagt werden müssen. Ich habe auch gerade mit Ihnen darüber gesprochen, daß bei den Studienaufgaben, mit denen wir es jetzt zu tun haben, ein Vertreter Ihrer Fraktion beteiligt sein möge, und Sie haben diese Mitarbeit zugesagt. Ich weiß nicht, was bei solcher Sachlage ein Antrag des Inhalts. wie Sie ihn heute .hier vorgelegt haben, noch für einen Sinn haben soll.
Wenn in diesem Hause auf den Gebieten, wo weitgehende Übereinstimmung besteht, wirklich sachliche Arbeit geleistet werden soll, dann soll man doch solche Arbeit nicht zu solchen polemischen Extravaganzen benutzen, wie sie heute in diesem Hause leider wieder präsentiert worden sind. Ich bin der Auffassung, daß die Bundesregierung das, was sie im Rahmen ihrer kurzen Lebensdauer bereits hat tun können, getan hat. Ich bin der Meinung, daß die Arbeit, die hier begonnen worden ist, fortgesetzt werden soll. Ich bin der Meinung, daß die Vorbereitungsarbeit nicht hier im Plenum, sondern im Ausschuß getan werden soll, und beantrage deshalb die Verweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der für diese Arbeiten zuständig sein dürfte.